Floyd Toole - Sound Reproduction

O.Mertineit
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Floyd Toole - Sound Reproduction

Beitrag von O.Mertineit »

Hallo zusammen,

hier ist ein Vortrag von Floyd Toole aus 2015:

"Floyd Toole - Sound reproduction – art and science/opinions and facts"

https://www.youtube.com/watch?v=zrpUDuUtxPM

CIRMMT Distinguished Lectures in the Science and Technology of Music
Floyd Toole, consultant to Harman International, USA
16 April 2015 - Tanna Schulich Hall



Ich möchte dies einmal als einen möglichen Ausgangspunkt auch für spätere Diskussionen darüber vorschlagen, worauf es bei Lautsprechern und Musikwiedergabe in Räumen ankommt.

Die Präsentation ist m.E. wesentlich lebendiger, als wenn man sich den Stoff "trocken" über Dr. Floyd Toole's Papers oder die entsprechenden Abschnitte seines Buchs "Loudspeakers and Rooms" aneignet.

Auch eine Idee von dem Menschen dahinter zu bekommen, finde ich bei Arbeiten, Ideen und Konzepten - hier vielleicht sogar einem Lebenswerk - sehr interessant ...

"Sound Reproduction Loudspeakers and Rooms", Floyd E. Toole, Elsevier

Leseprobe bei Amazon:
http://www.amazon.de/Sound-Reproduction ... 0240520092


Beste Grüße

Oliver
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lukivision
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Beitrag von lukivision »

Hallo Oliver!

Danke für diesen wertvollen Link. Der Mann macht mit Herz und Verstand und Jahrzehnten wissenschaftlich-technischer Erfahrung deutlich, daß es ohne ein Mindestmaß an normierten Methoden unmöglich ist, Höreindrücke zu objektivieren. Dazu gehören Blind- und Doppelblindtests. Dazu gehören aber auch Menschen, die willens sind, die Ergebnisse zu akzeptieren. Das Ignorieren von offenkundigen Tatsachen hat selbst der Vatikan nicht durchgehalten. Bezogen auf dieses Forum ermüdet und frustriert es, wenn immer wieder auf die Unterschiedlichkeit der Hörer, der Ketten, der Räume usw. herum geritten wird und das Ergebnis dann ist:"Mein neuer DAC hört sich so und so an". Ja, was nützt mir das? Wie hört er sich in meinem Raum in meiner Kette an? Ich bin zugegebenermaßen ein bißchen ratlos, wie man dieses Dilemma beseitigen kann. Wir haben ja nicht die Möglichkeit in einem forumseigenen Raum mit einer "amtlichen Kette" auf Grundlage von vielleicht einem Dutzend allseits akzeptierten Musikstücken neue Komponenten auszuprobieren. Und immer mag der eine gerne Äpfel, der andere lieber Birnen. Und natürlich kann man über Geschmack streiten - es führt aber zu nichts außer zu Streit. Wer das mag, füttert nur sein Ego, ihm geht es dann nicht mehr um den Fortschritt, sondern nur ums Rechthaben oder seine Eitelkeit. Es wäre für foreninterne Vergleiche aber sicherlich keine unmöglich schwere Aufgabe, in einem ersten Schritt z.B. ein paar anerkannt geeignete Musikstücke als Basis für künftige Vergleiche auszuwählen. Die könnte man auf Forumstreffen usw. dann hören und hätte einen festen Ansatzpunkt, auch über die Jahre hinweg. Was meint Ihr dazu?

Luki
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Luki,


ich bin mir gar nicht sicher, ob wir hier gleich "mitnormieren" sollen/müssen, ob also

- "Forumshörraum"
- Hörtest und Training für die Testhörer
- Doppelblindtests
- Festgelegtes Repertoire an Teststücken zum Hören
- ...

unbedingt sein müssen (ich habe jetzt absichtlich etwas übertrieben ...).

Obwohl man in diese Richtung natürlich mal denken kann, Teilsapekte davon wären sicher umsetzbar.

Floyd Toole und Sean Olive haben anhand objektiv messbarer Eigenschaften von Lautsprechern und deren Korrelation mit Hörerurteilen eine Methodik entwickelt, mit der die Hörerpräferenz für Lautsprecher sogar vorhergesagt werden kann. Die Korrelation mit den Ergebnissen der Testhörer liegt nach ihren Angaben bei 0.86 ...

