Unterschiede zwischen Regelung und Gegenkopplung

musikgeniesser
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Unterschiede zwischen Regelung und Gegenkopplung

Beitrag von musikgeniesser »

Moin Forenten,

wie Ihr seht, gründele ich gerade in den Tiefen alter Beiträge. Ein Eintrag weckte meine Aufmerksamkeit und lässt mich ratlos zurück:
Fortepianus hat geschrieben:Als Superhochtöner die Eton ER4 wie im Wohnzimmer (richtig beschaltet und bedämpft ist ein ER4 erste Sahne). Nicht geregelt, aber stromgegengekoppelt.

Quelle: http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?p=6358#p6358
Geregelt und gegengekoppelt ist also zweierlei. Ich hatte das bisher immer synonym verwendet, aber als Diplom-Kaufmann darf ich das -- ätsch! Andererseits hatte ich Mathematik und Physik als Leistungskurse und fand Schwingungslehre immer interessant, egal ob es um Optik oder Akustik ging (in der Schule ging es überwiegend um Optik).

Elektrotechnisch bin ich nun wirklich ziemlich ahnungslos. Was ich allerdings weiß, ist, dass ein Lautsprecher, durch Strom zu mechanischer Verrichtung angeregt, seinerseits einen Strom erzeugt, der dann wiederum vom Verstärker im Zaum gehalten werden muss. Muss, na ja, also, wenn es klingen soll. Stichwort Innenwiderstand des Verstärkers oder seine -- bekannterere -- in Bezug Setzung zum Widerstand des Lautsprechers: Dämpfungsfaktor. Unter diesem Themenkomplex, so könnte ich mir vorstellen, verstehen beschlagenere Geister als ich Gegenkopplung. Aus diesem vom Lautsprecher erzeugten Strom (oder/und Spannung, ich weiß es nicht) ein extra Korrektursignal zu errechnen, ist das möglich (und sinnvoll) und, wenn ja, ist das dann immer noch Gegenkopplung oder wäre das eine Regelung?

Regelung würde dann im Gegensatz zur Gegenkopplung einen Sensor erfordern, der kontrolliert, was der Lautsprecher so treibt und dies an die Regelungselektronik meldet, die daraus dann ein Korrektursignal kondensiert. Wobei dieser Regelungskreis für mich eine Rückkopplung wäre. Oder bringe ich jetzt alles durcheinander?

Ich weiß es nicht. Wie herrlich, dass ich mich so trefflich herausreden kann, aber das befriedigt mich jetzt selbst nicht mehr. Finde ich hier im Forum erläuternde Beiträge? Ist doch bestimmt alles schon einmal oder mehrfach irgendwo erklärt worden, oder? Tausend Dank für Eure Suchhilfe und Entschuldigung, dass ich Eure Zeit für mein privates Interesse verschleiße, aber ich kann nicht alles hier lesen, so gerne ich es auch täte...

Herzliche Grüße

PETER
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musikgeniesser
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Beitrag von musikgeniesser »

Moin Ulli,
moin Forenten,

ich kann mich nur wiederholen: hier im Forum ist doch mehr los, als ich dachte.

Dann gingen meine Überlegungen in die richtige Richtung. Ich sag's mal extra laienhaft.
  • (1) GEGENKOPPLUNG

    Ohne Stromgegenkopplung und Spannungsgegenkopplung auch nur ansatzweise zu kennen, bewegen wir uns in der Welt der Gegenkopplung nur innerhalb des Systems Verstärker-Lautsprecher. Ganz platt gesagt: kein Sensor, nur zwei Adern zwischen Elektronik und Chassis.

    Der im Lautsprecher induzierte Strom oder die Spannung werden direkt abgegriffen und zur Ermittlung der Korrekturgröße verwendet. Wie es diese Korrekturschaltung allerdings so schnell schafft, die in die eine Richtung fließende "Elektrizität" (ich will jetzt nicht mehr von Strom sprechen, weil das zugleich eine elektrische Größe ist, auf die ich meine Betrachtung nicht beschränken will: es könnte auch eine Spannung sein, die hier "strömt") von der in der anderen Richtung fließenden -- noch dazu so irrsinnig schnell -- zu unterscheiden, muss ihr Geheimnis bleiben. Ich würde länger brauchen; viel länger. Quatsch: die Resultierende dürfte die Differenz beider Strömungen sein und wenn die nicht proportional dem Eingangssignal der Endstufe ist, wird eingegriffen.

