Amtliche Analogquelle - AEG Telefunken magnetophon M15A

nihil.sine.causa
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Amtliche Analogquelle - AEG Telefunken magnetophon M15A

Beitrag von nihil.sine.causa »

1. Vorüberlegung

Liebe Analogfreunde,

seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage, wie unsere Musikkonserven eigentlich produziert werden. Ich habe mir eine Aufnahmekette aufgebaut und mich mit dem Thema Digitalisierung auseinandergesetzt. Schließlich beginnt und endet alles analog. Die naheliegende Vorstellung, man nehme eine exzellente Analogquelle, schicke ihr Signal durch eine ADDA-Wandlerkette und hörte praktisch keinen Unterschied zum Original, hat sich leider als naiv herausgestellt.

Mein (analoges) Klangideal ist die rein analoge Stereo-Übertragungskette auf Basis von Mikrofonen, Mikrofon-Vorverstärker und Aktiv-Lautsprechern. Hier beeindrucken mich die Natürlichkeit, Transientendarstellung, Räumlichkeit, (Fein-)Dynamik, Durchhörbarkeit.

Nun wäre es schön, eine ausgezeichnete*) Analogquelle zur Verfügung zu haben, um meine Digitalisierungskette weiter optimieren zu können, ohne das mit einer Life-Übertragung tun zu müssen. Mit dieser Analogquelle könnte ich – unter immer den gleichen Bedingungen – Digitalisierungstests durchführen und so Konfigurationen vergleichen, die nicht alle zu einer Zeit zur Verfügung stehen.

Wie gut Plattenspieler Analogaufnahmen wiedergeben können, habe ich bei Reiner (easy) und Jürgen (shakti) sowie bei Claus Bücher & Chris Feickert erleben können. Allerdings geht es bei den Drehern auch sehr stark um Klangformung. Durch die mechanische Interaktion vor allem von Tonarm und Tonabnehmer entstehen die unterschiedlichsten klanglichen Färbungen und feinste Unterschiede, wenn man an auch nur kleine Änderungen am Setup vornimmt. Das ist spannend, aber ich persönlich möchte da (momentan) nicht einsteigen, denn es würde doch sehr viel „Arbeit“ bedeuten, die in meinen Ohren „richtige“ Abstimmung zu finden.

Auch machen Platten – im Sinne meines Klangideals – einiges „falsch“. Bitte nicht missverstehen, ich will niemandem den schönen Analoggenuss madig machen (kann ich sowieso nicht :mrgreen:). Aber es gibt ein tieffrequentes Rumpeln und ein charakteristisches Übersprechen bei Vinyl. Man hört es immer ein bisschen Knistern und auch im feindynamischen Verhalten hat Vinyl eine eigene Klangtextur, ich persönlich durchaus mag, die aber artifiziell ist und mich von meinem analogen Klangideal wieder ein Stück entfernt.
Nun kam ich auf folgende Überlegung: Von Direktschnitten abgesehen wurden praktisch alle Analogaufnahmen mit Tonbandmaschinen hergestellt. Die Qualität*) einer adäquaten Studio-Tonbandmaschine muss daher vom Grundsatz her besser sein, als die Qualität, die durch Vinylwiedergabe analoger Aufnahmen erreichbar ist. So kam ich zu dem Schluss: eine amtliche analoge Tonbandmaschine muss her!

*) Mein derzeitiges Qualitätskriterium für eine Analogquelle: wie groß sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Digitalaufnahmen, wenn ich – unter sonst gleich gehaltenen Bedingungen – Digitalisierungen mit unterschiedlichen ADCs von dieser Analogquelle vornehme? Je größer diese Unterschiede, um so besser ist die Qualität der Analogquelle.

