Röhrenverstärker Auto-Bias Voreinstellung

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*Oliver*
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Röhrenverstärker Auto-Bias Voreinstellung

Beitrag von *Oliver* »

Hallo zusammen.

Ich bin gerade etwas ratlos und hoffe hier Hilfe zu bekommen.
Ich betreibe einen Lua 4545 L GS Röhrenvollverstärker.
Dieser besitzt ein Auto-Bias.
Die originale Röhrenbestückung (4x EL34) lässt sich damit via Knopfdruck aus der Fernbedienung neu einjustieren.
So weit, so gut ...
Nun möchte ich die 4 EL34 wechseln.
Ich bin mir jedoch etwas unsicher, ob dieses Auto-Bias nicht eventuell auf für die Originalröhren individuell richtige Werte voreingestellt wurde.
Setze ich dann neue Röhren ein , würde sich das Auto-Bias auf falsche Werte für die neuen Röhren einschießen.
Kann mir jemand weiterhelfen ?
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Oliver,
grundsätzlich gibt es 3 Methoden, den Ruhestrom (hier: der EL34) einzustellen:
1. Negative Gittervorspannung, die Katodenwiderstände können vorhanden sein oder nicht. Ein 10 Ohm Widerstand mit 1/4W Belastbarkeit kann hier als Sicherung dienen, falls die Röhre "dicke Backen" macht.
2. Katodenwiderstände, die auf den richtigen Ruhestrom ausgerechnet sind, damit sie nicht zugleich als Gegenkopplung für das Audiosignal wirken, werden Elkos parallelgeschaltet.
3. An einem kleinen Sensorwiderstand in der Katodenleitung wird ein Signal abgegriffen, eine Halbleiterschaltung steuert die negative Gittervorspannung, dabei gibt es verschiedene Ausführungen, entweder parallel zum Signal der Treiberröhre einspeisend oder mit gleichzeitiger Durchleitung des Audiosignals.

1. verlangt individuelle Bias-Justage in gewissen Abständen, weil die Steilheit der einzelnen Röhre sich im Laufe der Betriebsstunden verändert. Ich würde selbstredend nur gematchte Quartette einetzen, weil damit durch gepaarte Röhren der Klirr bei jeder Endstufe minimiert werden kann, aber die Kanalgleichheit als Stereoforderung noch obendrauf kommt, dehalb Quartett. Die Praxis zeigt, dass auch bei gematchter Ware die Röhren mit der Zeit individuell "aus dem Ruder laufen".

2. ist gewissermaßen ein Sorglospaket, es sei denn, es kommt zu einem Zwischenfall, mit dem man bei Röhren immer rechnen muss, der aber nicht zwangsläufig eintrifft, wie Omas Dampfradio zeigt, welches durchaus 60 Jahre spielen konnte. Bei einem Zwischenfall kann aber an den Katodenwiderständen ein Spannungsabfall auftreten, der die Spannnungsreserve des parallelen Elkos überschreitet, diesen zum Platzen bringt und dessen Folge kann ein Kurzschluss sein, dann fehlt der Katode das positive Potential gegenüber dem Gitter, die Röhre wird quasi zur Diode, die Übertragerwicklung brennt durch... der GAU.
Zwischenfälle können durch Erschütterungen ausgelöst werden oder durch Alterung der Röhren oder beliebten Ölpapierkondensatoren, deren Leckstrom dem Gitter falsche Ladung liefert, oder Übersteuerung, Schirmgitterüberhitzung, oder oder...

3. Ist bei Röhrenliebhabern verpönt, sollte ein Sorglospaket sein. Bei der LUA-Schaltung handelt es sich vermutlich um eine hauseigene Lösung, die auf Knopfdruck den Ruhestrom einstellt.
Wenn man die Erfahrung aus 1., nämlich die nachgemessene Veränderung in den ersten Betriebsstunden und die individuellen "Einschwing"-zeiten hinzuzieht, sollte man beim Einsetzen von neuen Röhren 1min nach dem Einschalten den ersten Abgleich vornehmen und nach 2 min wiederholen, dann nach 1 h Musikbetrieb und nach 24h nochmal. Geht man von 5000 Stunden brauchbarer Betriebsdauer bei guter Ware aus (billige chinesische Röhren halten vielleicht nur halb so lange), scheint mir ein jährliches Nachgleichen des Ruhestroms angemessen, mit häufigerer Wiederholung gegen Ende der Brauchbarkeitsdauer.
Da wäre es interessant, zu wissen, wie die Automatik sich verhält, wenn eine defekte Röhre im Spiel ist, bzw, wie das Gerät abgesichert ist. Früher war es üblich, dass man zu einem Gerät einen Schaltplan mitgeliefert bekommt. Hersteller wie AYON machen ein Geheimnis draus, High-End möchte seine Geheimnisse bewahren und den Service erschweren.

