Was streamen wir da eigentlich? (digitale Integrität)

Redaktionelle Beiträge und Aufsätze
Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

hm, wie soll eine Wiederauflage (CD) etwas enthüllen, was im Original (analoge Aufnahme) nicht enthalten ist? Da kann doch wohl höchstens aufpoliert worden sein in dem Sinne, dass etwas dem moderneren Geschmack hinzugemischt wurde?

Viele Grüße

Jochen
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rainerk
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Das wird kein einheitlicher Audio Standard sein

Beitrag von rainerk »

Jennifer Warnes – Famous Blue Raincoat = 101 verschiedene Versionen (Vinyl + CD) produziert https://www.discogs.com/de/master/10435 ... nard-Cohen

Fleetwood Mac mit Rumors = seit 1977 639 !! verschiedene Versionen (Vinyl, CD, allerdings sind auch ein paar CC und 8 Track Cartridges dabei)
https://www.discogs.com/de/master/38722 ... ac-Rumours

Ich drücke euch gerne die Daumen, dass Ihr Eure persönliche 5-Sterne Audio Version verfügbar habt.

Viel Freude daran wünscht Rainer
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hans-Martin hat geschrieben: 22.10.2022, 12:37ich habe von Paul Simon "Graceland" und von Jennifer Warnes "Famous Blue Raincoat" in der deutschen Pressung und auch eine USA- bzw Kanada-Pressung. Klangunterschiede sind hörbar, wenn der CD-Player sie abspielt, wobei die deutsche Pressung schlechter klang, weniger Punch im Bass, geringfügig mehr Zisch bei der Stimme.
Hallo,
ergänzend sollte ich erklären, dass die CDs zeitnah nach Erscheinen gekauft wurden, lange bevor Remasters mit Dynamikkompression erschienen.
Mit Audacity habe ich die gerippten Ergebnisse zeitsynchronisiert und die Differenz gebildet. Da war praktisch nichts zu finden.
Mit einer Verschiebung um 1 Sample passiert allerdings sehr viel, diesen Fehler sollte man vermeiden.

Deutsche CD-Versionen von Led Zeppelin hatten vertauschte (!) Kanäle, tauschte man sie (nach Rippen) zurück und verglich mit den USA-Versionen, war die Differenz auch nun praktisch Null.
Digitale Kopien haben erheblich weniger Fehler als Kopien von Tonband zu Tonband.

Selbst bei renommierten Masteringstudios wie Bernie Grundmann wird nicht immer und ewig nach gleichen Kriterien gearbeitet, man geht mit der Zeit. Jennifer Warnes - The Hunter bekam dort einst für die erste Ausgabe den letzten Schliff, und das erfolgreiche Album wurde dort 20 Jahre später als Remaster m.E. verschlimmbessert (leicht komprimiert, invertiert) - was im STEREO-Workshop bejubelt wurde.

@Günther: Bei Fleetwood Mac Rumours habe ich eine frühe CD vom deutschen Markt und eine Remasterversion mit Bonustracks. Der Vergleich:
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diskutiert in viewtopic.php?p=40350#p40350
Grüße
Hans-Martin
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Audiophon
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Beitrag von Audiophon »

@Hans-Martin,

Da ich auch noch einen guten CD Spieler besitze, kaufe ich immer noch CDs. Meist hierbei die Japan Erstpressungen über Discogs (sofern diese aus der Zeit vor den Nuller Jahren stammen).

In der Tat gibt es hier große Unterschiede.

Viele Grüße
Martin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Martin,
für mich ist ein guter CD-Player die erste Wahl zur schnellen Beurteilung der musikalischen Qualität, ob sie mich anspricht, auch zur Feststellung der absoluten Polarität.
Im 2. Schritt rippe ich die CD bestmöglich nach meinem aktuellem Erkenntnisstand. Dann korrigiere ich ggf. eine inverse Polarität, wende FLOW für eine weitere Kopie an. Gelegentlich stülpe ich noch weitere Filter darüber, wie De-Esser, Bass-Shelving-Filter oder spezifische EQ wie z.B. bei Frumpy Live, wo exzessive Bass- und Höhenanhebung die Stimme stark unterdrückten, oder bei Vinyl-Ripps eine Korrektur des System-FGs.
Von der Festplatte kann ich völlig entspannt hören, weil ich weiß, dass alles nach meinen Vorstellungen/Kriterien gespeichert wurde.

Bei CDs und Streamingportalen bin ich da auf ungesichertem Terrain, da springt erstmal mein analytisches Hörvermögen an, den Handlungsbedarf abzuchecken. Entspanntes Hören sieht anders aus... s.o.
Grüße
Hans-Martin
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Servus die Herren :cheers:

Ganz mein Thema hier ...
sage ich doch schon seit Jahren, daß HiRes. zum großen Teil Beschiß ist !

