Räumliche Tiefe in Abhängigkeit der Abstrahlcharachteristik

Diskus_GL
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Beitrag von Diskus_GL »

Hallo,

die Bühnenabbildung - in Tiefe und Breite - hängt natürlich vom Reflexionsbild am Hörplatz ab (nicht nur aber auch!).
Siegfried Linkwitz hat da auch mal eine sehr interessante Untersuchung gemacht, bei der er bemerkt, das bestimmte Reflexionen, den Einfluss des Hörraums sehr gut "ausblenden" und damit die auf der Aufnahme vorhandene Bühnendarstellung besser wahrnehmbar macht.
Das konnte ich bei mir auch gut nachvollziehen, und habe daraufhin das Linzwitz-Dokument teilweise übersetzt (http://www.audioclub.de/index.php/clubl ... ochtoeners)
Da ist auch der Link zum englischen Originaldokument... wen das Thema interessiert.

Die prinzipiellen Unterschiede der Unterschiede im Reflexionsbild bei meiner Anlage habe ich am Ende dieses Artikels http://www.audioclub.de/index.php/clubl ... eflexionen aufgeführt.

Grüße Joachim
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Joachim,

Vielen Dank für den Link und die Mühe, die Du Dir da gemacht hast! Sehr interessant, nur scheint das Ergebnis dort nicht deckend mit meinen Hörerfahrungen.

Bei mir scheint die stärker richtende Quelle schärfer abzubilden und für mehr Tiefe in der Wahrnehmung zu sorgen. Also mehr tiefe dadurch, dass neben der Tiefe hinter dem Lautsprecher noch die „Tiefe“ von Lautsprecher bis zum Hörer hinzu kommt.

Auf der anderen Seite ist es bei mir aber so, dass der Raum durch sein Verhalten ja auch eher ungewöhnlich großen Einfluss hat.

Jetzt muss ich aber au h ich darauf hinweisen, dass ich mit den Filtern der Koax Lösung gehört habe... also Zeitlich ist sicherlich noch nicht alles korrekt!

Viele Grüße

Christian
Diskus_GL
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Beitrag von Diskus_GL »

Hallo Christian

das muss kein Widerspruch sein. Wenn ich das richtig gelesen habe, hörst Du in rel. weiter Entfernung, da könnte es sein, daß mehr ("passende") Reflexionen von den Seiten, der Decke und von hinter dem Hörplatz zum Hörplatz kommen.
Bei mir ist die Reflexionssituation eben anders... kann aber zum gleichen "Höreindruck" führen.
Nach meiner Einschätzung kommt es auf das Reflexionsbild am Hörplatz an... rel. unabhängig woher genau die Reflexionen kommen. Wichtiger ist, daß die Reflexionen tonal "passen" und das möglichst wenig "unpassende" Reflexionen am Hörplatz sind.

Wie so oft, gibts immer mehrere Wege nach Rom... :cheers:

Grüße Joachim
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo,
Joachim Gerhard, einer unser prominentesten deutschen Lautsprecherentwickler, hat mal (bei einem Interwiev zu seinem G-Pol) mit Bezug auf Siegfried Linkwitz gesagt, dass der nach vorn abgestrahlte Schall direkt und der nach hinten abgestrahlte Schall diffus den Hörer erreichen soll.
J.G. hat viele Jahre die Linkwitz Bausätze in Deutschland verkauft, und ich würde daraus schließen, dass die beiden auf Augenhöhe diskutiert haben.

Ich hatte mit S.L. E-Mail-Verkehr anlässlich seiner CD-Referenzliste, auf der reichlich inverses Material zu finden war/ist. Nach einer kurzen persönlichen Ansprache ging die Antwort in fertige Textbausteine über, die den Gegenstand meiner Mail nicht berührten.
Ein Bewusstsein für die Bedeutung der Absoluten Polarität war bei ihm daraus nicht erkennbar.
Anders bei David Griesinger, der ebenfalls mit deutschen Wurzeln in den USA lebt. D.G. hat darauf in einer PowerPoint Präsentation hingewiesen. D.G. hat auch 1987 schon einen Artikel bei der AES präsentiert, dessen Kernzusammenhänge FLOW-Anwender nicht überraschen.

