Acourate Makro 1 FDW - Was ist damit gemeint?

Jupiter
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Acourate Makro 1 FDW - Was ist damit gemeint?

Beitrag von Jupiter »

Hallo zusammen,
ich hatte heute ein schönes Telefonat mit Martin Cornoalta, wenn wir nicht so weit auseinander wohnen würden und mit einer guten Wein zusammen gesessen wären, würden wir sicherlich noch jetzt sitzen. :cheers:

Dabei hat sich eine Frage von meiner Seite ergeben Acourate Makro 1 FDW.

Ok , je höher der FDW Wert je mehr wird der Einfluss des Raums korrigiert.

Wie hoch soll, bzw kann dieser Wert sein.

- bei kleinen Räumen ( unter ca. 25 m2 = 4,5 x 5 m)
-bei großen Räumen größer 40 m2
- bei naher Wandaufstellung Frontwand/ Seitenwand der LS (Abstand kleiner zB 70 cm)
- bei weiter entfernter Wandaufstellung Frontwand/ Seitenwand der LS Abstand größer 1,5 m
- bei nicht behandeltem Raum bezüglich Ersten Reflektionen ETC ca 20 dB unter oder über 20 dB
- bei behandeltem Raum, großem Wandabstand der LS ca 2 m

Gib es bei den aufgeführten Kriterien unterschiedliche sinnvolle Einstellungen?

Ok die Antwort, das musst du ausprobieren, hab ich mir bereits gegeben. :cheers:

Die Logik, Wieso, Warum usw. und eine Erklärung dazu würde den Novizen bei Acourate, zu denen ich mich auch noch zähle sicherlich etwas Erleuchtung bringen.

Nach welchen Kriterien stellt ihr das FDW ein.

Grüße
Harald
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Okay,

dann wage ich mich jetzt mal auf das Glatteis und hoffe, dass Kompetentere mich wo nötig korrigieren.

Für mein Verständnis definiert FDW die Fensterung, also wieviele Korrekturzyklen in einem Frequenzbereich untergebracht werden. Die beiden Werte sind für Bass- (linker) bzw. Hochtonbereich (rechter Wert) auf Grund der tonalen Differenz tiefer und hoher Frequenzbereiche. Es wird dann automatisch dazwischen interpoliert.

Je höher der Wert, den man eingibt, um so genauer werden auch kleinere Ungenauigkeiten geglättet, je niedriger, um so großzügiger wird geglättet. Deshalb nimmt man im Baßbereich gerne höhere Werte, im HT eher niedrigere.
Die höchsten von mir ausprobierten Werte waren mal 40/5. Hat früher auch mal Fujak empfohlen (glaube ich?)
Heute nehme ich eher niedrigere Werte wie z.B. Martin (cornoalto) mit 10/5.

Was deine Raumgrößen betrifft: keine Ahnung. Ich habe nur einen Raum 😇

Ende meines angelesenen / ausprobierten Wissens.

Viele Grüße
Jörg
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Die frequenzabhängige Fensterung wird bei Acourate mit einem Faktor definiert, der die Fensterbreite nicht per direkter Zeitangabe sondern per Anzahl der Frequenzzyklen angibt. Bei 100 Hz ist die Zykluszeit 10 ms. Ein Faktor 5 bedeutet somit eine Fensterbreite von 5 Schwingungen mit 50 ms.
Bei 10 kHz wäre das entsprechend eine Fensterbreite von 0.5 ms. Innerhalb dieser 0.5 ms sind von den 100 Hz gerade mal 1/20 der Zykluszeit "angeschwungen". Daher die Fensterbreite in Abhängigkeit von der Frequenz. Was nach dem Fenster kommt spielt keinerlei Rolle mehr.

Warum macht man das Ganze überhaupt: es geht eigentlich nicht um eine geglättete Frequenzgangkurve, die fällt als Nebenprodukt mit ab. Man möchte den Direktschall von den Raumeinflüssen trennen. Zumindest von den späten Einflüssen. Was interessiert mich was der Raum in 1 Sekunde noch von sich gibt wenn das direkte Musikereignis wichtig ist. Es macht auch keinen Sinn jetzt schon etwas zu korrigieren damit es am nächsten Tag richtig spielt. Die zugegeben extreme Betrachtung zeigt einfach auf, dass man das Klanggeschehen um den Direktschall herum betrachtet.
Würde hingegen der reine Direktschall behandelt, würde man "bloss" den Lautsprecher korrigieren und den Raum mit seinen oft negativen Einflüssen (z.B. Raummoden) aussen vor lassen.

