Wagners Nibelungenring - Solti (Remaster 2022)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Jörg,
alcedo hat geschrieben: 16.08.2023, 13:28 Ich gebe zu, ich habe dieses Detail bis gestern noch NIE bewusst gehört ;-)
Ich habe das auch nie bewusst wahrgenommen. Und habe doch schon den Solti-Ring in seinen diversen Ausgaben oft genug gehört. Erst bei der SACD ist es mir aufgefallen. Das mag daran liegen, dass es sonst leiser (so etwa auf Vinyl in der Edition) erscheint.

Eines noch: Den zweiten Akt der Walküre habe ich bislang eher nebenbei verkostet oder gleich ausgelassen. Bei der 2022er Ausgabe war es aber interessant, der sängerischen Gestaltung zu folgen. Da bin ich doch mal auf das ewige Gesinge (Siegfried - Brünnhilde) im Siegfried gespannt, ob da auch mehr Gestaltung drin ist als ich bisher wahrgenommen habe.

Viele Grüße

Jochen
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

mittlerweile habe ich Gelegenheit gehabt, das Vinyl der aktuellen Ausgabe zu hören. Und während ich sonst häufig das Vinyl dem Silberling vorziehe, kommt es hier darauf an, welches Setup verfügbar ist. Mir schien das Vinyl hier keine Vorzüge gegenüber der SACD zu haben. Und da die günstiger zu haben ist, wäre meine Empfehlung, darauf das Radar auszurichten. Für diejenigen, die SACDs nicht als solche abspielen können, gibt es ja noch den CD-Layer. ;) So oder so, neben den schon genannten Vorzügen des 2022er Remaster ist meiner Meinung nach die superbe Räumlichkeit zu erwähnen. Und ich glaube nicht meiner DR-Analyse (foobar-plugin und Standalone-Version). Es klingt einfach nicht so eingedampft, wie die vermeldet.

Viele Grüße

Jochen
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matia100
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Beitrag von matia100 »

Hallo zusammen,

lese hier schon eine Weile mit und muß es nun doch mal loswerden:

Mich irritiert schon sehr, das hier nicht auf das Dirigat Soltis, die musikalische Dramaturgie und die generelle Aufführung dieses Werkes gerüttelt wird.

Einzig die mehr oder weniger vorhandene audiophile Qualität wird hervorgehoben.

Die gesamte Einspielung entsprach einem wohl eher für die Schallplatte und die DECCA typischen Klangideal. Sie ist nach heutigen Maßstäben jedoch völlig aus der Zeit gefallen.

Zumal diese Einspielung wohl die Absicht hatte mit dem von Jochen festgestellten "fetten" DECCA-Sound etwas einmalig profitables in die Welt zu setzen dem sich Solti auch noch ergebenst Untertan machte.

Mit Wagners Aufführungspraxis und angestrebten Orchesterklang hat dies nichts zu tun weshalb die Aufnahme heute nur noch ein Relikt aus der Vergangenheit ist. Heute möchte man keine Oper, schon gar keinen Wagner so hören müssen. Sänger, die wie hier vom Orchester erschlagen werden und sonst nur für Ihren Auftritt hervorgehoben werden, gewaltige Orchestertutti über jedes Maß hinaus und fehlende Sensibilität gegenüber Binnenstrukturen hinterlassen den Wagnerfreund ratlos. Und mehr als nur einmal klingen die Wiener eben wie an der schönen blauen Donau. Gewiss gehörten einige Sänger zu den besten, und das ist vielleicht das schönste an der Aufnahme.
Melomane hat geschrieben:Der Wagner würde es wohl auch begrüßen, wollte er doch immer den Belcantogesang.
Nein, nein, nein. Wo hast Du das her? Wagner wollte zuerst deklamatorisch, dann schauspielerisch und ganz zuletzt sängerisch aufgeführt wissen. Dies macht es auch vielen internationalen Sängern sehr schwer Wagner zu verstehen und zu singen. Die aktuelle Wagnerforschung ist längst nicht mehr auf der Belcanto-Linie (s.a. Kent Naganos Neuaufführung Rheingold).
alcedo hat geschrieben:Stimmen besser, körperlicher rüber kommen, ist deutlich wahrnehmbar. Auch der Orchesterpart ist präsenter. Ein Effekt als ob man 5-6 Stuhlreihen im Konzerthaus nach vorne gerutscht sei
Schon mal im Festspielhaus gesessen? Auf verschiedenen Plätzen? So etwas habe ich noch nie erlebt, auch nicht in anderen Opernhäusern oder bei konzertanten Aufführungen, mir scheint das eine high-fidele Vorstellung zu sein.

