Zum Zeitabgleich der Chassis bei aktiven Mehrwegesystemen

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uli.brueggemann
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Zum Zeitabgleich der Chassis bei aktiven Mehrwegesystemen

Beitrag von uli.brueggemann »

Dass ich schon länger nichts hier im Forum geschrieben habe, bedeutet nicht notwendigerweise, dass ich nicht mitlese bzw. untätig bin. Ich beschäftige mich in letzter Zeit intensiv mit dem Thema des optimalen Zeitabgleichs zwischen den den einzelnen Lautsprecherchassis eines Mehrwegesystems und möchte dazu Gedanken und Ideen teilen, die zu einem besseren zeitlichen Verhalten des gesamten Lautsprechersystems führen.

Als erstes bedanke ich mich an dieser Stelle bei Holger alias „schoko-sylt“ für die eifrigen Diskussionen, die wir in letzter Zeit zu diesem Thema hatten. Besonders aber auch für seine Geduld und Motivation, das Ganze bei sich messtechnisch in vielen Versuchen und Simulationen umzusetzen, so dass letztlich aus einem zunächst sehr zeitaufwändigen und komplizierten Verfahren ein für jeden Acourate-Anwender mehr oder minder leicht anwendbares Procedere mit mäßigem Aufwand entstand.

Generell kann man zuerst einmal postulieren, dass eine 1:1 Wiedergabe eines natürlichen Schallereignisses über einen Lautsprecher erfordert, dass Amplituden unverändert wiedergegeben werden und sich auch keine Phasen drehen, die zu Zeitfehlern bei der Wiedergabe führen. Die Realität sieht aber leider anders aus. Es ist dennoch erstaunlich, was das Gehirn alles verzeiht. Ich werde dabei oft demütig, wie gut wir trotz aller Ungenauigkeiten und negativen Einflüsse Musik hören können und selten jemand schreiend davonläuft. Wobei, ausgenommen sind dann natürlich diejenigen, die mit nicht-ausgerichteten Silberkristallen in der DC-Leitung des Netzteils hören. :mrgreen:

Ungeachtet dessen kann es lohnend sein, sich das Ganze einmal näher anzuschauen und insbesondere den Zeitabgleich zwischen den Lautsprecherchassis bei aktiven Mehrwegelautsprechern zu untersuchen. Bei passiven Lautsprechern ist das Thema für den interessierten Hörer schlecht lösbar, während bei aktiven Systemen mit einer digitalen Ansteuerung Eingriffsmöglichkeiten bestehen. Ich habe dazu vor langer Zeit schon mal Gedanken geäußert, siehe meine Whitepaper zu Frequenzweichen oder zum Zeitabgleich per Sinusfaltung. Da man bekanntermaßen nie auslernt, sind nun einige neue Erkenntnisse dazugekommen, die ich gern erörtern möchte.

Der Ausgangspunkt sei diesmal eine Messung des Zeitverhaltens eines Treibers als Reaktion auf einen Dirac-Puls und zwar gemessen am Hörplatz. Gemäß der Theorie bei LTI-Systemen (linear + time-invariant) antwortet ein Chassis darauf mit seiner Pulsantwort. Zwischen der Erregung des Systems und der Pulsantwort vergeht eine gewisse Zeit, wobei auch die Position des Treibers und die Laufzeit des Schalls zum Hörplatz naturgemäß eine Rolle spielen. Wer mag, kann diesbezüglich auch gern noch über Raumreflexionen, Bassreflexboxen und /oder Dipolsysteme reflektieren, der Komplexität sind keine Grenzen gesetzt.

Sind nun mehrere Chassis im Spiel, erfordert eine originalgetreue 1:1 Wiedergabe wiederum, dass alle Treiber insbesondere auch in der zeitlichen Ebene perfekt zusammenspielen. Ein Basschassis sollte also nach entsprechender Anregung durch einen Impuls zeitlich im Vergleich zu Mittel- und Hochtöner nicht zu spät kommen, sondern mit ihnen gemeinsam spielen.

