PS Audio Power Plant Premier in G-Version

Gerts Modifikationen
Fortepianus
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PS Audio Power Plant Premier in G-Version

Beitrag von Fortepianus »

Liebe Freunde der sauberen Stromversorgung,

kürzlich schlug ein PS Audio Power Plant Premier bei mir auf, der ja im Forum seit langer Zeit bekannt ist für seine saubere Stromaufbereitung. Das kam so: Ein netter Kunde aus Frankreich auf der Durchreise kam bei mir vorbei, um seinen neuen G-Hub abzuholen. Wir waren beide in Eile, und ich gab im schnell seinen neuen G-Linn. Da stellte er noch ein sauschweres Paket auf die Bank neben meinem Eingang und ich frage: Was ist denn das? Nun ja, sagt er, das ist ein PS Audio PPP, aber defekt. Könntest Du nicht vielleicht mal reinschauen? Also wenn reparierbar bis 500€, wäre das gut, auch wenn ich inzwischen einen neueren Power Plant von denen habe und damit zufrieden bin. Na gut, sage ich, habe aber ehrlich gesagt keine so richtig große Lust da drauf und stelle das Paket erstmal in den Keller. Zwei Tage später stolpere ich drüber und mache das Ding halt mal auf. Must du erstmal aufkriegen, aber es geht. Dieses Bild bietet sich mir im Inneren:

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Alles klar, üble Brandspuren hier und da. Da sind sicher auch die Endtransistoren alle durch, schon klar. Und warum das passiert ist, weiß man auch nicht. Google sagt mir dann, dass die Dinger reihenweise verreckt sind damals (das Gerät ist 10 Jahre alt) und weder der Vertrieb noch der Hersteller noch irgendwas davon wissen wollen auf Nachfrage. Ich schreibe dem Besitzer das Problem und schicke ihm das Bild, und er kriegt es im Gegensatz zu all den Nörglern im Netz hin, PS Audio einen kompletten Satz an Unterlagen, also Schaltpläne und Servicemanuals verschiedener gebauter Versionen aus den Rippen zu leiern. Ersatzboard hätten sie aber leider keins mehr, sie haben nämlich genau gar keinen Ersatzteile mehr für den Premier.

Ich schaue mir die Manuals und die Schaltpläne durch und begreife, dass das was Größeres wird. Ich schätze mal ab, dass ich da bestimmt erstmal 20h dransitze, bis ich in der Kiste durchblicke, und dann ist noch nichts repariert. Und wenn das dann viele Stunden später der Fall sein sollte, weiß man nicht, ob das Teil nicht gleich wieder abraucht. Wir sind uns also einig, das ist ein Totalschaden. Komm und hol das Ding wieder, sage ich, und er erklärt mir, dass er es dann nur zum nächsten Wertstoffhof fahren würde, weil sonst auch niemand Lust auf eine Reparatur hatte, den er bisher gefragt hat. Behalt es, und vielleicht kannst du ja mal etwas da draus gebrauchen.

Leute, Ihr kennt mich wahrscheinlich inzwischen. Es dauert einen Tag, an dem ich immer wieder an dem inzwischen wieder zusammengebauten Gerät vorbeikomme, und dann nehme ich mir die Schaltpläne (leider nicht ganz vollständig) vor und denke mich da rein. Das weckt meinen Sportsgeist, ich kann da gar nichts dagegen machen. So im Sinn von "wenn einer das wieder hinkriegt, dann ich" in maßloser Selbstüberschätzung. Ich zerlege die Kiste komplett, was dank Servicemanual gut geht:

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War klar, alle Power-Darlingtons durch, alle Emitterwiderstände im Eimer, und die ganze Treiberstufe sowieso. Erstmal Material bestellen. Ich bin erstaunt, dass man das bei den üblichen Verdächtigen wie Reichelt, Mouser und Digikey auf Anhieb findet, sogar auf Lager. Nicht ganz billig, die vier Darlington-Transistoren, aber ok, das ist einen Versuch wert. Zurück geht jetzt eh nicht mehr.