Mein Besuch bei den Norddeutschen HiFi-Tagen (Spatial MSat+MSub) hat mir deutlich gemacht, wie sehr bei Dipolen die Absolute Polarität das Ergebnis verpfuschen kann, wenn das Musikmaterial invertiert ist.

Polaritäts-Experimente mit 2-Wege-LS zeigten mir deutlich, wie sehr die Bewertung vom Grundtonbereich (unter 1500Hz) abhängig ist, darüber ist die Polarität zwar nicht ganz unwichtig, fällt aber hinter dem Grundton weit an Bedeutung zurück, vielleicht auf unter 10% (mag sein, dass ich hier früher 20% geschrieben habe), aber immer noch als solches wahrnehmbar.

Wenn Linkwitz zitiert wird, muss man bedenken, dass der rückwärtige Schall bei seinen Dipolen invertiert (1) abgestrahlt wird, auch dass er darauf hinweist, wie wichtig die gleiche Polarität der Chassis seines 3-Wege Konzepts ist.
Gleichzeitig ignoriert er die Unterschiede der Wahrnehmbarkeit bei der Absoluten Polarität (2), die seit 1982 in der Literatur auftaucht.
Wer mit Linkwitz argumentiert, sollte in diesem Fall das Produkt der Faktoren (1) und (2) nicht so vernachlässigen, wie es Linkwitz tat.
Es hat etwas gedauert, bis S.L. seinen Dipol mit einem rückwärtigen HT erweiterte. Da mag jeder seine eigenen Schlussfolgerungen draus ziehen, für mich zeigt es, dass der Mensch lernfähig ist, und seien es Zusammenhänge, die anderen als allzunaheliegende Selbstverständlichkeiten erscheinen.
Den Wettlauf mit der Zeit hat S.L. verloren, auch das ist menschlich.
Will sagen, S.L. ist nicht fertig geworden, wer weiß, was er noch korrigiert hätte...
Grüße
Hans-Martin
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Diskus_GL
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Beitrag von Diskus_GL »

Hallo Hans Martin,

da hast Du Recht, Siegfried Linkwitz war lernfähig.
Daß der reflektierte Schall möglichst diffus zum Hörer kommen sollte, ist auch meine Erfahrung.

Daß er sich um die Polarität nicht so kümmerte (diese vielleicht auch nicht so wahrnahm - Hören ist auch individuell unterschiedlich) heisst ja nicht, daß seine sonstigen Erkenntnisse falsch sind.
Man darf Erfahrungen Anderer ohnehin nicht einfach so übernehmen.
Wichtiger finde ich das Prinzip, die mögliche Theorie, zu verstehen, wovon bestimmte Höreindrücke abhängen - dann kann man sie einfacher auf die eigene Situation übertragen.
Das ist ja auch etwas, was Siegfried Linkwitz gelernt hat (nicht umsonst verwies er zum Schluss auch auf die Auditor Scene Analysis und beschäftigte sich mit anderen Modellen des Hörens).

Ich konnte seine Ausführungen auch nicht 1:1 übernehmen - schliesslich habe ich einen anderen Raum und auch völlig andere Boxen.

Grüße Joachim
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Fbee
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Beitrag von Fbee »

Hallo Hans-Martin, hallo Joachim

u.a. das Thema absolute Polarität hatte ich mit SL noch letztes Jahr erörtern können.

Seine Punkte sind im Wesentlichen hier zu finden: http://www.linkwitzlab.com/frontiers.htm unten, "Further Thoughts... I suspect that "hearing absolute polarity" is a low frequency phenomenon...."