Es ist auch egal ob die Sänger im audiophilen Sinne "deutlicher heraus zu hören" sind wenn sie eben nicht sauber artikulieren (Text mitlesen). Man fragt sich warum ein Korrepetitor nicht eingeschritten ist oder ob dieser vom DECCA-Produzenten zuvor erschlagen wurde.

Gleichwohl preist die Plattenfirma die "Jahrhundertaufnahme" als "Größte Aufnahme aller Zeiten". Gut ist eben wenn es sich verkauft.

Herrje - Hört doch mal genau hin, der Kaiser ist nackt !

Viele Grüße
Matthias
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atmos
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Masterband gerettet

Beitrag von atmos »

matia100 hat geschrieben: 31.08.2023, 16:46 Hallo zusammen,

......

Mich irritiert schon sehr, das hier nicht auf das Dirigat Soltis, die musikalische Dramaturgie und die generelle Aufführung dieses Werkes gerüttelt wird.

Einzig die mehr oder weniger vorhandene audiophile Qualität wird hervorgehoben.

...
Hi, Matthias, es geht doch nur darum, dass das Masterband vor dem Verfall digitalisiert wurde, und auf 24 bit und 192 kHz stehen nun mal die Hifi-Freaks.
Ich habe mir "Das Rheingold" auch nur gekauft, weil es als SACD produziert wurde und ich DSD Direkt wiedergeben kann; denn nur der DSD-Layer ist perfekt.

Die SACD-Wiedergabe mit der Aufführung in einem Opernhaus zu vergleichen, ist unlogisch. Dazu hätte es schon den immersiven Sound gebraucht, um den Raum und auch die Tiefe der Bühne mit einzubeziehen. Aber dazu hätte das Masterband 6-kanalig sein müssen.

Ob Solti gut dirigiert hat, kann ich nicht beurteilen. Ich höre bei den Wienern Philharmonikern auch die Blaue Donau nicht heraus. Und ob den Sänger:innen ein Korrepetitor beim Üben gefehlt hat, kann ich nicht heraushören.

Ich weiß aber, dass die Orchester relativ laut spielen und die Sänger:innen versuchen, mit immer lauterer Stimme dagegen anzusingen, und dann spielt das Orchester noch lauter.

Viel Spaß noch mit Wagner.

Gruß
Günther
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

mir hat doch das Thema Kompression keine Ruhe gelassen. An die SACD komme ich ja nicht ran. Also habe ich 3 Vinylversionen digitalisiert. Das Ergebnis - in Audacity visualisiert - ist ganz interessant. Ich habe die Aufnahme mit dem Fix-Pegel des Recorders erstellt, um vergleichbare Werte zu bekommen. Deswegen ist der Pegel relativ niedrig. Digitalisiert wurde der Schluss des 3. Akts der Walküre:

Zunächst die Solti-Edition von 1981:
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Dann das hier thematisierte Remaster 2022:
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Und schließlich die japanische King-Record:
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Viele Grüße

Jochen
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Guten Abend,

da ich z.Z. im Urlaub bin und nur auf dem Handy schreiben kann, hier nur kurz:

@Matthias: vom dem, was du sachlich schreibst, stimme ich dir in manchen Dingen zu. Es ist aber weder neu (so hat sich beispielsweise Birgit Nilsson bereits bei der Aufnahme darüber beschwert, dass Solti viel zu laut dirigiere), noch passt es hier her. Mir scheint, du bist schlicht im falschen Thread. Hier geht es doch nur um das Remaster 2022.