Als dann endlich alles Material beisammen war, kam die große Herausforderung: Die Schaltung auf der verbrannten Platine, die nicht mehr zu kriegen ist, wieder restaurieren. Mit viel Geduld und dünnem Fädeldraht kriege ich das hin, viele Stunden später ist der Powerblock wieder drin:

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Dem aufmerksamen Betrachter wird nicht entgangen sein, dass ganz oben links im Bild noch das AC-Eingangsteil fehlt, also das Teil mit dem Eingangsnetzfilter und der Kaltgerätebuchse. Wenn ich das Ding schon zerlegt habe, dann mache ich da doch gleich eine ordentliche von Furutech rein, kann ja nichts schaden:

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Ich schraube das ganze Zeug wieder zusammen, immer schön rückwärts im Servicemanual und bitte keine Schraube vergessen, und mit leichtem Herzklopfen stecke ich beherzt 230V hinten rein. Immerhin kein Donnerschlag und auch keine Rauchwolke, die vom bekannten Geruch zerstörter Elektronik begleitet wäre. Der Lüfter läuft an. Nach einer Weile legt er sich wieder schlafen und es ist Ruhe im Karton. Ich fasse mir ein Herz und drücke den Einschalter, das PS-Audio-Logo oben:

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Leute, die Kiste läuft wieder! Ich bin furchtbar gespannt, ob das was bringt, wenn ich ihn vor meinem G-Linn einschleife.

Viele Grüße
Gert
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Gert, Du bist ein Held! Mehr gibt's dazu nicht zu sagen. :cheers:

Grüße
Fujak

P. S.: Ach doch noch etwas fällt mir ein: Bitte lass uns teilhaben, welche Wirkung das Ding in Deinem Setup entfaltet.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Gert,

dein Sportgeist verdient uneingeschränkten Respekt und Anerkennung.
Beim Blick auf die Leiterplatte mit SMD-Bestückung frage ich mich, ob du eine Lochrasterplatte als Ersatz über den verkohlten Bereich gesetzt hast, der sich bei einem solchen Schaden meist weder zum Löten noch zur erforderlichen Isolation der Bauteile eignet.

Grüße
Hans-Martin
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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Gert,
Wenn das Schlagzeilen macht bekommst Du Reparaturaufträge a Maß.

Ich kenne bereits zwei Kollegen die defekte PPP ihr eigen nennen.

Gruß Harald
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Sebabe
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Beitrag von Sebabe »

Hallo Gert, spannend - ich bin auch gespannt ob das Ding bei dir was bringt - ich möchte bei mir ja nicht mehr ohne hören.
VG
Sebastian
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:Beim Blick auf die Leiterplatte mit SMD-Bestückung frage ich mich, ob du eine Lochrasterplatte als Ersatz über den verkohlten Bereich gesetzt hast, der sich bei einem solchen Schaden meist weder zum Löten noch zur erforderlichen Isolation der Bauteile eignet.
ja, das war auch mein erster Gedanke. Allerdings sind die Daten der verwenden smd-Transistoren im Treiberbereich nicht ganz kompatibel mit den üblichen Verdächtigen mit bedrahteten Beinchen. Ich habe mich deshalb für den ersten Schuss dafür entschieden, das Original so gut wie möglich zu restaurieren, was auch ging.

Hallo Harald,
Jupiter hat geschrieben:Wenn das Schlagzeilen macht bekommst Du Reparaturaufträge a Maß.
Ich kenne bereits zwei Kollegen die defekte PPP ihr eigen nennen.
ach du meine Güte, das fehlt mir jetzt gerade noch :-).

Hallo Fujak,
Fujak hat geschrieben:Ach doch noch etwas fällt mir ein: Bitte lass uns teilhaben, welche Wirkung das Ding in Deinem Setup entfaltet.
gerne!

