Bernd Peter (Dynaudio Focus 60 XD)

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Franz
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Beitrag von Franz »

Ja, man kann sich auch verrennen und sich von anderen etwas aufschwatzen lassen. Die ganze Palette menschlicher Einflußmöglichkeiten und Beeinflussungen sind da möglich, auch irgendwie menschlich verständlich. Ich bin gut damit gefahren, mich auf mein Gespür zu verlassen. Selbstverständlich kann man vergleichen. Bin weit herumgekommen, hab vieles schon erlebt.

Ich glaub, wir sind hier aber schon zu weit vom Thema weggekommen, sorry dafür.

Gruß
Franz
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Franz,

da bin weniger ängstlich in bezug auf Beeinflussung.

Ich erkenne eher ein Sackgassenhören bzw. -abstimmen, das ich aber auch für allzu menschlich halte.

Es grüßt

Bernd Peter
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Franz
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Beitrag von Franz »

Ja, man wähnt immer den anderen in einer Sackgasse. :wink:

Gruß
Franz
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Franz,

eigentlich umgekehrt, wir sollten den Mut haben, unser Hörempfinden bei gelegentlichen Impulsen von außen auch kritisch zu betrachten, ohne uns dabei selbst untreu zu werden.

Es grüßt

Bernd Peter
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Franz
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Beitrag von Franz »

Ich denke, das tun wir auch alle.

Gruß
Franz
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Ein Hallo an unsere große Klassikhörergemeinde im Forum,

hier die noch ausstehende Bewertung von Martin (cornoalto) zu Uchida und Malikova:

Uchida:

Ja- es fliesst wunderbar, aber es plätschert auch irgendwann mal nur noch dahin.

Im ersten Satz zwischen 4. und 6. Minute: wo bleibt die Frage, das nicht mehr Weiterwissen, die Verzweiflung?
Mir fehlt eine Art Erzählung hinter der Musik. Ich finde das ausserdem alles recht saft- und kraftlos.

Den 4. Satz sollte man wenigstens vordergründig heiter spielen.
Der Schubert war trotz Biedermeier - Erstarrung nicht dauernd nur deprimiert. Uchida ebnet da alles einfach ein. Undifferenziert.

Auch Melodie und Begleitung wird oft zu wenig auseinandergehalten.

Die Aufnahme ist mir zu dunkel, mit zu wenig Anschlag-Information.
Vielleicht spielt gerade das auch in mein negatives Interpretationsurteil hinein.


Malikova:

Die hat wohl ein Metronom verschluckt, so unflexibel- gleichmässig spielt sie den ersten Satz. Fast wie eine Etüde.

Alfred Brendel macht aus dem ersten Satz an manchen Stellen dagegen ein Kunstlied. Nichts davon hier.

Der Brendel hat ja bekanntermassen den weltbesten kongenialen Sänger, was das Schubertsche Kunstlied angeht, begleitet: Dietrich Fischer- Dieskau. Je öfter ich den ersten Satz in anderen Einspielungen höre, umsomehr bemerke ich bei diesen das Fehlen des liedhaften, rezitativischen, die Agogik.

Die spielen einfach nur Klavier!

Der letzte Satz ist OK, wenn auch etwas wenig humorvoll.

Und dann die Aufnahme! Mulmig und im forte z.T. fast dröhnig.

Die vom Aufnahmeraum- Klang her suggerierte Entfernung zum Klavier ist in Ordnung.
Aber das Klavier selbst finde ich viel zu gross (und leicht rechtslastig) aufgenommen, als wäre es eine Orgel:

rechts Diskant - Mitte Mittellage - und links der Bass: grausig!

Also meine Favoriten bleiben als erster Brendel, und dann Endres.


Es grüßt

Bernd Peter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,

hier der Kommentar von Martin zu den nächsten beiden Pianisten:
1.
Eine trockene Aufnahme, praktisch ohne die Akustik des Aufnahmeraums.
Der Flügel klingt sehr ausgeglichen, eher schlank, nichts klingelt.
Eine klare Aufnahme mit Wärme, gefällt mir sehr gut!