Er bestätigte, dass dies v.a.Testtöne betrifft, er aber bei Musik keinen nennenswerten Unterschied wahrnehmen würde.

Ich werde das bei Gelegenheit mal an meinen LX521.4 und an den LXsirius+2 ausprobieren, mit Phase-Inversion im DSP. Welche Musikstücke empfehlt ihr?

Grüße
Frank
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Sind die LS linearphasig gemacht per DSP?
Spätestens dann ist der Unterschied mit fast jeder Aufnahme zu hören (Metallica's "Death Magnetic" ausgenommen :mrgreen: ). In meist mehreren Aspekten, Timbre/Substanz der Grundtöne und vor allem Größe und Schärfe von Phantomquellen, Raumtiefe etc. Meist gibt es ein klare, konsistente Präferenz (wobei aber nicht immer die "richtige" Polarität bevorzugt wird, und eine in sich konsistente Polarität der Aufnahme ist eh nur gegeben wenn nur ein einziges Stereo-Hauptmikrofon verwendet wurde, also bei einem verschwindend geringen Anteil an Aufnahmen, zumeist Klassik)

Bei nicht-linearphasigen LS ist der Phasengang je eh schon beliebig krumm, je mehr Wege desto schlimmer, und deshalb spielt Polaritätsinversion dann weit weniger eine Rolle, bzw ist sie bei weitem nicht so klar und eindeutig in der Auswirkung, was sofort einleuchten wird. Es klingt leicht anders, zwar, aber beides ist immer noch genauso falsch und so hört es sich auch an, ggü einem zeitrichtigen LS.

Nachtrag: Es gibt auch Aufnahmen die bereits einen solchen Phasengang haben, immer dann wenn ein minimalphasiger Multiband-Kompressor am Werk war.
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Mister Cool
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Beitrag von Mister Cool »

Hi,

wenn wir schon bei dem Thema Absolute Phase sind, wie könnte ich mir am geschicktesten einen zweiten Satz der Acourate Filter erstellen, die sich von dem ersten nur durch invertieren der Phase unterscheiden? Dann könnte ich sie beim Abspielen hin-und-her umschalten und vergleichen.

Grüsse,
Alwin
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Können wir bitte zum Thema zurück kommen? Jetzt driftet es langsam doch stark ab :cheers:

Also welchen Einfluss hat die Abstrahlcharachteristik eine Lautsprechers auf die Abbildung der Tiefe bei Lautsprechern?

Danke und Gruß

Christian
chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Dann war ich ja Alwin ich die Info zum Chesky Titel schuldig.

Auf der
The best of Chesky Jazz Vol2
Titel 47.

Viele Grüße

Christian
Mister Cool
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Beitrag von Mister Cool »

Danke
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

chriss0212 hat geschrieben:Also welchen Einfluss hat die Abstrahlcharachteristik eine Lautsprechers auf die Abbildung der Tiefe bei Lautsprechern?
Je bündelnder und je trockener die Raumakustik desto Größe wird die erreichbare Tiefe nach vorn (vor die LS-Ebene). Die Tiefe nach hinten ist im Prinzip beliebig und im Quellsignal codiert und kann durch Raumenfluss noch vergrößert werden.

Raumeinfluss (schon allein die Bodenreflexion) vermindert aber immer die erzielbare Projektion vor die LS, weil eben die LS dadurch als Real-Quellen präzise lokalisierbar sind. Fehlt jeglicher Raumeinfluss und produziert der LS saubere Wellenfronten (keine Diffraktion, möglichst Koax, usw) und ist er ausreichend weit vom Hörer entfernt, kann man nur noch die Richtung bestimmen aber nicht mehr die Entfernung/Größe, welche stattdessen mehr von der Lautstärke bestimmt wird, je lauter desto näher/größer.