    (2) REGELUNG

    Handelt es sich auch bei dem unter (1) genannten Eingriff um eine Regelung, scheint der Begriff unter Elektronikern ein Fachbegriff zu sein, der enger gefasst ist. Er beschreibt ein System, das um einen Messkreis erweitert worden ist: ein Mikrofon, ein Beschleunigungsaufnehmer, was auch immer. Allgemein: ein Sensor. Ganz platt gesagt: Sensor, vier Adern zwischen Elektronik und Chassis. Meinetwegen noch eine fünfte für die Schirmung der beiden Sensor-Adern. Jedenfalls meine ich, in meinen ART-Bässen eine Schirmung gesehen zu haben.

    (3) RÜCKKOPPLUNG

    Rückkopplung ist nun ganz allgemein die Vorgehensweise, das Ausgangssignal mit dem Eingangssignal zu vergleichen und erforderlichenfalls korrigierend einzugreifen.
Wenn das Unfug ist, einfach sagen. Bitte entschuldigt, dass ich so stark vereinfache, aber ich muss mir die Sachverhalte immer vorstellen können, sonst kann ich sie mir nicht merken. Und ihr wollt doch, dass ich nur einmal frage, wenn ihr schon nicht verhindern könnt, dass ich überhaupt frage.

Herzliche Grüße

PETER
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musikgeniesser
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Beitrag von musikgeniesser »

Moin Ulli,

da ist ja schon wieder Sengpiel! Das nenne ich einen Zufall!

Herzliche Grüße

PETER
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Ich versuche mal den Unterschied zwischen Gegenkopplung und Regelung am Beispiel Lautsprecher möglichst einfach zu formulieren:

Bei Gegenkopplung wird das elektrische Ausgangssignal auf den Eingang zurückgeführt. Dadurch wird das Verhalten der elektronischen Schaltung "linearisiert".

Bei Regelung wird ein mittelbar auf dem Ausgangssignal basierendes Messignal , also inklusive gemessenener, oft nichtelektrischer, "Störgrössen" auf den Eingang zurückgeführt. Dadurch werden die Störgrössen "kompenisert".

Bezogen auf einen Lautsprecher heisst das:
Die Endstufe ist für sich bzw. in sich gegengekoppelt, produziert also ein optimal dem Eingangssignal entsprechendes Ausgangssignal. Der davon getriebene Lautsprecher produziert im Sensor ein "wirklichkeitsnahes Abbild" der aus dem eingespeisten Signal plus Störungen resultierenden Membranbewegung. Dieses Bewegungsabbild wird mit dem Eingangssignal der Endstufe verglichen und Unterschiede (quasi) im Entstehungszeitpunkt (sozusagen in Echtzeit) detektiert und "ausgeregelt".

Nochmal vereinfacht:
Gegenkopplung = Rückkopplung nur mit elektrischem Ausgangssignal
Regelung = Rückkopplung mit Sensorsignal

Details, Theorie und Praxis sind natürlich komplizierter... :wink: :mrgreen:

Gruss,
Winfried

1916
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Womit fange ich jetzt am besten an?

Also fangen wir mal mit einen normalen Verstärker und einen Einweglautsprecher an.

Der Verstärker erzeugt eine Spannung. Diese liegt an der Schwingspule, und erzeugt einen Strom. Der Strom erzeugt ein Magnetfeld, welche wiederum durch Abstoßung oder Anziehung an ein zweites statisches Magnetfeld eine Bewegungskraft erzeugt.

Soweit ist das noch übersichtlich. Umgekehrt ist es genauso. Der Lautsprecher ist auch ein Mikrofon. Das heißt die in Bewegung befindliche Membran erzeugt an der Schwingspule eine Spannung, die der anliegenden Spannung entgegengesetzt ist.

Ein Verstärker kann eine Gegenkopplung besitzen oder auch nicht. So manche Röhrenverstärker (insbesondere Gitarrenverstärker) haben keine Gegenkopplung. Der tatsächliche Innenwiderstand eines nicht gegengekoppelten Röhrenverstärkers ist 4 oder 8 Ohm , einfach weil man die maximal mögliche Leistung, die eine Röhre abzugeben vermag möglichst verlustfrei an den Ausgang bringen muss.