Hallo Sebastian,
Sebabe hat geschrieben:ich bin auch gespannt ob das Ding bei dir was bringt - ich möchte bei mir ja nicht mehr ohne hören.
also, Hörtest. Zunächst kalibriere ich noch die Anzeigen neu, dafür gibt's im Servicemanual eine genau beschriebene Prozedur. So bin ich sicher, dass die Anzeigen der Ein- und Ausgangsspannungen stimmen und das Gerät in einem vernünftigen Bereich arbeitet. Das Teil wuchte ich in den Hörraum und hänge es zwischen meine selbstgebaute Netzleiste vor dem Linn und die Furutech-Wandsteckdose. Ich bin gespannt, weil ich immer davon ausging, dass solche Netzaufbereiter nur was für Situationen sind, in der eine miese Stromversorgung vorliegt. Mein halte ich eigentlich für ziemlich gut.

Starten wir mal mit der Misa Criolla, das ist doch das Paradestück für Raumabbildung und Stimmwiedergabe. Bereits nach zwei Takten horche ich auf. Das ist ganz eindeutig anders als gewohnt, und zwar besser. Der Raum ist tiefer, die Stimme der Sosa ist wärmer, aber nicht unpräziser, der Chor ist klarer gestaffelt und weiter hinten. Die Sosa kommt weiter nach vorn. Die Gitarre und die Panflöte sind greifbarer, körperhafter. Das bilde ich mir jetzt aber nicht ein, oder? Ich nehme das Ding wieder raus und jetzt ist alles wieder so, wie ich es kenne. Sehr gut, keine Frage. Wieder rein. Besser, auch keine Frage. Ich bin euphorisiert. Ich höre mich durch viele Alben und es muss wohl so 1:30 Uhr gewesen sein, als ich im Hörraum eingeschlafen bin. Wieder erwacht plane ich noch kurz das Hörprogramm für den nächsten Abend und schleppe mich ziemlich müde ins Bett.

Am nächsten Morgen denke ich mir, da gibt's doch fünf getrennt gefilterte Zonen, da kommt jetzt auch der G-Oppo dran, diverse Analognetzteile, der Sat-Tuner, na gut, auch der AppleTV, und wieder der Hörtest. Bei Video und beim Oppo merke ich ehrlich gesagt kaum einen Unterschied. Aber nett ist doch, dass das Ding auch die verschiedenen Zonen fernbedient ein- und ausschalten kann, da kann man sich doch bestimmt noch ein paar Standby-Watt sparen, womit ich möglicherweise bei meinen beiden halbwüchsigen Kindern punkten kann. Ich verschalte alles passend und programmiere den Premier entsprechend auf meiner Logitech-Harmony-Fernbedienung. So, jetzt der Test, und eins ist sofort klar: So riecht abgebrannte Elektronik. Schnell wieder raus das Teil. Ui stinkt das, erstmal lüften. Und alles wieder direkt anstecken. Der Linn will nimmer. Das Analognetzteil, das diverse klangschädliche Schaltnetzteile für Harmony Hub, Netzwerkswitch und LWL-Umsetzer versorgt, auch nicht. Ebenso das Analognetzteil am LWL-Empfänger beim Linn. Der Oppo will noch, kriegt aber natürlich kein Netz, weil ja der Switch...Also so ist das passiert beim Vorbesitzer und all den anderen, die im Netz berichtet haben, alles klar.

Ihr könnt Euch wahrscheinlich vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man den sportlichen Kampf aufgenommen hat und unzählige unvernünftige Stunden in die Kiste investiert hat. Unvernünftig, weil Dir all die Berichte im Netz sagen, dass das Ding gern den Geist aufgibt. Und weil man es gebraucht für um die 1.000€ kriegt. Dafür so viele Stunden zu opfern, ist also irgendwie unvernünftig. Aber wenn's dann wieder geht, ist das ein richtig gutes Gefühl. Und wenn's dann wieder defekt ist, ein umso schlechteres.

Alles, was nicht mehr geht, kommt auf die Werkbank. Überall ist eben die Sicherung geflogen - das spricht dafür, dass im Premier wieder die Endstufe hochgegangen ist und einen satten Gleichspannungsanteil auf die Ausgänge gelegt hat. Ich wechsle die geflogenen Sicherungen - das klingt jetzt banal, schmerzt aber beim Linn ziemlich, denn da ist eine Refine drin. Gut, dass ich noch eine davon habe.