Im ersten Satz wird sehr schön phrasiert , mit organischen Steigerungen und logischen Tempoverhältnissen.
Der Pianist dehnt oft minimal die Taktenden, aber nicht so demonstrativ wie Brendel.
Auch der vierte Satz gelingt natürlich und flüssig mit grosser Dynamikbandbreite.

Eine gute Einspielung.

2.
Hier höre ich eine angenehme und nicht zu hallige Raumakustik.
Der Flügel ist eher gross aufgenommen, es wirkt dennoch stimmig.
Die Klangfarben des Instruments sind äusserst gut getroffen- nicht zu hell und nicht zu dunkel mit einem unglaublich guten kernigen Bass-Register.

Im ersten Thema wird im Gegensatz zu Nr. 1 mal auf den nächsten Takt zugespielt, mal das Taktende gedehnt aber nie so stark, dass es aufgesetzt wirkt.
Der Pianist denkt immer melodisch und hat stets ein Gespür für die richtige Richtung.
Der 3. Satz gelingt fein und beweglich, ebenso der 4. Satz ist mit Geschmack und einer enormen Dynamik- im Gegensatz zu Frau Uchida gespielt.

Alle Tempi passen zueinander.
Es klingt durchweg logisch- reflektiert und dennoch natürlich.
Generell fällt ein sehr perlender und deutlicher Anschlag auf.

Eine super Einspielung in jeder Hinsicht. Würde ich mit Brendel zusammen mit auf die Insel nehmen.
Da merkt man natürlich Martins Berufserfahrung als Orchestermusiker, es fällt ihm nicht schwer, die Qualität im Spiel dieser Künstler von Weltrang herauszuhören.

Wir hörten hier:

1. Maurizio Pollini (* 5. Januar 1942 in Mailand), ein italienischer Pianist und Dirigent.

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Schwerpunkte von Pollinis Repertoire sind Werke von Chopin, Beethoven und Schubert.
Hochgelobt sind die mit dem Ernst-von-Siemens-Preis ausgezeichneten Aufnahmen der drei späten Klaviersonaten von Franz Schubert (D 958, D 959, D 960).

2. Murray Perahia (* 19. April 1947 in New York), ein US-amerikanischer Pianist und Dirigent.

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Er setzte mit den Einspielungen der Klavierwerke Bachs Maßstäbe. Vor allem die Aufnahme der Goldberg-Variationen wird als Referenz-Aufnahme angesehen.
Mir selbst gefallen insbesondere einige seiner Einspielungen von Mozarts Klavierkonzerten und Beethovens Klavierkonzert Nr.1.


Und wie ordne ich die beiden Interpretationen für mich ein?

Schuberts Sonate D960 ist von einer stark schwankenden Emotionalität durchdrungen, es geht auf und ab, mal heiter und ausgelassen und dann wieder nachdenklich bzw. fast leicht depressiv.

Je öfter ich das Werk höre, umso mehr bin ich neugierig, ob es dem jeweiligen Pianisten gelingt, an bestimmten Stellen dieses Hell und Dunkel der Gefühle schlüssig und deutlich darzustellen.

Der oft abrupte Wechsel muss dabei aber trotzdem flüssig gelingen, die z.B. eingeschobenen Triller im 1.Satz sind für mein Empfinden dabei hinübergleitende Elemente und kein Stop an Go.

Das macht es wirklich schwierig für den ausführenden Künstler, diese sich teils widersprechenden Klangaussagen zu einem Ganzen zu verbinden.

Perahias Klaviertechnik mit seinem - ich gebrauche gerne Martins Worte - perlendem und deutlichen Anschlag liebe ich bei Mozart, Pollinis klares und so außerordentlich fein durchzeichnendes Spiel bei Beethovens Sonaten.

Beide sind keine Tastenlöwen, ihr disziplinierdes und tief durchdachtes Spiel stellt dabei das Werk in seiner klanglichen Schönheit und Raffinesse in den Vordergrund.