Wenn man einen Verstärker gegenkoppelt, wird der Innenwiderstand um den Gegenkopplungsfaktor kleiner.

Transistorverstärker haben oft Ausgangswiderstände im unteren Milliohmbereich. Das mit den TIM Verzerrungen trift nur zu, wenn der Frequenzgang des nichtgegengekoppelten Verstärkers kleiner ist als die höchste zu übertragene Frequnz. Also schaltet man dem Verstärker einen Tiefpass mit so 40KHz Grenzfrequenz an den Eingang, um die TIM Verzerrungen zu vermeiden. Das ist aber ein anderes Thema.

Der niedrige Ausgangswiderstand liegt parallel zur Schwingspule und schließt dessen vom Lautsprecher durch seine Eigenbewegung erzeugte Spannung kurz. Das Verhältnis zwischen Lautsprecherimpedanz und dem Innenwiderstand der Endstufe nennt man Dämpfungsfaktor, und ist ein Maß dafür wie stark z.B. die Eigenresonanz des Lautsprechers bedämpft wird. So gesehen haben wir es auch mit einer (passiven) Regelung zu tun.

Gegenkopplung heißt immer dass das Ausgangssignal phasenverdreht also gegenphasig dem Eingangssignal hinzuaddiert wird. Das ist das was in Verstärker angewendet wird und Verzerrungen verminder Frequenzgänge glatter macht usw. Rückkopplung bedeutet, dass man das Ausgangssignal in Phase dem Eingangssignal hinzuaddiert, also das Eingangssignal noch unterstützt. Hier hat man dann einen Oszillator geschaffen.

Eine Regelung zeichnet sich dadurch aus, das ein Signal am Ausgang mit dem Eingangssignal verglichen wird und mit dessen Differenz das Ausgangsignal nachgeführt wird. Das ist bei der Gegenkopplung eines Verstärkers so und das ist auch bei einen geregelten Lautsprecher so. In beiden Fällen geht es darum Fehler zu minimieren. Beim Verstärker die Fehler durch die Unlinearität der Transistorkennlinien und beim Lautsprecher die Fehler der Unlinearität der Umsetzung der Schwingspulenspannung in der Bewegung der Membran.

Es ist übrigens zunächst mal gleichgültig, ob man das Korrektursignals eines Lautsprechers durch einen
getrennten Sensor gewinnt, oder ob man ein Verfahren anwendet, in dem die durch den Lautsprecher induzierte Spannung an der Schwingspule von dem Verstärkersignal an der Schwingspule getrennt wird.

Die getrennte Sensorlösung ist allerdings wesentlich leichter zu realisieren.

Ich hoffe jetzt sämtliche Klarheiten beseitigt zu haben.

Ralph
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berni
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Beitrag von berni »

Hallo Zusammen.

Ich kenne mich auch ein wenig mit Elektronik aber das hier geht mir zu weit. Warum eröffnet Ihr nicht ein Elektronikforum wo diese Details diskutiert werden? Oder wenigsten in eine andere Abteilung?

Es geht hier um Lautsprecher und hauptsächlich um Musik hören, nicht um eine Strom- Rück- Vor- oder Seitenkopplung. Es ist erfreulich, so tief in eine Materie einzusteigen, aber dann bitte in der entsprechenden Abteilung. Das Forum bläst sich an der falschen Stelle dick auf und es macht keinen Spass mehr zu lesen, weil man keinen anständigen Beitrag mehr findet. Bei der Formel Eins interessiert mich auch nicht das Ventilspiel am vierten Zylinder. Hauptsache Schumacher gewinnt.

Berni
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axxxxx

Beitrag von axxxxx »

berni hat geschrieben:... und es macht keinen Spass mehr zu lesen ...
Dann lass es doch einfach!

Gruß,
Kai
Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

berni hat geschrieben:Ich kenne mich auch ein wenig mit Elektronik aber das hier geht mir zu weit.

Warum eröffnet Ihr nicht ein Elektronikforum wo diese Details diskutiert werden? Oder wenigsten in eine andere Abteilung?

