Moving Mic Recorder als Alternative zur Beamforming-Messung?

Mr. Durden
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Beitrag von Mr. Durden »

Hallo Hans-Martin,

ja, das wäre natürlich optimal. Ich befürchte aber, dass ich mir für soviel Aufwand nicht die Zeit nehmen kann. Daher wird es wohl eher auf ein hohes Stativ mit viel Abstand nach allen Seiten hinauslaufen. Zur Zeit regnet es dauerhaft hier in Berlin und für morgen ist leider auch keine Besserung angesagt. Mal schauen wann es möglich sein wird zu messen.

Gute Nacht allerseits,

Stefan
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Stefan,
vielleicht ist eine Fensteröffnung eine gute Ausgangsposition, nähert die Messbedingungen den realen Betriebsbedingungen an.
Es gibt RAR und RA-Halbraum, letzterer hat einen schallharten Boden, der Rest ist absorbierend.
Bei einem Stativ wird eine Bodenreflexion nicht verhindert, einerseits die Welle, die den LS wieder erreicht und dessen Verhalten beeinflusst (wird selten diskutiert) und die auf dem Umweg über den Boden das Mikrofon verzögert erreichende Welle, die Kammfilter bei der Messung erzeugt, die sich bei zunehmendem Abstand zu höheren Frequenzen verschieben, weil die Wegdifferenz zum Direktschall kürzer wird.
http://www.acourate.com/freedownload/Ac ... gRev02.pdf lässt in den Grafiken erkennen, dass die Schaar von Messkurven unter 800Hz weitgehend identisch ist (und die Raumresonanzen unverändert beibehält).
Ich denke, wenn man schon in den Garten geht, dürfte der Aufwand für ein Loch im Boden in einen günstigen Aufwand zum Rest stehen, die Aussage der Messung wird es rechtfertigen, da man nun nur den LS in der verlängerten Schallwand misst, unter Ausschluss jeglicher Reflexionen.
Nur das Mikrofonkabel muss auch lang genug sein..., das ist evtl das größte Problem.
Grüße
Hans-Martin
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hans-Martin hat geschrieben: 15.10.2020, 11:06 Ich denke, wenn man schon in den Garten geht, ...
Dann wird man sich wundern, wie laut der Umgebungslärm heutzutage ist. Vom Vogelzwitschern über Handwerker beim Nachbarn bis hin zum Dauerrauschen durch Straßenlärm. Ab und zu dann noch tatü-tata

Grüsse
Uli
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Uli,
2500 m entfernt von einer Autobahn habe ich mitten auf dem Dorfe einen stetigen Geräuschpegel, der selbst durch geschlossene Fenster noch hörbar ist. Man gewöhnt sich daran, meine Frau hat das erst wahrgenommen, als ich nach dem Hinweis die Terrassentür öffnete.
Mein Schallpegelmesser hat aber draußen im empfindlichsten Bereich keine Anzeige (beginnt erst bei 50dB, unbewertet). Man muss tiefer in den Wald gehen, um das Geräusch nicht mehr zu hören. Im Garten bei Freunden in Berlin Zehlendorf war es erstaunlicherweise ruhiger als bei mir.

Bei einer Messung mit 90dB schafft man in meinem Garten noch 40dB Abstand. Das könnte für die Erfassung des FG reichen, zumal Glättungsalgorithmen eingesetzt sind und mehrere Messungen zur Mittelwertbildung herangezogen werden.
Grüße
Hans-Martin
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo,