Floyd Toole bezeichnet seine Methodik mit Testhörern als "Messungen" und er nennt die menschlichen Testhörer gern "Messinstrumente". Beides ist evt. mit einem "Augenzwinkern" von Dr. Floyd Toole gemeint keinesfalls jedoch ironisch, denn die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse seiner Hörtests ist hervorragend. Sie liefern äußerst feine Nuancen und Indikatoren für relevante Eigenschaften von Lautsprechern: Solange die Testhörer nicht sehen können, worüber sie urteilen.

Wenn die Testhörer hingegen sehen können, worüber sie urteilen, dann geht sogar das Differenzierungsvermögen über aufstellungsabhängige Eigenschaften von LS im Raum merklich verloren.

(Anschaulich: "Ich sehe doch, daß es derselbe LS ist wie vorhin, warum soll ich ihn 50cm weiter links im Raum anders bewerten ...")


Eine Relevanz der bei Harman gemessenen bzw. aus den Messungen gewonnennen Eigenschaften sollte m.E. selbst von eingefleischten "Skeptikern" und Subjektivisten zumindest ernsthaft in Erwägung gezogen werden: Dazu wären inzwischen auch schon mehrere Jahrzehnte Zeit gewesen.

Es fällt etwas schwer zu sehen, daß diese Eigenschaften und deren Einfluss auf die LS-/Raum Interaktion in vielen Forendiskussionen (nicht nur hier), wo es u.a. um Höreindrücke und Präferenzen sowie vermutete technische Hintergründe derselben geht, praktisch nicht auftauchen.

Diskussionen in HiFi-Foren kreisen bei Lautsprechern m.E. sehr oft um Themen, die mit den erwiesenermaßen relevanten Eigenschaften für die Hörerpräferenz wenig oder nur am Rande zu tun haben.

Deshalb wollte ich gerne ein wenig dazu beitragen, diese Aspekte mehr in's Bewusstsein zu rücken und die Information leichter verfügbar zu machen.


Viele Grüße

Oliver
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Frederik
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Beitrag von Frederik »

Hi Oliver,

Super Link!

Als Hörer ist man also in der Lage Lautsprecher unabhängig von der jeweiligen Raumakustik einschätzen zu können.

Das ist auch meine Erfahrung.

Musik hören macht unter guten raumakustischen Bedingungen natürlich trotzdem mehr Spaß. :wink:

Grüße,
Frederik
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Frederik hat geschrieben: Als Hörer ist man also in der Lage Lautsprecher unabhängig von der jeweiligen Raumakustik einschätzen zu können.
Hallo Frederik,

ganz "unabhängig von der Raumakustik" würde ich nicht sagen. Gewisse Rahmenbedingungen sollten schon erfüllt sein. Auch die Hörtests bei Harman finden unter gleichbleibender Raumakustik statt, d.h. nicht in wechselnder und auch nicht in beliebiger Raumakustik.

Es ist jedoch auch eine Frage des Frequenzbereiches: So ist der Raumeinfluss in der Regel im Tiefton sehr deutlich und in manchen Räumen geht das sogar bis in unteren Mittelton (z.B. bis 400Hz).

Im Frequenzbereich darüber hat ein übliches LS-System selbst deutlich mehr "Kontrolle", das Gesamtergebnis ist jedoch immer noch raumabhängig. Letztlich geht es hier um die Frage, wie Lautsprecher sich verhalten müssen, damit unter (typischen, realen, häufigen, ...) raumakustischen Bedingungen ein von den Hörern präferiertes Ergebnis entsteht.

Es kann sich m.E. jeder anhand der Links selbst ein Bild von den dort angewandten Methoden und den Resultaten machen, ich möchte sie weniger erläutern oder gar anderen gegenüber aus meiner Sicht "vorinterpretieren".

Diese Arbeiten stehen m.E. sehr gut für sich selbst, auch wenn es immer Fragen und Interpretationsspielraum geben wird.
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo Oliver, Luki,
O.Mertineit hat geschrieben:hier ist ein Vortrag von Floyd Toole aus 2015:

"Floyd Toole - Sound reproduction – art and science/opinions and facts"
als ich im Jahr 2000 beschloß, Lautsprecher zu kaufen, habe ich mich von den damals vorliegenden Erkenntnissen von Toole leiten lassen, und seit 2001 summen die großen Hummeln in unserm Wohnzimmer herum. Tooles paper „Loudspeakers and rooms“ aus 2006 hat dann mein Interesse in Raumakustik nebst diesbezüglich relevanten Randthemen geweckt.