Es geht hier um Lautsprecher und hauptsächlich um Musik hören, nicht um eine Strom- Rück- Vor- oder Seitenkopplung.
Sorry, wenn ich hier jemanden auf den Schlips getreten habe, aber ich war wohl der irrigen Meinung, dass es hier in dem Thread um genau die Unterschiede zwischen Regelung und Gegenkopplung geht?

Entschuldigung, soll nicht wieder vorkommen.

Ralph
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Hi,
Ralph Berres hat geschrieben:Der niedrige Ausgangswiderstand liegt parallel zur Schwingspule und schließt dessen vom Lautsprecher durch seine Eigenbewegung erzeugte Spannung kurz. Das Verhältnis zwischen Lautsprecherimpedanz und dem Innenwiderstand der Endstufe nennt man Dämpfungsfaktor, und ist ein Mass dafür wie stark die z.B. Eigenresonanz des Lautsprechers bedämpft wird. So gesehen haben wir es auch mit einer ( passiven ) Regelung zu tun.
[...]
Es ist übrigens zunächst mal gleichgültig, ob man das Korrektursignals eines Lautsprechers durch einen
getrennten Sensor gewinnt, oder ob man ein Verfahren anwendet, in dem die durch den Lautsprecher induzierte Spannung an der Schwingspule von dem Verstärkersignal an der Schwingspule getrennt wird.

Die getrennte Sensorlösung ist allerdings wesentlich leichter zu realisieren.
Zum ersten Abschnitt, das sehe ich genauso. Weiter noch, dieser Bedämpfung ist de facto auch eine linearisierende lokake Gegenkopplung, vergleichbar mit der Degeneration von Transistorstufen, nur schmalbandiger. Und mit dem gleichen Nebeneffekt, dass der Output zurückgeht.

Die Trennung der "Sensorspannung" (von der Schwingspule), als Abbild der Geschwindigkeit, ist mE bereits immanent im Chassis und dort passiert auch die lokale Gegenkopplung in gut funktionierender Form, bei dafür geeigneten (PA-)Chassis mit höchtmöglichem Dämpfungskoeffizient BL²/Re (und Re kann extern noch auf etwa 1/5 verkleinert werden) und linearem, niedriginduktivem Motor -- damit auch linearer Sensorsspannung. Systemgüten von weit unter 0.1 sind problemlos erzielbar und erreichen damit eine sehr lange 6dB-Flanke (gemäß eines Geschwindigkeitssensors) und hohen Gegenkopplungfaktor (Abstand zur Kurve im reinen Strombetrieb), bis man weit links und rechts von der Systemreso an jeweils einen Pol der Membranauslenkung anstößt ab wo die Gegenkopplung zusammenbricht (links der "Feder-Pol" ab dem es mit dann endlich 12dB abwärts geht, und rechts der "Masse-Pol" ab dem der akustische Output dann flach wird, Strahlungslast mal ignorierend). In diesem Paper wird mE die physikalischen Vorgänge eines Chassis unter verschiedener Dämpfung (von Strombetrieb bis echter Kurzschluss einer -- fast -- widerstandsfreien Spule) sehr einfach und verständlich erklärt, quasi alles was man wissen muss steckt in den ersten drei Gleichungen, und die Effekte von Nichtlinearitäten kann man dort ganz gut reinfaktorisieren, qualitativ.

Das alles gilt bei signalproportionaler Eingangsspannung, d.h. im Nutzbereich (der 6dB-Flanke) muss man einmal integrieren, ähnlich der Korrektur für Dipol-Lautsprecher. Das (niedrigstes Qes als Resultat) kostet auch ggü hartnäckiger bestehender landläufiger Meinung keine Mehrleistung am Chassis, weil das Chassis fast nur als hochimpedante reaktive Last erscheint, und mit Class-D Endstufen gibt es keine Einbußen durch den erhöhten Spannungsgang bei LF und damit mehr nötigem Headroom. Ausserdem wird die "Gegen-EMK" (Bezeichnung einer Folge, nicht der Ursache -- deswegen mag ich sie nicht) in's Netzteil zurückgepumpt anstatt eben verheizt. Energiemäßg effizienter als Class-D an niedrigst-Qes-Chassis kann man keinen Lautsprecher bauen, das Optimum dann noch mit Horn- oder ähnlicher akustischer Ladung (Impedanztransformation) auch im Nutzbereich.