2. Auswahl

Die Suche nach einer adäquaten Bandmaschine war und ist mühsam. Die Geräte sind meist weit über 25 Jahre alt. Es gibt verschiedenste Bauarten und man muss viel von diesen Geräten verstehen, um sie richtig einzumessen, in Schuss zu halten und im Fehlerfall zu reparieren. Hier brauchte und brauche ich kompetente Hilfe.

Glücklicherweise habe ich einen sehr hilfsbereiten und super kompetenten Tonmeister und Bandmaschinenexperten kennengelernt, der nicht allzu weit von mir entfernt wohnt und mich entsprechend unterstützt. Die Wahl viel am Ende auf eine sehr alte Maschine, eine Telefunken magnetophon M15A, die aus meiner Sicht folgende Vorteile bietet:
  • Die mechanische Behandlung des Bandes ist bandschonend / „state of the art“
  • Die Maschinensteuerung erfolgt elektromechanisch und benötigt keine Mikroprozessoren, die ja ihren Geist aufgeben könnten
  • Die Maschine ist in Deutschland weit verbreitet. Es gibt noch viele Experten, die sich damit auskennen
  • Nahezu alle Ersatzteile können noch erworben werden einschließlich neuer Tonköpfe
  • Und Spaß machen soll es ja auch: vom Design her ist sie "aus dem Vollen gefräst"; sie hat keinerlei Schnickschnack eingebaut und ist auch haptisch einfach hinreißend
Meine M15A ...

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... ist eine „Standard“-Maschine wie sie in den deutschen Rundfunkanstalten und bei Schallplattengesellschaften verwendet wurde: für ¼ Zoll Tonband, Stereo d.h.Trennspur 0,75mm, Vollspur-Löschkopf, Bandgeschwindigkeiten wahlweise 7,5 und 15 in/s (19,05 und 38,1 cm/s), CCIR Entzerrung und für Bandwickel mit äußerer Schichtlage ausgelegt.

Die Maschine ist eingemessen auf das Studio Master SM900 unter Verwendung des ARD Stereo-Bezugspegels (1kHz Sinus-Signal mit dem Pegel +6dBu entsprechend einem magnetischen Fluss von 514 nWb/m). Von diesem Bezugspegel ausgehend besitzt das SM900 bei meiner M15A eine Aussteuerungsreserve von 11dB (17dBu wäre damit derjenige Pegel, bei dem ein kubischer Klirrfaktor k3 von 3% entsteht). Für meine Anwendungen bleibe ich weit unter diesem Punkt und steuere mit einem Quasi-Spitzenspannungs-Aussteuerungsmesser nach DIN 45406 auf maximal 5 dB über Bezugspegel aus.

3. Proof of Concept

Nun ist meine M15A mit ca. 40 Jahren eine betagte Lady. Die spannende Frage war nun: Würde sie als Analogquelle die Qualität liefern, die ich zur Optimierung meiner Digitalisierungskette brauche? Die beste Analogkette, die ich kenne ist – wie gesagt – auf Basis der Mikrofone. Mit ihrer Qualität kann ich unterschiedliche AD-Wandler sehr deutlich voneinander unterscheiden. Kann ich das auch, wenn ich die M15A als Analogquelle verwende?

Um das zu vergleichen benötige ich lediglich eine eigene Mikrofon-Aufnahme mit der M15A, die ich anschließend abspiele und mit verschiedenen ADCs digitalisiere. Dann müssten sich gewohnt deutliche Unterschiede zwischen den ADCs ergeben. Leider brachte dies kein positives Ergebnis: Ein Unterschied zwischen dem Fireface UC und dem Mytek Stereo 192 G-ADC war nicht festzustellen.