Und so schaut man sich eben bei der Raumkorrektur ein Gemisch aus Direktschall und Raumanteil an. Der FDW-Parameter erlaubt das zu kontrollieren. Mit obigem Beispiel kann man also z.B. 5 Schwingungen bei jeder Frequenz betrachten und nicht beispielsweise 5 Schwingungen bei 100 Hz und 500 Schwingungen bei 10 kHz wenn die Fensterbreite konstant über alle Frequenzen wäre.

Je breiter das Fenster nun ist (bzw. je höher der FDW-Faktor) umso mehr Raumanteil fliesst mit ein. Bei sehr großen Werten wird logischerweise der Hörplatz mehr festgenagelt weil ja eine Änderung der Hörposition ja auch Änderungen des Raumanteils mit sich bringt.
Das Fazit heisst: KOMPROMISS, KOMPROMISS, KOMPROMISS ! Ist man der einzige Hörer (bei vielen der Fall) und ist dabei der Sitzplatz fest (sweet spot) kann man mehr korrigieren.

Acourate macht per default eine Vorgabe von 15. Wer es mag kann aber auch 3, 10, 25 oder 12.7369 verwenden. Da das resultierende Ergebnis aber eben auch vom Raum abhängt gibt es definitiv keinen optimalen Wert, allenfalls Empfehlungen. Es sollte klar sein, dass bei niedrigen Frequenzen die Fensterbreite bei gleichem FDW-Faktor größer ist als bei hohen Frequenzen. Ob man nun die Breite untenrum noch vergrößert (10/5) oder obenrum (5/10) muss man für sich probieren und testen.

Viele Grüsse
Uli

PS: es ist spannend wie sich so manche Zusammenhänge zeigen. Eine 1/3-Oktavglättung weiss z.B. nichts von FDW, wirkt aber im Zeitbereich ebenfalls wie ein Fenster. In diesem Sinn könnte man beliebigste Glättungen eines Frequenzgangs durchführen. FDW macht es eben direkt im Zeitbereich.
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Danke für deine fachmännische Erläuterungen, Uli

Eine Frage noch dazu:
gab es nicht mal eine Empfehlung (vom wem, weiß ich nicht mehr), dass man im unteren Bereich hohe Werte eingibt, um eine sehr gute Korrektur auf engen Sweetspot zu erhalten. Ich hatte mir "30-30" gemerkt, also einen Wert um 30 in der 1. Fensterung, um einen relativ verfärbungsfreien Sweetspot von ca. 30cm um den Kopf zu haben. Sitzen mehr Personen im Hörraum, sollte man Werte unter 10 nehmen.
Stimmt das so?

Das war einer der Gründe, warum ich mehrere verschiedene Filtersätze verwende ;-)

Viele Grüße
Jörg
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hohe FDW-Werte bedeuten schlicht eine größere Fensterbreite. Damit werden Nachschwingungen in der Pulsantwort über eine längere Zeit ausgewertet. Demzufolge passt das besser für einen kleineren Hörbereich. Man kann sich leicht denken, dass die Schwingungen am Platz daneben anders ausschauen. Und falsch kompensieren muss nicht zwangsweise besser klingen.
Nimmt man hingegen einen kleinen Wert, kann man annehmen, dass am Hörplatz daneben das Einschwingen noch passt, es werden ja mehr störende Raumeinflüsse (die von Position zu Position unterschiedlich sind) ausgeblendet.

Simpel oder?

Grüsse
Uli
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo Uli,nur zum Verständnis:
Wenn ich jetzt FDW 10/10 annehme und wie in meinem Fall der der reflektierte Schall frühestens nach 10 ms entsprechend 3,4 m Umweg am Hörplatz eintrifft (Boden und Deckenreflexionen mal ausgenommen) würde die Raumantwort erst unterhalb 1000 Hz in die Korrektur einfliessen?
Was passiert dann bei 5/10?
Wie verteilt sich der untere und obere Wert also genau über den gesamten Frequenzbereich? Gibt es da vieleicht ein Diagramm?
Manche Leute machen die Fensterung nur bis ca 200 Hz, weil eine Fensterung darüberhinaus angeblich der "Luftigkeit " im Klang schadet. Ich kann das für mich nicht nachvollziehen. Könnte eine zu starke Fensterung auch unerwünschte messbare Artefakte nach sich ziehen? Was meinst du?