https://frank.pocnet.net/sheetsE1.html bietet 10 Datenblätter verschiedener Hersteller an, darunter das der klassischen Telefunken EL34, wo bei Gegentakt Betrieb -32 bis -38V am Getter empfohlen sind, in Abhängigkeit von der Betriebsspannung für 35mA oder 30mA Ruhestrom pro Röhre.
Getestet wird die EL34 mit 250V Anodenspannung , 265V am Schirmgitter, -13,5V am Steuergitter geben 100mA Prüfstrom. Diese Werte der Telefunken sind im JJ-Datenblatt nicht bei der EL34, sondern der JJ EL34L zu finden.
Die EL34 von Ei hat die Telefunken-Werte, aber nicht die übliche Steilheit von 11mA/V, sondern nennt sogar 12mA/V
EL34 ist also nicht zwangsläufig gleich EL34...!!!
Solange du deklarierte EL34-Typen einsetzt, sollte die Variation im "Fangbereich" der Automatik liegen.
Der Ruhestrom geht in den Klang ein, aber die maximale Anodenverlustleistung der Röhre ist limitiert und so wird der Hersteller den auszuregelnden Ruhestromwert mit Bedacht unter Berücksichtigung aller Parameter ausgewählt haben. Darauf muss man sich verlassen können.
Grüße
Hans-Martin
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*Oliver*
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Beitrag von *Oliver* »

Danke Dir Hans-Martin !
Wow, das war mal wieder eine geballte Portion Infos :cheers:
Ich habe gestern auch mal mit TAD telefoniert. Der nette Mensch am Telefon meinte , daß dieses Auto-Bias des Lua 4545 L GS vielleicht eine hauseigene Umsetzung sein könnte. Es würden aber immer alle Röhren gleich abgeglichen .
Insofern alles ok.

Ein neuer Satz EL34 läuft bereits. Dieser lief zuletzt schonmal . Probleme beim Einmessen via Auobias gibts/gabs keine .
Was mich anfangs jedoch etwas irritierte , war ein leicht verschobenes Klangbild .
Nachdem ich nun auch die beiden ECC81 der Vorstufensektion geändert habe , ist dieser Effekt des verschobenen Klangbildes nicht mehr wahrnehmbar . Die Röhren der Vorstufe sind natürlich auch nicht jünger geworden.
Das merke ich jetzt im direkten Vergleich .
Die ECC83 der V2 Sektion werde ich nun auch wechseln . Die Brimar Ecc81 hatte ich noch als NOS in der Schublade . Einen Ersatz für die feinen ECC83 Mullard habe ich allerdings noch keinen .
Leider ist es nicht mehr ganz einfach an ehrlich ausgemessene , gute NOS Röhren zu kommen.
Bei TAD gibt es von guten Alternativen aus aktuellen Produktionen bis hin zu NOS Röhren einige interessante ECC83 Varianten.
Die olle, gute Mullard aber nicht.
Interessant wären unter anderem die TJ Full Music 12AX7 , oder die 7025S HG Mullard Style .
Die klangliche Performance der Mullard aus den 50'ern würde ich gerne beibehalten .
Gut gematchte Paare der beiden Alternativen kosten jeweils um die 100€ .
Einen Schuß ins Blaue würde ich gerne vermeiden .
Kennt jemand die beiden Röhren und konnte diese mit den Mullard ECC83 aus den 50'gern vergleichen ?

Kennt jemand ein Forum, in dem Röhren für High End Audio diskutiert werden ?

Beste Grüße ,
Oliver
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Oliver,
ganz ehrlich, ich verstehe nicht, warum du mit TAD telefonierst, wenn LUA das Gerät hergestellt hat.
Wie zielführend ein solcher erster Schritt sein kann, ist mir unerfindlich.
Wie die Bias-Automatik konstruiert ist, weiß gewiss LUA, vermutlich auch nur LUA, wenn mit dem Gerät keine Schaltbilder geliefert wurden.
Wenn gematchte EL34 mit der richtigen Bias-Einstellung betrieben werden, erreicht man ein Minimum an Brummen aus den Lautsprechern. Ist die Ruhestromaufnahme nicht korrekt, werden beim Gegentaktverstärker die Gleichstromanteile bei den beiden Trafowicklungen nicht gleichartig, kompensieren sich nicht vollständig und ein Brumm aus der Netzteilwelligkeit "Ripple" schlägt durch.

Eine Unsymmetrie könnte von sehr unterschiedlichen Röhren in den Vorstufen herrühren. Eigentlich sorgt die Überallesgegenkopplung für den Verstärkungsfaktor jeder Endstufe.
Es könnte auch noch etwas anderes defekt sein.

Es gab früher die deutsche VALVO, die von Philips gekauft wurde. Valvo produzierte auch für andere Marken, beim Beispiel EF86, die in den legandären QUAD-RöhrenPre22 /Power2 eingesetzt wurden, sind die Mullard EF86 von Valvo produziert worden. Das sollte einen nicht wundern, wenn man bedenkt, das bereits 1927 Mullard von Philips übernommen wurde. Es sollte einen eher wundern, wenn aus einem Konzern unter derselben Bezeichnung 2 unterschiedliche Produkte geliefert würden.