Wirklich kopfnahe Projektion, genauso wie Phantomquellen weit ausserhalb der Basis (was jetzt natürlich ein Breiten-Aspekt ist) bekommt man nur mit crosstalk-cancelling und HRTF-Getricke, aber so gefühlte Entfernung von unter 1m innerhalb der Basisbreite ist drin ohne tricksen, vor allem bei hart L/R gepannten Signalen die mangels Kammfilterei erst recht keine Lokalisation durch Kopfbewegung usw ermöglichen.

Trinaurale Stereo-Projektion ist unter realen Bedingungen mEn deutlich besser in der Tiefen-, Breiten- und Höhenstaffelung als Stereo über zwei LS weil das Wellenfeld am Kopf deutlich stabiler ist und die Kammfiltereffekte nicht so stark signalabhängig sind sondern immer und relativ gleichmäßig vorhanden sind, keiner der drei LS tritt jemals allein in Aktion, es sind (bis auf ganz spezielle Bedingungen) immer alle drei die senden, egal wie die Stereo-Info im Signal codiert ist. Das entkoppelt den Einfluss der Reflexion vom Direktsignal vor allem bei L- oder R-only Signalen, weil es eben kein einzelnes Direktsignal mehr gibt.

Gefühlt wird die Tiefe auch größer empfunden wenn die Breite schmal projeziert wird weil wir eher das Verhältnis beurteilen können, sollte man nicht ausser acht lassen. Deswegen kann Mono-Wiedergabe über einen einzelnen LS durchaus Tiefenstaffelung haben, die schon in der Aufnahme kodiert ist und nicht durch zusätzliche Breitenstaffelung gemindert wird.
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Klaus,
Je bündelnder und je trockener die Raumakustik desto Größe wird die erreichbare Tiefe nach vorn (vor die LS-Ebene). Die Tiefe nach hinten ist im Prinzip beliebig und im Quellsignal codiert und kann durch Raumenfluss noch vergrößert werden.
Das würde sich mit meinen Erfahrungen decken.

Gerichtetes Horn... die Ereignisse kommen bis kurz vor meine Nase.
Eher breit abstrahlendes Horn (JBL2404) es findet alles eher weiter entfernt statt.

Also scheint es in meinem Fall wirklich besser zu sein, gerichtete Lautsprecher zu nutzen, da ich gegen meinen Raum akustisch nicht viel machen möchte.

Also muss ich anscheinend entweder beim Koax bleiben, oder noch mit verschiedenen Hochtonhörnern experimentieren ;)

Viele Grüße

Christian
Mister Cool
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Beitrag von Mister Cool »

chriss0212 hat geschrieben: Also muss ich anscheinend entweder beim Koax bleiben, oder noch mit verschiedenen Hochtonhörnern experimentieren ;)
Hi,

da ich gedanklich schon mit einem nächsten Horn-Projekt spiele und den BMS Coax in Erwägung ziehe, stellt sich für mich auch die Frage, ob man als Alternative zu einem 2" Coax Treiber mit Trennung 400-6300/6300-22000Hz lieber zu einem "waschechten" sanften 2" Treiber greift, der "am Stück" z.B. den Bereich 350-10000Hz wiedergibt, und den fehlenden Super-HT durch ein entsprechendes SHT Chassis wie Fostex T900 oder T90 auffüllt.

Hast Du an solche Lösung gedacht?


Grüsse,
Alwin
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Alwin

Ja, evtl. Ich glaube jedoch die Fostex beamen sehr stark... mehr als mein jetziges Horn, was dann vielleicht wieder zu viel ist.

Ein Kandidat für den Mitteltöner wär dann der hier:

https://www.behringer-electric.de/truex ... beryllium/

Da muss ich, denke ich, noch experimentieren. Aber vielleicht ist ja auch der modifizierte BMS 4592ND schon die gewünschte Waffe ;)

Momentan muss ich noch zwei berufliche Baustellen abschließen... danach habe ich dann hoffentlich wieder Bastelzeit :cheers:

Viele Grüße

Christian
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