FLOW als Lautsprecherimplementation?

Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

O.Mertineit hat geschrieben:Wenn man die "Mitte" zw. Tieftöner und HT auf Ohrhöhe legt und manche LS umdreht, dann klingen sie anders. Den Erhebungswinkel des Schalleinfalls durch den Hochtöner allein halte ich dabei nicht für eine "dominante" Ursache. Man kann ja bei Interesse im Einzelfall jeweils beides ausprobieren.
Hallo Oliver

Es war eine Antwort auf Simons Frage nach Hören auf der horizontalen Achse Mittel-Hochtöner oder Hochtöner. Ich meine, man darf das nicht zu pauschal angehen.

Ich mache das bei mir unbekannten Boxen so: Ich gehe den Raum auf der Achse ab und finde meinen Hörplatz. Dann verschiebe ich die Boxen etwa auf den halben Abstand zur Rückwand, den ich hinter mir* zur Wand habe und richte die Breite ein, dann drehe ich sie nach innen, bis die Fokussierung am besten gelingt. Nun gehe ich in die Knie und suche die Abhörhöhe, in der die Box akustisch 'verschwindet', ich denke, wo der Hochton und der Rest weitgehend zeitkohärent sind. Entweder winkele ich die Boxen entsprechend vertikal an oder nehme einen tieferen Sessel oder Stuhl zum entspannten Hören auf der richtigen Höhe.

Was immer wieder auffällt, ist die Position der Stimme oberhalb der Boxenebene. Tolle Illusion, wenn die Sängerin vor einem regelrecht 'steht'! In meiner Unwissenheit habe ich nach Einsatz eines Raumkorrektursystems erwartet, dass die Höhenstaffelung noch deutlicher ausfällt. Da wurde ich aber enttäuscht. Es war mehr Luft zwischen den Instrumenten, die Fokussierung gelang besser, aber mehr Höhe? Fehlanzeige. Was in der Aufnahme nicht drin ist ...
Und dann habe ich mit De-Esser die Schärfe bei manchen Aufnahmen rausgenommen, damit verschwand auch die beeindruckende Höhenlokalisation der Stimme. Eine interessante Aufgabe, die Aufnahme so zu manipulieren, dass die Wiedergabe exakt der realen Körperhöhe entspricht ...(das meine ich aber jetzt nicht ernst).

Bei Boxen mit inverser Chassisanordnung, also BMT über HT, kann man das Becken über der Bassdrum lokalisieren. Das lässt die Chassisanordnung nicht erwarten. Weil es nichts mit Boxen zu tun hat - das ist bei Koaxialsystemen genauso, wie auch bei der gängigen BMT unter HT Anordnung, und da glaube ich sofort Blauert, der mit seinen Blauertschen Bändern eben den Bereich um 8 kHz mit Höhe verknüpft. Es ist ein Ohrmuschel/Pinna-Effekt, denke ich da ganz lapidar. Und Boxen mit dem Hochtöner unterhalb des Tiefmitteltöners machen das schön deutlich.

Grüße Hans-Martin

*) im kleinen Raum
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hans-Martin hat geschrieben:... wobei die Seitenwandreflexion durch das Dipol-Bündelungsverhalten weitgehend ausgeschaltet war.
Hallo Hans Martin,

Offene breite Schallwände wie Magneplanar, Apogee, Analysis Audio welche über ein schmales Hochtonbändchen verfügen aber auch LS mit konventionellen Hochtönern auf großen Schallwänden und in Relation breiter Schallwand, verfügen im Hochton nicht über eine dipolförmige Abstrahlung, sondern in der Horizontalebene über eine "relativ breite" und zudem "verzipfelte" Abstrahlung, welche also deutliche Nebenkeulen aufweist. Bei Analysis Audio mag das im Hochton durch eine "waveguide-artige" Struktur um das Bändchen herum zumindest bei hohen Frequenzen z.T. aufgefangen werden.

