Trinaurales Hören

Thias
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Beitrag von Thias »

uli.brueggemann hat geschrieben:... Angenommen es liegt ein reines Monosignal links vor. Das könnte ja doch zufällig mal im Signal so vorkommen, oder? Demzufolge wäre der Signalanteil R=0. Daraus wird nun
L -> L - R/2 = L
R -> R - L/2 = -L/2
C -> (L+R)/2 = L/2
D.h. also dass nun anstelle der reinen Wiedergabe links der Center zusätzlich noch den halben Anteil gleichphasig spielt und der rechte Lautsprecher den halben Anteil gegenphasig. Natürlich wird die Wiedergabe jedes LS von seinen Umgebungsbedingungen beeinflusst und alles mischt sich irgendwie zu einem Klangbild.

Und der Versuch wäre ja nun einfach machbar. Einmal Wiedergabe eines Monosignals links mit bzw. ohne zugeschaltetemTrinaural. Wie ändert sich die Position, wie ändert sich das Klangbild ?
Hallo Uli,

das sind die genau richtigen Überlegungen. Ein rein linkes Signal (auch wenn es selten vorkommt) würde theoretisch nicht ganz bei der linken Box liegen, sondern vielleicht bei 1/4 der linken virtuellen Bühne. Ein logischer Schluss daraus wäre, dass bei Tri die Bühne 90° beträgt und nicht 60° wie bei Stereo.

Ich habe dazu mal vor einiger Zeit Tests gemacht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen (aus einem anderen Forum):
Thias hat geschrieben:Ein großer Kritikpunkt bei Tri ist, dass immer alle Lautsprecher etwas abstrahlen, auch wenn nur aus einer Richtung etwas kommen soll.

Bei Mono:
L=0,5
C=1
R=0,5

Wenn nur ein linkes Signal wiedergegeben wird, dann ist L=1 C=0,5 R=-0,5. Das ist natürlich wider der reinen Lehre.

Die Absenkung des Pegels einer Box um 6 dB (halber Pegel) verschiebt die Ortung auf der Stereobühne um etwa 50 %, also auf 1/4 der Basisbreite.

Um das auf den Tri-Aufbau zu übertragen, Extremfall Stereo L=1, R=0:

L=1 C=0,5 und mal spekulativ angenommen R=0, was nicht auftreten kann.

Dann würde bei 90°-Tri-Aufbau das Signal bei -34° ortbar sein (bei Stereo bei -30). R ist aber nicht 0, sondern -0,5. Das wird sich zwar mit C=0,5 nicht aufheben, aber abschwächen, bei tiefen Frequenzen mehr, bei hohen weniger (ich denke aber auch die erste Wellenfront dürfte sich auch bei höheren Frequenzen im sweetspot mehr auslöschen).

Ich bin überzeugt, dass man so auf eine Ortung von mind. -40° bei einem linken Signal kommt (was auch auf jeden Fall mind. meinen Praxiserfahrungen entspricht). Das ist also deutlich mehr als bei Stereo mit -30°. Deswegen hab gerade ein paar Experimente mit rosa Rauschen gemacht.

Audioprogramm: SamplitudePro
Linke Box: nuwave 3
Center: nuVero 14
Rechte Box: nuVero 14

Monosignal
Ortung genau im Center, Breite etwa +/- 3° (mittlere Schärfe)
beim Abschalten von R/L natürlich leiser und schmalere Ortung (sehr scharf)

PAN L-6dB
Ortung bei + 20° (mittler Schärfe)

PAN L -90 dB
Ortung bei etwa knapp unter 45° sehr scharf

PAN R -6 dB
Ortung bei etwa knapp -20°, nicht sehr scharf

PAN R -90 dB
Ortung bei etwa knapp 40 ° nicht sehr scharf

Mein Fazit:
Die Basisbreite wird fast für 90° ausgenutzt bei identischen Boxen, wie auch immer das theoretisch begründbar ist . Selbst meine weiter oben dargestellten idealen theoretischen Betrachtungen bringen kaum dieses Ergebnis...