matia100 hat geschrieben: 31.08.2023, 16:46 Die aktuelle Wagnerforschung ist längst nicht mehr auf der Belcanto-Linie (s.a. Kent Naganos Neuaufführung Rheingold).
Das erscheint mir ein interessanter Aspekt (den man gegebenenfalls in einem gesonderten thread weiterführen könnte). Ich verfolge dieses Projekt schon seit geraumer Zeit (es wurde 2017 in Köln gestartet und versandete recht schnell). Wie sicherlich bekannt, ging es ursprünglich um die historische Inszenierungspraxis (was längst aufgegeben wurde). Sehen oder hören konnte ich das Rheingold durch Nagano damals nicht. Mit enormen Vorschußlorbeeren überhäuft und offenbar mit über 2 Mio € zusätzlichen Forschungsmitteln ausgestattet, wird es nun in Dresden weitergeführt. Die Rezensionen der bisherigen Aufführungen sind verhalten. So resümmiert u.a. der mdr

"...Am Ende aber bleibt auch hier die Erkenntnis, dass trotz intensivster Arbeit an der sprachlichen Gestaltung ... manche Sänger zu verstehen waren, andere nur bedingt.

Die Frage aber, was sich über diesen historischen Rückgriff substantiell Neues über das Werk oder die Figuren erschlossen hat, diese Frage steht im Raum – angesichts einer RHEINGOLD Aufführung, bei der viel leidenschaftliches Engagement und künstlerische Expertise, jedoch nur wenig an klanglicher Finesse und theatral-grundierten Doppelbödigkeiten zu erleben war."

Die (neue) Aufführung des Rheingolds in Köln im August diesen Jahres musste ich aus Krankheitsgründen leider absagen, die Walküre in 2024 steht dafür fest im Terminplan.

Solange wird eben der Solti weiterhin herhalten müssen :cheers:

Viele Grüße
Jörg
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Melomane hat geschrieben: 02.09.2023, 13:37mir hat doch das Thema Kompression keine Ruhe gelassen. An die SACD komme ich ja nicht ran. Also habe ich 3 Vinylversionen digitalisiert. Das Ergebnis - in Audacity visualisiert - ist ganz interessant. Ich habe die Aufnahme mit dem Fix-Pegel des Recorders erstellt, um vergleichbare Werte zu bekommen. Deswegen ist der Pegel relativ niedrig.
Hallo Jochen,
ich benutze Audacity gern, würde allerdings anschließend alle 3 mit dem "Verstärken" Tool testen, wieweit man noch bis 0 dB gehen kann und dann alle 3 mit dem niedrigsten Wert der 3 verstärken. Damit blieben die Pegelverhältnisse der 3 Muster untereinander erhalten. In der optischen Vergleichbarkeit erscheint es aber sinnvoll, die bei Audacity angebotene Maximalverstärkung bis 0dB jeweils anzuwenden, um z.B. die bei dem hier thematisierten Remaster 2022 vorgefundene höhere Aussteuerung zu kompensieren.
Dann benutze ich das Foobar2000-PlugIn: DR-Meter, um die Dynamik anzeigen zu lassen.

Wenn man mit CTRL-1 zoomt, sieht man mehr Details.
Dann fällt auf, dass ein unterschiedliches Verhalten unter 20 Hz (Hochpassfilter beim Schallplattenschnitt) deutlichen Einfluss auf die Hüllkurve nehmen kann, auch darauf, welche Peaks an welcher Stelle (zeitlich) ausgeprägter (Amplitude) erscheinen.

Ich habe einst mit "Hopak" von ReferenceRecordings solche Analysen gemacht, auch mit anderen Aufnahmen.

