AcourateConvolver und der virtuelle Hochtöner

uli.brueggemann
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AcourateConvolver und der virtuelle Hochtöner

Beitrag von uli.brueggemann »

Ihr wißt ja alle dass es Lautsprecher mit Rundumabstrahlung und Dipolabstrahlung gibt. Dazu kommen dann noch Lautsprecher, die auch nach hinten gerichtete Hochtöner aufweisen. All diesen Prinzipen wird ja auch nachgesagt, dass sie eine schöne Raumlichkeit zaubern können.
Nun haben mich die Erfolge, die Holger (Schokosylt) mit seinen rückseitigen Hochtönern erzielt hat, nicht ruhen lassen. Im Vergleich zu den konventionellen Konzepten lassen sich ja hier Zeitpunkt und Stärke des rückseitigen Schallereignisses fein kontrollieren und dosieren. Das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Spannend hierbei ist auch, dass es sich ja nur um minimalste Veränderungen handelt, mir fällt dazu der schöne englische Begriff "just noticable difference" ein. Dagegen ist ein Rundumstrahler eher als Hallsoßenwerfer zu betrachten.

Nun, der Aufwand für die feine Gewürzzutat ist nicht unerheblich. Man benötigt eben zusätzliche Chassis, Verstärker, DA-Kanäle.

Und dann muss man noch selbstkritisch sein. Das Ergebnis hängt ja auch klar davon ab, was denn hinter den LS für ein Raum vorhanden ist und wie er gestaltet ist. Da ist letztlich jedes Ergebnis zuerst Zufall. Und es benötigt ein langes Testen, Tunen und Hinhören bis dass man am gewünschten Punkt ist.

An diesem Punkt habe ich mich an die alte Diskussion zum virtuellen Bass-Array erinnert. Der Grundgedanke war: der Schall wandert zweimal durch den Raum und bekommt ein Gegensignal wenn er wieder am LS vorbeikommt.
Könnte man das nicht auch ähnlich beim Hochtöner anwenden? Der Schall eines rückseitigen Hochtöners läuft zur Vorderwand, wird reflektiert und kommt mehr oder weniger diffus wieder am LS in Richtung des Hörers vorbei. Kann denn nicht der vorhandene Hochtöner das auch simulieren und wir lassen den hinteren HT einfach weg? Dann wäre es also ein virtueller Hochtöner und davon handelt ja dieses Thema.

Ganz Schlaue werden natürlich schnell bemerken, dass damit nichts wirklich Neues entstanden ist. Den Faltungshall gibt es nun schon länger. Das Prinzip ist dasselbe.
Allerdings finde ich es doch einen Unterschied, nämlich wie man sich eben an das Thema annähert. Und dann entsprechende Schlussfolgerungen zieht.
Es ist ja nicht das Ziel sich den Nachhallpuls des Petersdomes zu schnappen und über all seine Musik eine klebrige Süße auszukippen. Wer es mag kann das natürlich tun. Ich rede hier aber von Luftigkeit und Leichtigkeit.

Also, man benötigt einen geeigneten Nachhall. Es gibt reichlich Bibliotheken dazu, wenn man reinhört ist das meistens nicht geeignet. Es muss neutral sein und nicht färben (Nachhall aus einem Wald ist viel besser als aus einem Raum). Eine neutrale Diffusität bedeutet, dass sich der Nachhall an jegliches Musikgenre anpasst. Es muss kontrollierbar sein, z.B. eben auch wann der Nachhall beginnt. Das Originalsignal soll ja nicht verfälscht werden. Eine geeignete Zeitlücke müsste hier ebenfalls nützlich sein (LS mit rückwärtigen Abstrahlern spielen ja üblicherweise gleichzeitig, dazu kommt dann eine feste Verzögerung bedingt durch den Abstand LS - Vorderwand). Prima wäre es auch wenn man die Nachhallzeit justieren kann.