Kaum hatte die Industrie erkannt, was technisch machbar ist, wurde sofort "eine neue Sau durch's Dorf getrieben". Hierzu fällt mir auch sogleich MQA ein. Leider haben zu viele Musikfreunde nie wirklich hinterfragt, was einem per Streaming oder Download da WIRKLICH angeboten wird, Hauptsache, die Nominalparameter (24bit, 96-192kHz, DSD 64,128,256) stimmten. Daß viel zu oft einfach ein Upsampling erfolgt habe ich schon vor Jahren festgestellt. Als Tontechniker landet bei mir JEDES File, egal welcher Herkunft, in der DAW und wird analysiert. Und was sich da teils offenbart ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Anbieter !
HiRes. dessen Frequenzgang bei 22kHz endet, Honi soit qui mal y pense :wink:
TruePeak Overs von bis zu +3.0dB. Wir erinnern uns, digital ist eigentlich bei 0.0dBfs schluß.
Tonal teilweise genauso mäßig wie anno dunnemals, dafür aber von ehemals DR16 auf DR8 komprimiert. Teilweise noch schlimmer. Bravo !
Auch viele neuere Aufnahmen die wohl tatsächlich in 24/96kHz produziert und dann noch auf 192k hochgerechnet werden, sind klanglich von dem was die CD bei Vollausnutzung ermöglichen würde, deutlich entfernt. Auch Bernie Grundman hat seine Meisterwerke in den 80ern und 90ern gemastert. Damals noch mit 20bit, 48kHz, den damaligen Studioparametern. Wobei er selbst ja beim unmittelbaren Mastering analog arbeitet und dann wieder wandelt.

Ist zwar kein HiRes. zeigt aber, wie hyperkomprimiert wird. viewtopic.php?p=221141#p221141
Sucht man etwas, finden sich da auch derartige Beispiele in HiRes.

Kollege Koschnickes Ausführungen und die Anderer, zum Thema Filtertechnik sind schon korrekt, nur frage ich mich, ob die klanglichen Auswirkungen wirklich so signifikant sind. Ich vertrete weiter die Ansicht, daß Recording, Mix und Mastering den Klang im Wesentlichen bestimmen und viel weniger das Endformat, so denn man gewisse Parameterwerte nicht unterschreitet.

Vollkommen unklar ist auch was beim Streaming (von YouTube bis Qobuz-Downloads !) an Signalbearbeitung erfolgt und welche Daten genau die Streaming Provider eigentlich von der Industrie erhalten. Die Spanne reicht hier von großartig bis unterirdisch.

Summa summarum eine oftmals sehr obskure Angelegenheit das Ganze.



beste Grüße
OLI
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

zwei Einwürfe meinerseits noch:

1.) Ich bin nicht ganz auf der Linie des Verfassers des Artikels in der Image Hifi, wenn es um den Verlust künstlerischer Intentionen geht, wenn beispielsweise heute ein Remaster angefertigt wird ohne den Künstler befragen zu können, was er denn habe ausdrücken wollen. Denn der Künstler weilt vielleicht nicht mehr unter den Lebenden. Nun, vielleicht hätte sich der Künstler auch gefreut, eine Neuausrichtung vornehmen zu können. Oder sich schlicht und ergreifend dem heutigen Geschmack anpassen zu können. Fälle davon gibt's ja auch: Endlich hat er/sie seine alte Produktion in bestmöglicher Qualität hören können. ;)

2. Was mache ich denn, wenn ich eine Veröffentlichung meinetwegen aus den 60er Jahren haben möchte. Z.B. John Coltranes Crescent. Originale LPs sind in der Regel nicht bezahlbar. Die CD-Veröffentlichungen sind auch nicht gerade optimal, wie wir dank des Artikels wissen. Also was kaufe ich, wenn ich kaufen möchte? Die CD-Auflagen sind wahrscheinlich nicht besser geworden, können sie ja auch nicht, weil siehe Image HiFi. Gleiches gilt für Neuveröffentlichungen auf LP. Beides mag gut klingen für heutige Ohren. Aber wenn ich der Originalveröffentlichung auf die Spur kommen möchte? Entweder lasse ich das sein oder fange an zu sparen? Oder übersehe ich einen dritten Weg?

Viele Grüße

Jochen
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Hallo Jochen

Leider liegt mir der besagte Artikel noch nicht vor, werde die Image HiFi also wohl kaufen müssen.
Warum gibt es die Image HiFi eigentlich nicht als PDF ? Ja Ja, Deutschland und seine Digitalisierung.

Ich sehe beim Remastern keinerlei Verlust der "künstlerischen Intention", denn wer sagt eigentlich, daß die alten Originale genau so klingen sollten, wie sie es schließlich taten. Viele Platten klingen so, weil es damals halt so gemacht wurde oder es nicht besser ging - und nicht deshalb, weil es genau SO sein sollte.
Hätte Rudy van Gelder in den 60ern auch nur die Technik der 80er gehabt würde es wohl sicherlich anders klingen.
In den 60ern und 70ern wollte man beispielsweise den stereophonen Effekt beim Jazz oftmals besonders betonen und hat daher mit "hard panning" abgemischt. Die dabei oftmals entstandenen Lateralmixe waren der Zeit geschuldet und sicherlich weniger Ausdruck "künstlerischer Intention". Man sollte nicht den Fehler begehen zu glauben, früher sei alles immer genau so beabsichtigt gewesen.