Um auszuschließen, dass ein unbemerkter individueller Höhenschlag der LP das Ergebnis beinflusst, würde ich ein identisches Hochpassfilter auf 35Hz für alle 3 Samples anwenden. Den Schlusssatz auswählen, ist gewiss hilfreich, weil gegen Ende die Welligkeit minimal ist.
Den Höhenschlag erkennen hilft die Audacity-interne Spektralanalyse, mit entsprechender Sample-Wahl kommt man bis in den Bereich 1Hz - und kann die System-Tonarm-Resonanz erkennen (auch bei Material, welches von der gereinigten LP professionell abgetastet wurde, um dann als CD oder anderweitig im Digitalformat vermarktet zu werden.

Der Vergleich der Spektralanalysen zeigt auch, wieweit nachträglich Equalizer eingesetzt wurden.
Grüße
Hans-Martin
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matia100
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Beitrag von matia100 »

Hallo Jörg,
alcedo hat geschrieben:noch passt es hier her. Mir scheint, du bist schlicht im falschen Thread
Das tut mir leid.
Wollte lediglich den Wert dieses erneuten Remasters einordnen. Kann ja sein das es näher an der Aufnahme dran ist, diese Aufnahme bleibt aber ein Widerspruch in sich und ist deswegen eben aus meiner Sicht keine Jahrhundertaufnahme.

Viele Grüße
Matthias
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

pssst, nicht verraten: Es gibt diesen Ring derzeit zum Sonderpreis bei den üblichen Verdächtigen. ;)

Viele Grüße

Jochen
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

... weshalb ich jetzt diesen Ring nun auch im 192-24-Format besitze.
Völlig übertrieben - aber schön ;-)
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

alcedo hat geschrieben: 02.09.2023, 21:31 Es ist aber weder neu (so hat sich beispielsweise Birgit Nilsson bereits bei der Aufnahme darüber beschwert, dass Solti viel zu laut dirigiere),
Hallo,

gestern und heute habe ich aus dem 22er Remaster 5/6tel der Götterdämmerung (Vinyl-Ausgabe) gehört. Und denke, dass ist grundsätzlich kein Fehler ohne direkten Vergleich. Und warum soll man immer vergleichen? Einfach mal so genießen ist doch auch schön! Aber ich dachte an die B. Nilsson und ihr oben erwähntes Unbehagen. Und dachte, dass sie das doch wohl nicht ohne Grund kundgetan hat. Denn ihren Gesang konnte ich ohne Libretto nur selten verstehen, der kam nicht durch, durch das Orchester. Die Herren hatten es da leichter. Warum auch immer. Ob das an der Abmischung der ursprünglichen Aufnahme liegt? "Lass die Nilsson mal nicht so laut, sonst wird's unschön..."?

Apropos Vergleich: Die letzte LP gönne ich mir in der nächsten Zeit dann im Vergleich mit der Solti-Ausgabe aus den 1980ern.

https://www.discogs.com/de/release/8930 ... Nibelungen

;)

Viele Grüße

Jochen
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

die Gelegenheit für den Vergleich ergab sich schneller als erwartet. Resultat in Kürze: Die 22er Götterdämmerung klingt substanzreicher, körperhafter, farbiger als die von 1981, ohne allerdings "fett" zu wirken. Sozusagen Class-A gegen frühere Class-D. ;) Also: Vinylfreunde, die den Solti-Ring mögen und noch nicht zugegriffen haben, sollten das tun. Es lohnt sich, meinen meine Ohren, auch wenn das Vinyl vom digitalen "Master" geschnitten wurde [1]. Egal, was man sonst so liest. Der Rest kann sich an digitalen Tonträgern/Downloads erfreuen. Es kann jeder etwas für sich finden!

Ich jedenfalls ziehe meinen Hut vor den Produzenten. Zumal vor dem Hintergrund nicht gerade optimaler Voraussetzungen (Zustand der alten Bänder).

[1] Und da kann man wieder sehen: Es bringt nichts, analog gegen digital ausspielen zu wollen. Es kommt immer darauf an, was man jeweils mit dem Ausgangsmaterial gemacht hat.

Viele Grüße

Jochen
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