Der Erdloch-Ansatz von Hans Martin ist natürlich konsequent, man sollte die Kirche aber im Dorf lassen. Mit einem 2,5m hohen Stativ bekommt man genug Abstand um die im Hörraum für das Abstrahverhalten und Reflektionen relevanten Frequenzen zu messen. Der Schall muss dann mehr als 5m zurück legen (5,1m genau gesagt), bis die Reflektion das 1m entfernte Mikro erreicht. Das sind immer noch gute 4m Wegdifferenz (bzw. 12ms Zeitversatz zw. Messignal und Reflektion). Neben dem Laufzeitunterschied findet über die große Entfernung zudem noch eine Abschwächung der Reflektion statt, die durch einen dämpfenden Rasen noch weiter verstärkt wird.
Zum Vergleich - bei einem Hörabstand von 3m und einer Chassis-Ohrenhöhe von 0,9m kommt man aufgrund der Bodenreflektion im Hörraum auf gerade mal 50cm Wegdifferenz (oder 1,47ms Zeitversatz) zw. Direktschall und Reflektion, bei niedriger eingebautem Chassis sogar noch weniger - ich denke mit ein Grund, weshalb man bei früheren Konstruktionen den TT gerne mal über den Hochtöner gesetzt hat, und nicht darunter.

Tiefere Frequenzen kann man auch gut im Nahfeld messen. Es ist ja ohnehin die Frage, was einem eine Tieftonmessung im Freifeld nutzt. Das Verhalten eines Tieftöners im Gehäuse kann man zum einen ausreichend genau simulieren und zum anderen hört man ohnehin im Raum, der erheblichen Einfluss auf den Tiefton nimmt.
Ich habe z.B. meine Tiefmitteltöner, der bis 80Hz runter läuft in meinen Hauptlautsprechern in "zu kleine" Gehäuse eingebaut. Den dadurch resultierenden Abfall zum Tiefton habe ich mit acourate vor-entzerrt, indem ich eine Nahfeldmessung im Hörraum gemacht habe, und in FDW einen sehr kleinen Fenster-Wert (1 oder 2) für den Tiefton eingestellt habe. Damit sind die Reflektionen rausgefallen und die Vor-Entzerrung hat prima funktioniert.

Kreative Grüße,
Jörn

VG, Jörn
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Mr. Durden
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Beitrag von Mr. Durden »

Hallo Hans-Martin, Uli und Jörn,

ich habe schon die ganze Nacht darüber gegrübelt, ob ich nicht doch irgendwo eine Möglichkeit habe im Boden zu messen. Ich habe mich nun mit dem Gedanken angefreundet, dass wohl kurzzeitig ein Stück Rasen dem Lautsprecher weichen muss. Meine Frau hat mich dafür für verrückt erklärt, ist wohl aber nichts Neues für Sie. ;-)

Die Technik zur Aufnahme ist kein Problem und soweit alles vorhanden, nur lärmtechnisch muss ich einen günstigen Zeitpunkt abwarten. Wir wohnen direkt am Wald aber in Flughafennähe, obwohl sich das Fluglärmproblem ja hoffenntlich nach nunmehr 14 Jahren am 08.11. erledigt.

Ich bin wirklich gespannt, wie groß die Unterschiede zur Beamforming Messung auf Achse sein werden. Mit MMR schlägt der Raum extrem bei der Messung durch, trotz Bewegung des Mikrofons werden Raumeinflüsse kaum ausgemittelt (da lag Jörn wohl mit seiner Vermutung schon sehr richtig).
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Ich bleibe auf jeden Fall dran und werde berichten.

