Bass-Chassis mit variierbarer bewegter Masse als Königsweg?

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musikgeniesser
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Bass-Chassis mit variierbarer bewegter Masse als Königsweg?

Beitrag von musikgeniesser »

Moin Forenten,

als Mechaniker (im Geiste) unter den Elektronikern (im Wunschdenken, aber immerhin auch im Einsetzen geregelter Lautsprechersysteme) interessiert mich die Frage, ob es lohnend ist, bei der Dimensionierung geregelter Bass-Chassis mechanische Modifikationen in Erwägung zu ziehen.

Die Geschichte geht nämlich so:

Auf dem Heimweg hatte ich am Hauptbahnhof ein paar Minuten Zeit und da dachte ich mir, ich gehe mal wieder in den Zeitschriftenkiosk. Das

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fand ich denn doch ein näheres Hinsehen wert: also der Artikel über den Subwoofer unter Einsatz des Mivoc XAW 320 HC, der sich durch Zusatzgewichte modifizieren lässt.

Der selige Guido J. Wasser hat mir vor Urzeiten den Floh ins Ohr gesetzt, eine solide konzipierte Mechanik sei der Schlüssel zu rabenschwarzen Bässen. Dabei seien gerade schwere schwingende Systeme erstrebenswert. Leuchtet ja auch ein. Er hat es dann ja auch tatsächlich hinbekommen, von Isophon nach seinen Vorgaben modifizierte Chassis herstellen zu lassen, mit denen er ohne Regelung eine (selbstverständlich) geschlossene Box mit ordentlicher Basswiedergabe bauen konnte. Näheres zur Auffrischung nochmal hier:

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  • Was sagt Ihr alten Kämpen zu dieser Frage?
  • Habt Ihr überhaupt eine Meinung?
  • Zum Inhalt: ist es nicht besser, statt Fehler elektronisch wegzubügeln, jene erst gar nicht entstehen zu lassen, indem man die mechanischen Parameter gleich in die richtigen Regionen verschiebt?
  • Oder ist es vielmehr so, dass diese elektronischen Korrekturen viel erfolgreicher sind als alle mechanischen Klimmzüge je sein könnten?
  • Oder ist es auch hier so, dass die Wahrheit mal wieder in der Mitte liegt? Dann würde mich interessieren, wie diese Mitte denn wohl aussehen mag.
Einen wunderschönen Abend und

herzliche Grüße

Peter
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Peter,

seit 2008 arbeite ich zusammen mit Seta Audio, die im Prinzip aus anderen Bewegründen heraus, eine schwerere Membran für Ihre Chassis einsetzen.

Dabei handelt es sich eigentlich um Tief- Mitteltöner und dem Messungen nach, die ich gemacht habe, ist es wirklich so, dass die erhöhte Masse bis zu einen gewissen Punkt ähnliches leistet wie eine elektronische Entzerrung.

Klar ist, dass die erhöhte Masse auch Nachteile hat, wie z.B. eine geringere Empfindlichkeit (Wirkungsgrad), dem wir mit einem stärkeren Antrieb entgegen gewirkt haben.

Ich habe dazu auch ein White Paper geschrieben: http://www.seta-audio.de/WhitePaper.pdf
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Hallo Peter,

ich kenne einen Hersteller, der mit extrem kräftigem Antrieb und großer Membranmasse so geringe Verzerrungen hinbekommt wie z.B. die geregelten Velodynes, nämlich SVS mit ihrem größten Modell. Im Forum gibt es dazu einen Thread mit Bildern des Chassis: http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?f=16&t=2833

Ich habe schon von einigen gelesen, die ihren Velodyne gegen den SVS PB13 Ultra getauscht haben, weil der präziser klingt.

Grüße
Fujak
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

cay-uwe hat geschrieben: Klar ist, dass die erhöhte Masse auch Nachteile hat, wie z.B. eine geringere Empfindlichkeit (Wirkungsgrad), dem wir mit einem stärkeren Antrieb entgegen gewirkt haben.

Ich habe dazu auch ein White Paper geschrieben: http://www.seta-audio.de/WhitePaper.pdf
Hallo Cay-Uwe

Ich habe die Seta Lautsprecher gehört und fand sie sehr, sehr sauber im Klang. Als erstes fielen die beiden konvexen Bass-Mitteltonmembranen auf, der AMT Hochtöner ist uns ja schon bekannt. Für 2 "Kalottenmitteltöner" fand ich den Bass erstaunlich tiefreichend und durchaus mit Wärme. Sie standen parallel und rückwandnah in einem Raum mit geschätzten 8x8m. Als einziger Kritikpunkt blieb bei mir die im Vergleich zum Hochtonbereich breitere und etwas diffusere Mitteltonwiedergabe haften, aber ich hatte keine Gelegenheit, diese Lautsprecher eingewinkelt zu hören, um den Seitenwandeinfluss (nachträglich geschätzt über 1,50m) zu reduzieren.