Es hat also etwas gedauert bis ich das Konzept soweit stehen hatte. In der neuen Version des AcurateConvolvers ist dies Funktion nun integriert. Es lassen sich folgende Parameter justieren:
- rosa oder weiss (mit Rauschen als Basis, man denke an "der Wald rauscht")
- Hochpass justierbar ab 500 Hz bis 5 kHz
- Tiefpass justierbar ab 15 kHz bis runter zu 5 kHz
- RT60 Nachhallzeit, definiertes exponentielles Abklingen 100ms bis 1 sek
- Zeitlücke justierbar mit 0 bis 50 ms zwischen Originalsignal und Einsatzen des Nachalls
- Verstärkung bzw. Abschwächung von -20 dB bis -60 dB.

Mit eingestellten Parametern lässt sich der virtuelle Hochtöner zu- und abschalten, um einen Hörvergleich zu erlauben. Bei -20 dB ist das gerade bei trockenen Schlagzeugrythmen noch sehr gut wahrnehmbar, man justiert die anderen Parameter bis einem das Ergebnis klanglich zusagt. Dann reduziert man die Verstärkung z.B. auf -40 dB. und hat dann einen Startpunkt fürs weitere Tunen.

Ich denke das Ergebnis ist spannend und lohnenswert. Es macht mir Spass, gefühlt die Vorderwand zu "rücken" und den Raum zu vergrößern.
Man merkt es schnell, wenn man übertreibt, da es dann langweilig und lästig wird. Aber die richtige kleine Prise und es schmeckt sehr lecker.

Viele Grüsse
Uli
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo Uli,

Sehr interessante News! Ich bin gerade dabei, meinen Manger wieder in Betrieb zu nehmen, der ja bekanntlich obenrum etwas schwächelt, was die sog. "Luftigkeit" angeht. Dies liegt vor allem im starken Richtverhalten begründet. Versuche mit Rückwärtigem Hochtöner waren nicht sehr zufriedenstellend, zumindest ohne schnellem Erfolg hatte ich die Untersuchung schon bald eingestellt.
Natürlich kann Dein tool das Rundstrahlverhalten eines MSW nicht verbessern, denn der Schall kommt ja weiterhin aus derselben Richtung (im Gegensatz zu dem nach hinten abgestrahlten und über mehrere Ecken reflektierten Schall eines hinten angebrachten Hochtöners oder eines Dipols), aber es wird interessant sein, inwieweit dennoch die zusätzliche Hochtonenergie hier den gewünschten Effekt von mehr Luftigkeit bewirkt, da sie ja nicht in Form einer simplen Pegelanhebung im Hochton, sondern zeitlich gesteuert und daher psychoakustisch trennbar vom Direktschall zuführbar wird.

Ich bin sehr gespannt!

VG, Jörn
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L_Hörer
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Beitrag von L_Hörer »

Hallo Uli,

5 Sterne ***** von mir!
uli.brueggemann hat geschrieben: 20.11.2020, 12:20 Ich denke das Ergebnis ist spannend und lohnenswert. Es macht mir Spass, gefühlt die Vorderwand zu "rücken" und den Raum zu vergrößern.
Man merkt es schnell, wenn man übertreibt, da es dann langweilig und lästig wird. Aber die richtige kleine Prise und es schmeckt sehr lecker.
Der neue Button "AIR" beschreibt anschaulich, was sich da tut. Beim Einstellen tastet man sich am besten von Extremwerten zurück und kommt so zügig zu dem Touch Air, der gefällt.

Bei mir z. Zt.: Verstärkung -40db, Hochpass 3000Hz, Tiefpass 15000Hz, RT60 700ms, Zeitlücke 15ms, Diffusion weiss.

Bleibt zu sagen:
Der Meister hat wieder zugeschlagen - Danke,

Heinz
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Sigi M.
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Geithain Vorimpuls mit AC simuliert

Beitrag von Sigi M. »

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Der volle Pegel kommt mit 8,2 ms Verzögerung, der abgeschwächte Pegel kommt sofort mit -45 dB

Habe mir keine Gedanken um HP / TP gemacht, sondern habe den TAD 4001 komplett mit Vorimpuls laufen lassen. Habe diese Einstellung aber wieder rausgenommen, ist auf den ersten Eindruck Klasse, hat mir dann aber nach längerem Hören nicht mehr gefallen.

Ich hatte aber teilweise auch -20 ms für die Platzierung des -45 dB Signals.