Die Bauform "offene Schallwand" wird in Foren gern - auch im Hochton - mit der Richtcharakteristik "Dipol" gleichgesetzt, das ist ein grundsätzlicher Fehler, den in den Köpfen zu korrigieren wohl Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde.

Offene Schallwande können - je nach Dimensionierung von Schallwand und Schallwandlern - eine dipolartige Richtcharakteristik aufweisen. In der Regel ist das aber nur im Tiefton bis in den unteren Mittelton der Fall. Als grobe Richtschnur: Wenn die Schallwand die doppelte Breite der Schallquelle übersteigt, dann sind Nebenkeulen unterhalb einer gewissen abgestrahlten Wellenlänge unausweichlich.

Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hans-Martin hat geschrieben:Und dann habe ich mit De-Esser die Schärfe bei manchen Aufnahmen rausgenommen, damit verschwand auch die beeindruckende Höhenlokalisation der Stimme. Eine interessante Aufgabe, die Aufnahme so zu manipulieren, dass die Wiedergabe exakt der realen Körperhöhe entspricht...(das meine ich aber jetzt nicht ernst).

Bei Boxen mit inverser Chassisanordnung, also BMT über HT, kann man das Becken über der Bassdrum lokalisieren. Das lässt die Chassisanordnung nicht erwarten.
Weil es nichts mit Boxen zu tun hat - das ist bei Koaxialsystemen genauso, wie auch bei der gängigen BMT unter HT Anordnung, und da glaube ich sofort Blauert, der mit seinen Blauertschen Bändern eben den Bereich um 8 kHz mit Höhe verknüpft.
Hallo Hans Martin,

die Blauert'schen Bänder sind mir bekannt, ebenso der deutliche Effekt einer Anhebung der HRTF um 7-8 Khz bei Bechallung von "oben". Es ist plausibel und entspricht meiner Erfahrung, daß Manipulationen am Frequenzgang in diesem Bereich das Empfinden des Erhebungswinkels einer Schallquelle - auch einer virtuellen - beeinflussen können.

Ich habe z.B. vor Jahrzehnten bei der Beschallung eines Messestandes - die nur mit sehr großem Erhebungwinkel möglich war - mit Notch Filtern in verschiedenen Abstufungen um 7-8Khz gearbeitet.

Es geschahen dadurch m.E. "keine Wunder" aber der z.T. unangenehme "von oben" Effekt und eine damit u.U. verbundene Schärfe wurden sehr stark abgemildert. Die Musik stand subjektiv mehr "im Raum" als es ohne diese Maßnahme möglich gewesen wäre: Die Musik hatte hier untermalenden Charakter, Gespräche der Besucher sollten nicht gestört werden, so war die Anforderung bei diesem Messestand.

Aber in der Vorbereitungzeit haben wir mit der Anlage auch mal "richtig" Musik gehört und konnten uns ein gutes BIld von dem Effekt machen.

Mein Einwand beim Thema "Klangunterschied beim Umdrehen von Regalboxen" (Hochtöner von oben nach unten) jedoch bleibt bestehen:

Der Effekt einer Änderung des Erhebungswinkels des Hochtöners gegenüber dem Hörer bleibt dadurch typischerweise sehr gering. So dramatisch sind die HRTF - bedingten Änderungen im Bereich 8Khz bei Beschallung von vorn und z.B. +/-3 Grad Änderung im Erhebungswinkel dann doch nicht ...

Die asymmetrische Richtcharakteristik - wie ich es in meinem vorigen Post erklärt habe - in der Vertikalen aufgrund von Laufzeitdifferenzen zwischen Tieftöner und Hochtöner an der Übernahmefrequenz ist in den allermeisten Situationen hier der absolut dominante Effekt.