Die Lautsprecher entsprachen dem, was in dem White Paper abgebildet ist, in dem du auf S.15 schreibst:
Im Gegensatz zu der Transmissionline oder Bassreflexkonstruktion muss die Membran in einer „Closed Box“ Auslenkungen ausüben, um vergleichbare Pegel zu erreichen. Das führt zu starken Kompressionserscheinungen, was sich wiederum auf den Klang negativ auswirken wird.
Wir wünschen uns natürlich alle auslenkungsfreie Lautsprecher, die dabei dennoch erstaunliche Pegel abstrahlen. :mrgreen:

Die beidseitigen Schallöffnungen haben etwa die 9-fache Membranfläche, das ist ungewöhnlich groß gemessen an den Transmissionlines, die ich sonst kenne. Ich vermute, die Verteilung auf 18 Öffnungen an den Seiten ist ein Weg, den ins Gehäuse abgestrahlten Mitteltonbereich auszufiltern, vielleicht rührt auch daher mein Eindruck etwas diffuser Mitten. Dass das Gehäuse ohne Dämmaterial auskommt, ist mir neu und im Nachhinein überraschend und verblüffend.

Ein interessantes Konzept mit vielen neuen Ideen, die offenbar weitgehend funktionieren.

Grüße Hans-Martin
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Hans-Martin hat geschrieben:
cay-uwe hat geschrieben: Klar ist, dass die erhöhte Masse auch Nachteile hat, wie z.B. eine geringere Empfindlichkeit (Wirkungsgrad), dem wir mit einem stärkeren Antrieb entgegen gewirkt haben.

Ich habe dazu auch ein White Paper geschrieben: http://www.seta-audio.de/WhitePaper.pdf
Hallo Cay-Uwe

Ich habe die Seta Lautsprecher gehört und fand sie sehr, sehr sauber im Klang. Als erstes fielen die beiden konvexen Bass-Mitteltonmembranen auf, der AMT Hochtöner ist uns ja schon bekannt. Für 2 "Kalottenmitteltöner" fand ich den Bass erstaunlich tiefreichend und durchaus mit Wärme. Sie standen parallel und rückwandnah in einem Raum mit geschätzten 8x8m. Als einziger Kritikpunkt blieb bei mir die im Vergleich zum Hochtonbereich breitere und etwas diffusere Mitteltonwiedergabe haften, aber ich hatte keine Gelegenheit, diese Lautsprecher eingewinkelt zu hören, um den Seitenwandeinfluss (nachträglich geschätzt über 1,50m) zu reduzieren.

Die Lautsprecher entsprachen dem, was in dem White Paper abgebildet ist, in dem du auf S.15 schreibst:
Im Gegensatz zu der Transmissionline oder Bassreflexkonstruktion muss die Membran in einer „Closed Box“ Auslenkungen ausüben, um vergleichbare Pegel zu erreichen. Das führt zu starken Kompressionserscheinungen, was sich wiederum auf den Klang negativ auswirken wird.
Wir wünschen uns natürlich alle auslenkungsfreie Lautsprecher, die dabei dennoch erstaunliche Pegel abstrahlen. :mrgreen:

Die beidseitigen Schallöffnungen haben etwa die 9-fache Membranfläche, das ist ungewöhnlich groß gemessen an den Transmissionlines, die ich sonst kenne. Ich vermute, die Verteilung auf 18 Öffnungen an den Seiten ist ein Weg, den ins Gehäuse abgestrahlten Mitteltonbereich auszufiltern, vielleicht rührt auch daher mein Eindruck etwas diffuser Mitten. Dass das Gehäuse ohne Dämmaterial auskommt, ist mir neu und im Nachhinein überraschend und verblüffend.

Ein interessantes Konzept mit vielen neuen Ideen, die offenbar weitgehend funktionieren.

Grüße Hans-Martin
Hans-Martin,

ich danke Dir für diese Einschätzung von Dir zu dem Seta Audio Lautsprechern, denn wir sprechen hier von Boxen, die marketungtechnisch mit zwei 15er Tief- Mitteltöner arbeiten.
Die Zusammenarbeit mit Seta Audio macht mich auch etwas stolz, denn zur Serienreife habe ich diese Chassis gebracht, in dem ich die gesamte Produktion optimiert habe, aber auch die Parametrisierung durchgeführt habe.

Aber um beim Thema zu bleiben. Nach dem gleich Prinzip hat Seta Audio auch Subwoofer im Programm, die hier zu sehen sind:

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und damit man einen Größenvergleich hat, mal ein Bild mit mir :wink:

Bild

Auch hier macht sich die erhöhte Masse der Membran positiv bemerkbar, da sie sehr stabil ist, einer gegenüber des Originalchassis niedrigere Grenzfrequenz besitzt, aber viel wichtiger, und das habe ich im White Paper auch beschrieben, die höhere Masse wirkt wie ein mechanisches Filter, was sich wie eine Entzerrung auswirkt. Dabei ist das Phasenverhalten annähernd ideal.
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