Um systematische Fehler auszuschließen, habe ich weitere Tests durchgeführt mit immer demselben Resultat. Die M15A besitzt nicht annähernd die Auflösung und Transientendarstellung, wie ich sie von einer guten Schallplattenwiedergabe kenne und spielt vergleichsweise müde und verhangen. Und vor allem besitzt sie nicht die Qualität, die ich brauche für meine Digitalisierungstests. :oops:

4. Analyse und Konsequenz

Nun ist die Maschine sauber eingemessen und penibel eingestellt. Messtechnisch ist alles tadellos und state-of-the-art (z.B. in Bezug auf Gleichlauf, Frequenzgang, Phasenlage und Verzerrungen). Der Maschinentyp M15A war über ein Jahrzehnt lang bei vielen großen Schallplattenfirmen Aufnahme- und Masteringmaschine für Schallplattenproduktionen. Sie muss also prinzipiell der Qualität der so produzierten Schallplatten überlegen sein. Dass meine M15A nicht an diese Qualität heranreicht, muss also einen Grund haben.

Nun hat Telefunken diese Maschine sehr sauber dokumentiert und servicefreundlich gestaltet. Die Schaltungen sitzen auf Verstärker-Steckeinheiten (kurz Karten genannt), die kinderleicht gewechselt werden können. Sie besitzt zwei Aufnahmeverstärker (für jeden Stereo-Kanal einen) und zwei Wiedergabeverstärker. Bei meiner Maschine sehen diese Karten so aus:

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Wiedergabeverstärker

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Aufnahmeverstärker

Viele Bauteile (insbesondere Kondensatoren) sind in die Jahre gekommen. Mir drängte sich der Verdacht auf: Diese Lady benötigt eine Frischzellenkur.

Wer kann da helfen? Am besten jemand, der sich mit Analogschaltungen exzellent auskennt, alte Schaltungen zu würdigen und zu verbessern versteht und sich traut, an hochwertige Schaltungen Hand anzulegen. Nun ihr habt es bestimmt erraten: die Verstärkerkarten mussten zu einem im Forum gut bekannten Doc aus Stuttgart. :wink:
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Harald,

die Spezialisten findest du vermutlich am ehesten über das Bandmaschinen- oder Studer-Revox-Forum.

Gruß

Jochen
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Harald,

ich fürchte, eine Bandmaschine aus Rundfunkbeständen wird deinen aktuellen Ansprüchen nicht gerecht, wenn bei 38,1cm/sec stolze 16kHz genannt werden - Rundfunk überträgt nur bis 15kHz, und 65dB Rauschabstand + Aussteuerungsreserve reichen dafür auch. Legenden sollte man besser ruhen lassen, diesen Eindruck habe ich gewonnen, nachdem ich weit über 500 Seiten Serviceanleitung zum M15 gesichtet habe.

Alle 2 Jahre soll das Gerät bei bestimmten bewegten Teilen mit SPINESSO-34-Öl von Esso abgeschmiert werden. Kugel-, Sinter- und Gleitlager sollen turnusmäßig alle 2 Jahre gewartet werden, teilweise nur mit Spezialwerkzeugen zu zerlegen, das kann schon entmutigend sein (S. 2-101 der Serviceanleitung).
Bandlängsschwingungen sind wie Jitter, sie erzeugen Modulationsrauschen, deshalb sind die Bandlauf- und Antriebsteile sehr wichtig.

Ich denke, die Zeit der damals hervorragenden Roederstein-Elkos im Plastikbecher ist abgelaufen, sie müssen ersetzt werden. Koppelkondensatoren zwischen den Schaltkreisen kann man teilweise durch Folien ersetzen, kleinere Werte schieben die untere Grenzfrequenz hoch, wie die höhere Bandgeschwindigkeit auch. An der Schaltung wird man wohl nichts ändern, so bleibt der Eingangswiderstand gleich, und der Koppelkondensator muss seine Größe behalten, und auch die damit verbundene dielektrische Absorption, die Details verschmiert.

Aber bei einem Hersteller, der nicht nur seine Aufnahmeverstärker mit Eingangsübertragern, sondern auch seine Wiedergabeverstärker noch mit Eingangsübertragern versieht, obwohl der Wiedergabekopf symmetrisch beschaltet ist, der muss posthum noch um Verständnis werben. Ich habe keine Schaltbilder en detail oder Leiterplattenlayouts auf weit über 500 Seiten gefunden.