Ob ich die blöde Kiste nochmal aufmachen soll oder doch zum Wertstoffhof damit? Bestandsaufnahme: Das Gerät ist wieder in dem traurigen Zustand, in dem ich es übernommen habe. Allerdings bin ich um zwei Erkenntnisse reicher:

1. Es hat gut geklungen damit, als es funktioniert hat.
2. Wenn man an das laufende Gerät harte Lasten schaltet, und das passiert, wenn die Relais für die Zonen z. B. ein Schaltnetzteil wie von meinem Sat-Tuner dranklemmen, kann es passieren, dass die interne Endstufe hochgeht.

Viele Grüße
Gert
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Hallo Gert,

das sind ja betrübliche Nachrichten. So nahe können Begeisterung und Frust beieinander liegen. Das Ding scheint eine ziemliche Fehlkonstruktion zu sein, wenn es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch den Geist aufgibt. Das fördert nicht unbedingt das Firmenrenommee.

Nachdem klar ist, dass ein Netzfilter/-aufbereiter doch irgendetwas positives in Deinem Netz bewirkt, würde ich nun eher Zeit und Energie hineinstecken, diverse Geräte dieser Gattung auszuprobieren (LAB12 Gordian, Isotek, ... - siehe Thread dazu: viewtopic.php?f=23&t=7695).

Grüße
Fujak
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easy
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Beitrag von easy »

Na, mein lieber Gert, da hast du dir was angetan ... Du hast mit eigenen Ohren gehört, daß es besser geht, alleine das genügt um in dir eine innere Unruhe aufkommen zulassen. :wink:

Bin gespannt, wie es jetzt weiter geht.

Grüße von jemanden, der dieses Gefühl kennt
Reiner
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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Fujak,
Fujak hat geschrieben:Nachdem klar ist, dass ein Netzfilter/-aufbereiter doch irgendetwas positives in Deinem Netz bewirkt, würde ich nun eher Zeit und Energie hineinstecken, diverse Geräte dieser Gattung auszuprobieren (LAB12 Gordian, Isotek, ... - siehe Thread dazu: viewtopic.php?f=23&t=7695).
Diese Geschichte habe ich seit Sommer hinter mir, keiner der von Dir genannten Netzfilter konnte gegen mein jetzt aktuelles Strom Setup punkten.

Gert,
dass der PPP bei Dir etwas gebracht hat liegt möglicherweise daran, das du noch nicht ausreichend „Refiniert“ bist, was meinst du dazu.

Nun denn, wir werden versuchen es festzustellen.

Gruß Harald
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Harald,
Jupiter hat geschrieben:das der PPP bei Dir etwas gebracht hat liegt möglicherweise daran, das du noch nicht ausreichend „Refiniert“ bist, was meinst du dazu.
die Signalkabel sind ja Refine Ultima Musica, und das hatte Jürgen auch mal als Netzkabelversion dabei für meinen G-DAC. Hat auch sehr gut dort gespielt, aber mir hat das Musigo PC3 am Linn noch ein bisschen besser gefallen, das jetzt immer noch drin ist. Die Leiste davor ist Eigenbau, der im Direktvergleich mit der Feldmannleiste gleichgezogen hat.

Hallo Fujak, hallo liebe Netzreiniger,
Fujak hat geschrieben:das sind ja betrübliche Nachrichten. So nahe können Begeisterung und Frust beieinander liegen. Das Ding scheint eine ziemliche Fehlkonstruktion zu sein, wenn es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch den Geist aufgibt. Das fördert nicht unbedingt das Firmenrenommee.

