Hallo Aktivhörer,
hier war ja ziemlich lange Projektpause.... ich musste einsehen, dass ich eigentlich viel zu große Wissenslücken habe um die Aktivierung vernünftig vorwärts zu bringen. Eine beantwortete Frage löst zwar ein Problem, es entstehen aber mindestens 2-3 neue Fragen... ihr kennt das ja. Das ich dennoch eine Teilaktivierung hinbekommen habe lag an eurer Mitarbeit, dafür nochmal herzlichen Dank in die Runde
Inzwischen laufen die Lautsprecher in einem mit Absorbern und Diffusoren akustisch optimierten Teil des Raumes, mehr dazu aber in einem anderen Thread, sonst wird’s hier was unübersichtlich.
Seit Ostern sind nun meine 4-Wege mit digitalen Weichen in Acourate aktiv und ich bin begeistert bis fassungslos, weil ich erst jetzt realisierte, auf was für Parameter des Lautsprechers man durch die unterschiedlichen digitalen Weichen Zugriff bekommt.
Aber erst mal von vorne, die Hardware: Da ich einen gebrauchten XLR Stereo Cleaner erwerben konnte habe ich da mal trotz gewisser Skepsis zugegriffen. Den Cleaner dann in das noch halb aktive System eingeschleift, eingeschaltet und Madame (die sonst lieber Diffusschall hört) ohne zu erzählen um was es geht in den Hörsessel beordert. Nach einer Minute den Cleaner ausgeschaltet und so getan als ob ich was einschalten würde. Sofortiger Protest aus dem Sessel: „Die Stimme in der Mitte war gerade aber irgendwie noch runder, geschlossener“. Also gut, der Cleaner bleibt.
Da es nun symetrisch aus dem Fireface in den Cleaner ging musste es auch symetrisch weiter in die Endstufen für MT und HT gehen. Deshalb habe ich mich für die Abacus 60-120 D Endstufen entschieden. Zum Schutz des HT ist in der Endstufe noch eine steilflankige Frequenzweiche 1000Hz eingebaut. (HT läuft mit Digitalweiche ab 2kHz) Außerdem ist die Funktion des Volume Reglers bei der Endstufe durch ein Festwiderstandsmodul außer Kraft gesetzt und auf eine fixe Verstärkung eingestellt worden.
Nun gut, als die Hardware verdrahtet war habe ich mal 2 verschiedene Frequenzweichen erstellt, die Zeitrichtigkeit der Treiber durch Acourate ermitteln lassen und den Frequenzgang auf meine Hörkurve linearisieren lassen. Dabei musste ich feststellen: Hat man erstmal den Workflow in Acourate verinnerlicht ist das eigentlich gar nicht so kompliziert.
Die Übergangsfrequenzen der Weichen sind gleich, die eine ist eine LBessel-Weiche 2.-4.Ordnung:
Diese trennt die Chassis sehr weich. Obwohl die einzelnen Wege deutlich andere Amplituden aufweisen bildet die Summe Graublau (Zwecks Übersicht um 3dB nach Oben gegaint) einen schnurgeraden Frequenzgang.
Die zweite ist eine Neville-Thiele auch 2.-4- Ordnung:
Diese trennt die Chasis recht steilflankig.
Die Sprungantworten sind fast identisch, der Frequenzgang wird eh von Acourate linearisiert, also wo sind die Unterschiede und gibt es die Überhaupt? Die Weichen lassen sich im Acourate Convolver per Fernbedienung am Hörplatz mit Pegelanpassung umschalten. Beim ersten Umschalten ist schon klar, dass es keine Nuancen sind in denen sich die Unterschiede bewegen, dass sind eher Welten. Tonal ändert sich nicht viel, aber die Darbietung des klanglichen Geschehens, besser der Charakter des Lautsprechers wird ein komplett anderer. Meine ersten Eindrücke habe ich mal direkt aufgeschrieben:
L Bessel-Weiche:
Die Bühne wirkt sehr weit weg, sehr breit und irgendwie fast hinter dem Lautsprecher. Ich bin versucht näher zu rücken, obwohl ich weiß, dass das unsinnig wäre. Die Höhen und Mitten klingen irgendwie angenehm abgerundet, es fehlt jede Schärfe, jeder Glanz. Die Ortung ist dabei sehr gut, es wirkt alles in einem positiven Sinne weichgespühlt, sehr rund und angenehm. Gesang und Instrumente bilden obwohl sie klar ortbar sind eine geschlossene Einheit, es klingt alles wie aus einem Guss.