Mein erstes Tonbandgerät war ein Telefunken M75, der Schritt zum Magnetophon M204 war sehr deutlich.
Aber verglichen mit Revox A77 (und auch der Dolby-Version, die ich danach hatte), waren die TFKs ziemlicher Massenkonsumerschrott, aber beide immerhin ausgestattet mit der Bandberuhigungsrolle, die Bandlängsschwingungen im Bereich der AW-Köpfe und somit Modulationsrauschen bedämpft. Telefunken hats erfunden, ein Meilenstein.

Die Kriterien, die du heute anlegst, hat man zur Zeit der Produktion dieses Gerätes nicht gekannt, weder die Vielfalt noch die Ausprägung. Wenn du Freddy, Die Gitarre und das Meer, oder Lale Andersen Ein Schiff wird kommen anhörst bist du eher auf dem Level, der die Entwckler des M15 bewegt hat.

Telefunken M15 ist eine Legende, ich kenne in meiner Nähe jemand, der eine funktonierende frühere Version mit Röhren betreibt, und auch jemand, der gelegentlich ein Band auf eine spätere Halbleiterversion auflegt. Luftigkeit und High-Resolution sind da nicht angesagt. Eher Konzentration auf das Wesentliche, was Musik ausmacht, was bewegt, was unter die Haut geht.

Nuancen, die ADCs oder DACs noch unterscheiden - wer braucht das ?

Um zu verstehen, wie krank wir eigentlich sind, sollte man Itzak Perlmans Kommentar (weniger) zu Jascha Heifetzs Violinspiel und mehr zu der Aufnahmetechnik mal ab 27 min mehrfach anhören und verinnerlichen. Ich schätze beide sehr, und sein Argument finde ich sehr, sehr schwerwiegend. Es passt gerade deshalb auch sehr gut hierher, meine ich.

Grüße Hans-Martin

P.S. Wer Jascha Heifetz kennt und David Garret heute im ZDF Volle Kanne gesehen hat, versteht die Bedeutung einer guten Tonaufnahme, die ein Dokument für die Nachfolgegeneration darstellt. Dafür, dass diese sich überhaupt noch dafür interessiert, leistet David mit seinem Einsatz allerdings einen Beitrag, den ich nicht abgewertet verstanden sehen möchte.
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:ich fürchte, eine Bandmaschine aus Rundfunkbeständen wird deinen aktuellen Ansprüchen nicht gerecht, wenn bei 38,1cm/sec stolze 16kHz genannt werden - Rundfunk überträgt nur bis 15kHz, und 65dB Rauschabstand + Aussteuerungsreserve reichen dafür auch.

[...]

Wenn du Freddy, Die Gitarre und das Meer, oder Lale Andersen Ein Schiff wird kommen anhörst bist du eher auf dem Level, der die Entwckler des M15 bewegt hat.
Wie sind dann die analogen Schallplattenaufnahmen in den 70er Jahren bei EMI-Electrola, DGG, Teldec, Philips und anderen entstanden?

Also ich habe da andere Informationen. Beispiel:
ebs hat geschrieben:Bei allen Analog-Aufnahmen der Firma Teldec (Telefunken-Decca-Schallplatten GmbH) wurden als Tonbandgeräte:
AEG-Telefunken Magnetophon M10 oder AEG-Telefunken Magnetophon M15
verwendet.
Quelle

Viele Grüße
Harald
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Aber bei einem Hersteller, der nicht nur seine Aufnahmeverstärker mit Eingangsübertragern, sondern auch seine Wiedergabeverstärker noch mit Eingangsübertragern versieht, obwohl der Wiedergabekopf symmetrisch beschaltet ist, der muss posthum noch um Verständnis werben.
da hast Du recht, so manches an der Schaltung ist unverständlich, vieles aber auch gut gemacht. Ich habe nun hier begonnen, etwas zur Überarbeitung der Verstärkerkarten im G-Bereich zu erzählen.