Nachdem klar ist, dass ein Netzfilter/-aufbereiter doch irgendetwas positives in Deinem Netz bewirkt, würde ich nun eher Zeit und Energie hineinstecken, diverse Geräte dieser Gattung auszuprobieren (LAB12 Gordian, Isotek, ... - siehe Thread dazu: viewtopic.php?f=23&t=7695).
also so schnell gebe ich noch nicht auf. Auch wenn der hanseatische Kaufmann da sicher den Spruch vom schlechten und vom guten Geld bringen würde. Das alles war am Freitag, und ich habe wieder Material bestellt, diesmal gleich ein bisschen mehr, wer weiß. Beim Reichelt hatte ich die letzten Darlingtons auf Lager gekauft und so warte ich jetzt darauf, dass Mouser welche liefert. Bei Digikey hatte ich auch einen Satz bestellt, und die haben das Rennen gewonnen: Heute früh klingelt UPS und bringt einen Satz Endtransistoren und Emitterwiderstände. Aber nur eine Stunde später klingelt's schon wieder, und Fedex bringt den gleichen Satz Bauteile von Mouser. Also, Material ist jetzt genügend da. Das Wochenende allerdings habe ich damit verbracht, mich tiefer in die Kiste reinzudenken. Längst ist wieder alles zerlegt, und die neuen Brandspuren sind soweit beseitigt. Wieder waren natürlich alle Endtransistoren und alle Leistungswiderstände durch, und wieder die Treiberstufe. Mir wird Folgendes klar:

Wenn man den PPP einfach ans Netz steckt, ist er bereits voll mit Strom versorgt. Der Einschalter am Logo bewirkt eigentlich nur, dass das Display auch was anzeigt, ansonsten läuft er intern immer. Das funktioniert auch alles prima, bis auf die Geschichte, dass man die fünf Ausgangskreise gruppiert in drei Gruppen A, B und C auch über Relais fernbedient schalten kann. Wenn dann nämlich Netzteile kurzfristig wie üblich einen satten Kurzen darstellen (die Ringkerntrafos beim Einschwingen und die dicken Elkos dahinter sowieso, ebenso die Elkos von Schaltnetzteilen), dann kann dieser kurze Einschaltstromstoß die Endstufe über den Jordan bringen. Muss nicht sein, kann aber manchmal passieren. Und die Berichte im Netz darüber bestätigen das.

Verzeiht einen Ausflug in meine Jugend, als ich ungefähr 14 war: Ich habe so viele Endstufen zusammengelötet, dass es auf keine Kuhhaut geht. All die Schulbands wollten eine von mir, alle Freunde, und ich war neugierig und in jugendlicher Selbstüberschätzung überzeugt davon, dass ich mal die beste Endstufe ever bauen würde. Und dabei habe ich neben all den geschlachteten 2N3055, 2N4347 und MJ was auch immer die Erfahrung gemacht: Darlington-Endstufen gehen viel lieber hoch als alle anderen Endstufen-Konstruktionen wie normale bipolare, MOS-FETs oder Hybrid. Diese Erfahrung fehlte wohl den Entwicklern von PS Audio, ohne damit ihre Entwicklungsleistung schmälern zu wollen. Die Kiste ist nämlich ansonsten trickreich konstruiert - dazu gleich mehr. Aber die Darlington-Endstufe ist ihre Achillesferse.

Wie funktioniert diese Kiste aber eigentlich genau? Es gibt ja allerlei Vermutungen dazu im Netz, getrennte Module für Spannungsregelung und Klirrunterdrückung etc, aber das ist alles falsch. Ebenso die Vorstellung, dass die 50Hz vom Netz erstmal gleichgerichtet werden und dann ein komplett neuer Sinus erzeugt wird. Das würde man nämlich gar nicht mit dem gewünschten niedrigen Innenwiderstand hinkriegen, allein ein Trafo am Ausgang versaut das komplett. Fakt ist: Zunächst gibt es eine umfangreiche passive Filterung am Eingang und an den Ausgängen, getrennt für jede der fünf Zonen. Aber das unterscheidet das Gerät noch nicht von den anderen Filterleisten. Der Clou:

Auf der Netzphase surft sozusagen ein kompletter Poweramp. Die Phase vom Netz ist das, was normalerweise die Masse für eine Endstufe ist. Auf dieser Ersatzmasse, die in Wahrheit also die Netzphase ist, die mit 230V RMS oder 310 Amplitude oder 620Vpp mit ca. 50Hz rauf und runter fährt, ist zunächst ein dickes Netzteil (Ringkern 600VA, 2x24mF Siebung + diverse Hilfsspannungen) aufgesetzt. Also mit der Mittelanzapfung des Trafos, die sonst die Masse speist, auf der Netzphase. Die Endstufe selbst ist mit +-20V versorgt, also deutlich weniger, als man das von Power Amps für Lautsprecher kennt. Aber die Leistungstransistoren sind extrem stromlieferfähig: Je Zweig zwei parallel geschaltete Kawenzmänner, von denen jeder 50A kann. Diese extrem stromlieferfähige Ausgangsstufe hängt nun zwischen der reinkommenden und der rausgehenden Phase.