Bei ungleichen Boxen wird die Basisbreite nicht völlig genutzt, was auch leicht nachvollziehbar ist. Auch die Schärfe der Ortung leidet. Aber die Boxen sind auch extrem unterschiedlich (2-Wege Kompakt und 3 1/2 Wege große Standboxen) Ich staune, dass Tri da überhaupt noch funktioniert.

Insgesamt hätte ich aber eine schärfere Abbildung vom rosa Rauschen erwartet. Instrumente sind jedenfalls schärfer ortbar. Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass Rauschen breitbandig ist und die Ortungswinkel evtl. frequenzabhängig. Kann aber auch sein, dass die Unschärfe durch die nicht ideale Berechnung kommt, oder sehr wahrscheinlich durch ungleiche Boxen.

Den viel kritisierte Punkt, dass bei L=1 der C=0,5 R=-0,5 nur eine "Pseudo-Null" sind, empfinde ich nicht als Nachteil. Im Gegenteil, es ist für mich eine sehr dezente und greifbare Raumillusion, die aber sehr hintergründig ist. Das widerspricht zwar der "reinen Lehre", aber Stereo macht das auch nicht viel besser mit den Kammfiltereffekten.
Grüße
Thias
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Thias
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Beitrag von Thias »

JOE hat geschrieben:... Mehr noch als die Anforderung, 3 identische LS verwenden zu müssen (mit der Folge eines Austausches meiner BM 12/IV, hinzukommend ein größerer Platzbedarf), hat mich der Mangel an echten 3-Kanal-Aufnahmen von der Idee Abstand nehmen lassen; denn das überragende Kriterium für meine Musikauswahl ist die künstlerische Qualität der jeweiligen Interpretation. Alles andere kommt (abgestuft) erst danach.
Hallo Joe,

das ist eine völlig legitime Entscheidung. :cheers:

Bei mir war es so, dass ich von passiv auf aktiv umrüsten wollte, und da habe ich eben 3 Aktive gekauft. :wink:

Platzbedarf ist ein echtes Argument, ich höre diagonal (allerdings mit dem Nachteil der nicht symmetrischen Raumaufteilung. Durch gleichmäßig bündelnde Lautsprecher und acourate kommen aber trotzdem recht gute Ergebnisse zustande. Für mein Empfinden jedenfalls deutlich besser als reines Stereo).

Ja, leider gibt es wenig echte 3-Kanalaufnahmen. Bei DVD´s mit Konzertmitschnitten (leider ist da die Qualität oft nicht so gut) ist es aber auch schon beeindruckend, da rechne ich auf 3.0 herunter.

Grüße
Thias
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Thias hat geschrieben:Insgesamt hätte ich aber eine schärfere Abbildung vom rosa Rauschen erwartet. Instrumente sind jedenfalls schärfer ortbar. Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass Rauschen breitbandig ist und die Ortungswinkel evtl. frequenzabhängig sind.
Thias, sie sind. Die Lokalisation bei Stereo wurde vielfach untersucht. Sengpiel hat eigene Untersuchungen in einer Grafik zusammengefasst:

http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDL.pdf

Bei Kanaldifferenz 6 dB variiert demnach die Lokalisation von 43% (Bass) zu 52% (Hochton), bezogen auf den Abstand der Lautsprecher von der Mitte (= halbe Stereobasis, Lautsprecher im gleichseitigen Dreieck, 60°). Bei -16 dB wächst die Divergenz Bass/Hochton sogar auf 12%.

Ähnliche Kurven präsentieren Wittek u.Theile hier:

http://www.hauptmikrofon.de/HW/AES112_Wittek_Theile.pdf

Untersuchungen unter 90° Boxenaufstellung statt 60° sind mir nicht bekannt.