Neville-Thiele:
Die Bühne wirkt eher straff, kompakt, wobei Mitten und Höhen irgendwie nahe kommen. Sie haben was anspringendes, jeder Ton kämpft förmlich mit dem Nächsten wer jetzt mehr glänzt, höher auflöst. Das lenkt von der Bühne eher etwas ab, bei gut aufgenommenen Electro-Alben lößt das im Kopf ein wahres Feuerwerk an Sensationen aus. Egal welcher Spur man gerade folgt, es brilliert irgendwie alles.
Natürlich kann man beiden Interpretationen auch ihre Fehler unterstellen, die aber erst beim Umschalten auf die andere Weiche zutage treten: Der weichen Bessel-Musik fehlen Ecken und Kanten, es kann auch irgendwie etwas verhangen wirken, distanziert. Die sensationelle Neville-Thiele kann gerade bei Stimmen zuviele Details freilegen, da klingt es dann zu kratzig.
Da ich mich ja nicht für eine Weiche entschließen muss hörte ich mal Abends immer ganze Alben nur auf einer Weiche.
Die Bessel-Bühne ist bei Live-Aufnahmen oder bei Singer/Songwriter Sachen fantastisch. Man hat zur Stimme und den Instrumenten eine gewisse Distanz, was den Live-Charakter irgendwie authentischer macht. Auch vorhandene Störgeräusche auf Live-Aufnahmen werden nicht so herausgearbeitet. Die Bühne ist eigentlich genau zwischen den Lautsprechern, die wirkt nur distanziert, wenn man von der NT Weiche umschaltet.
Die Neville-Thiele Weiche mit der passenden Musik gefüttert macht schon Laune. Die Höhen und Mitten sind so präsent, irgendwie aufgeladen, dass sie die Bühne nach vorne schieben. Da die Töne so nah sind bekommt die Musik so etwas unmittelbares, mitreißendes.
Den Unterschied rückblickend zur teilaktiven Variante mit passivem MT/HT möchte ich mal so beschreiben: Die passiven Höhen hatten schon so was anspringendes, wodurch sie manchmal etwas „vorlaut“ erschienen. Ein sehr hoher Ton wurde oft aus der Bühne „herausgerissen“ und klebte dann am Lautsprecher. Trotz umfangreicher raumakustischer Maßnahmen war ich mit der Mittenabbildung des Teilaktiven nicht ganz zufrieden. Die Ortungsschärfe am Rand der Bühne wurde immer besser, aber die Mitte musste man sich etwas „hinzudenken“. Das herausstechende, überpräsente der Höhen ist mit der NT Weiche komplett weg und das anspringende weitet sich auf den Mittelton aus. Dadurch genießt man das analytische Hörvergnügen, der Hochton ist aber im Bühnenbild besser integriert.
Wie treffend die Beschreibung eines Lautsprechers mit dem Satz „der Lautsprecher entwirft einen Raum….“ ist, verstehe ich auch erst jetzt. Ich dachte immer das wäre Information aus der Quelle, der Musik. Das der Lautsprecher bzw. dessen Frequenzweiche soviel Interpretationsspielraum haben hätte ich nicht erwartet.
Schlussendlich bin ich verblüfft, denn ich dachte immer, dass der Charakter eines Lautsprechers mit seinem Gehäuse und seinen Chassis irgendwie festgelegt wurde. Erwartet hätte ich durch die Aktivierung eigentlich die vorhandenen Qualitäten des Lautsprechers etwas zu steigern. Jetzt klingt es aber so, als hätte ich per Knopfdruck andere Lautsprecher vor mir stehen.
Dafür, dass es doch irgendwie eine Schnellaktivierung war, die noch reichlich Potential für Versuche bietet bin ich restlos begeistert
enthusiastische Grüße
Andreas