Die Einschränkung die ich als primär ansehe ist die der Hyperkompression. Alte Coltrane-Aufnahmen haben DR20 oder größer. Hier dann DR9 draus zu machen wäre in der Tat eine Frechheit.



remasterliche Grüße
OLI
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

mal gerade geprüft:

Coltrane Crescent als Qobuz Download (24/96) zeigt das Foobar-Plugin mit DR 10.

Viele Grüße

Jochen
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Das ist echt heftig für eine Coltrane-Aufnahme !

Da hat wohl jemand mal wieder mächtig am Kompressor geschraubt.

DR14 hätten es da sicherlich auch getan. Aber gut, alleine am DR-Zähler kann man Klang noch nicht festmachen.
Ich komprimiere beim Remastering alter Aufnahmen auch öfter, aber seltenst auf einstellige DR-Werte.

Ich werde mir die verfügbaren Versionen von "Crescent" mal näher besehen und belauschen. :cheers:

Vielleicht läßt sich da auch was machen. ;-)


beste Grüße
OLI
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo,

in sehr seltenen Fällen habe ich erlebt, dass Remastern was verbessert. Es ist fast immer mit dem Verlust von Dynamik verbunden, was auch, abhängig von der Musik, nachteilig ist bei zweistelligen DR-Werte. Die Musik wird weniger emotional, zum Teil auch einfach nur polterig. Der Loudness War ist zwar vorbei, aber zum einen gibt es immer noch Hörgewohnheiten von Menschen, die 30 Jahre mit dem Loudness War gelebt haben und die kommerzielle Anforderung, für die Massenstreamer alles auf einen Wertebereich zu bügeln. Dass eine ursprüngliche Digitalversion im Streaming in Original-Qualität angeboten wird, ist Glückssache.

Zu den Fake-Highres-Dateien kann ich wenig sagen. Das Problem ist ja schon länger bekannt, aber niemand nennt Zahlen. Sicher kommt das bei manchen Labels häufiger vor als bei anderen, daher ist das ohne eine statistische Auswertung nur als ein persönlicher Eindruck zu werten.

Grüße
Harald
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo,
die Coltrane CD von 1987 hatte noch DR12 - DR13 (Min-Max).
Laut https://www.dr.loudness-war.info/?artis ... m=Crescent ist man bereits 2016 bei DR7-DR10 angekommen.
Aber keine Sorge, da geht bestimmt noch was. :cry:
Coltrane geht immer.
Und DR hat -wie die beobachtete Praxis zeigt- nur eine Richtung: abwärts

Ich erinnere mich noch an Interviews mit Ausführenden der Schallplattenindustrie (vermutlich Funkschau etwa um 1970), wo man das Pressergebnis mit sphärischer Nadel abgehört hat und den Schneidewinkel danach optimiert, auch mit Equalizer den Bereich oberhalb 8kHz nachgezogen.
In der Zeit gab es die Zeitschrift HiFi-Stereofonie und dort verglich man Tonabnehmersysteme beim Abtasten von Vinyl mit dem Masterband (oder einer Kopie davon). Die Abweichung wurde bewertet.
In einer Zeit rasanter technischer Fortschritte, die viele von uns selbst miterleben konnten, war das Bemühen der Toningenieure noch orientiert an derzeit machbarer Tontreue.
Quo vadis...
Der Liebhaber-Preis alter Schallplatten ist so auch leicht erklärbar. Schon bei Led Zeppelin konnte ich aufzeigen, dass frühe Vinylausgaben bessere Werte lieferten als alle späteren CDs.
Bei Fleetwood Macs Rumours habe ich die Spektralanalyse der Remasterversion zur Orientierung benutzt, um den Unterschied zur dynamikreicheren Ur-CD-Überspielung anzugleichen. Also die CD mit hohem DR maßvoll frequenzmäßig zu pimpen (die LP klang bei mir schon immer deutlich besser als die CD-Ausgabe, föllig jenseits der Diskussion, ob einem Vinyl oder Digital besser gefällt)
Grüße
Hans-Martin
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Wer möglichst nahe am Original, wenn auch mit erhöhter Loudness (was nicht per se schlecht ist ! ), dranbleiben will, dem seien die "RVD-Editions" empfohlen.

RVD = Rudy van Gelder

Vom Meister selbst neu herausgebracht.
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

RvD oder RvG? Egal.

Jedenfalls finde ich, dass die Ausgaben, die von ihm stammen sollen, nicht schlecht klingen. War nicht Bert Kämpfert dabei als CDs? Auch egal. Dennoch : Es ist für heute abgestimmt. Die Originale sind vermutlich anders gestrickt. Ob die uns heute noch gefallen?

Viele Grüße

Jochen
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Hybrid-OLI
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Beitrag von Hybrid-OLI »

Mea culpa !

Ich Dödel, du hast recht, es muß natürlich RVG heißen. :cheers:
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