Grüße Hans-Martin
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Thias
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Beitrag von Thias »

Hans-Martin hat geschrieben:Die Lokalisation bei Stereo wurde vielfach untersucht. Sengpiel hat eigene Untersuchungen in einer Grafik zusammengefasst:

http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDL.pdf
Es ist doch schön, wenn die eigenen Versuche durch die Theorie bestätigt werden :wink: Die "grauenhaft unübersichtliche Seite" von Sengpiel mag ich auch sehr, dort ist enormes Wissen gebündelt :cheers:
Untersuchungen unter 90° Boxenaufstellung statt 60° sind mir nicht bekannt.
Bei Tri sind es eigentlich 2 x 45°.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Dann sage ich, 30° aus der Mitte heraus und gleichbedeutend /spiegelbildlich die andere Seite.

Sengpiel schreibt: Für 30° Schalleinfall = 100 %
Leider nicht: Für 45° Schalleinfall = 100 %

Grüße Hans-Martin
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ebs
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Beitrag von ebs »

Hans-Martin hat geschrieben: am 24.02.2012, 12:41:
Untersuchungen unter 90° Boxenaufstellung statt 60° sind mir nicht bekannt.
Hans-Martin hat geschrieben: am 24.02.2012, 14:42:
Sengpiel schreibt: Für 30° Schalleinfall = 100 %
Leider nicht: Für 45° Schalleinfall = 100 %
Dazu eine Quelle als Hilfe: Stereo-Lautsprecherwiedergabe in Tonfilmtheatern 2

Hier werden als Lautsprecheraufstellungsvergleich maximale Schalleinfallswinkel (100%) von 51°, 32°, 23° und 17° gezeigt und die jeweilige Richtungslokalisation in Abhängigkeit von der Pegeldifferenz angegeben:
The effect of movement along the center line is illustrated in Fig. 5, where it will be seen that quite large changes in position have little effect on the results. However, it was noted that for close listening positions the sound image appeared to be elevated to a level well above that of the loudspeakers.
Mit "Intensity Difference" ist hier wohl die Schall(druck)pegeldifferenz gemeint. Demnach soll zwischen einer üblichen Stereo-Lautsprecheraufstellung von 2×30° = 60° und einer Trinaural-Lautsprecheraufstellung von 2×45° = 90° nur ein geringer Unterschied feststellbar sein (little effect).

Eine weitere Quelle: Stereo-Lautsprecherwiedergabe in Tonfilmtheatern 1

Die Abstände der Zuhörer betrugen jeweils 5, 15 und 30 m (!) und der Abstand der beiden Lautsprecher voneinander 10 m (!). Die Versuche fanden sowohl im Freien, als auch in Räumen mit verschiedenen Nach-hallzeiten statt. Sowohl der Abstand, als auch die Raumeigenschaften zeigten keinen wesentlichen Einfluss auf die Messergebnisse. Aus diesem Grund ist in Bild D 9 zu den rechnerisch ermittelten Kurven auch nur eine aus allen Versuchen gemittelte Kurve (2) und, im Vergleich dazu, noch eine von K. de Boer ermittelte Kurve (3) wiedergegeben.

Viele Grüße ebs
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Thias
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Beitrag von Thias »

ebs hat geschrieben:Demnach soll zwischen einer üblichen Stereo-Lautsprecheraufstellung von 2×30° = 60° und einer Trinaural-Lautsprecheraufstellung von 2×45° = 90° nur ein geringer Unterschied feststellbar sein (little effect).
... sehr interessant,

wenn ich es richtig verstanden habe, ist die Richtungslokalisation bei unterschiedlichen Schalleinfallswinkeln prozentual nahezu identisch.

Was mich aber erstaunt ist, dass bei Stereo und einem Schalleinfallswinkel von 51° (2x) die Klangbühne noch nicht auseinader reißt. Das geht wahrscheinlich nur in einem akustisch behandelten Raum.