Mit der Acourate-Version V2.0.2 habe ich u.a. die Loopback-Messung optimiert. Die Rückkopplung eines Kanals erlaubt eine präzise Zeitreferenz. Man kann nun schlichtweg jedes Chassis mit einem Dirac-Puls beaufschlagen und bekommt unmittelbar die Schalllaufzeit in Samples angezeigt. Durch eine geeignete digitale Verzögerung zu schneller Chassis lassen sich nun auf den ersten Blick alle eingesetzten Treiber scheinbar schnell und mühelos zueinander ausrichten. Scheinbar deswegen, weil es einige Fallstricke zu beachten gilt.

Zur Erläuterung nun ein Beispiel. Die Messung zeigt den Frequenzgang eines Yamaha-Kompressionstreibers zwischen 200 Hz und 5 kHz, zur Vermeidung von Raumeinflüssen im Nahfeld ohne Frequenzweiche gemessen:

Bild

Die zugehörige Pulsantwort ist:

Bild

Das dem Puls nachfolgende Unterschwingen ist charakteristisch für kausale Systeme. Das Chassis kann nicht für alle Frequenzen gleich schnell schwingen. Es tritt eine Phasenabweichung bzw. eine Verzögerung hin zu den niedrigeren Frequenzen des abgestrahlten Frequenzspektrums auf, eben charakterisiert durch das Unterschwingen in der Pulsantwort.

Das Unterschwingen tritt auch dann auf, wenn man eine linearphasige Weiche (hier mit Eckfrequenzen von 400 Hz und 2400 Hz) mit dem Chassis verwendet, die ihrerseits eine absolut symmetrische Pulsantwort hat. Das Ergebnis entspricht dann der braunen Kurve. Zum Vergleich ist das ideale Verhalten grün dargestellt:

Bild

Eine Sinusfaltung der Pulsantwort mit den Eckfrequenzen zeigt, dass sich bei der niedrigen Eckfrequenz aufgrund der Verzögerung eine Phasendrehung von nahezu 180° ergibt. Das hat zur Folge, dass bei einer „perfekten“ zeitlichen Ausrichtung z.B. per Loopback-Messung sich der Schall dieses Treibers und der Schall des im darunterliegenden Frequenzbereich spielenden Treibers leider gegenseitig auslöschen, da sie in diesem Übergangsbereich um 180° phasenverdreht agieren. Das ist dann gleichbedeutend mit einem Loch im Frequenzgang an dieser Eckfrequenz.

Eine erste Lösungsmöglichkeit des Problems wäre nun, das jeweils darunterliegende Chassis zeitlich so zu verzögern, dass es mit dem darüberliegenden Chassis wieder in Phase schwingt. Dann würde sich der Schall ordnungsgemäß addieren. Allerdings wäre dann das Chassis zeitlich gesehen langsamer, folglich wäre das Prinzip der zeitlich unverzögert miteinander spielenden Treiber verletzt. Zum besseren Verständnis stelle man sich ein Mehrwegesystem als ein Orchester vor, wo sich die Musiker am jeweiligen Vordermann und nicht am Dirigenten orientieren. Es baut sich daher eine zunehmende Zeitdifferenz zu den hinten spielenden Musikern auf. Am Ende, übertrieben dargestellt, spielt die Musik hinten immer noch, während das Stück vorn schon beendet ist. Musikalisch sicherlich kein Hochgenuss.

Eine zweite Lösung wäre es, die Polarität des darunterliegenden Chassis zu drehen. Dann passen Schalladdition und zeitliches Zusammenspiel wieder zueinander. Aber natürlich wird spätestens jetzt unser geschätzter Hans-Martin beginnen hinsichtlich der absoluten Polarität zu rotieren. :P Leider ist zu konstatieren, dass derartige Lösungen gern verwendet werden und bewusst verpolte Lautsprecherchassis keine Seltenheit sind.

