Verständnisproblem mit Latenz

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thorsten
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Verständnisproblem mit Latenz

Beitrag von thorsten »

Hallo zusammen,
nicht schlagen, aber ich habe eine doofe Frage: wozu brauche ich beim Musikhören eine geringe Latenz?

Ich lese immer, daß eine geringe Latenz super und total wichtig ist. Mein Rechner ist nun aber recht schwach auf der Brust (dafür ist er lautlos 8) ), sodaß ich mit der Fireface UC über USB eine Latenz von 128ms eingestellt habe.

Aber: bei Wiedergabe ist das doch egal? Wenn ich z.B. ein Klavier über passende Software und Midi spielen möchte, ist diese Verzögerung natürlich ein no- go.

Oder bin ich auf dem Holzweg?
Schönen Gruß
thorsten
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Jahresprogramm
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Beitrag von Jahresprogramm »

Hallo Thoersten,

welche Latenz ist nun gemeint? Ich habe z.B. beim Abspielen auf dem Recher und zwar genau ab dem Startpunkt der Wiedergabe bis zur Ausgabe aus den LS über eine Sekunde Latenz. Das ist kein Problem.
Wenn man von Kernel-Latenz eines Betriebssystems spricht, handelt es sich vereinfacht gesagt um die Zeit, welche das Betriebssystem benötigt um ein Task abzuarbeiten. Hier sind Sekunden Werte absolut inakzeptabel......

Bei reiner Audio-Wiedergabe ist es bis auf die etwas eingeschränkte Bedienung des Players tatsächlich absolut egal, wie hoch die Latenz ist.

Grüße
Alex
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Chrissi1
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Beitrag von Chrissi1 »

super, endlich mal ein "für-Blödmänner-Thread"... :mrgreen:

Tag zusammen,

ich steige noch tiefer ein: wo sehe ich denn bei einem Win7 Rechner der an einem USB DAC hängt die Latenz?

Danke und nicht schlagen

Christian
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gregor
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Beitrag von gregor »

Chrissi1 hat geschrieben:Danke und nicht schlagen
Bitte!

Hallo Christian, Alex und Thorsten,
Jahresprogramm hat geschrieben:welche Latenz ist nun gemeint?
ein mit mir bekannter Lehrer hat das mal so definiert: "Latenz ist, wenn der Groschen mit dem Fallschirm fällt".
Bei der Latenz, von der man in Homerecording-Foren immer ließt, ist diejenige Zeit gemeint, mit der das Audio-Interface verzögert wird, um sicherzustellen, dass der Datenstrom nicht abreißt. Wenn ein Musiker also live einspielen will, ist eine möglichst geringe Latenz sinnvoll, bei der Wiedergabe von Konserve sollte* das keine Rolle spielen. Diese Latenzen werden in ms angegeben, in DAWs manchmal auch als Zahl der Samples. Diese Werte lassen sich häufig in der Abspieloftware einstellen, zu WIN kann ich da nichts sagen.
Thorsten ist also nicht auf dem Holzweg*!

* Diese Annahmen sollten eine Wiedergabe über die Soundkarte ermöglichen, die frei von Knacksern&Aussetzern ist und damit im Sinne von 0/1 ohne Probleme funktioniert. Zur weiteren Optimierung der Wiedergabequalität kann ich nur auf die einschlägigen Threads hier verweisen. Es scheint sich dabei abzuzeichnen, dass "schwachbrüstige" PCs einer optimalen Wiedergabe zuwiderlaufen.

Beste Grüße

gregor
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

thorsten hat geschrieben:wozu brauche ich beim Musikhören eine geringe Latenz?

Ich lese immer, daß eine geringe Latenz super und total wichtig ist. Mein Rechner ist nun aber recht schwach auf der Brust (dafür ist er lautlos 8) ), sodaß ich mit der Fireface UC über USB eine Latenz von 128ms eingestellt habe.

Aber: bei Wiedergabe ist das doch egal? Wenn ich z.B. ein Klavier über passende Software und Midi spielen möchte, ist diese Verzögerung natürlich ein no- go.
Ein paar Gedanken zur Latenz:

1. ich unterhalte mich mit jemandem. Er steht 1 m von mir entfernt. Ich sehe die Bewegung der Lippen. Der Schall benötigt 1m / 343 m/s = 2,9 ms (Verzögerung oder Latenz) bis er bei mir eintrifft. Ich habe kein Problem mit Lipsync.