In einem Tonfilmtheater aber durchaus ein realistischer Umstand in der ersten Reihe :wink:

Grüße
Thias
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ebs
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Beitrag von ebs »

Thias hat geschrieben: ... sehr interessant, wenn ich es richtig verstanden habe, ist die Richtungslokalisation bei unterschiedlichen Schalleinfallswinkeln prozentual nahezu identisch. Was mich aber erstaunt ist, dass bei Stereo und einem Schalleinfallswinkel von 51° (2x) die Klangbühne noch nicht auseinader reißt. Das geht wahrscheinlich nur in einem akustisch behandelten Raum.
Die Aufstellung der Stereolautsprecher im ±30° = 60° gleichwinkligen und damit auch gleichseitigen Stereo-Dreieck mit dem Zuhörer war nicht von Anfang an in dieser speziellen Art so festgelegt.
So hatte beispielsweise K. De Boer in "Plastische Klangwiedergabe", Philips Technische Rundschau, 5. Jahrgang, Heft 4, 108 - 115 (1940) vom Zuhörer aus gesehen einen Abhörwinkel von ±26,6° = 53,2° und F. H. Brittain, D. M. Leakey in "Two-channel stereophonic sound systems. Wireless World, pp. 206 - 210, (1956) hatte einen Abhörwinkel von ±32° = 64°.
Um überhaupt diese Winkel mit den wissenschaftlich gefundenen Pegeldifferenzwerten in dB der verschiedenen Autoren vergleichen zu können, musste die unpraktische Winkelgradeinteilung verlassen werden und in die praxisnahe prozentuale lineare Verteilung auf der Lautsprecherbasis umgerechnet werden.

Lesenswerte Beiträge zu diesem Thema:

"Lokalisationstests: Einteilung der Stereo-Lautsprecherbasis bei unterschiedlichem Hörabstand":
http://www.sengpielaudio.com/Lokalisati ... ngStLS.pdf

"Vergleich der winkellinearen und streckenlinearen Einteilung der Stereo-Lautsprecherbasis":
http://www.sengpielaudio.com/VerglDerWinkellinearen.pdf

"Lokalisationswinkel in Hörereignisrichtung – Umrechnung":
http://www.sengpielaudio.com/Lokalisati ... chnung.pdf

"Praktische Daten zur Lokalisation von Phantomschallquellen bei 'Intensitäts'- und Laufzeit-Stereofonie":
http://www.sengpielaudio.com/Praktische ... sation.pdf

"Gleichungen für die Pegeldifferenz- und Laufzeitdifferenz-Lokalisationskurve":
http://www.sengpielaudio.com/GleichungenDLundDt.pdf

"Berechnen der Hörereignisrichtung durch Interchannel-Pegeldifferenz und Interchannel-Laufzeitdifferenz":
http://www.sengpielaudio.com/Rechner-lo ... kurven.htm

Hörereignisrichtung in Abhängigkeit von der Interchannel-Pegeldifferenz Δ L
http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDL.pdf

Hörereignisrichtung in Abhängigkeit von der Interchannel-Laufzeitdifferenz Δ t
http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDt.pdf

Die wenigsten Menschen hören zu Hause ihre Stereoaufnahmen im Sweetspot des 60°-Stereodreiecks ab.
Wenn man sich zu nahe auf der Mittelinie zu den Lautsprechern befindet, dann werden Phantomschallquellen im Center über den Lautsprechern erhoben (elevated) erscheinen. Dass dadurch die Klangbühne dabei auseinanderfällt ist nicht bekannt: vorausgesetzt ist immer eine gute Tonaufnahme.

Viele Grüße ebs
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Thias
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Beitrag von Thias »

... ja, ist klar, man sollte sich auf eine einheitliche Sprechweise einigen, die alleinige Angabe von Winkeln ist nicht ausreichend.
ebs hat geschrieben:[Hörereignisrichtung in Abhängigkeit von der Interchannel-Pegeldifferenz Δ L
http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDL.pdf

Hörereignisrichtung in Abhängigkeit von der Interchannel-Laufzeitdifferenz Δ t
http://www.sengpielaudio.com/HoerereignRichtungDt.pdf
Ich habe es vermutet, aber nicht gedacht, dass die Lokalisationsschärfe bei einem breitbandigem Signal bei Laufzeitdifferenzen so viel ungenauer ist als bei Pegeldifferenzen.
Das bedeutet für den Hörer, dass Aufnahmen mit überwiegenden Pegeldifferenzen eine genauere Lokalisation der virtuellen Bühne ermöglicht?