Aber bei Schuberts Sonate D960 reicht selbst das nicht für eine Referenz.

Bei Perahia habe ich nach dem 2ten Durchgang für mich gedacht: Nett, wirklich nett, aber wo bleibt diese spannungsgeladene und dabei ständig schwankende Emotionalität, die mich so begeistern kann? Beim 3ten Hören war mir klar, da muss mehr kommen, da steckt mehr in und zwischen den Noten.

Bei Pollini ist es etwas anders. Die dunkleren Emotionen, dort wo manchmal fast etwas unbehaglich wird, das kann ich bei ihm sehr gut nachempfinden, auch wenn es mir etwas zu schlank und kontrolliert daherkommt.

Aber bei den lebensfrohen und fast lustvollen Stellen im Stück wirkt sein Spiel seltsam trocken und fast ein bißchen fad.

Das Hin und Her der Emotionen - wie es z.B. Brendel deutlich herausschält - bleibt dadurch aus.


Mein Fazit:

Schubert verlangt dem Pianisten hier vieles ab, neben herausragender Technik muss ein tieferes Verständnis in die Gedankenwelt dieses Komponisten gegeben sein, um den Werk das innewohnende Leben einhauchen zu können.

Es grüßt

Bernd Peter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,

die nächsten beiden Schubertinterpreten sind

Paul Lewis CBE (* 20. Mai 1972 in Liverpool), ein britischer Pianist,

der neben Till Fellner und Kit Armstrong zu den bekanntesten Schülern Alfred Brendels zählt.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich Repertoire und Interpretation eng am Lehrer orientieren.
Wie Brendel bevorzugt Lewis Werke Franz Schuberts, Beethovens und Liszts.

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Sir Clifford Curzon (* 18. Mai 1907 in London als Clifford Michael Siegenberg; † 1. September 1982 ebenda), ebenfalls ein Brite.

Er schränkte mit den Jahren sein Repertoire verstärkt ein und galt schließlich als Mozart-, Schubert- und Brahms-Spezialist.

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Was sagt Martin zu Lewis:

Die ganze Art erinnert mich an Brendel: gesanglich, beweglich, bisweilen etwas geschmeidiger.
Hat der Pianist von ihm einfach abgekupfert?
Womit ich weniger klarkomme ist die Aufnahme: Das Klavier ist zwar kompakt aufgenommen, mit passendem Abstand und man hört öfter das Abheben der Dämpferfilze.
Aber insgesamt finde ich es zu dunkel und oft dickt es auf und drückt- schade!

Und zu Curzon:

Eine aussergewöhnliche und aussergewöhnlich gute Einspielung.

Sehr flüssiger Anfang, aber nicht oberflächlich. Der Begleitstimme wird eine eigene Bedeutung gegeben. Ein ungemein spannender 1. Satz, den man zuende hören muss.

Er phrasiert bisweilen anders als der Mainstream und macht Accelerandi, wo andere bremsen, aber immer überzeugend. Agogisch und mikrodynamisch ist er äusserst versiert.

Der Pianist behandelt auch die Generalpausen anders, nicht so demonstrativ wie die anderen Interpreten- aber es passt. Was der Schubert wohl dazu gesagt hätte?

Ebenso sind die weiteren Sätze unkonventionell und herausragend musikalisch und mit grosser Spielfreude und Drang nach vorne interpretiert.
Ganz anders als Brendel, aber genauso stimmig. Spitze!

Die gut gemachte Aufnahme könnte aus den 60 ern stammen. Es klingt anfangs dunkel, aber je länger ich höre, umso stimmiger kommt es mit vor.
Auch den Aufnahmeraum hört man vor allem im 4. Satz schön heraus.

Das f scheppert ein bisschen- das liegt am Flügel. Aus dem Bandrauschen kann man sogar eine gewisse Tonhöhe (f) heraushören. Es klingt ein bisschen wie ein Sturm ausserhalb des Studios. Ein paar mal wurde nicht ganz perfekt geschnitten. Das alles , und auch dass S mitsingt stört mich überhaupt nicht - im Gegenteil!
Mein Eindruck zu Lewis:

Auch mir ist die Intonation des Flügels etwas zu dunkel und breit abgestimmt, wodurch es in manchen Passagen fast wie etwas verschwommen wirkt.