Der Vortrag ist auf jeden Fall ansehenswert, auch wenn man seine papers und das Buch kennt. Die M2 kannte ich noch nicht.
lukivision hat geschrieben:Der Mann macht mit Herz und Verstand und Jahrzehnten wissenschaftlich-technischer Erfahrung deutlich, daß es ohne ein Mindestmaß an normierten Methoden unmöglich ist, Höreindrücke zu objektivieren. Dazu gehören Blind- und Doppelblindtests.
Ohne das Standbein der subjektiven Hörtests, d.h. ohne jegliche Kontrollen, könnte die komplette High-End Industrie wahrscheinlich dicht machen. Und genau wegen diesem mehr als wackeligen Standbein habe ich besagter Industrie vor 16 Jahren endgültig den Rücken zugekehrt.
Es wäre für foreninterne Vergleiche aber sicherlich keine unmöglich schwere Aufgabe, in einem ersten Schritt z.B. ein paar anerkannt geeignete Musikstücke als Basis für künftige Vergleiche auszuwählen.
Solange bei solchen Vergleichen nicht solide Protokolle eingehalten werden, siehe hierzu z.B. Zielinski et al., „On some biases in encountered in modern audio quality listening tests - a review“, JAES 2008, S.427 (Kopie kann ich bei Interesse schicken), wäre das Ganze leider nicht mehr als ein geselliges Beisammensein. Was die Auswahl geeigneter Musikstücke angeht, in Bechs Buch „Perceptual audio evaluation“ sowie in einem älteren paper von Toole (Listening tests - turning opinion into fact) wird darauf eingegangen.

Da solide Hörtest doch recht schwierig durchzuführen sind, verzichte ich für mein Teil ganz und gar auf Hörtests und wähle meine Komponenten nach technischen Kriterien aus, siehe z.B. weiter oben.

Wer Interesse daran hat, einige der zahlreichen papers der Harman-Forscher zu lesen, melde sich. Hier mal eine Liste:

Toole, “Listening tests – turning opinion into fact”, J. of the Audio Engineering Society 1982, S.431

Toole, “Subjective measurements of loudspeaker sound quality and listener performance”, J. of the Audio Engineering Society 1985, S.20

Toole, “Loudspeaker measurements and their relationship to listener preferences: Part 1”, J. of the Audio Engineering Society 1986, S.227

Toole, “Loudspeaker measurements and their relationship to listener preferences: Part 2”, J. of the Audio Engineering Society 1986, S.323

Toole, “Loudspeakers and rooms for stereophonic sound reproduction”, Audio Engineering Society 8th International Conference 1990: The Sound of Audio

Toole, “Hearing is believing vs believing is hearing: blind vs sighted listening tests and other interesting things”, Audio Engineering Society preprint 3894 (1994)

Toole, “The acoustics and psychoacoustics of loudspeakers and rooms – the stereo past and the multichannel future”, Audio Engineering Society preprint 5201 (2000)

Toole, "The audio industry: The state of our science and art ", Canadian Acoustics 2002, vol. 30, no. 3 , S.18

Toole, “Art and science in the control room”, Proceedings of the Institute of Acoustics 2003, vol. 25, pt.8, S. 43

Toole, “Loudspeakers and rooms for sound reproduction – a scientific review”, J. of the Audio Engineering Society 2006, S.451

Toole, “The measurements and calibration of sound reproducing systems”, J. of the Audio Engineering Society 2015, S.512

Olive et al., “The detection of reflections in typical rooms”, J. of the Audio Engineering Society 1989, S.539

Olive, “The preservation of timbre: Microphones, loudspeakers, sound sources and acoustical spaces”, Audio Engineering Society 8th International Conference 1990, S.127

Olive, “A Method for Training Listeners and Selecting Program Material for Listening Tests”, AES paper 3893 (1994)

Olive et al., “The effects of loudspeaker placement on listener preference ratings”, J. of the Audio Engineering Society 1994, S.651

