Hallo zusammen,
in Absprache mit Harald klinke ich mich hier ein mit einem weiteren Ansatz, den ich Anfang des Jahres ausprobiert hatte, und der bei mir bis heute als der bislang beste im Einsatz ist. Zur Erinnerung bzw. als Zusammenfassung:
Harald hat bislang drei Verfahren dargestellt, die sich im wesentlichen durch den Ansatzpunkt der Korrektur unterscheiden:
Die erste Methode, nämlich der virtuelle Gegenbass setzt bei der Zeit-Domäne an (eine in Abhängigkeit zur Raumgeometrie definierte zeitliche Verzögerung des invertierten Impulses).
Die zweite Methode, nämlich die PEQ-Methode, setzt an der Frequenzdomäne an (eine in Abhängigkeit zur dominierenden Raumresonanz definierte Frequenz, die um einen definierten Betrag in ihrer Amplitude selektiv abgesenkt und in einen Vorfilter eingearbeitet wird).
Die dritte Methode, die Selektive Frequenzband-Inversion (SFI), ist eine Weiterentwicklung der PEQ-Methode, die ebenfalls an der Frequenzdomain ansetzt. Der Unterschied zur PEQ-Methode besteht darin, dass sie absolut passgenau nicht nur eine Raumresonanz sondern - bei komplexeren multiplen Raumresonanzen - ein größeres Frequenzband korrigiert. Wie Harald bereits weiter oben beschrieb, waren seine ersten Versuche eine händische "Laubsägearbeit". Ich hatte sie dann später durch eine Selektions- und Invertierungsprozedur automatisiert, sodass man dann nur noch die "Anschluss-Stücke" an den restlichen Frequenzgang mit der Split'nJoin-Funktion händisch herstellen musste.
Ein detaillertes Rezept hierfür habe ich als PDF zum
Download erstellt.
Den Werdegang dieses Prozesses kann man auch in folgendem Thread nachlesen:
http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 34&start=0
Hörraum-Situation:
Um nachfolgende Ausführungen besser zu verstehen, kurz etwas zu meiner Hörraum-Situation:
Dieser besteht aus einem etwa 55 qm großen Raum, der mit 7,50m x 7,25m zwar nahezu quadratisch aber durch einen unregelmäßigen Wandverlauf zugleich recht verwinkelt ist; einige natürliche Diffusoren sind damit also bereits eingebaut. Zudem weist der Raum eine bis etwa 4m Höhe verlaufenden asymmetrischen Dachschräge auf. Diese hat zur Folge, dass es nicht nur eine Längs- und Quermode gibt sondern dass sich die stärkste Mode diagonal vom sog. Kniestock der Dachschräge bis zum am weitesten entfernten Punkt an der gegenüberliegenden Dachschrägen-Fläche ausbreitet.
Siehe folgende Grafik:
Es folgt daraus, dass ich mehrere, zum Teil dicht aufeinanderfolgende Erhöhungen/ Auslöschungen im FG habe, wie die folgende Logsweep-Messung am Hörplatz zeigt:
Bei der Interpretation der Messung bitte beachten, dass ich wegen der Ankoppelung des Subwoofers dessen Pegel um ca. 20dB angehoben habe gegenüber den Monitoren (mehr Info dazu siehe hier:
http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 814#p65814). Die realen Raumresonanzen sind also entsprechend geringer.
Man erkennt ein Wellenmuster von doppelten Peaks, die auf zwei dominierenden Moden bei ca. 21 Hz / 37 Hz handelt, die sich nochmal bei ca. 50,5 Hz / 59 Hz (und folgende) wiederholt.
Wenn ich das VGB-Verfahren anwende (also zeitverzögerter und invertierter Gegenbassimpuls) in Bezug auf die erste dominierende Raummode, senke ich durch die Kammfilter-Struktur des VGB-Filters die erste Mode ab, unterstütze aber z.T. die darauf folgenden Moden der Doppelspitze und hebe sie an. Die Folge ist ein in Bezug auf die erste Raumresonanz gezähmter aber zugleich immer auch ein wenig unnatürlich klingender Bass, weil eben einige zusätzliche Anhebungen erzeugt bzw. verstärkt werden, die vorher nicht existierten.