Wie bei allen Systemen mit GK in irgendeiner Form wird zwar das Verhalten linearisiert, aber wenn Motor (damit gleichzeitig der Sensor) an ihre Grenzen kommen gibt es die unschönen Nebenwirkungen, hier zB identisch wie bei "echter" Regelung über separaten Sensor -- d.h. globaler Gegenkopplung --, der Effekt dass Unmengen an Strom in die Spule gepumpt wird wenn die Mikrofonspannung zusammenbricht, gerade das was das Chassis ansonsten im Normalbetrieb ja linearisiert, denn stimmt die Mikrofoniespannung nicht ggü dem Soll, wird der Strom im Chassis in richtige Richtung verstellt. Da macht es Sinn, vorher per Softclipping und mit einer Überwachung Schaden am Chassis abzuwenden ... was bei den von mir bevorzugten PA-Chassis kaum passiert.

Größeres Problem ist DC-Offset der Membranposition, der sich nur langsamst abbaut wenn er sich erstmal aufbauen konnte, durch asymmetrische Überauslenkung und/oder "schiefe" Motorkennlinien bzw ungleiche Aussenränder der Kennlinien-Plateaus. Diese Randeffekte sind mittlerweile für mich manchmal maßgebend welche elektrische Dämpfung ich einstelle, sprich dorthin läuft die Optimierung. Nicht ganz unerwartunggemäß schlägt sich aperiodische oder leichte Überbedämpfung der Membranauslenkung oft am besten, egal ob für Eigen- oder für Fremdanregung (Sekundärschall), wenn man mit gelegentlicher Übersteuerung rechnen muss die nicht erkannt/behandelt wird. Wenn nicht, also wenn man Reserven en masse hat, dann ist maximale Dämpfung für LF schon sehr effektiv für eine Lineariserung, besonders bei Chassis mit stark progressiven und harten Einspannungen (deren Effekte werde besser "weggedämpft").

Für Vergleiche (hörend wie messend) muss man zwingend aber den FG von Amplitude und Phase identisch einstellen (per Vorsteuerung, mit FIR-Filtern/Convolution am besten), nur so kann man Unterschiede die rein von der unterschiedlichen Dämpfung kommen finden und isolieren. Gleiches gilt für Betrachtung geregelt vs. ungereglt bei den "echten Reglern".

Fazit : Es gibt immer mehrere Seiten zu beleuchten... funktionierende Systeme kann man von vielen Seiten her aufzäumen, und ich bin der festen Überzeugung, dass man mit einer frequenzvariablen Dämpfung (LF: viel, HF:wenig) die besten Ergebnisse diesseits von echter Membransensor-Regelung erhalten kann, gute Chassis als Basis. Vor allem in komplexeren Lasten als Closed-Box...

Grüße, Klaus
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Hallo Klaus

So tief wollte ich mit Rücksicht auf die anderen Mitleser gar nicht in die Materie eindringen. Ich wollte das eigentlich ein wenig populärwissenschaftlich erklären, damit auch der Leser noch halbwegs geistig folgen kann, der keine elektrotechnische Ausbildung genossen hat.

Aber ich glaube, dass wir in ein paar Punkten aneinander vorbeireden.

Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass der Lautsprecher in einem nicht übersteuerten Bereich betrieben wird. Der übersteuerte Bereich ist nicht nur für den geregelten Lautsprecher kritisch, sondern auch für einen konventionellen passiven Lautsprecher. Es entstehen nämlich beim Clippen des Signals Oberwellen mit beachtlichen Pegel, mit denen überwiegend der Hochtöner belastet wird. Hochtöner haben aber allgemein nur eine thermische Belastbarkeit von bestenfalls 5Watt.