VG, Stefan
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

freezebox hat geschrieben: 15.10.2020, 16:15Zum Vergleich - bei einem Hörabstand von 3m und einer Chassis-Ohrenhöhe von 0,9m kommt man aufgrund der Bodenreflektion im Hörraum auf gerade mal 50cm Wegdifferenz (oder 1,47ms Zeitversatz) zw. Direktschall und Reflektion, bei niedriger eingebautem Chassis sogar noch weniger - ich denke mit ein Grund, weshalb man bei früheren Konstruktionen den TT gerne mal über den Hochtöner gesetzt hat, und nicht darunter.
Hallo Jörn,
denkt man das weiter, dann wird aus den 50cm Wegdifferenz und 1,47ms Zeitversatz (von mir nun etwas abgerundet auf 1,5ms) eine Auslöschung bei halber Wellenlänge = 1,5ms, also ganze Wellenlänge = 3ms, Kopfrechnen => 333Hz, ungeradzahlige Vielfache : 1000Hz, 3000, 5000, usw. je nach Dämpfung durch den Bodenbelag irgendwann unbedeutend.
Schaut man sich das niedrige Q der Auslöschung an, ist etwa eine halbe Oktave betroffen, im Grundtonbereich der männlichen Stimme. Beim einem Frontplattendurchmesser üblicher Hochtöner von max 100mm ändert die "inverse" Chassisanordnung wenig. Bei 2-Weg-Boxen könnte der Vorteil beim Bündelungsverhalten des Mitteltonbereichs liegen, während die Hochtonkalotte (nun unter dem TMT) mit ihrem Rundstrahlverhalten keine Probleme hat, das Ohr zu erreichen. Und der etwas weitere Weg des Hochtöners zum Ohr kann mit dem unvermeidbaren Vorlauf durch das Hochpassfilter vielleicht ein kalkuliert besseres Zeitkohärenzverhalten haben. Dreht man eine solche kleine Regalbox um, mit dem HT über dem TMT, will sie gar nicht mehr überzeugen (erlebt im Schlafzimmer mit Matratze unter dem Schallweg, überprüft mit anderen Boxen im Wohnzimmer).
Tiefere Frequenzen kann man auch gut im Nahfeld messen. Es ist ja ohnehin die Frage, was einem eine Tieftonmessung im Freifeld nutzt. Das Verhalten eines Tieftöners im Gehäuse kann man zum einen ausreichend genau simulieren und zum anderen hört man ohnehin im Raum, der erheblichen Einfluss auf den Tiefton nimmt.
Ich kann da nur zustimmen, denn ich verstehe bisher Ulis Vorabentzerrung nur bedeutend im Zusammenhang mit der Gestaltung der Frequenzweichenfilter. Sowas hat man aber üblicherweise am unteren Frequenzbereich nicht.
Bei einem zu kleinen Gehäuse rutscht die untere Grenzfrequenz höher, zudem wird das Qtc ungünstiger, mit der Folge, dass das Einschwingverhalten schlechter wird (da strebt man eher Q=0,5 an). Acourate linearisiert den FG oder macht auf Wunsch mehr, aber das Ein- und Ausschwingverhalten kann meines Wissens damit nicht beschleunigt werden.
Auch verstehe ich Uli dahingehend, dass Chassis am unteren Ende ihres Übertragungsbereichs zunehmend Klirr produzieren und dem Wunsch folgend, diesen zu meiden, wählt man eine angemessen hohe Hochpassfrequenz.
Gilbert Briggs (Gründer Wharfedale) hat in seinem Buch Loudspeakers noch davor gewarnt, ein Chassis unterhalb der Resonanzfrequenz zu betreiben, weil es zur "Frequenzverdopplung" käme. Moderne Chassis sollen weitgehend immun dagegen sein (sagen die Lautsprecherentwickler), aber die zu tiefen Frequenzen ansteigende k2- Kurve lässt zweifeln, ob von der alten Erkenntnis nicht doch ein Körnchen Wahrheit bis in die heutige Zeit überlebt hat (k2 = Anteil doppelter Frequenz).
Vor 40 Jahren hatte ich die Pioneer D23 Aktivweiche, ein wunderbares Spielzeug. Ich drehte nach Gehör an den Knöpfen, um einen Kompromiss zwischen dem nicht mehr Mithaltenkönnen (u.a. Partialschwingungen, Bündelung) des niedrigeren Chassis gegenüber dem Unsauberwerden (Klirr) des darüber folgenden zu finden. Heute haben wir phantastische Analyse-Tools auf dem PC... und nennen die Dinge beim Namen.
Ich habe z.B. meine Tiefmitteltöner, der bis 80Hz runter läuft in meinen Hauptlautsprechern in "zu kleine" Gehäuse eingebaut. Den dadurch resultierenden Abfall zum Tiefton habe ich mit acourate vor-entzerrt, indem ich eine Nahfeldmessung im Hörraum gemacht habe, und in FDW einen sehr kleinen Fenster-Wert (1 oder 2) für den Tiefton eingestellt habe. Damit sind die Reflektionen rausgefallen und die Vor-Entzerrung hat prima funktioniert.
Wenn man schon Fensterung einsetzt, kann man sich die Buddelei im Garten sparen.
Aber mein Vorschlag mit dem Loch im Boden berücksichtigt Stefans eingangs geäußerte Ziele (Hervorhebungen von mir):
Mr. Durden hat geschrieben: 10.10.2020, 23:38 Da eine Freifeldmessung nur schwer für mich umsetzbar wäre, würde ich die Chassis gerne im eingebauten Zustand in der Bafflewall im Raum messen. So werden ja auch die Auswirkungen des Wandeinbaus auf die Chassis gleich mitberücksichtigt.
Mr. Durden hat geschrieben: 11.10.2020, 22:49Mit dieser Messmethode möchte ich so gut wie möglich die nicht statischen Raumeinflüsse ausblenden (also ähnlich einer Freifeldmessung / in einem reflektionsarmen Raum) und trotzdem die einbaubedingten Auswirkungen auf das Chassis (Abstrahlverhalten, Kantendiffraktion, Bafflestep, etc.) mit in der Messung berücksichtigt haben.
Das MMR sollte eine Alternative zu gängigen Methoden sein (darunter auch zeitliche Fensterung?).
Grüße
Hans-Martin
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freezebox
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Beitrag von freezebox »

