Rainair hat geschrieben: ↑26.07.2024, 15:48könntest du den
idealen Frequenzgang am Hörplatz irgendwie als Grafik darstellen ?
Denn bei linearer Entzerrung per DSP hab ich auch schon gemerkt, dass es irgendwie langweilg klingt.
Nicht nur im Bass, nein, auch die Höhen stimmen irgendwie nicht.
Und da wär eine Grafik doch seeehr hilfreich.
Hallo Rainer,
wenn es eine einfache Antwort gäbe, hätte ich schneller geschrieben...
Bass und Höhen stimmen nicht, dem kann ich nur zustimmen. Also muss man eine genauere Betrachtung anstellen, und das haben wir hier im Forum natürlich schon lange gemacht, nachfolgende Links habe ich mal per Suche nach Target Curve und Zielkurve gefunden:
viewtopic.php?p=24172#p24172
viewtopic.php?p=120346#p120346
viewtopic.php?p=124365#p124365
Eine einfache Überlegung geht davon aus, dass ein natürliches Schallereignis (Punktschallquelle, Rundumabstrahlung, unmanipuliert als unverfälscht, als Referenz anzunehmen) in meinem Raum verglichen mit deinem Raum ein unterschiedliches Maß an Reflexionswegen zum Schallereignis zeitversetzt hinzuaddiert, wobei es zu Phasendrehungen und Auslöschungen/Anhebungen kommt (Kammfiltereffekte). Nah abgehört, klingt es anders als weiter entfernt im selben Raum.
Das Hilfsmittel "Mikrofon" ist nicht absolut linear, eine Messung muss das berücksichtigen, ebenso gilt, dass die übliche Kugelcharakteristik zu höheren Frequenzen (typisch oberhalb 1kHz) mit zunehmender Abweichung von der Mittelachse ihre Form durch Pegelverlust ändert. Bei 2 LS als Schallquellen steht man vor der Wahl, welche Ausrichtung und darauf abgestimmte Kalibrierung des Mikrofons man bei der Messung anwendet.
Brüel&Kjaer ist als bewährte Instanz mit einer Schar von raumabhängig zu wählenden (!) Korrekturen zu seinen Messmikrofonen gekommen, um die für den reflexionsarmen Raum (RAR) ausgelegten Mikrofone an das übliche (und verschiedene Diffusfeld) anzupassen.
Der
Präzedenzeffekt ist ein Phänomen menschlicher Auswertung des Ohrsignals, das Messmikrofon leistet keine äquivalente Auswertung.
Der Ohrfrequenzgang wird durch die Ohrmuschelform individuell winkelabhängig beeinflusst, wodurch der Schall von vorn anders klingt als der von hinten (woher auch Nachhall des Frontschalls kommt). Durch unsere Fähigkeit, Schall aus unterschiedlichen Richtungen zu lokalisieren, anderen auszublenden (
Cocktailparty-Effekt), aber auch die Täuschbarkeit (
Franssen-Effekt) ist die Vergleichbarkeit des Mikrofons mit der persönlichen Wahrnehmung nicht vollständig gewährleistet.
Und das einzelne Messmikrofon tritt an die gemittelte Stelle, wo es 2 Ohren mit räumlichem Abstand vertritt...
Wenn man gemessen hat, muss das Durcheinander der ausgeprägten Kammfiltereffekte intelligent und angemessen geglättet werden. Was auf dem Weg zum gewünschten geglätteten und anhand der Greifbarkeit der Kurve erstmals für uns interpretierbaren Frequenzgang geschieht, ist das Geheimnis der Software. Für uns ist da eine Blackbox, in die Wirrwarr hineingeht und eine schöne Strichgrafik herauskommt, die wir für eindeutig halten.
Die Kurve von Brüel&Kjaer (1974) verdeutlichte, dass eine im Wohn-Raum gemessene (im RAR noch) lineare Schallquelle nun einen zu den Höhen abfallenden Verlauf hat, deren Stetigkeit ab ca. 10kHz in einen Roll-Off übergeht. Üblich ist eine Messung mit einen Dodekaeder LS, der aus 20 Flächen mit Chassis eine gleichmäßige Rundstrahlung macht. Die bei uns üblichen Mehrwegesysteme mit ihrer seitlich frequenzabhängig eingeschränkten Charakteristik sind da nicht direkt vergleichbar.
Floyd E. Toole hat sich vielfach zu diesem Thema geäußert, Oliver Mertineit hat mit einigen Links darauf hingewiesen (
search.php?keywords=Floyd+Toole&terms=a ... bmit=Suche).
Man wird also vor keine einfache Aufgabe gestellt, wenn man mit 1 Kurve für alle Fälle rechnet, denn die Unzufriedenheit mit dem Ergebnis ist vorprogrammiert. Dann geht man (zwangsläufig) an die individuelle Anpassung.
Grüße
Hans-Martin