Für mich hatte ich es bisher so verstanden:
Solisten mehr durch Intensitätsmikrofonie aufgenommen werden (oder auch mit Stützmikros), dazu sollte aber auf jeden Fall der Nachhall (künstlich oder real) für einen Räumlichkeitseindruck mehr Laufzeitdifferenzen haben.
Kann man das so sagen, dass die Laufzeitdifferenzen mehr für einen diffusen und "räumlichen Klangeindruck" dienen?
Was ist bei den meisten Aufnahmen mehr anzutreffen, Intensitäts oder Laufzeitstereofonie?
Sicher gibt es da starke Unterschiede Pop/Jazz/Klassik.
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ebs
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Beitrag von ebs »

Thias hat geschrieben: ... Ich habe es vermutet, aber nicht gedacht, dass die Lokalisationsschärfe bei einem breitbandigem Signal bei Laufzeitdifferenzen so viel ungenauer ist als bei Pegeldifferenzen.
Das bedeutet für den Hörer, dass Aufnahmen mit überwiegenden Pegeldifferenzen eine genauere Lokalisation der virtuellen Bühne ermöglicht?
Ja, genau so ist es. Um einen klassischen Solisten mit einem Stützmikrofonsystem klanglich angenehm in einen Orchesterklang einzubinden, wird dieser üblicherweise mit zwei parallel-zeigenden AB-Mikrofonen mit Kugelcharaktersitik bei einer Mikrofonbasis von etwa 25 cm gestützt; also in Laufzeitstereofonie. Der Solist befindet sich etwa in einem Meter Abstand vom Mikrofonsystem. Wenn jedoch der große Solist unbedingt vordergründig, scharf, groß und punktförmig aus der Mitte herausstechen will, dann bekommt er "ein" Mikrofon, dass in die Mitte zwischen die Stereo-Lautsprecher geknüppelt (gepannt) wird - Knüppelstereofonie. Hierbei ist der Solist dann auch viel näher am Mikrofon, etwa 20 cm.
Bei Popmusik gilt generell das Prinzip "Hühner auf der Stange", also Mono-Punkschallquellen mit Panpots auf der Lautsprecherbasis eingestellt.
Thias hat geschrieben: Für mich hatte ich es bisher so verstanden, dass Solisten mehr durch Intensitätsmikrofonierung aufgenommen werden (oder auch mit Stützmikrofonen), dazu sollte aber auf jeden Fall der Nachhall (künstlich oder real) für einen Räumlichkeitseindruck mehr Laufzeitdifferenzen haben.
Kann man das so sagen, dass die Laufzeitdifferenzen mehr für einen diffusen und "räumlichen Klangeindruck" dienen?
Das kann man so sagen. Zusätzlich ist bei Laufzeitstereofonie die Abbildungsschärfe weniger exakt, was man etwa mit einem "Aquarell"-Bild vergleichen kann. Bei Intensitätsstereofonie bekommt man ein etwas schärfer gezeichnetes "Ölgemälde"; siehe:
"Stereo-Abbildung und Lokalisationsgenauigkeit (Lokalisationsschärfe)":
http://www.sengpielaudio.com/StereoAbbi ... haerfe.pdf

"Lokalisationsschärfe (Lokalisationsgenauigkeit) der Hörereignisse auf der Lautsprecherbasis bei verschiedenen Stereofonie-Aufnahmeverfahren":
http://www.sengpielaudio.com/Lokalisationsschaerfe.pdf
Thias hat geschrieben: Was ist bei den meisten Aufnahmen mehr anzutreffen, Intensitäts oder Laufzeitstereofonie?
Sicher gibt es da starke Unterschiede Pop/Jazz/Klassik.
Ja, so ist es. Tatsache ist, dass die Tonmeisterstudenten an der Universität der Künste in Berlin aus Klanggründen bei klassischen Aufnahmen zur Zeit so gut wie nur die AB-Laufzeitstereofonie anwenden. Bei Popaufnahmen wird mehr die Pegeldifferenzstereofonie mit Panpots verwendet.