Wie können wir das Problem der Zeitrichtigkeit nun korrekt lösen?

Schauen wir uns dazu einmal das Phasendiagramm des unten angeführten Beispiels an. Acourate schneidet Pulsantworten üblicherweise so aus, dass das positive Pulsmaximum bei der Sampleposition 6000, 12000 oder 24000 liegt (Pulslänge 65536, 131072 oder 262144 Samples). Der Grund ist darin zu suchen, dass man bei einer Position 0 nicht erkennt, was vor dem Maximum des Pulses passiert (z.B. Preringing mit unerwünschten Nebeneffekten). Rotieren wir die Pulsantwort um die korrekte Anzahl Samples nach 0 zurück, zeigt das Phasendiagramm den gegebenen Phasenverlauf des jeweiligen Treibers:

Bild

Im konkreten Fall ist die Phase nun im oberen Frequenzbereich bei 0°, bei 230 Hz aber um 180° gedreht. Zu niedrigeren Frequenzen hin wird ein Chassis also langsamer, es wird damit zeitlich gesehen verzögert.

Jetzt konstruieren wir einen Allpass 2. Ordnung nahe der Frequenz der Phasenabweichung von 180°. Dieser Allpass ist definiert durch die Grundfrequenz und die Güte. Beide Parameter werden so festgelegt, dass sich eine möglichst ähnlicher Phasenverlauf zur realen Phase ergibt (hier f=225 Hz und Q=1.1):

Bild

Digital lässt sich dieser Allpass einfach reversieren und als Zusatzfilter zur Frequenzweiche verwenden. Dazu werden der reversierte Allpass und die jeweilige Frequenzweiche miteinander gefaltet und das Ergebnis dann wieder auf die vorher vorhandene Länge gekürzt. Das Faltungsergebnis der Messung mit dem reversierten Allpass ist Folgendes:

Bild

Durch den reversierten Allpass beginnt also das Chassis zu den niedrigeren Frequenzen hin früher und damit zeitgerechter (im Verhältnis zu den nach oben angrenzenden Frequenzen des jeweiligen Chassis) zu spielen, so dass am Ende möglichst alle zu übertragenden Frequenzen des Treibers mit weniger Phasendrehungen und damit nahezu zeitgleich wiedergegeben werden. Ausführliche Versuche mit der Phasenkorrektur haben gezeigt, dass man insbesondere zu tieferen Frequenzen hin (Tiefton, Mitteltiefton) vorsichtig sein und keinen zu hohen Wert für die Güte wählen sollte, da es dadurch zu unerwünschten Effekten wie z.B. einem Preringing kommen kann. Im Ringen um die absolute Zeitrichtigkeit gilt es, das geeignete Maß zu wahren, da man schon allein aufgrund des „Phasenrauschens“ nicht auf eine perfekte Phase Null kommen kann.

Die Pulsantwort einer Messung von Chassis und Weiche gefaltet mit reversiertem Allpass belohnt die Mühe mit einer verbesserten Symmetrie:

Bild

Dabei kommt es auch hier nicht darauf an, dass es perfekt symmetrisch wird. Das reale System lässt sich nicht dazu zwingen. Zumindest nicht allein mit dem Hilfsmittel eines einfachen und gutmütigen Allpasses zweiter Ordnung.

Wie schaut das oben beschriebene Vorgehen denn nun für ein Mehrwegesystem aus?

Als Beispiel dient einmal Holgers aktives 6-Wege-System, gemessen am Hörplatz ohne Allpasskorrektur, aber mit Zeitabgleich der Treiber:

Bild

Und dasselbe nun inkl. Phasenkorrektur der jeweiligen Chassis mit individuellen Allpässen:

Bild

Der Phasenverlauf sieht definitiv wesentlich freundlicher aus und das bei einem vorab nicht linearisierten System mit aufwändigen 6 Wegen pro Stereokanal und dadurch bedingten mehrfachen Überschneidungen der Phasenverläufe bei Verwendung flach verlaufender Besselfilter.