Er kann sich sehr deutlich auf den Frequenzgang auswirken (einige dB) und liegt bei typischen Übernahmefrequenzen um 2...3.5 Khz in einem Frequnezbereich, in dem das Gehör sehr empfindlich ist. Klangfarben sowie Aspekte der räumlichen Abbildung verändern sich bei Manipulationen in diesem Bereich schon bei wesentlich geringeren Effekten, als sie durch das Umdrehen der meisten 2-Wege LS zu erwarten sind.

Bei nur geringen Winkeländerungen würde ich mich im Übrigen auch nicht auf die Lokalisationsschärfe in der Vertikalen verlassen. Für solche Betrachtungen führen "Eigenbeobachtungen" ohne Verblindung sehr schnell in den Bereich der Autosuggestion. Eine Differenzierung unterschiedlicher in Frage kommender Ursachen für veränderte Wahrnehmungen ist unter solchen unkontrollierten Bedingungen ganz und gar unmöglich.


__________________
Mir ist ein rel. umfangreiches Schrifttum zum räumlichen Hören bekannt, u.a. auch das Standardwerk von Jens Blauert.

Bei Versuchen zum Hören in der Medianebene kommt man in Abhängigkeit der verwendeten Signale zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen (z.B. Roffler & Butler 1968). Bei Tonimpulsen unterschiedlicher Frequenz beispielsweise wird der Erhebungswinkel von den Probanden nahezu unabhängig davon angegeben, in welchem Erhebungswinkel ein Lautsprecher wirklich steht.

Eine Lokalisatonsschärfe in der Medianebene, welche z.B. die Veränderung des Erhebungswinkels des Hochtöners allein durch Umdrehen einer kleinen Regalbox in z.B. 2m Entfernung sicher feststellen kann, ist m.E. durch keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.

Außerdem wäre es leicht möglich, bei solchen Versuchen Effekte durch veränderte Laufzeitverzerrungen und Richtwirkung des 2-Wege Systems und solche durch veränderten Erhebungswinkel des Hochtöners experimentell zu trennen: Das müsste man dann allerdings wirklich realisieren, um hier irgendwelche Aussagen treffen zu können.

Deshalb ist nur ein verblindeter Versuch mit geeignetem Versuchsaufbau hier das Mittel der Wahl.

Ansonsten bleibe ich bei meiner begründeten Annahme, daß Lokalisation in der Vertikalen eine "äußerst unscharfe" und unsichere Sache ist, die bei kleinen Änderungen des Erhebungswinkels sehr leicht durch das Vorhandensein anderer Effekte (zumal größerer Effekte) dominiert werden kann.

Autosuggestion ist m.E. keine gute Basis für technische Entwicklung, man sollte versuchen sie auszuschließen und vorhandene Effekte in eine Relation zueinander zu setzen, und zwar sowohl auditiv als auch messtechnisch.

Man ist sonst schnell beim Kabelklang (auch außerhalb messtechnisch relevanter Dimensionierungen) oder beginnt Steine auf Verstärker zu legen, welche vorher durch Gebetsformeln "energetisiert" wurden. Jedem kann das passieren, deshalb rate ich immer zur Vorsicht ...

Dabei gibt es bei der Musik-Wiedergabe innerhalb von Wohnräumen wirklich "große" und potentiell "wichtige" qualitätsbeeinflussende Faktoren in der Lautsprecher/Raum Interaktion, um die man sich kümmern sollte.

Grüße Oliver
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

O.Mertineit hat geschrieben:Bei Versuchen zum Hören in der Medianebene kommt man in Abhängigkeit der verwendeten Signale zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen (z.B. Roffler & Butler 1968). Bei Tonimpulsen unterschiedlicher Frequenz beispielsweise wird der Erhebungswinkel von den Probanden nahezu unabhängig davon angegeben, in welchem Erhebungswinkel ein Lautsprecher wirklich steht.