Viele Grüße
Gert
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

nihil.sine.causa hat geschrieben:Wie sind dann die analogen Schallplattenaufnahmen in den 70er Jahren bei EMI-Electrola, DGG, Teldec, Philips und anderen entstanden?
Hallo Harald,
ich meinte es etwas anders. Werden die Aufnahmen aus genannter Zeit deinen heutigen Ansprüchen hinsichtlich "Durchsichtigkeit" und Detailreichtum gerecht?
Beim Abspielen der LPs fügt der Tonabnehmer per Übersprechen auch spezifische Verzerrungen dem jeweils anderen Kanal hinzu (Quelle:van den Hul), man bekommt also auch etwas zu hören, was auf der LP selbst gar nicht vorhanden ist!
Paul Ladegaard /Brüel&Kjaer über Resonanzen in Plattenspielern zeigte in den 1970ern, wie Resonanzen in Plattenspielern den Klang beeinflussen. Das kommt noch hinzu.
Ich behaupte also, wir empfinden den Klang der Schallplatte als besser - besser als das Masterband!
Das fand auch Doug Sax (Sheffield Lab), Uli arbeitet daran, und ich denke, wir erliegen dem Liebreiz der Artefakte. :cheers:
Grüße Hans-Martin

P.S. meine ovalen Grundig Breitbänder (vor 1960) auf offener Schallwand klingen mit Julie London (vor 1960) wunderbar, sind aber mit modernen Aufnahmen erkennbar überfordert.
PPS Dolby A (1966), dbx (1971) und Telcom C4 (1975) verbesserten als externe Kompander die Rauschabstände erheblich. Günter Pauler benutzte in den 1970ern eine schnelle Teac (Transparenz) mit Schmetterlingsköpfen (Kanaltrennung) und dbx.
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Werden die Aufnahmen aus genannter Zeit deinen heutigen Ansprüchen hinsichtlich "Durchsichtigkeit" und Detailreichtum gerecht?
Ich kann und will die Zeit ja nicht zurückdrehen. Auf das Thema Analogquelle kam ich vor allem durch meine ADDA-Tests. Ich habe das recht ausführlich beschrieben (Übersicht hier). Aber ich habe noch andere Motive.

Je länger ich mich mit der Thematik beschäftige, desto interessanter finde ich die Fragestellung, wie sich die Möglichkeiten der Produktionstechnik auf die Resultate auswirken. Es ist schon erstaunlich, wie „gut“ alte Aufnahmen sein können, trotz (vielleicht aber auch wegen) der seinerzeit vergleichsweise eingeschränkten Mittel. Das betrifft natürlich nicht nur die Bandmaschine sondern den gesamten Prozess Raum, Mikrofonaufstellung, Aufzeichnung, Mischung, Nachbearbeitung, Vervielfältigung und natürlich Wiedergabe- und Abhörmöglichkeiten.

Ein ganz persönliches Motiv, dieses Thema anzugehen, liegt darin, dass diese großen Bandmaschinen eine besondere Faszination auf mich ausüben. Sicher ganz ähnlich, wie dies bei den Vinylfans mit den Drehern ist.
Hans-Martin hat geschrieben:Ich behaupte also, wir empfinden den Klang der Schallplatte als besser - besser als das Masterband!
Das ist ein Geschmacksurteil, das ich gut verstehen kann. Ich persönlich bevorzuge aber das Masterband, sofern ich die Gelegenheit dazu habe, eines zu hören. Bei den Westdeutschen HiFi-Tagen gab es eine beeindruckende Vorführung Masterband vs. Weißpressung.
Hans-Martin hat geschrieben:Dolby A (1966), dbx (1971) und Telcom C4 (1975) verbesserten als externe Kompander die Rauschabstände erheblich.