Bin jetzt wirklich sehr gespannt, was Deine neue Funktion aus der Idee macht. :D :D :D

VG
Sigi

PS: nochmal zum Klang:
Die Räumlichkeit ist umwerfend, allerdings klingt Klavier ganz leicht harsch
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Sigi,

siehe bitte das Thema Zeitlücke mit viewtopic.php?p=191440#p191440
Wir sollten das extra diskutieren. Ist ja jetzt im AcourateConvolver auch noch nicht drin.
Im übrigen sprechen wir hier bei dem Thema nagative Zeitlücke nicht von Hall sondern von einem Vorecho. Das müssen wir unterscheiden.
Die AIR Funktion im AC verwendet keine Echos, bzw. genauer Reflektionen. Bewusst nicht.

Ich denke dass hier zuerst einmal Erfahrungen mit der neuen Funktion gesammelt werden sollten und wir nicht sofort alles umschmeissen.

Grüsse
Uli
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Sigi M. hat geschrieben: 20.11.2020, 20:09 PS: nochmal zum Klang:
Die Räumlichkeit ist umwerfend, allerdings klingt Klavier ganz leicht harsch
Wenn das bzgl. AIR gilt dann mit etwas Geduld tunen. Ich spiele z.B. derzeit gern bei einem Tiefpass mit 8 kHz also nicht zu hoch.
Wobei: bei Klavier bin ich nicht wirklich kompetent, höre zu wenig echte Klaviere.

Grüsse
Uli
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Sigi M.
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Klar

Beitrag von Sigi M. »

Hallo Uli,

kein Bedarf was umzuschmeissen ;-)

Der Hall und Vorecho ist mir klar. :roll: Ich denke ich habe schon begriffen, was da vor sich geht. :)

Wie gesagt, bin gespannt, was es macht, was Du reingebaut hast.

Kann ich die neue Version erhalten / Testen?
VG
Sigi
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Sigi,

die neue Version gibt es wie immer unter https://www.audiovero.de - Infocenter - Downloads als Update.
Deiner Frage kann ich entnehmen dass das harsche Klavier nichts mit der AIR-Funktion zu tun hat. Also bitte erst einmal testen.

Grüsse
Uli
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Lauscher
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Beitrag von Lauscher »

Hallo Uli,

Das ist eine super Idee von Dir :cheers: Perfekt

Durch das viele Basotect hinter meinen LS hatte ich mich der Spielwiese eines rückwärtigen Hochtöners leider beraubt.
Dafür habe ich die Nachhallzeiten für meinen Raum schön runter bekommen.

Ich aktualisier mein AC nachher und probiere es gleich aus :D

Viele Grüße an Dich - und danke das Du den AC erweitert hast.
Jens
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Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

uli.brueggemann hat geschrieben: 20.11.2020, 20:40 Sigi,

die neue Version gibt es wie immer unter https://www.audiovero.de - Infocenter - Downloads als Update.
Deiner Frage kann ich entnehmen dass das harsche Klavier nichts mit der AIR-Funktion zu tun hat. Also bitte erst einmal testen.

Grüsse
Uli
Ja korrekt,
Mit Vorimpuls wird das Klavier "harscher"
AIR habe ich noch nicht getestet ;-)
Bin aber schon gespannt, weil ich mein Dead End, so wie Jens, auch hinter den Lautsprechern habe.

Manu Katche - song for her, eignet sich sehr gut, um Klaviertöne zu beurteilen, langsam mit Abstand gespielte Anschläge
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo Uli,

hat sich was an der Prozessorauslastung geändert durch die neu Funktion, auch wenn diese nicht aktiv ist? Seit dem update von AC liege ich mit meinen 8 Knälen mit 132k FFT Länge und 96kHz nun am limit der CPU und muss auf 2XXk Filterpartition gehen, was den Bedienkomfort extrem schmälert.. Ich hatte das letzte update jedoch übersprungen, daher weiß ich nicht, ob es vorher auch schon so war. Zuvor konnte ich mit 96kHz und 132k Partitionsgröße sogar noch Flow machen...