Aber was steuert diesen Power Amp an? Er sitzt in einem ausgeklügelten Regelkreis. Zunächst wird in einem Mikroprozessor die Frequenz der eingehenden Sinusspannung erfasst. Daraus erzeugt der µC eine dazu synchrone, reine Sinuswelle mit gleicher Frequenz, die über einen DA-Wandler und nachfolgendem Filter ausgegeben wird. Nun kommt der Regler: Dieser Sinus wird nun verglichen mit dem Netzsinus. Abweichungen werden von der Endstufe ausgeregelt. Das sorgt einmal für eine konstante Ausgangsspannung, solange man sich im Regelbereich von ca. 12Veff befindet, und für eine Reduktion der Oberwellen, die ebenfalls weggeregelt werden können. Zumindest teilweise.

Um die Kiste besser zu verstehen, mache ich mich als nächstes daran, die Endstufe und den Regler in mein Simulationsprogramm einzugeben. Am Samstag Nachmittag bin ich fertig damit und traue meinen Augen nicht. Also wenn das eine Audio-Endstufe wäre, würde sie schrecklich klingen. Der Hauptgrund: Die Endtransistoren kriegen gar keinen vernünftigen Ruhestrom! Nach meinem Simulationsprogramm sind das rund 10µA, das ist nichts. Das gibt natürlich Übernahmeverzerrungen ohne Ende. Und der Frequenzgang des Reglers endet bei 6,5kHz, der Frequenzgang der Endstufe bei ungefähr 4,5kHz. Dort gibt es dann einen derben Überschwinger im Frequenzgang, den PS Audio mit einem Kerbfilter davor versucht, auszubügeln. Das würde klingen wie durch ein altes Telefon, wie gesagt, wenn es eine Audio-Endstufe wäre. Ich mache mich an die Arbeit. Zunächst tausche ich den Regel-OP, einen unglaublich lahmen AD706, durch einen modernen OPA1642. Das verlängert den Frequenzgang des Reglers von 6,5kHz auf knapp 1MHz. Und dann mache ich mich in der Simulation daran, die Endstufe sauber in der Phase zu kompensieren. PS Audio hat da einfach in einen sehr hochohmigen Gegenkopplungszweig 47pF reingelötet und fertig. Das stellt das Gebilde zwar ruhig in Bezug auf seine Schwingneigung, aber es stellt eben auch den Frequenzgang ruhig ab 4,5kHz. Das heißt, bei höheren Frequenzen kann der Premier nichts mehr ausregeln und ist nur auf seine passiven Filter angewiesen, die aber weiter oben erst greifen. Ich modelliere vorsichtig den Frequenz- und Phasengang auf maximale Stabilität, aber bis weit über den Audiobereich hinaus. Das geht nicht einfach damit, dass man irgendwo 47pF hinlötet, dafür braucht es exakt abgestimmte RC-Glieder an den richtigen Stellen. Und dann sorge ich natürlich für einen ausreichenden Ruhestrom, so dass die Endstufe von einer reinen Class B zu einer Class AB wird.

Ich löte am Sonntag all das auf der Reglerplatine zusammen und bin unheimlich gespannt, ob das dann auch wirklich funktioniert. Dazu haben gestern aber noch die Leistungstransistoren gefehlt, um das alles in der Praxis zu testen. Ich mach mich also gleich an die Arbeit und baue jetzt all das heute morgen gelieferte Material für die Leistungsendstufen ein. Hoffentlich geht das Ding dann nicht wieder hoch!

Viele Grüße
Gert
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easy
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Beitrag von easy »

Ich wusste , daß dich der Ehrgeiz packt... :D
Freue mich auf die Fortsetzung deiner Story.....