Das ist richtig. Bei meinen Tests war das Thema Rauschen bislang unkritisch.




Noch eine Anmerkung zum Frequenzgang. Mit den technischen Daten war man seinerzeit wohl auch etwas etwas vorsichtig. In dem oben zitierten Verkaufsprospekt heißt es: 30Hz bis 16kHz, ±1,5dB. Dass die 16kHz aber in der Praxis locker übertroffen werden, kann man am Frequenzgang meiner M15A sehen:

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Viele Grüße
Harald
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

kurzer, evtl. nicht ganz zutreffender Einwurf: Die M15 waren zwar ein Arbeitspferd im Rundfunk, aber in erster Linie für den Sendebetrieb, weniger für das Aufnahmestudio. Das relativiert etwaige Schwächen.

Gruß

Jochen
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Jochen,
Melomane hat geschrieben:kurzer, evtl. nicht ganz zutreffender Einwurf: Die M15 waren zwar ein Arbeitspferd im Rundfunk, aber in erster Linie für den Sendebetrieb, weniger für das Aufnahmestudio. Das relativiert etwaige Schwächen.
nach meinen Informationen (siehe oben) ist das in der Tat nicht zutreffend.

Viele Grüße
Harald
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

nihil.sine.causa hat geschrieben:Dass die 16kHz aber in der Praxis locker übertroffen werden, kann man am Frequenzgang meiner M15A sehen:
Hallo Harald,
erst gestern angekündigt, ist heute Gert schon fertig :cheers:
Nimmt er sich auch noch die Löschoszillatorplatine vor?
Da würde mich interessieren, ob die Vormagnetisierung für die beiden Geschwindigkeiten getrennt einstellbar ist und ob die Einsteller leicht zugänglich sind, meine Unterlagen geben darüber leider nichts her. Ein glanzloses Klangbild kann auch von zu großer Vormagnetisierung herrühren, siehe die Entwicklung von Dolby-HX pro. Da darf man mMn etwas nach Gusto zurückdrehen, gehörmäßig orientiert an weißem Rauschen -20dB Aussteuerung oder rosa Rauschen auch höher ausgesteuert.
Apropos Aussteuerung: bei welchem Pegel hast du den Frequenzgang gemessen?
Ist vielleicht auch der zu 4kHz stetig fallende FG Ursache für
Die M15A besitzt nicht annähernd die Auflösung und Transientendarstellung, wie ich sie von einer guten Schallplattenwiedergabe kenne und spielt vergleichsweise müde und verhangen
Hier ein FG ReVox A77 (1. Generation) 19,05cm/s aus HiFi-Stereophonie:
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a= Audioausgang, b=Ausgang von der optionalen 8W Endstufe
Zum Vergleich weitere FGs von ReVox B77:
Bild
bei 19,05cm/s +4, 0, -24dB bezogen auf Dolby Level (200nWb/m)und bei 38,1cm/s +8, +4, -24dB
Zusammenfassung: Die beiden Kanäle verhalten sich unterschiedlich, der linke Kanal ist bei 38,1cm/s beeindruckend, und der rechte könnte/sollte bei guter Einstellung genauso aussehen.
Es bestehen Abhängigkeiten des FGs von der Aussteuerung (s.o. Dolby-HX pro)!

Wir sind anspruchsvoller geworden. Über 1kHz liegt für mich die Wahrnehmbarkeitsschwelle bei Rauschen um 0,1dB für mindestens Terzbreite, da sind 2dB Unbalance schon 20 mal Schwellüberschreitung.