Anzumerken ist, dass natürlich noch restliche Phasendrehungen verbleiben. Diese sehen umso ausgeprägter aus, je mehr Phasendrehungen verursachende Reflexionen im Raum vorhanden sind. Daher ist es sinnvoll, diese vorher soweit als möglich durch entsprechende Absorber/Diffusoren zu reduzieren.

Viele Grüsse und ein frohes Schaffen
Uli
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Uli

Wieder mal Respekt vor Eurem Forscherdrang!

Ich versuche zu folgen… aber mit Problemen ;)

Hier gibt es unter 200Hz ja noch eine sehr ausgeprägte Phasendrehung unter 200Hz.

Bild

Warum ist die hier nicht mehr vorhanden?
Bild

Viele Grüße

Christian
uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Christian,

beim Gesamtsystem spielen ja mehrere Treiber zusammen. Holger hat 500 Hz als Eckfrequenz. Insofern dominiert bei 200 Hz der Signalanteil des darunterliegenden Chassis und überdeckt das Verhalten des darüberliegenden Chassis. Es spielen ja mehrere Chassis im Übergangsbereich zusammen.
Ziel ist es also, zuerst einmal das Phasenverhaltens eines jeden Treibers in dem ihm zugedachten Frequenzbereich zu optimieren.

Grüsse
Uli
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Uli

Danke für die fixe Antwort.

Habe nicht auf dem Schirm gehabt, dass es schon sämtliche Chassis sind… Viele Bäume… Wald und so ;)

Aber dann bin ich Dir gedanklich ja vielleicht auf der Spur ;)

Wird leider etwas dauern, bis ich es testen kann ;(
Viele Grüße

Christian
nelson
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Erste Hörerfahrung!

Beitrag von nelson »

Lieber Uli, lieber Holger,

vielen Dank für diese "neue Idee" der Optimierung und die unzähligen Test-Messungen über Wochen.
Ich bin gespannt, was sich bei mir daraus ergibt.

Hörerfahrung:
Nachdem ich vor zwei Wochen schon einmal einen Zwischenstand hören durfte, war ich heute wieder bei Holger und konnte das "endgültige" Setup hören.
Das 6-Wege-Horn-System spielt durch die Phasenkorrektur der einzelnen Treiber noch einmal auf einem ganz anderen Niveau. Unglaublich, aber wahr!
Beispiel: Das akustische Kunstwerk "Drum Fable" der "Schlagzeugerin" Marilyn Mazur wurde begeisternd authentisch, extrem dynamisch und auf den Punkt wiedergegeben! Weltklasse!
(Und das nicht nur wegen des wieder integrierten 97cm-JMLC-Horns mit dem zwischenzeitlich seltenen Yamaha-Vintage-Treiber JA6681B. Man beachte den linealglatten Frequenzschrieb oben!)

Der Puls in der TD des Gesamtsystems sieht trotz 6-Wegen und kompliziertem Raum exzellent aus. (Schulter verschwunden!)
IACC bei 96%.
Was willst Du mehr? :cheers:


Gruß, Torsten
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schoko-sylt
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Beitrag von schoko-sylt »

chriss0212 hat geschrieben: 26.01.2022, 21:45 Hallo Uli

Danke für die fixe Antwort.

Habe nicht auf dem Schirm gehabt, dass es schon sämtliche Chassis sind… Viele Bäume… Wald und so ;)

Aber dann bin ich Dir gedanklich ja vielleicht auf der Spur ;)

Wird leider etwas dauern, bis ich es testen kann ;(
Viele Grüße

Christian
Hallo Christian,

zur Verdeutlichung habe ich Dir noch einmal ein Bild meines Yamaha-Treibers (Ulis Bild enthält seinen eigenen gemessenen Treiber), gemessen im Frequenzbereich von 250 Hz - 12000 Hz und die entsprechenden XO's dargestellt. Der Allpass wurde bei 267 Hz erzeugt und reversiert. Bei 267 Hz hat die XO3 (Bessel R n4) des Yamaha Kompressionstreibers schon -16,2 dB, während der GPA 414-8B dort noch mit -1,7 dB arbeitet.