Hallo Hans-Martin,

Ja, es ist wohl eine Auslegungssache, die beim Entwickeln der Box mit berücksichtigt werden muss, ob der HT oben oder unten ist. Mir fällt da die Bruchardt A400 ein, die "kopfüber" steht, und deren Zeitversatz durch Schalwandneigung des HT im Waveguide dahingehend ausgelegt wurde.

Hinsichtlich zu kleinem Gehäuse bin ich voll bei Dir. Bei mir ist Qtc aber immer noch unter 1. Der Klirr, der bei Chassis im Freifeld auftritt ist ja nicht vergleichbar mit dem in einem "zu kleinen Gehäuse". Briggs redet vermutlich von der Treiber-Freiluft Resonanz Fs. Bei dieser steigt dann die Membranauslenkung je nach Dämpfung extrem an und die Spule bewegt sich weit aus dem Magnetspalt, wodurch die Verzerrungen ansteigen (durch unsymmetrien in der Aufhängung und im Magnetfeld). In meinem Fall wird die Einbauresonanzfrequenz durch das kleine Volumen ansteigen. Hier sind dann die durch die höhere Güte hervorgerufenen Auslenkungen weniger groß als im Freiluftfall. Allerdings kommen dann andere Effekte wie thermische Kompression und Sicken- bzw. Konusverforumung mit dazu, da die Innendrücke im kleinen Gehäuse ansteigen, wodurch die Verzerrungen wieder ansteigen.
Ein extremes Beispiel dafür sind die vor einigen Jahren in Mode gekommenen "URPS" Subwoofer, bei denen durch ein eigentlich zu kleines Gehäuse die Einbau-Reso so weit hoch geschoben wird, dass der gesamte Übertragungsbereich unterhalb der Einbauresonanz liegt. Die Chassis müssen sehr robust aufgebaut sein, sowohl was die thermischen, wie auch die mechanischen Anforderungen angeht und benötigen eine Menge Verstärkerleistung um sich zu einem brauchbaren Schaldruckpegel bewegen zu lassen.

Hallo Stefan,

Die Ergebnisse sehen doch recht vielversprechend aus. Selbst bei der MMR kann man die "Charakterstellen" der Chassis gut ausmachen - hätte ich so nicht vermutet. Die Übereinstimmung bis 250Hz hinunter von Nahfeldmessung und Beamforming ist verblüffend. Der Anstieg der Nahfeldmessung unterhalb von 250Hz gegenüber der Beamforming Messung ist evtl. dem sehr geringen Mikrophon-Abstand von 4cm zur Membran geschuldet - hier wären etwa 30cm noch interessant.
Ebenfalls wäre noch eine HP Messung mit kleiner Fensterung interessant zum Vergleich.
VG, Jörn
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