Viele Grüße
Martin
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Typischerweise treffen Reflexionen ja auch früher ein. Sei es durch Raum, dazugehörend auch Seitenwand, Boden, Vorderwand (man denke an Allison) aber auch durch Kantendiffraktionen an Schallwand, stehende Wellen im LS usw.
Man muss sich dazu lediglich einmal die Pulsantwort passend zoomen.
Insofern wirken dann kleinere FDW-Werte entsprechend. Alles was hinter dem Puls liegt wird ausgeblendet.
Im übrigen kann man ja einfach auch mal TD-Funktions - FDW rechnen und das Ergebnis in der Pulsantwort mit der ungefensterten Anwort optisch vergleichen.
Sind beide FDW-Angaben für untere/obere Frequenz unterschiedlich ist bei logarithmischer Interpolation die Interpolation entsprechend einer Geraden von 10 Hz bis fs/2 z.B. bei 5/10 mit 10Hz / 5 dB bis 24 kHz /10 dB. Erzeugung beispielsweise mit Generate - Test Filter - Slope Signal @ 10 Hz, 0.409 dB/oct plus TD-Functions - Gain 5 dB

Kann zuviel Gewürz auch unerwünschte Artefakte nach sich ziehen?

Grüsse
Uli
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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Jungs,

der Nutzer von FDW lediglich bis zum Ende der angelegten Target bin ich, sowie noch ein paar wenige andere Kollegen.

Das das Filter entsprechend der Vorgehensweise „Excessphasenfilter“ gegenüber der Erstellung Makro 1-5 unterschiedlich klingt ist unzweifelhaft, er klingt definitiv anders.
Das Filterdesign soll jedoch in diesem Faden nicht Gegenstand der Diskussion sein.

Entscheidend für den unterschiedlichen Klang kann die räumliche Gegebenheit sein, daher auch meine Fragen am Anfang des Fadens, welchen räumlichen Kriterien die Einstellungen des FDW in Makro 1 beeinflussen können.

Ob das jetzt Richtig im Sinne des Erfinders ist, ist eine andere Frage.

Wichtig ist zunächst, dass wir verstehen wie wir FDW nutzen und vor allem ob die Veränderung des Wertes unserem Vorstellungsbild dazu entspricht.


Danke Uli für die Ausführung bis hierher, bin wieder ein kein wenig weiter, aber noch nicht am Ende :D

Gruß Harald
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Jupiter hat geschrieben: 19.08.2024, 14:49 Danke Uli für die Ausführung bis hierher, bin wieder ein kein wenig weiter, aber noch nicht am Ende :D
Genauso geht es mir auch. Auch ich bin trotz allem gefühlsmässig IMMER EIN KEIN WENIG WEITER und definitiv noch nicht, nicht oder nie am Ende :mrgreen:

Grüsse
Uli
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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Uli,

Laß es uns mit Humor ertragen :cheers:
Dann spendiere ich auch noch ein L

Gruß
Harald
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben: 19.08.2024, 12:46... Würde hingegen der reine Direktschall behandelt, würde man "bloss" den Lautsprecher korrigieren und den Raum mit seinen oft negativen Einflüssen (z.B. Raummoden) aussen vor lassen ...
Diese Aussage brachte mich auf einen Gadanken:
Wie wäre es wenn man Lautsprecherkorrektur und Raumanpassung ganz voneinander trennen würde/könnte? Ich weis, daß das mehr Messaufwand bedeutet :wink:, aber meine Raumanpassungsfilter und Weichenfilter laufen ja nicht im PC, sondern ein RaumanpassungsDSP steuert die WeichenDSPs an, die in den Lautsprechern verbaut sind.

Dazu meine Fragen (für den Moment mal abgesehen von der nötigen/vorhandenen FIR TAP Anzahl und Rechenleistung der DSPs!):
- Welchen FDW Wert (und evtl. Mikrofonabstand) empfiehlst Du für reine Lautsprecherkorrektur (also "quasi ohne Raumanteil)?
- Welchen FDW Wert empfiehlst Du für Raumanpassung (wenn die Lautsprecherkorrektur separat, wie zuvor ermittelt, aktiv ist)?