Bild

Zu bedenken ist auch, dass bedingt durch die Skalierung der Phase in Acourate ( +180° bis -180°) kein eigentlicher Sprung der Phase von +180° auf -180° stattfindet, sondern Du Dir die Abweichung der Phase von +180°auf -180° als Fortsetzung der Phasenverschiebung eben über 180° hinaus vorstellen musst, die nur nicht konkret dargestellt werden kann und als vermeintlicher zusätzlicher Phasensprung über weitere 180° erscheint. Würde die Skalierung bis +/- 360° reichen, wäre das deutlich ersichtlich. Kurz zusammengefasst: Der Sprung von +180° zu -180° ist also lediglich eine Fortsetzung der Phasenabweichung über 180° hinaus.

Uli möge mich korrigieren, falls es nicht so ist, aber so habe ich ihn zumindest verstanden.

Viele Grüße
Holger
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schoko-sylt
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Beitrag von schoko-sylt »

nelson hat geschrieben: 26.01.2022, 23:24 Lieber Uli, lieber Holger,

vielen Dank für diese "neue Idee" der Optimierung und die unzähligen Test-Messungen über Wochen.
Ich bin gespannt, was sich bei mir daraus ergibt.

Hörerfahrung:
Nachdem ich vor zwei Wochen schon einmal einen Zwischenstand hören durfte, war ich heute wieder bei Holger und konnte das "endgültige" Setup hören.
Das 6-Wege-Horn-System spielt durch die Phasenkorrektur der einzelnen Treiber noch einmal auf einem ganz anderen Niveau. Unglaublich, aber wahr!
Beispiel: Das akustische Kunstwerk "Drum Fable" der "Schlagzeugerin" Marilyn Mazur wurde begeisternd authentisch, extrem dynamisch und auf den Punkt wiedergegeben! Weltklasse!
(Und das nicht nur wegen des wieder integrierten 97cm-JMLC-Horns mit dem zwischenzeitlich seltenen Yamaha-Vintage-Treiber JA6681B. Man beachte den linealglatten Frequenzschrieb oben!)

Der Puls in der TD des Gesamtsystems sieht trotz 6-Wegen und kompliziertem Raum exzellent aus. (Schulter verschwunden!)
IACC bei 96%.
Was willst Du mehr? :cheers:


Gruß, Torsten

Lieber Torsten,

Du sollst doch nicht alles verraten, aber vielen Dank für Deine netten Worte! Ich habe mich sehr gefreut, dass Du als mein Freund und erster "Proband" das erst seit gestern fertiggestellte und nun gut phasenlinearisierte Konstrukt hören durftest, zumal Du den Großteil der ganzen anderen "Basteleien" kennst und ohrenfällig begleitet hast. Das mit dem ICCC muss ich berichtigen, entweder liegst Du drüber oder drunter. :wink: Die verbesserten Sprungantworten als Beleg u.a. der zeitrichtigen Wiedergabe aller Treiber des phasenkorrigierten Systems und Ulis innovativem Ideenreichtum füge ich neben dem ICCC als Bild bei.


Bild


Gruß, Holger
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Holger

Vielen Dank, für die weitere Aufklärung!

Das mit der Phase hoffe ich auch so verstanden zu haben… aber es schadet ja nie eine Vertiefung des Lehrstoffes zu bekommen.