Bessere Hörergebnisse habe ich mit dem SFI-Verfahren, also der Selektive Frequenzband-Inversion, (das PEQ-Verfahren berücksichtige ich nicht weiter, weil es aus meiner Sicht dem SFI-Verfahren unterlegen ist).
Das SFI-Verfahren senkt meine Doppelspitze in ihrer Amplitude passgenau ab und füllt sogar das Tal dazwischen ein wenig auf, je nachdem, wie viel "Höhenmeter" ich von der Doppelspitze in die Vorfilter-Korrektur einbaue. Dieses Verfahren bringt für mich zwei hörbare Qualitäten bei der Basswiedergabe ins Spiel: Ein prägnanter udn zugleich trockener, präziser Bass.
So wie ich bei Optimierungen in meiner Wiedergabekette auch immer mal wieder den "Rückbau" vornehme, um die Gegenprobe zu machen, ob ich tatsächlich eine Verbesserung im Laufe der Optimierungsschritte erreicht habe, so machte ich ähnliches mit Acourate, indem ich das SFI-Verfahren der normalen Über-alles-Korrektur mit Makro 1-4 gegenüberstellte. Was mir dabei auffiel: Der Bass beim Standard-Verfahren (Makro 1-4) hört sich vergleichsweise dünn an, aber nicht so präzise wie mit dem SFI-Verfahren. Aber: Dafür hörten sich die mittleren aber vor allem die oberen Frequenzbereiche detaillierter an.
Das ist übrigens kein psychoakustisches Phänomen, wonach bei reduziertem Bassanteil, Höhen und Mitten subjektiv stärker hervortreten. Denn wenn ich beim Stadard-Verfahren eine Targetkurve mit einer linaren Höhenabsenkung von -6db einsetze, dann weist das Standard-Verfahren immer noch mehr Details auf, obwohl das Klangbild viel dumpfer im Mitten- und Höhenbereich klingt als mit dem SFI-Verfahren. Es hat also wirklich mit der Detailabbildung zu tun und nicht einfach mit einem helleren Kangbild.
Ich vermutete, dass dies an der zweifachen Faltung liegt, die man beim SFI-Verfahren braucht. Zur Erinnerung an das, was Harald weiter oben beschrieben hat: Der gemessene Frequenzgang wird mit dem erstellten SFI-Vorfilter gefaltet und dann in Makro 1-4 korrigiert. Der so erstellte Filter muss dann nochmal in der sogenannten "Finalisierung" durch nochmalige Faltung mit dem invertierten Vorfilter gefaltet werden (und zwar für jede Samplingrate einzeln).
Das Sliding 1/12-Octave Verfahren:
Die unterschiedliche Detailschärfe der verschiedenen Bass-Korrektur-Verfahren resp. ihrer Filter beschäftigten Harald und mich in der weiteren Folge unserer Experimente.
Im Zuge dieser Experimente entschied ich mich dann, das SFI-Verfahren mit einem anderen Verfahren zu vergleichen, über das ich schon in o.g. Thread berichtet hatte, als Uli die PEQ-Methode vorstellte: Nämlich in Makro 1 statt der psychoakustischen Behandlung des gemessenen Frequenzgangs die alternative Option "Sliding 1/12-octave" zu nehmen.
Siehe auch:
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http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 234#p59234
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http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 296#p59296
Denn schließlich macht hier Acourate in Verbindung mit Makro 3 genau das, was wir im Vorfilter bei der SFI-Methode händisch auch tun, nämlich eine in der Intensität einstellbare Invertierung - nur dass hier dafür nicht extra ein Vorfilter generiert wird, weil es über den gesamten Frequenzbereich wirkt.
der in Makro 1 mit der Option Sliding 1/12 Octave behandelte Frequenzgang sieht dann so aus:
Im Vergleich dazu Makro 1 mit der Option "Psychoacoustic":
Man sieht den Unterschied deutlich, was hier in welchem Ausmaß später in die Amplituden-Korrektur einbezogen wird.