Olive et al., “The Variability of Loudspeaker Sound Quality Among Four Domestic-Sized Rooms, Audio Engineering Society preprint 4092 (1995)

Olive, “Differences in Performance and Preference of Trained versus Untrained Listeners in Loudspeaker Tests: A Case Study”, JAES 2003, S.806

Olive, “A Multiple Regression Model for Predicting Loudspeaker Preference Using Objective Measurements: Part I -Listening Test Results”, AES paper 6113 (2004)

Olive, “A Multiple Regression Model for Predicting Loudspeaker Preference Using Objective Measurements: Part II - Development of the Model”, AES paper 6190 (2004)

Olive, “Interaction between Loudspeakers and Room Acoustics Influences Loudspeaker Preferences in Multichannel Audio Reproduction”, Audio Engineering Society preprint 7196 (2007)

Olive, “Listener loudspeaker preference ratings obtained in situ match those obtained via a binaural room scanning measurement and playback system”, Audio Engineering Society preprint 7034 (2007)

Olive, “Comparison of Loudspeaker-Room Equalization Preferences for Multichannel, Stereo, and Mono Reproductions: Are Listeners More Discriminating in Mono?”, Audio Engineering Society preprint 7492 (2008)

Olive, “A New Reference Listening Room for Consumer, Professiona,l and Automotive Audio Research”, AES paper 7677 (2009)

Olive et al., “The subjective and objective evaluation of room correction products”, Audio Engineering Society preprint 7960 (2009)

Olive et al, “Listener preferences for in-room loudspeaker and headphone target responses”, Audio Engineering Society preprint 8994 (2013)

Welti, “How many subwoofers are enough”, Audio Engineering Society preprint 5602 (2002)

Welti, “In-room low frequency optimization”, Audio Engineering Society preprint 5942 (2003)

Welti, “Subjective comparison of single channel versus two channel subwoofer reproduction”, Audio Engineering Society preprint 6322 (2004)

Welti, “Subjective Comparison of Single Channel versus Two Channel Subwoofer Reproduction”, AES paper 6322 (2004)

Welti, “Low-frequency optimization using multiple subwoofers”, J. of the Audio Engineering Society 2006, p.347

Welti, “The Importance of Reflections in a Binaural Room Impulse Response”, Audio Engineering Society preprint 5839 (2003)

Welti, “Investigation of Bonello criterion for use in small room acoustics”, Audio Engineering Society preprint 7849 (2009)

Welti, “Optimal Configurations for Subwoofers in Rooms Considering Seat to Seat Variation and Low Frequency Efficiency”, AES paper 8748 (2012)

Martens et al., “Listener Loudspeaker Preference Ratings Obtained In Situ Match those Obtained Via a Binaural Room Scanning Measurement and Playback System”, AES paper 7034 (2007)

Schuck et al., “Perception of perceived sound in rooms: some results of the Athena project”, Audio Engineering Society 12th International Conference 1993

Devantier, “Characterizing the Amplitude Response of Loudspeaker Systems”, AES paper 5638 (2002)

Devantier et al., “Comparison of Loudspeaker-Room Equalization Preferences for Multichannel, Stereo, and Mono Reproductions: Are Listeners More Discriminating in Mono?””, AES preprint 7492 (2008)


Klaus
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pschelbert
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Beitrag von pschelbert »

Hallo

ich hatte früher ab und zu mal einen Artikel gelesen, nun die Links sind sehr gut, zum einen das Video und das Buch, besser gesagt Kompendium.

Es ist nun doch sehr klar, wenn Messungen mies sind, kann es sich um keinen guten Lautsprecher handeln.vAlso misst sich mies und tönt super gibt es nicht.vEbenso gibt es Kriterien die erfüllt sein müssen für einen guten Lautsprecher. Die Gewichtung der Kriterien hat Toole erforscht. Sehr eindrücklich, war mir nicht bewusst dass es da sehr viel Wissen gibt von Zuordnung Messung zu Höreindruck gibt.

Ich habe einfach immer festgestellt, dass Lautsprecher und Kopfhörer bzw. Mikrophone sehr unterschiedlich klingen auch wenn die "Messungen" bzw. Spezifikatioen "gleich" sind. Nun, wenn man "richtig" misst sind die keineswegs gleich, es ist nun klar dass sie eben verschieden tönen. Man kann sagen, es gibt nichts was man hört aber nicht messen könnte. Einzig die Zuordnung ist nicht simpel. Was bedeutet nun eine Messung auf den Höreindruck? Im grossen und ganzen bekannt wie Toole zeigt.