Was mir aber besonders auffällt - missfällt - ist sein Spiel selbst. Erst im 4.Satz kommt endlich Leben in die Musik, anfangs - besonders deutlich erkennbar im 1.Satz - spielt Lewis ohne innere Hingabe und Verständnis die Noten technisch schön und musikalisch runter, aber mehr kommt da nicht dabei raus.

Wie ist es bei Curzon:

Von Anfang bis Ende ein Schubert in kraftvoller und lebender Form. Teilweise so ungestüm, wie man es einem Briten kaum zutrauen möchte.

Während Brendel insgesamt auch ruhigere Töne und Passagen einfließen läßt, stürmt Curzon geradewegs weiter, ohne dabei die Linie in seinem Spiel zu verlieren.

Eine wie bei Brendel komplett durchdachte Interpretation aus dem Jahre 1972, die man kennen sollte.


Es grüßt

Bernd Peter
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Moin Bernd Peter

ich lese - wie sicherliche viele Klassikinteressierte - deine Vergleiche der Schubert-Sonate sehr aufmerksam mit (und höre die jeweiligen Aufnahmen danach auch bei mir zu Hause noch einmal "nach" - sei es über Qobuz oder weil ich selbst besitze). Manche Kommentare kann ich teilen, andere wiederum nicht. Spannend ist es immer ;-)

Schade finde ich, dass es für andere schwer wird, diese Besprechungen später wiederzufinden, da sie in deinem Vorstellungsthread für mein Empfinden doch sehr versteckt sind.

Wäre es nicht noch nützlicher, diese Vergleiche in einem eigenen Thread à la "Schuberts Sonate D960 im Vergleich" auszuklammern?

Beste Grüße
Jörg
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Bernd-Peter, hallo Jörg,

ich folge den Beiträgen auch sehr gerne und möchte Jörgs Vorschlag unterstützen, einen eigenen Thread aus den Besprechungen der D 960 zu machen.

Viele Grüße
Horst-Dieter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo ihr beiden,

es freut mich, daß ihr mithört und für euch selbst darüber Bewertungen trefft.

Das ist allerdings nur deshalb möglich, weil unsere jeweilige Hörsituation dies erlaubt.

Ja, Klassik wird erst interessant, wenn hifitechnisch ein notwendiger Qualitätsstandard erreicht bzw. überschritten ist.

Ein Klavier muss eben wie ein Klavier klingen, sonst lehnen wir das instinktiv ab und wären gezwungen ins Konzert zu gehen.

Für mich keine Option, ich brauche meine gewohnte Umgebung und mein Alleinsein, wenn ich mich dieser Aufgabe stelle.

Was die angesprochene Verlagerung betrifft:

Ich habe das bewußt so gewählt, weil es die vorgenannten Gründe direkt aufzeigen soll.

Unsere mühsame und zeit- wie geldaufwändige Arbeit in das Hobby sollte ein Ziel haben, sie hat einen Zweck.

Es geht nicht um Bassgewalten, es geht nicht um Demonstration.

Es geht um Musik.


Gruß

Bernd Peter
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Franz
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Beitrag von Franz »

Diese Beschreibung ist mir sehr sympathisch. :cheers:

Gruß
Franz
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Bernd Peter

dann mag ich dir gerne noch ein paar Vorschläge unterbreiten zu Schuberts D960:

Clara Haskil
Grigory Sokolov und
Krystian Zimerman
(sowie auch die bekannte Aufnahme von Wilhelm Kempff)
In den USA wird auch die Aufnahme von Stephen Kovacevich als Referenz gehandelt.

Achtung: ich mag aber auch sehr die Aufnahme von Mitsuko Uchida mit ihren langen Phrasierungsbögen ;-)

Viele Grüße
Jörg
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Franz,

:wink:

Hallo Jörg,

wir nähern uns bei dem Vergleich langsam der Zielgeraden, die letzten Aufnahmen sind schon eingebucht.