Grüße
Reiner
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shakti
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Beitrag von shakti »

das liest sich spannend, in diesem thread bin ich gerne dabei :-)

Gruss
Juergen
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Reiner und Jürgen,
easy hat geschrieben:Ich wusste , daß dich der Ehrgeiz packt... :D
Freue mich auf die Fortsetzung deiner Story.....
shakti hat geschrieben:das liest sich spannend, in diesem thread bin ich gerne dabei :-)
na dann mach ich mal weiter. Da bleibt ja immer so ein Gefühl, wenn man in der Simulation etwas perfektioniert hat, dass das in der Praxis dann doch ganz anders aussieht, und oft ist das auch so. Die sind ja auch nicht blöd bei PS Audio, denke ich mir, irgendeinen Grund wird es schon haben, dass sie die Endstufe so lahm machen und den Regler auch. Vielleicht hatten sie das ja auch schon mit der schnellen Variante probiert und das ganze Gebilde schwingt dann hemmungslos als HF-Sender auf dem Netz? Solche und ähnliche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während ich die Transistoren wieder einbaue:

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Die Emitterwiderstände hatte Digikey in besonders feiner Ausführung mit nur 1% Toleranz bei 0,13Ohm:

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Der ganze Verstärkerblock mit meinen Änderungen kommt wieder rein:

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Ich rechne damit, dass es jetzt gleich irgendeine Überraschung gibt, siehe oben. Ich baue deshalb die Displayplatine aus, damit ich das Display anschließen kann, ohne den Deckel draufmachen zu müssen. Da ist Vorsicht geboten, denn überall da drin ist die Netzspannung auf dem Verstärkerblock. Ich fasse mir ein Herz und schalte 230V drauf. Erstmal passiert gar nichts. Die folgenden Sekunden kommen mir wie Stunden vor. Aber dann läuft der Lüfter an, wie er soll, und nach einiger Zeit wieder aus. Und ich drücke auf den Hauptschalter. Das Display geht an und da ist einfach Ruhe in der Kiste, es schwingt nichts, aber er regelt brav die Spannung. Wow!

Ich stecke schnell wieder aus, bevor ich noch 230V an den Fingern habe, und baue den Premier vollends zusammen. Er bootet wieder brav:

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Gehen wir mal die Anzeigen durch. Mit einem Poti am Boden lässt sich die exakte Ausgangsspannung einstellen. Ich wähle 230V:

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Dann der Klirr auf dem Netz, so wie der Saft reinkommt:

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Aus diesen 3% hatte der Premier im Original, wie er letzte Woche noch lief, 0,7% gemacht. Und jetzt:

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0,2% aus 3%, das ist aber ganz klar besser als vorher. Es zeigt, dass der schnellere Regelkreis jetzt auch höhere Frequenzanteile wegregeln kann. Aber sicher geht das dann in die Knie, wenn ich eine Last dran hänge, befürchte ich. Die erste beste Last, die rumsteht, ist eine elektronische Lötstation mit 100W. Immer noch 0,2%. Ich stecke noch eine Entlötstation und eine Heißluftstation dazu, was eben gerade da ist und viel Strom braucht. Immer noch 0,2%.

Da hatte ich wohl das richtige Händchen bei dem Amp. Jetzt aber schnell damit in den Hörraum.

Viele Grüße
Gert
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Hallo Gert,

ich bin happy, dass die G-Story doch noch weitergeht! Ich hänge gerade am PC und mag gar nicht mehr aus der Mittagspause gehen, so spannend ist das gerade.

Grüße
Fujak
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luebeck
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Beitrag von luebeck »

Hallo Gert,
meine Hochachtung vor deinem Mut sich an dieses Ding zu wagen!
Das Konzept von PS Audio mit dem auf die Netzspannung aufgesattelten Leistungsverstärker finde ich genial weil es die hoffentlich niedrige Netzimpedanz nicht erhöht.
Nur ich befürchte, es wird schwer, Transistoren zu finden, die alle Gemeinheiten unseres Versorgungsnetzes und Lastfälle zuverlässig aushalten, insbesondere natürliche transiente Überspannungen.
Verfolge den Fortgang mit großem Interesse und wünsche Glück!
Günter
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