Eine Lokalisatonsschärfe in der Medianebene, welche z.B. die Veränderung des Erhebungswinkels des Hochtöners allein durch Umdrehen einer kleinen Regalbox in z.B. 2m Entfernung sicher feststellen kann, ist m.E. durch keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.
Hallo Oliver

Meine Aussage sollte lauten: Instrumente und Solisten Phantomschallquellen ortet man in der Höhe scheinbar durch ihre Obertöne, unabhängig von der Lage des Hochtöners (Höhe) in der Box. Die zitierte inverse Chassisanordnung diente nur der Veranschaulichung, weil schön paradox.

Ich wollte nicht anregen, die Box auf den Kopf zu stellen als eine Tuningmaßnahme, das wäre absurd.

Mit Mono-Terzrauschen und Balance auf halblinks gestellt, ortet man Phantomschallquellen in Abhängigkeit vom Frequenzband an den kuriosesten unerwarteten Stellen.
Und es ist nicht einmal symmetrisch, was da passiert, wenn man auf halbrechts dreht. Ulis Tool für die Bestimmung der individuellen Parameter für FLOW hat da auch deutlich aufgezeigt.

Sandel hat 1955 einen Linksdrall (wie Sengpiel es nennt) festgestellt, weitere Details hier.

Grüße Hans-Martin
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo, nochmal in die Runde ...

ich habe mich nach Hans-Martin's Hinweis ein wenig in das FLOW Konzept eingelesen und bin sehr interessiert ... vor allem an Hörbeispielen.

Zu der in diesem Thread behandelten FLOW "Hardware Implementation durch Lautsprecher" fallen mir mögliche positive und negative Aspekte gegenüber einer "rechnergestützten" Manipulation der Signale auf:

Tendenziell negativ (jedoch m.E. nicht zwingend "Showstopper"):

- die Abstufung der frequenzabhängigen Basisbreite ist an die Übernahmefrequenzen des LS gekoppelt

- Interferenzzustände einzelner Treiber an Übernahmefrequnenzen werden in die Horizontalebene verlagert (wurde hier schon genannt).

Tendenziell positiv:

- typische raumakustische Probleme z.B. durch zu nahe/zu frühe Seitenwandreflexionen im Übernahmebereich von Hochtönern (z.B. Hochtöner strahlt in 2-Wege LS zu breit oberhalb Übernahmefrequenz) können als positive Nebenwirkung in dafür geeigneten Einzelfällen abgemildert werden. Dies wird zwar mit einer etwas geringeren "Gesamt"- Basisbreite erkauft, aber der Preis könnte OK sein und tritt zwangsläufig auch bei "gerechnetem" FLOW auf ...

- höheres Übersprechen bedeutet für höhere Frequenzen, daß auch Interferenz zw. den Stereolautsprechern (L vs. R) selbst eine tendenziell größere Rolle spielt als bei nicht durch FLOW behandelten Aufnahmen. Der "FLOW Effekt" ist darauf angewiesen, daß Aufnahmen exakt in der Stereomitte abgehört werden.

Für Phantomschallquellen außerhalb der Mitte (hier Intensitätsstereophonie angenommen), nehmen Abweichungen durch Interferenz bei seitlich versetztem Hörplatz durch "gerechnetes" FLOW (Übersprechen bei höheren Frequenzen) gegenüber einer unbehandelten Aufnahme tendenziell leicht zu.

Durch "Hardware FLOW" werden Interferenzen und das Entstehen von Nebenkeulen im Direktschall für Plätze außerhalb der Stereomitte bei hohen Frequenzen eher abgemildert, weil der Abstand der Hochtonwandler zw. L und R kleiner wird.

Dieser positive Effekt einer real(!) verringerten Basisbreite bei hohen Frequenzen ist durch "gerechnetes" FLOW prinzipiell nicht zu erreichen. Er betrifft die Frage: "Wie stabil soll meine Stereowiedergabe gegenüber Bewegungen des Hörers und auch dauerhaftem Versatz des Hörers aus der Stereomitte sein."