Du redest immer wieder vom PA Bereich. Nun, das ist eine ganz andere Baustelle mit ganz anders gelagerten Anforderungen. Dort geht es in erster Linie darum die elektrische Leistung mit einen möglichst hohen Wirkungsgrad in Schallleistung umzusetzen, und das möglichst auch noch gerichtet. (Die Bühne soll von den PA Lautsprechern nämlich möglichst nichts mitbekommen). Hier haben Hornsysteme und hart aufgehängte Lautsprechermembranen auch ihre Vorteile. Dafür geht man bewusst Kompromisse in der Tonqualität des abgestrahlten Schalls ein (obwohl PA Systeme inzwischen auch besser geworden sind und teilweise Korrekturwerte zur Fehlerkorrektur hinzuaddiert werden).

Im Highend HiFi-Bereich geht es dagegen nicht um den Wirkungsgrad sondern ausschließlich um eine möglichst fehlerfreie Umsetzung der elektrischen Leistung in Schallleistung. Denn Verstärkerleistung ist in der Regel genügend vorhanden.

Du scheinst nicht gerade ein Freund von geregelten Lautsprechersystemen sondern zu sein sondern eher die Vorwärtskorrektur zu bevorzugen. Diese hat allerdings im Gegensatz zur Regelung den Nachteil, dass sie nicht die Alterung von Lautsprechern erfasst, wie z.B. sich mit der Zeit ändernde Federkonstanten der Aufhängung.

Partialschwingungen auf der Membran kann weder die Regelung mit Sensor an der Schwingspule noch die Vorwärtskorrektur berücksichtigen. Die kapazitive Abtastung, wie sie bislang bei den Hochtönern erfolgt, kann das aber.

Wo in einem ungeregelten Lautsprechersystem die Parameter der einzelnen Chassis wie die Thiele&Small Parameter ungezügelt in die Abstrahlung mit eingehen, werden bei einem geregelten Lautsprecher (wenn man es wie F. Müller richtig macht) mit zunehmenden Gegenkopplungsgrad immer unkritischer. Das heißt das Lautsprechersystem benimmt sich mit zunehmender Gegenkopplung immer mehr wie ein schwingungsfähiges System welches extrem stark bedämpft wird. Das heißt weiterhin die Resonanzüberhöhungen werden immer geringer und breiter, bis irgendwann der aperiodische Zustand eintritt. Das heißt der geregelte Lautsprecher hat keine Resonanz mehr, und die Membran folgt kompromisslos dem Schwingspulenstrom. Die Feder und Massepole existieren in einem gegengekoppelten System de facto einfach nicht mehr.

Dann noch nebenbei bemerkt: Eine widerstandsfreie Schwingspule gibt es nicht. Nach der DIN-Norm ist sogar vorgeschrieben (und auch kaum anders realisierbar) dass der Gleichstromwiderstand mindestens 80% der Impedanz betragen muss.

Noch ein Wort zu den vielgeliebten Endstufen mit Stromgegenkopplung. Sie können, wenn überhaupt, nur in einen geregelten System eingesetzt werden. Nicht nur dass sie die Resonanzfrequenz eines Chassis mangels Dämpfungsfaktor nicht bedämpfen. Es tritt sogar das Gegenteil ein. Weil der Strom eines Lautsprechers im Resonanzfalle sinkt (die Impedanz steigt bei Resonanz) wird die Endstufe versuchen den Strom konstant zu halten, also entsprechend gegensteuern, und die Resonanzüberhöhung steigt sogar noch, bis es im Extremfalle zur Selbsterregeung der Endstufe kommen kann. Du kannst das gerne mal mit LTspice simulieren. Nimm eine stromgegengekopplete Endstufe und schließe an den Ausgang einen Parallelschwingkreis an und mache einen Sweep.

Der gegengekoppelte Lautsprecher hält dieses Verhalten Gott sei Dank im Zaume. Der Gegenkopplung wird es aber dadurch nicht leichter gemacht, wenn sie dieses Verhalten auch noch ausregeln muss.

Das Argument das die Schwingspule mit zunehmender Temperatur hochohmiger wird und dieser Effekt durch die Stromgegenkopplung der Endstufe sich nicht auswirkt ist zwar richtig, jedoch wird die Gegenkopplung über das Lautsprechersystem mit dieser Unlinearität spielend fertig. Man handelt sich dadurch jedenfalls weniger Nachteile ein als durch die Stromgegenkopplung.

Jetzt bin ich doch wieder zu sehr in die Theorie abgeglitten. Eigentlich wollte ich diese Antwort populärwissenschaftlich halten. Ich hoffe dass die Mitleser mir das verzeihen.