Gruss

Peter
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

pschelbert hat geschrieben: Man kann sagen, es gibt nichts was man hört aber nicht messen könnte. Einzig die Zuordnung ist nicht simpel.
Hallo Peter,

so kann man es ausdrücken.

In der Praxis haben wir allerdings noch den variierenden Raum, dem ein LS-Design unweigerlich ausgesetzt ist, solange es keine echte Sonderanfertigung nur für einen bestimmten Raum ist ...

Es wäre denkbar, daß in Raum "1" Lautsprecher "A" vor Lautsprecher "B" die Nase in der Bewertung einer Jury leicht vorn hätte, und es sich im Raum "2" umkehrt. Dabei zwei LS Modelle "A" und "B" angenommen, die beide vom Qualitätsniveau relativ nah beieinander sind und beide die "Grundkriterien" gut erfüllen.

Der Grund für eine raumabhängige Abweichung könnte z.B. eine sehr stark unterschiedliche Absorption beider Räume "1" und "2" im Hochton sein:

Angenommen LS "A" strahlt viel mehr Hochtonenergie ab als LS "B" und habe auch kein zum oberen Hochton hin deutlich steigendes Bündelungsmaß. Dann könnte er in einem Raum - angenommen Raum "2" - mit weniger Hochtonabsorption (und ohne Anstieg der Absorption zum oberen Hochton hin) zu übertriebener "Helligkeit" im Hochton neigen:

Trotz ausgewogenem Schalldruck-Frequenzgang beider verglichenen LS auf Achse. Deshalb wäre LS "A" sehr wahrscheinlich in einem Raum mit merklicher Hochtonabsorption und einem Anstieg derselben zu hohen Frequenzen (also stark fallender Nachhallzeit im Hochton, wie es in manchen Räumen der Fall ist) gut aufgehoben.

M.E. liefern die Untersuchungen Tooles zwar unumstößliche Hinweise auf relevante LS Eigenschaften und Ihre relative Gewichtung untereinander: Sie schließen jedoch keineswegs aus, daß sich die Rankierung bestimmter LS untereinander unter veränderter Raumakustik oder bei veränderter Aufstellung ebenfalls verändern oder sogar umkehren kann.

Man kann mit den "Harman Kriterien" zweifelsohne solche Lautsprecher identifizieren, die unter nahezu allen möglichen raumakustischen Bedingungen "schlechte Karten" haben und sie von denjenigen unterscheiden, die "für's Leben gut ausgestattet" sind.

So sind

- unausgewogegener Frequenzgang auf Achse
- deutliche Schwankungen des Frequenzgangs bereits bei kleinen Änderungen des Abhörwinkels
- Minima und Maxima im frequenzabhängigen Bündelungsmaß
- ...

Anzeichen für einen LS, der es überall sehr schwer haben wird und de Facto in nahezu allen erdenklichen Räumen chancenlos ist.

Aber was ist mit der Feinabstimmung einer Spitzengruppe:

Bliebe ihre Rankierung stets gleich, wenn ich z.B. von einem Raum mit konstanter Nachhallzeit im Hochton in einen Raum ginge, dessen Nachhallzeit sich z.B. von 4Khz bis 12Khz halbiert (*) ?

Das halte ich für sehr unwahrscheinlich und meine Erfahrung sagt das Gegenteil.

Und so haben wir heute m.E. das Dilemma, daß über Lautsprecher zu den meisten Gelegenheiten immer noch diskutiert wird wie in den Jahrzehnten vor Tooles Untersuchungen.

Die Zeit hat sich aber bereits so viel weitergedreht, daß wir eigentlich schon lange über Lautsprecherdesign für die Zeit nach Toole's Untersuchungen diskutieren müssten.

Solange jedoch seine Untersuchungen nur von relativ wenigen aufgenommen und akzeptiert werden, wird dafür wohl noch deutlich mehr Zeit vergehen.