Ich denke, Gerts Modifikationen werden den Geräuschpegel der Elektronik etwas senken, aber er hat sich sicher schon ausgerechnet, welche 2-stellige Verbesserung erforderlich ist, um mit Bandeigenrauschen zusammen bestenfalls 2-3dB Steigerung über alles herauszuholen - wunderbar, wenn es schließlich gelingt. Vermutlich wird es nicht genügend honoriert, weil dem Anwender die Schwierigkeit nicht bewusst ist, der will einen Knopf drücken, und das Bandrauschen soll weg sein!

Da kommen wir dann zu dem Rauschen, welches mit dem Nutzsignal steht und fällt, und welches kein Dolby, dbx oder Telcom wegzaubern kann, nämlich dem Modulationsrauschen, welches mit Bandlängsvibrationen anschwillt. Da ist glatter Bandtransport angesagt (und es war eine Telefunken-Erfindung zu M15, die mittels Rolle beim A-Kopf das Band beruhigte)!
Und wir kommen zur Stabilität und Symmetrie des Löschoszillators, sowie zur angemessen eingestellte Vormagnetisierung - allesamt sind Herzstücke der Bandaufnahme (s.o. meine Eingangsfrage).
Grüße Hans-Martin
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nihil.sine.causa
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Beitrag von nihil.sine.causa »

Hallo Hans-Martin,

danke, dass Du so mitgehst bei dieser Sache. Ich will versuchen, zu antworten, muss aber voranstellen, dass ich die Einmessung nicht selbst vorgenommen habe sondern Peter, der Tonmeister, von dem ich berichtet habe und der die Maschine normgerecht eingestellt hat. Ich zitiere daher im Folgenden aus Mails, die ich von Peter erhalten habe.

Was den Frequenzgang betrifft, muss man sehen, dass auf meinem Bild auf der Ordinate 1dB Schritte dargestellt sind. Insofern sehen die von Dir zitierten Revox-Kurven (mit ihren 5db Schritten auf der Ordinate) nicht besser aus. Und insbesondere liegen die Kanäle bei meiner M15A doch sehr gut beieinander.

Das Thema Bandrauschen habe ich für mich erst einmal ausgeblendet. Wie gesagt, wäre das für meine Tests unerheblich. Ein Rauschunterdrückungssystem ließe sich leicht separat hinzuschalten. Andererseits habe ich bislang kein störendes Rauschen gehört. Da warte ich momentan gelassen ab.
Hans-Martin hat geschrieben:Apropos Aussteuerung: bei welchem Pegel hast du den Frequenzgang gemessen?
Peter hat geschrieben:Normgemäß bei 20dB unter Bezugspegel.
Hans-Martin hat geschrieben:Da würde mich interessieren, ob die Vormagnetisierung für die beiden Geschwindigkeiten getrennt einstellbar ist und ob die Einsteller leicht zugänglich sind, meine Unterlagen geben darüber leider nichts her. Ein glanzloses Klangbild kann auch von zu großer Vormagnetisierung herrühren, siehe die Entwicklung von Dolby-HX pro. Da darf man mMn etwas nach Gusto zurückdrehen, gehörmäßig orientiert an weißem Rauschen -20dB Aussteuerung oder rosa Rauschen auch höher ausgesteuert.
Ist vielleicht auch der zu 4kHz stetig fallende FG Ursache für
Die M15A besitzt nicht annähernd die Auflösung und Transientendarstellung, wie ich sie von einer guten Schallplattenwiedergabe kenne und spielt vergleichsweise müde und verhangen
Peter hat geschrieben:Nein, man darf die VM nicht nach Gusto etwas zurückdrehen, weil sich dadurch Modulationsrauschen und Klirrfaktor verschlechtern würden.

Dolby HXPro wurde für Cassetten entwickelt, also für um das 4-8fache geringere Wellenlängen, um bei höhenbetontem Programm die Höhenaussteuerbarkeit des Bandmaterials momentan zu vergrößern. Studiobänder kennen dieses Problem praktisch nicht, das SM 900 beispielsweise kann bei 10 kHz den Stereo-Bezugspegel von 514 nWb/m erreichen, was selbst für Reineisencassetten illusorisch war (BASF: 7 dB weniger).