Absolut Phänomenal die Messergebnisse… und ich denke, da sin wieder einige Messungen mit in die so akribische geführte „Ablage“ gegangen ;)

Ich glaube, eine Fahrt nach Hamburg muss priorisieren werden ;)

Ganz liebe Grüße

Christian
Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hallo

Wow cool, das Thema piekst mich auch seit Jahren. Was hab ich mich schon geärgert :lol:
Kompliment an Holger & Uli für euer Ideenreichtum und das akribische Ausarbeiten, nach dem ICPA nun noch ein Schätzchen.
Auch wieder mit Allpass 2ter Ordnung. Dass des immer mit 2.Ordnung klappt :shock:

Das heißt nochmal Zusammengefasst, machen wir ähnlich der alten, etablierten Prozedur nur zwei zusätzliche Schritte:

- Treiber im Nahfeld Messen
- Linearisierung Amplitude
- Linearisierung Phase
- Faltung Inverse + Allpass + XO
- Hörplatz Timealignment via neuem Dirac Feature
- Hörplatzmessung Multiway Summe
- Ab durch die Macros. Voila

Uli, magst du das Dirac Time Alignment Update auch noch grafisch Vorstellen damit wir ein Bild des ganzen Workflows haben?


Holger,
bei (Fehl)Versuchen Phase vorab zu linearisieren, schmiss ich das Handtuch jeweils bei der Summen-Hörplatz Messung.
Genau dort war das Prering immer wesentlich stärker durch diese Optimierung. Während (ohne) ein einfach-minphasig-konventionelles Summensystem dank Macro 4 immer perfekt "flach wie Brett" vor dem Impuls wurde.
Nicht wirklich "preringing" im Sinne von starkem Ringing, aber zumindest Unebenheiten vor dem Peak. Weil sich die Phasen nicht perfekt addiert hatten. Man sieht hier in dem Screenshot auch noch eine Rest-Amplitude vor dem Peak. Wenn gleich viel ruhiger als mir vertraut.
schoko-sylt hat geschrieben: 27.01.2022, 00:11 Bild
Zeigt dies hier das Ergebnis vor (ohne) Macros (4) oder schon inklusive (nachher) ?

Bin nicht sicher aber neugierig, ob man dies bewerten oder visualisieren kann mit der dB-vs-Zeit Grafik in Acourate (hab den Namen vergessen).
Und das auch mal mit deinem System VOR dieser Optimierung gegenüberstellen (bei gleicher Skalierung).
Wäre das möglich?

viele Grüße
Josh
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hornguru hat geschrieben: 27.01.2022, 15:28 Uli, magst du das Dirac Time Alignment Update auch noch grafisch Vorstellen damit wir ein Bild des ganzen Workflows haben?
Josh,

1.
ich hab derzeit bei mir das Meßequipment abgebaut, weil ich Besuch bekomme. Reine Hörsession.
Insofern komm ich da wohl erst nächste Woche dazu.

2.
Preringing ist solange erlaubt wie man es nicht wahrnimmt. Weil die Amplitude zu klein ist oder die Frequenz niedrig genug.
Und häufig zeigen bereits die gemessenen Pulsantworten auch schon ein Preringing auf. Das ist auch geschuldet der Tatsache, dass die Sweepmessung einen symmetrischen Anteil enthält.
Erklärung: ein Sweep von 100 Hz bis 3 kHz (willkürlich gewählt) entspricht einem Sweep von 0 Hz bis fs/2, gefiltert durch einen "perfekt" steilflankigen Bandpass mit eben 100 Hz und 3 kHz Trennfrequenz. Da der Bansdpass selbst keine Phase ändert muss er linearphasig sein und damit symmetrisch.
Und natürlich reagieren die Treiber darauf, was dann auch eben unterschiedlich sein kann. There is no lunch for free (except I'm the food) :mrgreen:
Also, bloss weil man nun von 100 Hz bis 3 kHz spielt und die Chassis wie auch immer reagieren, muss man trotzdem nicht notwendigerweise Frequenzen unter 100 Hz und über 3 kHz hören, obwohl sich ein Preringing zeigt.