Grüße

Oliver


________________

(*) Z.B. mit durch die Beschaffenheit der Seitenwände des Raums beeinflusst.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Wenn das Übertragungsverhalten des LS durch eine gegebene Pulsantwort gekennzeichnet ist und das Übertragungsverhalten des Raums ebenfalls durch eine Pulsantwort gegeben ist, so ist das Gesamtergebnis im Prinzip das Ergebnis der beiden miteinander gefalteten Pulsantworten.
Wenn da nun ein optimales (wie immer auch definiert) Ergebnis herauskommen soll, müssen sich die beiden Pulsantworten optimal ergänzen. Im theoretisch einfachsten Fall wäre dies gegeben, so beide Pulsantworten einem Dirac-Puls entsprächen. Was aber bekanntlich seltenst der Fall sein dürfte. Ansonsten muss der LS den Raum "kompensieren".

Möglicherweise wäre eine Annäherung an einen "guten" Zustand messtechnisch einfacher bewertbar, wenn man die Pulsantwort aus LS und Raum wiederum mehrfach mit sich selbst faltet und dann das Ergebnis als Filter für irgendeine Musik verwendet. Die jeweiligen Probleme potenzieren sich dann. Wo dann die Musik bestmöglich hörbar bleibt bzw. die meisten Iterationen "überlebt", passen dann LS und Raum (genauer Hörplatz) zusammen.

Ändern sich dann LS oder Raum beginnt die Suche nach dem optimalen LS wieder von vorn.

Grüsse
Uli

PS: um die genannte mehrfache Faltung zu verstehen, empfiehlt sich die letzte Vorlesung von Amar Bose anzuschauen (Anfang bis ca. 09:00)
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Uli,

und wo bleibt der Hörer? Ist bei der Pulsantwort des Raums der Hörplatz gemeint?
Floyd Toole hat geschrieben:Room resonances at low frequencies behave as “minimum phase” phenomena, and so, if the amplitude vs. frequency characteristic is corrected, so also will the phase vs. frequency characteristic. If both amplitude and phase responses are fixed, then it must be true that the transient response must be fixed – i.e. the ringing, or overhang, must be eliminated. (Toole, The Acoustical Design Of Home Theaters, 1999)
Dazu Sean Olive, langjähriger Fellow von Floyd Toole, auch schon vor der Zeit bei Harman:
Sean Olive hat geschrieben:The mean preference ratings and 95% confidence intervals are shown ...
Three of the five room corrections (RC1-RC3) were strongly preferred over no room correction (RC4). However, one of the room corrections (RC5) was equally rated to the no correction treatment (RC4), and one of the room corrections (RC6) was rated much worse. Overall, the sound quality of R6 was rated "very poor" based on the semantic definitions of the preference scale....

When done properly, room correction can lead to significant improvements in the overall quality of sound reproduction. However, not all room correction products are equal, and two of the tested products produced results that were no better, or much worse, than the unequalized loudspeaker. Room correction preferences are strongly correlated to their perceived spectral balance and related attributes (coloration, full/thin, bright/dull). The most preferred room corrections produced the smoothest, most extended in-room responses measured around the primary listening seat.
(Hervorhebungen von mir.)

Später sickerte ja durch, dass sich unter RC 6 Audyssey verbarg, unter RC1 RoomPerfect, 2 hauseigéne Systeme waren zur Evaluation auch dabei. Acourate war nicht dabei, zu der Zeit bei Harman wohl noch unbekannt. :wink:

Grüße Hans-Martin
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Uli,

(Hervorhebungen von mir)
uli.brueggemann hat geschrieben: Wenn das Übertragungsverhalten des LS durch eine gegebene Pulsantwort gekennzeichnet ist
... ist es jedoch nicht. > Siehe u.a. Toole.
und das Übertragungsverhalten des Raums ebenfalls durch eine Pulsantwort gegeben ist
... ist es auch nicht. > Siehe u.a. Toole.

Die Impulsantwort, die z.B. von einem Kugelmikrofon an einem bestimmen Platz aufgenommen wird, könnte etwa auch von einem Raum stammen, der - je nach Schallquelle und konkreter Situation - um 90 Grad gedreht ist, wo also Seitenwände und Boden/Decke "vertauscht" wurden.