Und eine letzte Frage:
(Wie) Kann man das mit FDW erzeugte Messergebnis exportieren, um es z.B. mal mit REW weiter zu verarbeiten?

Danke und Grüße,
Winfried
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planetti
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Konkrete FDW-Werte Makro 1

Beitrag von planetti »

Hi Winfried,

ich bin zwar der falsche Uli, aber ich würde gerne mein Verständnis vom Meister überprüfen lassen.
wgh52 hat geschrieben: 19.08.2024, 20:05 Dazu meine Fragen (für den Moment mal abgesehen von der nötigen/vorhandenen FIR TAP Anzahl und Rechenleistung der DSPs!):
- Welchen FDW Wert (und evtl. Mikrofonabstand) empfiehlst Du für reine Lautsprecherkorrektur (also "quasi ohne Raumanteil)?
- Welchen FDW Wert empfiehlst Du für Raumanpassung (wenn die Lautsprecherkorrektur separat, wie zuvor ermittelt, aktiv ist)?
Lautsprecherkorrektur:
Man erhält den direkten Schall (=1.Wellenfront?) der Lautsprechermembran mit einem FDW-Wert von 1 (ginge auch 0,5 für die erste Halbwelle oder noch weniger?). Mit höheren Werten erhält man immer mehr spätere Informationen dazu, die durch bestimmte Abstände von der Schallentstehung gekennzeichnet sind. Kantendiffraktion und Gehäuse sind noch Lautsprechereigenschaften und könnten durch einen höheren FDW-Wert mit erfasst werden, dessen Vielfaches der Wellenlänge dem verlängerten Schallweg an den Kanten und den Gehäusewänden entspricht, FDW=2 ist 6,8cm bei 10kHz, FDW=1 ist 34cm bei 1kHz, FDW=1 ist 343cm(!) bei 100Hz. Messung mit dem Mikrofon möglichst nah an der Schallquelle, damit der Amplitudenunterschied und zeitliche Abstand zu nachfolgenden Störungen möglichst gut trennbar ist.

Raumanpassung:
Die Messung für die Raumanpassung an dem Hörplatz, punktuell (ggf. mit Oktav-Glättung) oder MMM (Moving Microphone Measurement=Wedelmessung), mit einem höheren FDW, mindestens soviel, dass das Vielfache der Wellenlänge den verlängerten Schallweg zum Boden, Decke, Wände mindestens mit erfasst, zumindest FDW=5 ist nur 177cm bei 1kHz, FDW=1 ist 343cm bei 100Hz. FDW=1 ist 34,3m bei 10Hz.

Anm.: Wenn man die FDW-Werte vergleicht, kann man wohl bei sehr niedrigen Frequenzen den Raumeinfluss bei der Lautsprechermessung per Fensterung FDW kaum ausblenden. Die Standardwerte 15/15 sind im unteren Frequenzbereich auf Raumeinfluss eingestellt.
wgh52 hat geschrieben: 19.08.2024, 20:05 Und eine letzte Frage:
(Wie) Kann man das mit FDW erzeugte Messergebnis exportieren, um es z.B. mal mit REW weiter zu verarbeiten?
Aus Acourate kann man eine Messung oder bearbeitete Impulsdatei exportieren. In REW unter Preferences/Analysis kann man auch eine FDW Fensterung der Messung durchführen.

zu überprüfende Grüße
Uli
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Man kann das Thema gern unter dem Aspekt des Zeitablaufs betrachten:
Der von der Membran erzeugte Schall gelangt möglichst direkt zum Ohr. Das kontinuierlich ablaufende Ereignis sollte am besten nicht gestört werden. Die Störungen ergeben sich nun aber dadurch, dass der Schall ja den Raum füllt und dieser mit all seinen Begrenzungsflächen reagiert. Hierdurch wird dem Direktschall mit Verzögerung ein weiterer Schall hinzugefügt.
Es ergibt sich ein Konflikt. Es ist prima, wenn wir jede Detailinformation in der Musik wahrnehmen können. Aber wir sind es gewohnt in Räumen zu leben und wollen nicht in der Echokammer hören (also den Raum um uns herum mit wahrnehmen). Und so ergibt sich ein Balanceakt zwischen unverfälschter Information, akzeptabler Verfälschung und nicht akzeptabler Verfälschung.
Beispiele: Hören von Musik im Wohnzimmer, gespielt vom Küchenradio. Lautsprecher, die den Raum mit verwenden, z.B. Dipole, Eckhörner, Rundumstrahler ... Es gibt insofern auch Wiedergabesysteme, die man in der Echokammer nicht korrekt messen kann.