Im folgenden zeige ich auf, wie sich die drei Verfahren, deren Korrekturen sich allesamt in der Frequenz-Domain bewegen (in Abgrenzung zur "echten" Gegenbass-Methode mit invertiertem und verzögerten Impuls, die sich in der Zeit-Domaine bewegt), in Frequenzgang und Sprungantwort darstellen. Bei der SFI-Methode habe ich dabei die "brutalstmögliche" Korrektur gewählt (man kann auch hier dosieren, indem man den "Wellenberg" nicht gleich am Fuße des Berges sondern erst weiter oben ansetzen lässt).
Der Übersicht wegen habe ich hier jeweils nur den linken Kanal dargestellt. Zur Erläuterung:
- Pulse44L.dbl [rot] = Original Logsweep-Pulse L (also noch unkorrigiert)
- Pulse_SFI_L.dbl [grün] = Mit der SFI-Methode korrigierter Pulse
- Pulse_PA_L.dbl [braun] = Mit der Standard-Methode (Makro 1 = Psychoacoustic) korrigierter Pulse
- Pulse_PA_L.dbl [blau] = Mit der Standard-Methode (Makro 1 = Sliding 1/12-octave) korrigierter Pulse
Interpretation:
Man kann sehen, dass alle drei Verfahren wirkungsvoll in der Lage sind, auch die wildesten Raumresonanzen sowie ausufernde Sprungantworten zu bändigen. Ferner kann man erkennen, dass die SFI-Methode leicht die Nase vorne hat, was FG und Sprungantwort betrifft. Die beiden Standard-Verfahren mit Makro 1 "Psychoacoustic" und "Sliding 1/12-octave" bringen keinen so "glatten" FG im Bassbereich zustande wie SFI. Zudem liegen beide im korrigierten Bass-Bereich durchschnittlich um etwa 3dB höher, wobei die Senken im Bassbereich mit der Option "Psychoacoustic" deutlich größer ausfallen als mit "Sliding 1/12-octave", was angesichts der weiter oben dargestellten Ergebnisse nach Makro 1 nicht verwunderlich ist.
Im direkten Hörvergleich schneidet die Standardmethode mit "Psychoacoustic" in Bezug auf die Basswiedergabe am wenigsten überzeugend ab; die Bass-Darstellung klingt dünn, vor allem wenn es um impulsive Bassanteile wie bei tiefen Trommeln, gezupftem Kontrabass o.ä. geht. Natürlicher und vom Gesamteindruck kräftiger und zugleich präzise klingt die SFI-Methode.
Die Standard-Methode mit der Option "Sliding 1/12-octave" klingt in meinen Ohren etwas weniger präzise als SFI, aber etwas kräftiger und dynamischer im Bassbereich (das kann man auch im FG und in der Sprungantwort nachvollziehen).
Doch der wichtigste Unterschied zwischen SFI und dem Standardverfahren mit Makro 1 (egal ob mit "Psychoacoustic" und "Sliding 1/12-octave") ist die Detailauflösung im Mitten und Höhenbereich. Die SFI-Methode bildet Details im Mitten und Höhenbereich auffallend verschliffener ab. Ich vermute, dass dies mit der größeren Zahl an Rechenoperationen zusammenhängt - insbesondere das mehrfache Convolven, bis der endgültige Filter fertig ist.
Wie oben erwähnt habe ich im dokumentierten Beispiel die extremste Korrektur gewählt (ein nahezu platter Verlauf des FG im Bassbereich). Um diesen extremen Eingriff als Ursache auszuschließen, hatte ich auch gemäßgtere Korrekturen ausprobiert - jedoch zeigten auch diese das gleiche Ausmaß des Detailverlustes. Letztlich ist es dieses Manko, welches mich von dieser Methode Abstand nehmen lässt, auch wenn die Basswiedergabe einen Tick präziser als mit Makro 1 "Sliding 1/12-octave".