Der Aussagegehalt einer Impulsantwort gemessen mit Kugelmikrofon ist bezüglich des binauralen Hörens praktisch Null.
so ist das Gesamtergebnis im Prinzip das Ergebnis der beiden miteinander gefalteten Pulsantworten.
... in einer Welt ohne räumliche Dimensionen und/oder ohne binaurales Hören ist das sogar ganz bestimmt so. Doch wen interessiert eine derart beschaffene Modellwelt(*), oder innerhalb welcher Einschränkungen und Teilaspekte könnte sie überhaupt interessant werden ?
Ändern sich dann LS oder Raum beginnt die Suche nach dem optimalen LS wieder von vorn.
Hieße das tatsächlich, Floyd Toole und Sean Olive hätten bei Harman (bzw. Dr. Floyd Toole zuvor schon in seiner Arbeit in Kanada für den National Research Council ) - natürlich ohne es zu wissen - einen großen Teil ihrer Lebensarbeitszeit unwissentlich verschwendet ?

Hätten sie also genausogut Impulsantworten "von Lautsprechern" und "von Räumen" miteinander falten können und wären zu vergleichbaren oder gar allgemeingültigeren Resultaten gekommen ?


Grüße Oliver

________________

(*) In der ein Hörer weder vorkommt noch annähernd adäquat repräsentiert ist ...
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Edit: Teile dieses Beitrags entfernt. Es ist uns seitens der Moderation daran gelegen, die Sachdiskussion hierdurch nicht zu stören. Viele Grüße Harald

Es ging mir hier NICHT um den Vergleich Mikrofon und binaurales Hören. Es geht darum, dass ich den LS und den Raum einfach als Filter betrachte (im EINFACHSTEN Fall als konstantes Filter). Nehme ich einen gegebenen Raum als Filter und tausche beliebige LS in diesem Raum, dann wird hoffentlich ein LS dabei sein, dessen Verhalten zusammen mit dem Raum ein prima Ergebnis zeigt. Was aber in einem anderen Raum mit anderen Eigenschaften eben nicht der Fall ist. Das können mit Sicherheit viele viele Leute bezeugen, die einen LS vom Händler nach Hause geschleppt haben. Die Menge an kombinatorischen Möglichkeiten und damit auch Problemen ist also beliebig groß.

Und wenn das schon in der EINFACHSTEN Modellwelt nicht klappt, wird es in der realen Welt noch problematischer.

@Hans-Martin,
unter dem Gesichtspunkt einer idealisierten Übertragung, bestmöglichst dem Original folgend, ist das Ohr erstmal aussen vor. Wenn es auf den Geschmack ankommt, dann machen auch die Ohren Sinn, es wird dann aber messtechnisch nochmals komplizierter.

Grüsse
Uli

PS: ich will den Herren Floyd Toole und Sean Olive definitiv nichts am Zeug flicken, im Gegenteil, ich habe allergrößten Respekt. Übrigens hatte ich sogar die Ehre, bei der AES Convention in New York gemeinsam mit Sean Olive auf dem Podium zum Thema Raumkorrektur zu sitzen und auch einen Vortrag dazu zu halten (Sean Olive hat dabei Floyd Toole vertreten, weil dessen Flieger gecancelt war). Der Workshop wurde von Bob Katz geleitet. Ich kann nur sagen, dass die Atmosphäre da doch deutlich besser war. Es hat zumindest keiner der Teilnehmer binaurale Argumente gegen Mikrofonmessungen vorgebracht. Sean Olive wurde übrigens in dem damaligen Herbst auch AES Präsident.
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RS.schanksaudio
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Beitrag von RS.schanksaudio »

Sehr interessantes Material, vielen Dank! Ich werde mich in nächster Zeit einmal durcharbeiten und hoffe auf eine fruchtbare Diskussion, um endlich zu dem Konsens zu kommen:
pschelbert hat geschrieben: Man kann sagen, es gibt nichts was man hört aber nicht messen könnte. Einzig die Zuordnung ist nicht simpel.

Viele Grüße
Roland
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

uli.brueggemann hat geschrieben: Und wenn das schon in der EINFACHSTEN Modellwelt nicht klappt, wird es in der realen Welt noch problematischer.