_______________

"Hardware FLOW" durch Lautsprecherkonfiguration wäre also als Implementierung m.E. durchaus im Rennen, wenn man mit dem Konzept einer "frequenzadaptiven Basisbreite" experimentieren möchte. Geeignete Lautsprecher wären natürlich dafür Voraussetzung.


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Beitrag von O.Mertineit »

Hans-Martin hat geschrieben: Meine Aussage sollte lauten: Instrumente und Solisten Phantomschallquellen ortet man in der Höhe scheinbar durch ihre Obertöne, unabhängig von der Lage des Hochtöners (Höhe) in der Box. Die zitierte inverse Chassisanordnung diente nur der Veranschaulichung, weil schön paradox.
Hallo Hans Martin,

... passt schon, hab's (jetzt :wink: ) geschnallt. Diese von Dir beobachtete "Paradoxie" entspricht den Erkenntnissen:

Die mittleren zugeordneten Erhebungswinkel für Tonimpulse sehen nach Roffler & Butler 1968 relativ unabhängig vom realen Erhebungswinkel der Schallquelle in der Medianebene so aus:

7.20 Khz ca. +20 Grad
4.80 Khz ca. +11 Grad
3.20 Khz ca. +4 Grad
1.40 Khz ca. 0 Grad
0.60 Khz ca. -4 Grad
0.25 Khz ca. -5 Grad

Ich habe die Werte zum Roffler & Butler Experiment aus Jens Blauert "Räumliches Hören" Hirzel 1974, Bild 63 abgelesen, daher sind Ungenauigkeiten möglich.

Der Mensch kennt also offenbar aufgrund seiner Entwicklung "hohe" und "tiefe" Töne. Unsere wahrnehmungspsychologischen Eigenheiten spiegeln sich auch in unserem Sprachgebrauch ...


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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo,

Ergänzung zu "Interferenz von Stereolautsprechern", auf dieses "Spielzeug" muss ich hier
quasi obligatorisch verlinken:

http://www.falstad.com/interference/

Ruhig mal "Speaker Separation" auf einen realistischen Wert um 2m einstellen und die Frequenz auf 2600Hz. Dann sieht man, was man sich unter dem Direktschall von Stereo LS vorzustellen hat.

Ein überaus interessanter Artikel ist m.E. hier auch

"A new Approach to the Assessment of Stereo System Performance" von Bennet, Barker, Edeko
J. Audio Eng. Soc. Vol. 33 No 5 , 1985, vgl. Figur 5, S. 318

Wenn man "böse" formuliert könnte man sagen: Intensitätsstereofonie mit sinusartigen Signalen funktioniert spätestens irgendwo oberhalb 3Khz sowieso nicht mehr.

Für den mittleren bis oberen Hochtonbereich kann man sich daher durchaus Gedanken darüber machen, wie man Spuren im Schallfeld unterdrückt, die potentiell zu "Fehllokalisation" oder "Image Broadening" führen.

Glücklicherweise haben tiefe Frequenzen für die Lokalisation eine gewisse Dominanz, so daß nicht alles so heiß gegessen wird, wie die prinzipiellen Probleme der Stereophonie vermuten lassen.

Reflexionen aus dem Raum können ebenfalls stabilisierend auf die Abbildung wirken, auch wenn man für diese Auffassung - je nach Meinungsumfeld - tüchtig "Haue" beziehen kann.


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Beitrag von O.Mertineit »

Hans-Martin hat geschrieben: Mit Mono-Terzrauschen und Balance auf halblinks gestellt, ortet man Phantomschallquellen in Abhängigkeit vom Frequenzband an den kuriosesten unerwarteten Stellen.
Und es ist nicht einmal symmetrisch, was da passiert, wenn man auf halbrechts dreht. Ulis Tool für die Bestimmung der individuellen Parameter für FLOW hat da auch deutlich aufgezeigt.
Hallo Hans Martin,

es würde mich interessieren, wie bei der Wiedergabe reiner Intensitätsstereofonie ein "extreme FLOW" klingen würde, wo man einfach oberhalb einer gewissen Frequenz ein frequenzabhängig progressives Übersprechen zulässt ... ganz ohne individuelle Kalibrierung und mit sehr geringer Übersprechdämpfung im obersten Hochton.