Aus meiner Sicht ist "Sliding 1/12-octave" das bestmögliche Verfahren für meine Hörraumsituation. Dazu noch ein paar Details, die sich aus einigen Versuchsreihen mit diversen Einstellungen ergeben haben:
Zunächst das grundsätzliche Prozedere, welches ich weiter unten noch erläutern werde:
Makro 1:
Psychoacoustic Response: Sliding 1/12-octave
Frequency Dependend Window: 30/10
Makro 2:
Target-Kurve je nach Hörpräferenz
Subsonic: deaktiviert lassen
Makro 3:
Entsprechend Makro 2 durchlaufen lassen
Makro 4:
Excessphase window: x/y
Preringing compensation: x/y
Subsonic: hier Wert eintragen (z.B. 16...30)
Erläuterungen:
Je größer in Makro 1 der linke und damit in Bezug auf das Frequenzband untere Wert der Fensterung liegt, desto genauer wird der gemessene Frequenzgang bei der Korrektur im Bassbereich "nachgezeichnet". Wie Harald schon erwähnte, sollten die Korrektur-Kurven keine zu harten Kurven aufweisen. Je weicher, desto besser das Korrekturergebnis in Hinsicht auf die Detailliertheit der Wiedergabe. Zu bedenken ist ferner, dass eine Berechnung, die auf einem eingeschwungenen Zustand basiert, nicht unbedingt natürliche Schallereignisse repräsentiert.
Anderseits: je geringer die Werte, desto geringer fällt auch der Korrektureingriff in Bezug auf die Amplitude aus. Ein Wert von 30 / 10 mit der Option "Sliding 1/12 Octave" in Makro 1 hat sich bei mir hörbar am besten herausgestellt. Das kann aber von Anlage zu Anlage und Raum zu Raum variieren. Bei dieser Methode werden - wie bei der SFI-Methode auch möglich - Dips stärker in die Korrektur einbezogen und dementsprechend auch bis zu einem gewissen Grad "gefüllt".
Daher ist es nicht sinnvoll, die übliche lineare Höhenabsenkung um meist -3dB bei der Targetkurve linear bei 0 Hz zu beginnen, sondern erst ab der Frequenz, bei der sich die Raummoden nicht mehr so stark bemerkbar machen (bei mir etwa ab 105 Hz). Ansonsten könnte im Höreindruck der Bass gegenüber den Höhen etwas zu dominant werden (im Schnitt etwa 1-1,5dB zu stark bei einer linear absenkenden Targetkurve von -3dB).
Der mit dieser Methode korrigierte Frequenzgang sieht dann so aus:
Grundsätzlich führt das SFI-Verfahren mit seinen Prefiltern zu stabileren Filtern als das Standardverfahren mit Sliding 1/12-octave. Aus diesem Grunde muss der Schritt Makro 4 mit Test-Convolution (Makro 5) auf Preringing hin kontrolliert werden. Bei Auftreten von Preringing sollte Makro 4 mit niedrigieren Werten bei "Excess window" oder höheren Werten bei "Preringing compensation" wiederholt werden.
Fazit:
Für das Thema Bass-Korrektur stehen nun also 4 verschiedene Verfahren zur Verfügung, wovon lediglich das erste Verfahren korrekterweise den Namen virtueller Gegenbass verdient, weil nur dieses Verfahren tatsächlich die Zeitdomäne betrifft, indem hier eine reale definierte zeitliche Verzögerung des amplitudeninvertierten Signals erfolgt. Ich halte sie weiterhin für sinnvoll überall dort, wo man entsprechende geometrische Voraussetzungen analog zum echten DBA hat (quaderförmiger symmetrischer Raum).
Überall dort aber, wo aufgrund einer komplexeren Raumgeometrie mehrere Raummoden am Hörplatz zu multiplen Resonanzmustern führen (wie in meinem Hörraum ), die dann auch entsprechend korrigiert werden müssten, kommt man mit diesem Verfahren aufgrund seines kammfilterartigen periodischen Korrekturmusters schnell an seine Grenzen.
In diesen Fällen würde ich es zunächst mit dem Sliding 1/12 Octave Verfahren ausprobieren. Erst wenn es damit keine befriedigende Ergebnisse im Bassbereich ergibt, würde ich auf das SFI-Verfahren gehen, welches differenzierte Eingriffe erlaubt - allerdings zu dem Preis der beschriebenen Einbuße an Details.
Dieses Phänomen beschäftigt uns seither immer wieder, und wir werden zu gegebener Zeit in einem eigenen Thread darüber berichten.
Grüße
Fujak