Grüsse
Uli
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hi Uli

Ja richtig, stimme voll zu.
Nur weil sich hier irgend etwas bewegt vor dem Peak, heißt das nicht gleich schlechter Klang.
Daher meine Frage nach Dezibel-vs-Zeit. Eine Volt oder Faktor Skalierung vs Zeit scheint wenig aussagefähig, zumal ja auch noch linear skaliert ist und nicht logarithmisch.

Ganz genau müsste man sogar mit Frequenz + Dezibel+ Zeit analysieren, sprich S-Transform.
Wobei ich nicht weiß wie du hier fensterst - das ist beim klassischen cumulative spectral decay mit Gleitfenster variierender Länge ja sehr fragwürdig aufgelöst.

Die Messartefakte mal ganz außen vor - das ist klar.
Diese umgeht ja aber in der Regel, bei einer Hörplatzmessung, so breitbandig dass die End-Flanken jeweils leicht außerhalb des Lautsprechers liegen (oder einige dB leiser als das Plateau des Frequenzgangs) .... zB von 10-40.000 Hz Sweep - während der LS von 30-20.000 arbeitet.

Gruß
Josh
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Tiefdruck
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Beitrag von Tiefdruck »

Sehr toll gemacht,

Ich staune immer wieder wie man derart zielgerichtet über dermaßen abstrakte Dinge nachdenken kann und dann sogar noch zu einem tollen Ergebnis kommt.

Ich hätte dazu zwei Fragen:

Ist das Verhalten mit jeder Art von Weiche (Horbach Keele, Linkwitz, UB...) die selbe?

Falls ja, kann man das auch automatisieren und über eine Checkbox aktivierbar machen? :wink:

Viele Grüße
Thomas
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hallo Thomas

Wenn du im XO Dialog die Option "Linear Phase" auswählst, so hat die Weiche hier keine Auswirkung.
Eine linearphasige-Weiche beinhaltet quasi bereits die Allpass-Inverse für sich selbst.
Du siehst also rein den Lautsprecher in der Phase wie Uli es darstellt.

Gruß
Josh
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hallo Thomas,

die Basis ist ja eine Nahfeldmessung des Treibers ohne Weiche. Abhängig vom Ergebnis macht man den Allpass.
Der wird dann mit einer Weiche verknüpft. Mit allen (fertigen) Weichen macht man dann später nochmal ein Time-Alignment, die Allpässe verschieben ggf. auch die Peakposition der Weiche. Was auch vom Typ der Weiche beeinflußt werden kann. Die Messung des Chassis mit der fertigen Weiche beinflußt genaugenommen ebenfalls die Peakposition.
Es wird also Schritt für Schritt "synthetisiert". Eine einfache Checkbox sehe ich hier nicht.

Grüsse
Uli
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Tiefdruck
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Beitrag von Tiefdruck »

Danke für die Antworten,

Jetzt hatte ich noch mal alles durchgelesen und nach der Vorschau meines geplanten Beitrags gemerkt, dass meine Gedanken dazu in der Zwischenzeit schon beantwortet worden sind. Ich möchte ihn der Vollständigkeit halber trotzdem posten:
Tiefdruck hat geschrieben:Hallo Josh

Das heißt also dass das gezeigte Vorgehen eine Art "Vorfilter" auf Phasenebene darstellt, der die Eigenschaften von Chassis + Weiche in Bezug auf die Phase verbessert und somit die spätere Filtererstellung optimiert?

Falls ja, hätte sich meine Frage nach einer Automatisierung erledigt, da das Zusammenspiel von Weiche, Chassis und Raum individuell verschieden ist und es daher Sinn macht die Güte und Frequenz des Allpass zu Fuß anzupassen.

Viele Grüße
Thomas
Viele Grüße
Thomas

Beitrag zur besseren Verständlichkeit überarbeitet, Rudolf
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