Die Kammermusik im Fokus der Klassikhörer

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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Melomane
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Die Kammermusik im Fokus der Klassikhörer

Beitrag von Melomane »

Hallo,

mehrfach kam in den letzten Tagen die Frage auf, warum Kammermusik in der Wahrnehmung der Klassikfreunde hier im Forum eher unterrepräsentiert sei. Nun, nehmen wir mal an, dass Wahrnehmung = drüber schreiben ist.

Wenn ich an meine musikalische Sozialisation denke, war es lange Zeit so, dass Kammermusik als anstrengend wahrgenommen wurde. Zum einen, weil die missliche Abbildung weniger Instrumente auf mediokren Anlagen mich einfach nur genervt hat. Und da ich nicht wusste, dass es auch bessere Anlagen gibt, blieb die Kammermusik weitgehend links liegen. Und weiter ist es für die jugendlichen Ohren halt so, dass die Action wollen. Und diese bietet ein Orchester in größerem Maße als meinetwegen ein recht gleich/ähnlich klingendes Ensemble von vier Streichern. Allein ein Flügel rettet die Lage dann auch nicht. So eine Trompete, Flöte, Pauke und wie sie alle heißen, mischen die Bude schon effektvoller auf. Deswegen waren nahezu ausschließlich mit Streichern besetzte Kammerorchester auch nicht so mein Ding.

Nun ja, im Alter wird man gnädiger und kann sich auch an den Feinheiten eines Streichquartetts erfreuen. Da braucht es nicht immer den Solti. ;)

Achso - Musikempfehlung heißt die Rubrik: Also hört ruhig mehr und intensiver rein in die Kammermusik.

Viele Grüße

Jochen
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Lauthörer
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Beitrag von Lauthörer »

Hallo Jochen,

ein schönes Thema. Für mich war Kammermusik nur dann ein Thema, wenn es darum ging, meine Anlage punktuell zu beurteilen. Gefallen habe ich an Kammermusik nie gefunden.

Auf dem Gymnasium wurde ich mit Ravel (Bolero) und Wellingtons Sieg (Beethoven) auf Klassik getrimmt. Heute sind es Mahler, Schostakowitsch und Stravinsky e.a.

Ich kann aber gut verstehen, wenn man in guter Atmosphäre (Kerzenlicht usw.) und dazu idealen Lautsprechern, wie z.B. Manger C1, bei nur leicht gehobener Zimmerlautstärke eintauchen kann.

Viele Grüße Andreas
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Andreas,

sehr interessant, was Du geschrieben hast. Es weckt einige Fragen bei mir.

Wenn Du von getrimmt sprichst, würde ich das eher als ein etwas unangenehmes Erlebnis verstehen. Ist das richtig? Oder hat das damals gehörte nur Dein Interesse an Orchestermusik, aber nicht an Kammermusik wecken können?

Wenn Du von heute sprichst, fällt mir auf, dass Du Komponisten nennst, die im 20. Jahrhundert gelebt haben. Das sind dann nach Deinem Einleitungssatz wohl deren Orchesterwerke, die Dich ansprechen. Shostakovitch hat zwar 15 Symphonien, aber auch 15 Streichquartette komponiert. Warum hörst Du dann die Symphonien, nicht aber die Kammermusik? Strawinsky wiederum hat einige Anleihen in der Musik des Barock gemacht. Wodurch kommt es, dass Dich die wesentlich "einfachere" Musik des 17.-19. Jh. offensichtlich nicht zu berühren vermag? Gut, die Affekte der Barockmusik mögen erst einmal sehr fern und fremd klingen, aber die Klassiker im engeren Sinne, also Mozart, Beethoven, etc. sind doch dem Hörer durchaus geläufig. Bei diesen Komponisten dominieren sogar die Werke der Kammermusik die Zahl der Symphonien, auch wenn Haydn über 100 und Mozart über 40 Symphonien komponiert hat.