Die notorische "CCIR-Senke" bei 3 kHz ist bei der M15A nicht mit den Höhen-Einstellreglern zu beseitigen, da "Höhen I" erst bei etwa 5...6 kHz wirksam einsetzt. Bei stärkerer Kompensation für 3 kHz würde der Frequenzgang bei 9-10 kHz um 2 dB oder mehr überhöht werden. Die gezeigte Einstellung ist ein Kompromiss, der die Frequenzgangabweichungen "über alles" am geringsten hält.

Auch eine Reduzierung der Vormagnetisierung würde prinzipiell nichts am gezeigten Frequenzgangverlauf ändern. Sie hätte auf den Frequenzgang die gleiche Wirkung wie ein Verändern von "Höhen I".
Hans-Martin hat geschrieben:Nimmt er sich auch noch die Löschoszillatorplatine vor?
Peter hat geschrieben:Die SL-Karte enthält keinen Oszillator, sondern die Spannungsstabilisierung für die vier Audioverstärker und zwei Leistungsverstärkungsstufen für die von der (zur Laufwerksteuerung gehörenden) OT-Karte kommende HF (131 kHz), getrennt für den Löschkopf und Aufnahmekopf.
Viele Grüße
Harald
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo,

hier mal ein kleiner Einblick in eine Klavieraufnahme auf Telefunken Magnetbandgerät

Grüße Hans-Martin
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Truesound
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Beitrag von Truesound »

Die M 15 A war ein robustes Arbeitspferd und mit einem Telcom C 4 spielt das zusammen praktisch in "CD-Qualität". Voraussetzung ist das die Maschine technisch OK ist alles ordentlich eingemessen und vor der Aufnahme mit einer Drossel Köpfe und bandführende Teile ordentlich entmagnetisiert wird, als auch die Tonköpfe richtig gereinigt sind. Wichtig ist bei der M 15 A diese auch normpegelig bei der Aufnahme ohne Übersteuerungen einzusetzten. Sowie man die Maschine mit zu heißen Pegeln anfährt reagiert Magnetophontechnik natürlich mit hörbaren Klangveränderungen und zusätzlichen Verzerrungen. Die M 15A ist allgemein auf +6dBU Normpegel ausgelegt. Akkurate Pegelkontrolle ist da wichtig bei der Aufnahme mit so einer Maschine.
Habe ich hier alles vor Ort und viele Tests auch dazu gemacht.

Grüße Truesound
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Truesound
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Beitrag von Truesound »

Hans-Martin hat geschrieben:Hallo,

hier mal ein kleiner Einblick in eine Klavieraufnahme auf Telefunken Magnetbandgerät

Grüße Hans-Martin

...war vor einigen Jahren dort im Studio und konnte den Klang der Installatiion hören. Das ist da schon was ganz besonderes! Ein kleines Mekka der alten ARD Rundfunktechnik. Ein 24 Kanal Röhrenpult ehemals NDR Rothenbaumchaussee....
So eine vollständige Installation gibt es weltweit kaum ein zweites mal....
Mit viel Liebe und Ausdauer hat der Besitzer diese Dinge über sein ganzes Leben zusammengetragen und der komplette Aufbau und Verkabelung hat einen kundigen Elektroing. über 4 Wochen 12 Stunden täglich beschäftigt.

In dem Video kann man sehr gut hören zu was intakte Röhrentontechnik Stand ARD frühe 1960er Jahre in der Lage war.....

Grüße Truesound
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Sven und Hans-Martin,
Truesound hat geschrieben:...In dem Video kann man sehr gut hören zu was intakte Röhrentontechnik Stand ARD frühe 1960er Jahre in der Lage war...
Schlicht: Beeindruckend!

Danke für den Link!

Gruß,
Winfried

3646
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