Folgende technische Möglichkeiten gibt es, um Phantomschallquellen auf der Lautsprecherbasis anzuordnen:
"Phantomschallquellenabbildung auf der Stereo-Lautsprecherbasis":
http://www.sengpielaudio.com/Phantomsch ... rbasis.pdf

Zur Stereoaufnahme und Stereowiedergabe gehört ein systembedingtes Problem: Tiefe Frequenzen ziehen immer zum Center der Lautsprecherbasis und hohe Frequenzen driften dagegen nach außen in Richtung der Lautsprecher.
"Frequenzabhängige Hörereignisrichtung bei Stereo-Lautsprecherlokalisation":
http://www.sengpielaudio.com/Frequenzab ... chtung.pdf

Wenn der Tontechniker das weiß - und wenn es ihn stört, dann kann er in seinen Tonaufnahmen "gegensteuern", jedoch ist dieses häufig weniger bekannt.

Viele Grüße ebs
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Eberhard,

da kommt ja viel frischer Wind in das Forum.

Eine Frage, die mich beschäftigt:

Wie werden Orchesteraufnahmen "richtig" aufgezeichnet?

Würden da nicht auch 2 Mikros mit 25 cm Abstand zueinander im Hörraum reichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt oder braucht es - aus welchen Gründen auch immer - eine ganze Batterie von Mikros im Bereich der Bühne, wie man das oft so sieht?

Gruß

Bernd Peter
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Thias
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Beitrag von Thias »

Bernd Peter hat geschrieben:Würden da nicht auch 2 Mikros mit 25 cm Abstand zueinander im Hörraum reichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt oder braucht es - aus welchen Gründen auch immer - eine ganze Batterie von Mikros im Bereich der Bühne, wie man das oft so sieht?
Nach meinem Wissensstand:
Die oben genannten 25 cm sind nur zufällig (hat nichts mit Ohrabstand zu tun) und dient für einen Mikrofonabstand zum Schallereignis von 1 m (mit entsprechender Bühnenbreite).
Die Mikrofonbasis ändert sich mit der aufzunehmenden Bühnenbreite und dem Abstand dazu, siehe hier :wink: :
http://www.sengpielaudio.com/Mikrofonba ... krofon.pdf

Ich denke aber, dass diese spartanische Mikrofonierung ein recht langweiliges Ergebnis bringt, Stützmikros sind trotzdem erforderlich....
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Thias
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Beitrag von Thias »

ebs hat geschrieben: ... Zusätzlich ist bei Laufzeitstereofonie die Abbildungsschärfe weniger exakt, was man etwa mit einem "Aquarell"-Bild vergleichen kann. Bei Intensitätsstereofonie bekommt man ein etwas schärfer gezeichnetes "Ölgemälde"; ...
... Tatsache ist, dass die Tonmeisterstudenten an der Universität der Künste in Berlin aus Klanggründen bei klassischen Aufnahmen zur Zeit so gut wie nur die AB-Laufzeitstereofonie anwenden. Bei Popaufnahmen wird mehr die Pegeldifferenzstereofonie mit Panpots verwendet.
Vielen Dank für den sehr interessanten Exkurs :cheers:

Um aber zum Threadthema zurück zu kommen, hat es für die doch recht unterschiedliche Tri-Beurteilung eine Klärung gebracht.

Ich bin als Jazz(Pop)- und nur gelegentlich Klassikhörer von Tri sehr begeistert, da dies die Intensitätsstereofonie sehr gut unterstützt. Die geringeren Laufzeitanteile (Hallfahnen, Becken, oft auch Streicher etc.) bewirken bei Tri eine sehr diffuse und räumliche Darstellung, was im Gesamtbild recht gut klingt...