Hallo Uli,

dazu fallen mir zwei Anmerkungen ein:
  • vielleicht ist a priori nicht immer im Detail klar, was es eigentlich genau ist, das "klappen" soll und allzu fixe "Vorab-" Annahmen können dann sogar hinderlich sein.
  • eine "Modellwelt" kann grundsätzlich auch versagen (z.B. für eine bestimmte Vorhersage in der realen Welt) weil sie z.B. "zu einfach" ist, oder entscheidende Teilaspekte nicht berücksichtigt waren

Deshalb kommt der oben zitierten Aussage m.E. weder Beweiskraft für oder gegen eine bestimmte Art der Modellierung von Phänomenen zu, noch handelt es sich bei der Aussage um eine logisch begründbare Denknotwendigkeit.


Tatsache ist jedoch, das Toole und Olive das Thema der Lautsprecher-/Raum Interaktion und der damit verbundenen Hörerpräferenz in ihrer Arbeit - die das Thema des Threads darstellt - mithilfe von "subjektiven Messungen" (subjective Measurements) unter Heranziehung realer Hörerurteile angegangen sind.

Auch bei der begleitenden messtechnischen Evaluierung der Lautsprecher und der Beschreibung bzw. der Modellierung relevanter Aspekte der LS-/Raum Interaktion wurde nicht mit "einer Impulsantwort" des LS und der Faltung derselben mit "einer Impulsantwort" des Raums gearbeitet.

Dies sollte sich m.E. in der Diskussion des Themas auch in angemessener Form niederschlagen.


Grüße

Oliver
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pschelbert
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Beitrag von pschelbert »

Hallo

die Betrachtung von Uli der Faltung LS-Impulsantwort mit Raum-Impulsantwort bin ich der Meinung ist absolut korrekt.
Einschränkung natürlich, es ist alles linear (also das Büchergestell scheppert nicht etc.). Auch gibt es für jeden Ort im Raum eine andere Impulsantwort (immer Sender zu Empfänger). Wird also eines der beiden versetzt ist die Impulsantwort anders, es gilt aber immer noch dieselbe Faltung (ja die Mathematik wird das Universum überleben).

Alle hochwertigen "Echogeräte" z.B. von Lexicon, Yamaha (Pro-Bereich) arbeiten so. David Griesinger (ehemals Lexicon) hat da einiges publiziert.

Vorgehen ist dann so:
1) Lautsprecher optimieren im schalltoten Raum nach den Kriterien, Frequenzgang und Impulsanwort (Phase) linearisieren mit (Software muss FIR-Filter sein wegen Phase!, mit acourate z.B.)

2) Lautsprecher im Raum aufstellen, Aufstellung optimieren, vor allem Bass Position. Am besten 2xBass

3) Raum modifizieren, dass nichts scherbelt, klirrt, vibriert usw. ev. Absorber, Bassfallen etc.

4) Messung an der Hörposition (ev. mehrere leicht verschiedene Positionen um stehende Wellen zu mitteln). Mit Raumkorrektur wieder Frequenz und Phasengang optimieren. Raumkorrektursoftware (z.B. acourate)

5) Musik hören...

Quintessenz:
Der Lautsprecher muss zuerst mal im schalltoten Raum excellent sein. Das ist was ich als Kunde kaufen will.

Mein Problem (Kunde) ist dann: Raum, Aufstellung, Raumoptimierung, Raumkorrektur( und Musik)

Ich muss sagen, ein sehr guter Lautsprecher tönt immer besser oder mindestens gleich gut als ein guter Lautsprecher.
Es ist nämlich möglich, dass ein mieser Raum z.B. sehr verhallter rechteckiger Raum aus Beton, die Qualität so vermindert dass man nicht mehr differenzieren kann. Nun also ich hoffe für HighEnd wird man sich die Mühe machen mindestens einen guten bis sehr guten Raum auszuwählen.

Noch ein Tipp: Kopfhörer sind da wirklich viel einfacher, kein Raum, sehr hohe Pegel ohne Verzerrungen, nur aufpegasst Hörschäden durch zu lautes Hören. Linearisierung ist auch bei Kopfhörern ein Thema, sind tonal recht verschieden, und sofort hörbar, also keine Nuancen!:

Ich habe gerade gestern folgende Kopfhörer gehört:
Stax SR009
Stax SR007
Stax-SR404
Sennheiser HD800
Beyer Dynamic DT880S (altes Modell von ca 1990)
Sony: geschlossenesTop-Modell mit Holzmuscheln, älteres Modell (Muss ein Kulthörer sein, Modell Nr?)

Gruss

Peter
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