2. Ich höre in der Schule den Lehrer vorne sprechen, sitze selbst in der hinteren Reihe. Abstand ist nun 10 m. Die Latenz ist nun 29 ms. Trotzdem kein Problem mit Lipsync.
Selbst im Hörsaal nicht.

Fazit: aufgrund natürlicher Gegebenheiten sind wir relativ tolerant gegenüber Schallverzögerungen

3. Etwas anders sieht es nun aus, wenn Ereignisse synchronisiert werden sollen.Stellen wir uns mal ein großes Orchester vor, wo die Musiker ihren Einsatz dann machen, wenn sie irgendeinen anderen Musiker spielen hören. Genau deshalb schwingt da jemand einen Taktstock. Thema Synchronisation. Um ein Aufschaukeln von Verzögerungsketten zu verhindern (analoges Beispiel wäre der Stau auf der Autobahn)

4. Eine Soundkarte nimmt bei 96 kHz ein Sample in 10,4 µs auf. Wenn ein Rechner nun samplegenau rechnen wollte, müsste er die Berechnungen innerhalb dieser Zeit fertig stellen. Inkl. Zuteilung des Rechenprozesses durch das Multitasking-Betriebssystem. Das Extrembeispiel zeigt, dass das System arg gefordert wäre.
Ergo sammelt die Soundkarte die Daten in einem Puffer, ich glaube 64 Samples ist der Mindestwert.
Das Sammeln verursacht wiederum eine Latenz, es dauert eben, bis ein Puffer voll ist. Mit 2048 Samples bei 96 kHz sind das 21 ms entsprechend 7,3 m Schallweg.
Was, siehe oben, kein Problem darstellt, es sei denn ... man muss das Schallereignis mit etwas anderem synchronisieren. Z.B. am Mischpult regeln oder ähnliches.

5. Werden die Rechenoperationen noch komplexer, werden die Puffer größer. Eine Fouriertransformation bzw. Convolution mit 32768 Samples ist für die CPU effizienter als 32 Transformationen mit 1024 Samples.
Das wird dann eben erkauft mit einer größeren Latenz. Solange es keinen Synchronisationsbezug dazu gibt, spielt es keine Rolle. Dass die Musikwiedergabe auf Knopfdruck eine Sekunde später startet ist kein großes Problem. Wenn dabei ein Film läuft denn doch.

Fazit: die Latenz ist absolut unwichtig, wenn man sie nicht als störend empfindet. Sie wird wichtig, wenn die Schallwiedergabe mit anderen Ereignissen synchronisieren muss. Wobei m.E. Latenzen bis 20 ms allesmal tolerierbar sind.

Grüsse
Uli
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Thorsten

Wenn ich Vinyl abtaste oder CDs im CD-Player abspiele, dann das Signal durch mein Raumkorrektursystem schicke, habe ich die Möglichkeit, eine Verzögerung (Delay) einzustellen, Latenz vorteilhaft zu nutzen.
Ich habe 60ms eingestellt, das entspricht etwa der Wellenlänge von 16 Hz.

Angenommen, es gibt eine Rückkopplung vom Lautsprecher zur Signalquelle, dann trifft die erste Wellenfront vom Lautsprecher erst ein, wenn die Anstiegsflanke des Signals am Tonträger vollständig abgetastet wurde. Störungen verschieben sich in den mitschwingenden oder ausklingenden Teil des Tons, die für die Ortung wichtige Transiente bleibt ungestört. In der Folge kann die Musik plastischer wiedergegeben werden. Die Musik wird dann praktisch vom Festspeicher gespielt.

Da bei Festplatten mit Cache akustische Rückkopplungen nicht bekannt sind, ergibt sich hier aus dem Obigen vermutlich kein Vorteil.

Grüße Hans-Martin
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Chrissi1
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Beitrag von Chrissi1 »

Danke Uli für Deine Erklärungen :cheers:
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music is my escape
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Beitrag von music is my escape »

Mmh, so sehr die bisherigen Erklärungen, und das ist vollkommen wertungsfrei gemeint, auch der gängigen Lehrmeinung (Latenz ist aufnahme- aber nicht wiedergaberelevant) entsprechen, klammern die oftmals auch hier gemachten Beobachtungen einer steigenden Wiedergabequalität bei möglichst geringem Versatz (quasi so sehr in Richtung Echtzeit wie möglich) leider aus....

Evnt. hat ja jemand dazu noch einen Ansatz (Angriffsfläche durch längere Speicherbelegung, Fragmentierung etc....)....

VG, Thomas.

:cheers:
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