Bei den reinen Klassikhörern wird Tri wahrscheinlich mehr auf Ablehnung stoßen, dass die Laufzeitstereofonie noch räumlicher und weniger lokalisierbar dargeboten wird als in Stereo.

Der Grund dafür ist die neue Vektorisierung bei der Berechnung von Tri, welche nur die Intensität exakt darstellt, die Laufzeiten aber noch mehr aufteilt und diffuser macht.
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ebs
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Beitrag von ebs »

Bernd Peter hat geschrieben: Eine Frage, die mich beschäftigt: Wie werden Orchesteraufnahmen "richtig" aufgezeichnet?
Würden da nicht auch zwei Mikrofone mit 25 cm Basisbreite zueinander im Hörraum ausreichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt oder braucht es - aus welchen Gründen auch immer - eine ganze Batterie von Mikrofonen im Bereich der Bühne, wie man das oft so sieht?
Da gibt es die Philosophie von den Audiophilen: "Wir Menschen wurden mit zwei Ohren geschaffen. Die Stereofonie hat normalerweise zwei Lautsprecher zur Tonwiedergabe. Darum brauchen wir allein zwei Mikrofone zur Tonaufnahme. Mehr Mikrofone sind logischerweise falsch."

Da ist ein Denkfehler offensichtlich: Zwei Lautsprecher zur Stereofonie-Wiedergabe sind "unnatürlich" und eben ein von Menschen erdachtes "Kunstprodukt". Wo gibt es das in der Natur? Dort gibt es eine oder mehrere Schallquellen die ihren Schall allein auf zwei Ohren des Hörers senden. Und was machen denn diese blöden künstlichen Lautsprecher? Der linke Lautsprecher wirft seinen Schall nicht nur auf das linke Ohr, sondern auch gleichzeitig auf das rechte Ohr und der rechte Lautsprecher wirft seinen Schall nicht nur auf das rechte Ohr, sondern auch gleichzeitig auf das linke Ohr. Bestimmte Signale beider (!) Lautsprecher können nun virtuelle Phantomschallquellen zwischen den Lautsprechern erzeugen. Das ist schon recht eigenartig mit den beiden Lautsprecher-Schallquellen und so etwas Verrücktes kommt niemals in der Natur vor - aber da gibt es Menschen, die halten Stereofonie mit zwei Mikrofonen aufgenommen für authentisch. Aua, aua!
"Sind Stereo und Surround-Sound natürlich? - Nein!":
http://www.sengpielaudio.com/SindStereo ... erlich.pdf
Bernd Peter hat geschrieben: Würden da nicht auch zwei Mikrofone mit 25 cm Basisbreite zueinander im Hörraum ausreichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt?
Eine zwei Mikrofon-Anordnung mit 25 cm Basisbreite wird auf der Stereo-Lautsprecherbasis selbst mit maximalem seitlichem Schalleinfall auf die Mikrofone nur eine eingeengte Abbildung auf der Lautsprecherbasis ergeben; siehe:
"Laufzeit-Stereofonie: Haupt-Hörereignisrichtungen und die Schalleinfallswinkel in Abhängigkeit von der Mikrofonbasis"
http://www.sengpielaudio.com/Laufzeitst ... nbasis.pdf

Die Stereo-Mikrofone dürfen keine Ohrsignale als interaurale Signaldifferenzen erzeugen, sondern müssen spezielle Signale für die Lautsprecher als Interchannel-Signaldifferenzen liefern: siehe:
"Wichtige Signaldifferenz-Werte: Ohr- und Lautsprechersignale"
http://www.sengpielaudio.com/WichtigeSi ... zwerte.pdf

Merke: Ohrsignale sind keine Lautsprechersignale.