Viele Grüße
Horst-Dieter
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Hironimus_23
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Beitrag von Hironimus_23 »

Hallo Zusammen,

meine Begeisterung für Kammermusik und auch ein Grund, warum ich diese häufig großen Orchesterwerken vorziehe, ist, dass ich Kammermusik einfacher durchhören kann. Einzelne Instrumente erschließen sich mir viel einfacher, als dass mir dieses bei einem großen Orchester gelingt. Insbesondere, wenn im Orchester die Instrumente mehrfach besetzt sind. Würde ich es "böse" formulieren, nehme ich große Orchester wie einen großen Klangbrei wahr - was natürlich völlig überzogen dargestellt ist. Genau darin besteht ja u.a die Kunst des Dirigenten, dem entgegen zu wirken. Aber eine Kammerbesetzung empfinde ich häufig klarer und reiner im Klang.

Viele Grüße
Hironimus
(PS: Ich höre aber auch Orchester gerne, insbesondere in kleinerer Besetzung)
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo in die Runde,
ich kann mich Jochen nur anschließen:
Praktisch keine Hörsession kommt bei mir ohne Kammermusik aus.
Meine favorisierten Besetzungen: Streichquartett, Klaviertrio, Kunstlied, Violin-und Klaviersonaten.
Wenn die Klangfarbentreue der Anlage aber nicht wirklich gut ist, kann man gerade einzelne Geigen schlecht auf Dauer ertragen. Vieleicht wird deshalb Kammermusik oft gemieden? Zum Anlagentesten nehme ich meistens ein Hayden- Trio mit Beaux Arts- da hört man sofort, ob es Probleme im Setup oder dem Raum gibt und ob die Anlage überhaupt Musik transportieren kann.
Um so richtig tief in die Musik einzusteigen empfehle ich gern Schubert und Ravel.
Interpreten z.B. unter vielen anderen: das Beaux Arts Trio, Dietrich Fischer Dieskau, Suske, Melos, Julliard, Gidon Kremer, Alfred Brendel, Martha Argerich.
Oftmals bestechend gut analog aufgenommen (Philips!)

Grüße
Martin
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cornoalto
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Beitrag von cornoalto »

Hallo zusammen,
Nachtrag:ich meinte natürlich Hironimus, dem ich mich in seiner Begeisterung anschliessen kann.
Lauthörer hat geschrieben: 02.01.2024, 18:41
Ich kann aber gut verstehen, wenn man in guter Atmosphäre (Kerzenlicht usw.) und dazu idealen Lautsprechern, wie z.B. Manger C1, bei nur leicht gehobener Zimmerlautstärke eintauchen kann.

Viele Grüße Andreas


Hier denke ich an Sampler a la "Kuschelklassik zum Entspannen"- und das wird dem Begriff Kammermusik m.E. garnicht gerecht.
Eine Beethoven- Klaviersonate z. B. mit Friedrich Gulda braucht viel Dynamik und auch hohe Lautstärken um richtig erfahrbar zuwerden.
"Kammermusik" ist ein riesengrosser Bereich. Wie soll man das überhaupt eingrenzen? Epochen, Komponisten, Besetzung? Ein Jazz-Klaviertrio ist ja auch Kammermusik, oder?

Grüße
Martin
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Hironimus,
Hironimus_23 hat geschrieben: 02.01.2024, 23:01 meine Begeisterung für Kammermusik und auch ein Grund, warum ich diese häufig großen Orchesterwerken vorziehe, ist, dass ich Kammermusik einfacher durchhören kann. Einzelne Instrumente erschließen sich mir viel einfacher, als dass mir dieses bei einem großen Orchester gelingt.
mir geht es genauso wie dir. Deshalb gefallen mir jenseits von Kammermusik auch puristische besetzte Bach-Chöre wie derjenige von Sigiswald Kuijken besonders gut: https://www.amazon.de/Bach-Die-Kantaten ... B074CTRRRR. Dass hat meines Erachtens auch mit den raumakustischen Bedingungen zu tun: Spärlich instrumentierte Aufnahmen klingen auch bei suboptimalen Bedingungen annehmbar gut. Und nicht zu vergessen, im Alter lässt die Eigenschaft zum Lokalisieren von akustischen Signalen üblicherweise nach.

Viele Grüße
Rudolf
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