Da Martin nicht wissen soll, was er von mir bekommt, warten wir mal ab, ob jemand von deiner oder einer anderen Vorschlagsliste noch auftauchen wird.

Es grüßt

Bernd Peter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,

wie gewohnt am Samstag nun die nächsten beiden Einspielungen der Sonate D960 von Franz Schubert.
Zunächst Martin zu Nr.1:

Eine historische mono-live- Einspielung.

Das Thema klingt im Vergleich zu Nr.2 schwerfälliger. Es fallen später einige Unsauberkeiten und nicht zusammenpassende, z. T. überzogene Tempi auf.

Insbesondere den 2. Satz finde ich sehr oberflächlich. Vieles ist zu flüchtig gespielt. Der 3. Satz ist eindeutig zu laut.

4. Satz: Vieleicht dachte sich der Pianist dabei nur : "So- nur den einen Satz muss ich noch durchhauen, dann ist das dumme, viel zu lange Konzert endlich vorbei und ich darf ins Wirtshaus gehen."
Meine Meinung zu Nr.1:

Die Pianistin (es ist eine Frau) tut sich schon schwer beim Beginn, fast bis zur Mitte des 1.Satzes klingt das alles irgenwie fremd im Vergleich zu den bisher gehörten Stücken, manchmal zu schnell, manchmal zu langsam, zu laut oder leise, als wenn sie da ihren ganz speziellen Weg sucht. Erst recht spät kommt Vertrautheit bei mir auf, so kennt man den 1.Satz. Der 2te und 3te sind in Ordnung, beim 4.Satz legt sich dann plötzlich ein Tempo vor, womit das bekannte Hin und Her der Melodie zu einem seltsamen Einheitsbrei verkommt.

Ich habe 3x versucht, zu dieser kompletten Interpretation einen Zugang, ein Verständnis zu entwickeln, beim 3ten Mal habe ich mitten im 4.Satz dann abgebrochen und es aufgegeben.


Nun Martins Meinung zu Nr.2:

Sehr sauber aufgenommen, warmer Flügelklang, guter Raum.

Der Anfang kommt weich und innig mit sehr langem Triller. Nr.2 gestaltet agogisch und zugleich sehr diszipliniert und subtil dynamisch, bleibt also oft lange im piano- Bereich. Die Ausbrüche wirken dann umso ergreifender. Dadurch bringt er die wesentlichen "Ereignisse" sehr deutlich zum Ausdruck und erzeugt riesige Spannungsbögen. Und es wirkt nie aufgesetzt-plakativ. Nr.2 hat Schubert wohl sehr gut verstanden.

Der zweite Satz ist zum dahinschmelzen schön gespielt. Das Prinzip Spannung duch disziplinierte und wohldosierte Dynamik geht auch hier auf.

3. Satz: fein, äusserst beweglich, delikat mit unglaublichem pianissimo.

Ebenso der 4. Satz mit enorm kontrollierter Dynamik und perfekter Übersicht im Tempo angelegt.

Durchgängig wird immer Begleitung und Melodie sowohl dynamisch als auch artikulativ unterschieden.

Grossartig!
Meine Meinung zu Nr.2:

Im Hinblick zu Nr.1 ein so wohltuender Sprung nach ganz oben in der Bewertungsskala.

Ein wunderbar gespielter Schubert, so leichtfüßig und tänzerisch, gelegentlich fast kokett. Ja, das funktioniert tatsächlich auch mit etwas weniger Grundton bei der Intonation des Flügels. Trotz der Lebendigkeit in sich ruhig und schön fließend.

Der 4.Satz ist - für mich - einzeln betrachtet nahezu perfekt, besser kann man den wohl nicht spielen.

Ein Genuß!


Und zum Schluß nun die Auflösung:

Nr.1:

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Nr.2:

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PS: Ich bin ein großer Verehrer von Clara Haskil, als Künstler und als Mensch, aber hier hatte sie wohl einen schlechten Tag.
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