Darum wird jede Aufnahme die mit Mikrofonen im Ohrabstand auf einem Zuhörerplatz in der Philharmonie in der 10. Reihe gemacht wird schrecklich dumpf und entfernt klingen und ganz sicher unverkäuflich sein; siehe:
"Der Ohrabstand - welcher?"
http://www.sengpielaudio.com/DerOhrabstand-Welcher.pdf

Viele Grüße ebs
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ebs
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Beitrag von ebs »

Bernd Peter hat geschrieben: Eine Frage, die mich beschäftigt: Wie werden Orchesteraufnahmen "richtig" aufgezeichnet?
Würden da nicht auch zwei Mikrofone mit 25 cm Basisbreite zueinander im Hörraum ausreichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt oder braucht es - aus welchen Gründen auch immer - eine ganze Batterie von Mikrofonen im Bereich der Bühne, wie man das oft so sieht?
Da gibt es die Philosophie von den Audiophilen: "Wir Menschen wurden mit zwei Ohren geschaffen. Die Stereofonie hat normalerweise zwei Lautsprecher zur Tonwiedergabe. Darum brauchen wir allein zwei Mikrofone zur Tonaufnahme. Mehr Mikrofone sind logischerweise falsch."

Da ist ein Denkfehler offensichtlich: Zwei Lautsprecher zur Stereofonie-Wiedergabe sind "unnatürlich" und eben ein von Menschen erdachtes "Kunstprodukt". Wo gibt es das in der Natur? Dort gibt es eine oder mehrere Schallquellen die ihren Schall allein auf zwei Ohren des Hörers senden. Und was machen denn diese blöden künstlichen Lautsprecher? Der linke Lautsprecher wirft seinen Schall nicht nur auf das linke Ohr, sondern auch gleichzeitig auf das rechte Ohr und der rechte Lautsprecher wirft seinen Schall nicht nur auf das rechte Ohr, sondern auch gleichzeitig auf das linke Ohr. Bestimmte Signale beider (!) Lautsprecher können nun virtuelle Phantomschallquellen zwischen den Lautsprechern erzeugen. Das ist schon recht eigenartig mit den beiden Lautsprecher-Schallquellen und so etwas Verrücktes kommt niemals in der Natur vor - aber da gibt es Menschen, die halten Stereofonie mit zwei Mikrofonen aufgenommen für authentisch. Aua, aua!
"Sind Stereo und Surround-Sound natürlich? - Nein!":
http://www.sengpielaudio.com/SindStereo ... erlich.pdf
Bernd Peter hat geschrieben: Würden da nicht auch zwei Mikrofone mit 25 cm Basisbreite zueinander im Hörraum ausreichen, so wie es der Live-Zuhörer wahrnimmt?
Eine zwei Mikrofon-Anordnung mit 25 cm Basisbreite wird auf der Stereo-Lautsprecherbasis selbst mit maximalem seitlichem Schalleinfall auf die Mikrofone nur eine eingeengte Abbildung auf der Lautsprecherbasis ergeben; siehe:
"Laufzeit-Stereofonie: Haupt-Hörereignisrichtungen und die Schalleinfallswinkel in Abhängigkeit von der Mikrofonbasis"
http://www.sengpielaudio.com/Laufzeitst ... nbasis.pdf

Die Stereo-Mikrofone dürfen keine Ohrsignale als interaurale Signaldifferenzen erzeugen, sondern müssen spezielle Signale für die Lautsprecher als Interchannel-Signaldifferenzen liefern: siehe:
"Wichtige Signaldifferenz-Werte: Ohr- und Lautsprechersignale"
http://www.sengpielaudio.com/WichtigeSi ... zwerte.pdf

Merke: Ohrsignale sind keine Lautsprechersignale.

Darum wird jede Aufnahme die mit Mikrofonen im Ohrabstand auf einem Zuhörerplatz in der Philharmonie in der 10. Reihe gemacht wird schrecklich dumpf und entfernt klingen und ganz sicher unverkäuflich sein; siehe:
"Der Ohrabstand - welcher?"
http://www.sengpielaudio.com/DerOhrabstand-Welcher.pdf

Viele Grüße ebs[/quote]
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