Hier nochmal die Anregung, das Routing vor der Faltung zu ermöglichen (z.B. Zusammenlegen von Kanälen wie z.B. Monobass über virtuelle Ausgänge).

Grüße,
Jörn
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Jörn,

wenn AIR nicht aktiv ist wird auch keine Prozessorlast benötigt.
Was hast Du für eine CPU? Meine i5 benötigt bei 128k Filterlänge, 88.2 kHz Abtastrate und FFTsize 64k bei 8 Kanälen gerade mal 8%.

Das Zusammenlegen z.B. Monobass geht doch. Aslo zwei oder mehr Matrixzeilen mit identischem Ausgang werden nach dem Falten zusammenkopiert.

Grüsse
Uli
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo Uli,

ich weiß, :roll: ...mein intel D525MW itx Board mit Atom Prozessor ist nicht mehr der jüngste Spross, dazu unter Win7. Eine Neuanschaffung haut aber gleich richtig rein, da ich dann auch ne neue Soundkarte benötige, da meine RME Multiface2 mit einer HDSP PCI Steckkarte an das Main-Board angeschlossen ist...ein bereits ausgestorbener Standard.

Mono geht, klar, aber da ich meine DBA vorn und hinten auf Mono summiere sind das 2 Kanäle, die ich weniger falten müsste, wenn die Summierung von L+R VOR dem Falten passiert. Die Filter für Li und Re sind ja identisch. Auch beim Aufsetzen z.B. eines Trinaraulen Mehrwegsystems Systems würde Rechenleistung für unnötigen Faltungsaufwand entfallen, wenn man ein entsprechendes Routing mit virtuellen Ausgängen zur Verfügung hätte, HQ-Player macht das glaube ich so, wenn ich deren Infos richtig verstanden habe (wobei die SW an anderen Stellen hinsichtlich Bedingkomfort schwächelt).

Grüße,
Jörn
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

Hallo Jörn
freezebox hat geschrieben: 23.11.2020, 11:31 ... hat sich was an der Prozessorauslastung geändert durch die neu Funktion, auch wenn diese nicht aktiv ist ...

Dein Verdacht hat mich natürlich gleich alarmiert und zugleich interessiert ... und ich habe zwischenzeitlich die 1.6.6. mit der 1.6.7, letztere sowohl belüftet, als auch airless, verglichen.

Testbed: Ein älteres Laptop Thinkpad W500 mit T9400 CPU (im Vergleich zu heutigen Verhältnissen laaaaaahhhm), 8G Ram, W10 prof unmodifiziert ab Stange in der neuesten Fassung 20H2. RME Hammerfall Cardbus Interface, RME Multiface I, 8 Kanäle simultan mit 128k Filtern gefaltet. Signaleinspeisung mittels Foobar2000 via AcourateAsio.

Resultat: Die CPU Auslastung beim Abspielen der *.wav rödelt bei beiden Versionen auf identische Weise zwischen 27% ... 41%, bei der 1.6.7 mit zugeschaltetem [AIR] gibt's keine 27% mehr, dafür werden hin und wieder 42% angezeigt.

Verdikt: Entwarnung. Air führt nich zum paradoxen Erstickungstod der CPU. Air beansprucht bei mir plus <1% CPU.

Bemessend-durchatmende Grüsse
Simon
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Lauscher
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Beitrag von Lauscher »

Hallo in die Runde,

Vorab:
bei mir ( i7 9700 ) bewirkt Air keine merkbare/im AC sichtbare höhere Prozessorauslastung.

Zur Funktion:
Cool :D Ganz großes Kino :D Das zaubert nochmal ein ordentlichen Schuss Luftigkeit ins Bild. Einstellbar nach Geschmack.
Bitte auf jeden Fall im AC lassen.

Mann muss nur eben die ersten Versuche dran denken das beim Umschalten der Speicher erstmal leer laufen muss.

Uli - besteht die Möglichkeit den Button AIR on/off mit in Deine Fernbedienung/ App mit zu integrieren?
Dann könnte ich das auch vom Sofa aus umschalten ohne das lange USB Kabel für meine Maus quer durchs Wohnzimmer zu verlegen :cheers:

Vielen Dank Uli für die neue Funktion :D
Jens
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