Ralph
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Ralph,

Vielen Dank für deine Bereitschaft, komplizierte Zusammenhänge für die interessierten Laien unter uns verständlich zu erläutern.
Ralph Berres hat geschrieben:Jetzt bin ich doch wieder zu sehr in die Theorie abgeglitten. Eigentlich wollte ich diese Antwort populärwissenschaftlich halten. Ich hoffe dass die Mitleser mir das verzeihen.
Wir werden dir nichts verzeihen, solange wir nicht Weiteres aus deiner Feder lesen! :P

Viele Grüße
Rudolf
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axxxxx

Beitrag von axxxxx »

Hallo Ralph,

ich darf mich den wohlgesetzten Worten unseres Vorsitzenden anschließen.
Laß Dich nicht durch niederfrequentes Ignoranzrauschen davon abhalten, uns weiterhin an Deinem profunden Wissen teilhaben zu lassen.

Gruß,
Kai
cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Im Prinzip ist Gegenkopplung, Rückkopplung, usw. alles das Gleiche.

Es wird ein IST-Wert aufgenommen und mit einen SOLL-Wert verglichen. Abweichungen werden geregelt. Im Prinzip sehr einfach zu erklären. Nehmen wir mal an, Du hast vor auf der Autobahn mit 100km/h zu fahren.

Du fährst auf die Autoahn und beschleunigst. Dabei schaust Du auf Dein Tacho und nimmst ein IST-Wert auf. Solange Du die 100 km/h nicht erreicht hast, REGELST Du nach in dem Du auf dem Gaspedal bleibst und schneller wirst. Du schaust weiter auf Deinen Tacho und siehst, dass Du 100 km/h leicht überschritten hast. Du REGELST nach und gehst vom Gas, wobei Du den Blick weiterhin aufs Tacho wirfst. Du nimmst also IST-Werte auf. Sobald Du die 100km/h unterschritten hast, REGELST Du nach in dem Du wieder etwas beschleunigst und so geht es weiter.

IST-SOLL-Wert Vergleich und danach regeln.

Aus meiner Sicht war Gerts Wortwahl etwas unglücklich, denn im Prinzip regelt er auch. Was er regelt hat er ja gut beschrieben. Durch die Art der Rückkopplung des AMTs an einen Strom rückgekoppelten Verstärker bekommt er Informationen über die Verzerrungen die der AMT generiert. Diese nimmt er auf (IST-Wert) und vergleicht er mit dem SOLL-Wert und REGELT nach.

Die Wortwahl scheint eher daher zu rühren, dass man in Zusammenhang mit geregelten Lautsprechern die IST-Wert Information über spezielle Sensorik bekommt. Da das etwas außer der Reihe zu den üblichen Rückkopplungen fällt, kann man da schon etwas durcheinander mit der Beschreibung kommen. :wink:
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

cay-uwe hat geschrieben:Im Prinzip ist Gegenkopplung, Rückkopplung, usw. alles das Gleiche.
Da muss ich dir wiedersprechen. Bei einer Gegenkopplung wird das Signal gegenphasig dem Eingang hinzuaddiert. Die Verstärkung sinkt, die Verzerrungen auch, der Frequenzgang wird glatter.

Bei einer Rückkopplung wird das Signal gleichphasig dem Eingang hinzuaddiert. Hierbei passiert das Gegenteil von oben. Wenn Die Verstärkung größer als 1 ist, wird dieses Gebilde jetzt zu einen Oszillator.

Also da muss man schön unterscheiden.

Aber Gegenkopplung und Regelung ist de facto dasgleiche, und von dir gut erklärt. Das mit dem Gaspedal.

Ralph
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Ralph,

ich drücke mich mal genauer aus, denn meine Wortwahl fiel jetzt auch nicht glücklich aus:

Rückkopplung unterscheidet man in:

1. Gegekopplung oder auch negative Rückkopplung ( IST- SOLL-Wert werden subtrahiert )
2. Mitkopplung oder auch positive Rückkopplung ( IST - SOLL-Wert werden addiert, mit dem von Dir beschriebenen Effekt des Aufschwingens )

:cheers:
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