Das FDW macht nun eine Gewichtung der Zeitanteile. Der Direktschall wird bevorzugt und es wird ein Teil der nachfolgenden Verfälschung zugelassen. Dabei wird indirekt angenommen, dass spätere Verfälschungen sich weniger auswirken. Ihr Einfluss wird also ausgegrenzt.
Würde man eine feste Zeit vorgeben, z.B. 10 ms, so würde man in dieser Zeit 100 Schwingungen mit 10 kHz, 10 Schwingungen mit 1 kHz, 1 Schwingung mit 100 Hz und 0.1 Schwingungen mit 1 Hz erfassen. Siehe hierzu typische Wasserfalldiagramme mit hohen Auflösungen bei hohen Frequenzen und wenig bei niedrigen Frequenzen.
Insofern also das FDW-Konzept der frequenzabhängigen Fensterbreite.

Betrachtet man nun die Schallwege abhängig von den sich per FDW ergebenden Fensterzeiten erkennt man ein gleitenden Übergang von reinem Direktschall bis hin zur starken Beeinflussung durch den Raum. Bei FDW 5 ergibt sich ein Schallumweg von 17 cm bei 10 kHz, also eher wenig Raumeinfluß. Bei 1 kHz sind es dann schon 1.7 m, da könnten schon Reflexionen stattfinden, wenn auch wenig, Bei 100 Hz sind es dann schon 17m, das geht schon ein paarmal im Raum hin und her. Und bei 10 Hz wären das schon 170 m, also beliebigst hin und her, kreuz und quer.
Schlussfolgerung: bei niedrigeren Frequenzen entkommt man nicht dem immer vorhandenen Raumeinfluß. Eine Raumkorrektur wirkt im Zusammenhang mit FDW insofern auch eher im unteren Frequenzbereich. Die Diskussion, ob man nur unterhalb der ominösen Schröderfrequenz korrigiert, ist für mich insofern eher untergeordnet.
Also, bei kleinen FDW-Werten bekommt der Direktschall mehr Gewicht, im höheren Frequenzbereich wird dann eher der Lautsprecher korrigiert (was ja auch Sinn machen kann). Im unteren Frequenzbereich spielt immer der Raum mit, der Übergang ist gleitend. Je höher der FDW-Wert ist umso mehr gelten Messung und Korrektur für die jeweilige Position.
Damit es überhaupt losgehen kann verwendet Acourate den Standardwert 15 für die Frequenzgangkorrektur. Davon ausgehend kann sich jeder mit beliebig anderen Worten austoben, bis dass es denn persönlich einrastet. Typischerweise verwendet jeder andere LS in einem anderen Raum mit anderer Abmessung und Einrichtung. Und dann hat auch noch jeder individuell sein Gehör. Ich werde mich daher hüten, eine optimale Empfehlung für einen FDW-Wert mit drei Stellen hinter dem Komma vorzugeben. Wieso, sollte hoffentlich verständlich geworden sein.

Viele Grüsse
Uli
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planetti
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Beitrag von planetti »

Funktioniert ein Wert von FDW=0,5 (=halbe Wellenlänge) auch, in Acourate und in der Praxis?
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

planetti hat geschrieben: 20.08.2024, 13:21 Funktioniert ein Wert von FDW=0,5 (=halbe Wellenlänge) auch, in Acourate und in der Praxis?
Die Frage nach der Praxis verstehe ich, die Frage bzgl. Acourate nicht. Du kannst es ja einfach antesten.
Trotzdem: wir sind hier bei der digitalen Verarbeitung. Da gilt auch das Nyquist-Kriterium. Wenn es also mindestens 2 Samples braucht, was einer ganzen Zykluslänge entspricht macht eine halbe Wellenlänge dann genau 1 Sample. Versuche bitte mal ein einziges Sample zu fenstern :mrgreen:

Bei niedrigen Frequenzen kann man natürlich nur eine halbe Wellenlänge rechnen. Macht -6 dB weniger Pegel, was aber wegen Relativität keine Rolle spielt.

Viele Grüsse
Uli
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