Ich habe Mullard ECC82, das hilft dir nicht weiter.
Ich habe ein Röhrenprüfgerät, mit dem ich auch die vom Hersteller gelieferten Kennlinien aufnehmen kann. Es ist zeitintensiv, das Gerät auf den Röhrentyp einzustellen, die Werte auszulesen und ein Diagramm aufzuzeichnen, wo die Abhängigkeit von der Anodenspannung und Gitterspannungen hervorgeht. Ich habe mich deshalb bisher auf die Überprüfung der statischen Sollwerte beschränkt.

Bei Doppeltrioden stellt man auch bei NOS eine Streuung fest, die mehr als 20% innerhalb eines Glaskolbens ausmachen kann, das hat offenbar früher nicht gestört. Und warum das heute stören sollte, frage ich mich, angesichts der Gegenkopplungen, die einen entscheidenden Einfluss auf den Verstärkungsfaktor haben.
In einer Röhrenendstufe könnte eine Replik der ECC803S Spanngitterröhre, die als JJ 83S aktuell angeboten wird in selektierter Form vielleicht eine gewisse Sicherheit bieten. Herr Kaim bei BTB Nürnberg ist da ein guter Gesprächspartner. Er hat ein computergestütztes Messystem, mit dem er Röhren selektiert, außerdem berät er JJ.

Auch wenn ich die HiFi-Aspekte von den benachbarten Seiten ich oft nicht widerspruchslos hinnehmen würde, finde ich doch http://www.elektronikinfo.de/strom/ecc83_12ax7.htm erfrischend, was die Denkanstöße betrifft. Aus einem Mono-Gerät wie einem Gitarrenverstärker und der Beurteilung einer dort eingesetzten Röhre im Vergleich zu entsprechenden Typen kann man natürlich keine Rückschlüsse auf das Verhalten bei Stereo-High-End-Geräten ziehen. Will sagen, diese untere Schublade ist nicht das Niveau, welches uns hier weiterbringt.
Die genannten 100€ für ein gematchtes Paar NOS-Röhren halte ich aber auch nicht für heilsbringend.

Da die ECC83 eine Allerweltsröhre ist, würde ich bei Telefunken, Valvo, Siemens (bestimmte Typen oft auch von Valvo produziert und als S. gelabelt) anfangen, einstecken, hören.

Telefunken klingt oft klarer, präziser, aber eine TFK ECC803S ist vergriffen bzw. unbezahlbar.
Wenn man die Stahlstifte der Röhren entmagnetisiert, erreicht man auch bei anderen Marken ähnliche Eigenschaften wie bei der üblicherweise nichtentmagnetisierten TFK.

Spanngitterröhren sind mikrofonieärmer als die normale Ausführung.
Was bleibt, ist die Frage, inwieweit die Gegenkopplung eines Röhrenverstärkers imstande ist, die Eigenschaften einer einzelnen Röhre im Schaltkreis zu neutralisieren.
Nur bedingt, behaupte ich, deshalb lohnt es sich eher, für 100€ eine Auswahl von Röhren zu kaufen, von denen man dann die besten auswählt, die schlechtesten wieder verkauft und die zweitbesten als Reserve zur Seite legt.
Grüße
Hans-Martin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Nachsatz:
lesenswert finde ich zum Thema auch:
https://www.frihu.com/roehrentechnik/ro ... -derivate/
Grüße
Hans-Martin
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*Oliver*
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Beitrag von *Oliver* »

Hallo Hans-Martin.

Ja, Lua wäre der richtige Ansprechpartner .
Und ja, mit Herrn Lua habe ich schon Telefongespräche geführt.
Leider bekommt man keine wirklich zielführender Antworten .
Man ist grundlegend nicht daran interessiert , Hilfestellung zu leisten .
Man soll den Verstärker einfach ins Werk zurücksenden , wo er mit neuen Röhren bestückt wird .
So meine Erfahrung .
Klar, daß kann man machen.
Mehr mag ich garnicht dazu schreiben . Hättest du das Thema nicht angeschnitten, hätte ich dazu garnichts verlauten lassen .
Eine Erklärung bin ich dir aber natürlich schuldig .

Mit Herrn Kaim hab ich schon einige sehr informative Gespräche geführt.
Die von Dir erwähnte JJ 83S habe ich von ihm , aber leider nur einmal, als Überbleibsel eines kleinen Kopfhörerverstärkers hier vorliegen.
Direkte Vergleiche zu ziehen ist sicherlich nicht richtig . Ich weiß aber noch gut , daß ich die JJ83s nicht so dolle fand .

Tja, bleibt wohl nur schnödes Ausprobieren....

Danke Dir für den Link zu Frihu Seite !
Seht interessant .

Beste Grüße ,
Oliver
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