M.E. muss hier aber auch Folgendes berücksichtigt werden:

Wenn ich ein nach links "gepanntes" Signal durch Übersprechen "zentriere", dann reicht es m.E. nicht aus die summierten L + R Spannungspegel auf gleichem Niveau wie das Ursprungssignal zu halten.

Vgl. "Panpot: Die Regel- und Pegelunterschiede", UdK Berlin Sengpiel 09.2003

Ich muss berücksichtigen, daß das Signal sich jetzt auf 2 Lautsprecher aufteilt, die aufgrund eines großen Abstandes in Relation zur Wellenlänge bei hohen Frequenzen nicht mehr als korreliert gelten können.

Die Addition zweier korrelierter Schallquellen mit gleichem Schalldruck liefert +6 dB, bei unkorrelierten
Schallquellen sind es jedoch nur +3dB. Ein Panpot, welches diesem Umstand Rechnung trägt, hält daher die Leistungssumme konstant und nicht die Spannungssumme: Die Spannungsumme ist in "Center" Stellung dann gegenüber L und R Stellung um 3dB erhöht.

Frage: Auf welche Art wird ist dieser Umstand bei "FLOW" berücksichtigt ?

Berücksichtigt man es nicht (Spannungssumme), dann würden im Extremfall - bei starkem Übersprechen - die Oberwellen virtueller Schallquellen welche in der ursprünglichen Aufnahme stark links oder rechts "gepannt" waren bei nun stärkerer Zentrierung leistungsmäßig im Schallfeld zurückgenommen (gerechnetes FLOW, wenn Spannungssumme konstant gehalten würde). *

Sie klängen nun vor allem im "Raumanteil" des Schallfeldes im Wiedergaberaum etwas "dunkler" während die "mittigen" Phantomschallquellen ihr Oberwellenspektrum behalten und obertonmäßig leicht hervortreten würden.

Mögliche Folge bei vielen typischen Aufnahmen: Mittige Vocals behalten ihr Obertonspektrum, gepannte Instrumente treten vom Obertonspektrum her leicht zurück.

Dies wäre aber eine Nebenwirkung auf das Leistungsspektrum unterschiedlich lokalsierter Phantomschallquellen, die nicht primär mit einer "Korrektur" der Lokalisation zu tun hätte.

Gibt es zu FLOW eine Art "White Paper", welches das Verfahren - wie es derzeit implementiert ist - beschreibt ?

Mein besonderes Interesse gilt der Art der Summierung beim Übersprechen und der Ermittlung der Frequenzabhängigkeit der Übersprechdämpfung.

Grüße Oliver

_________________

* Bei "Lautsprecher FLOW" passierte übrigens nichts dergleichen: Stark gepannte Oberwellen wandern unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Leistung einfach mit dem Lautsprecher weiter zur Mitte ...
Dafür passiert aber etwas mit den Oberwellen mittiger Phantomschallquellen: Deren Leistung nimmt im Schallfeld des Wiedergaberaums tendenziell etwas zu, weil die Hochtöner durch verminderten Abstand stärker korreliert werden ...

Es gibt also Anlass über klangliche Unterschiede nachzudenken, deren Manifestationsebene außerhalb der Stereolokalisation liegen und primär mit dem Erhalt des Leistungsspektrums individueller Phantomschallquellen im Wiedergaberaum zu tun haben.

Ist ein Verfahren hier nicht nachweislich neutral, dann wird es schwer die jeweiligen Gründe für individuelle "Bevorzugung" oder "Ablehnung" festzumachen, denn es wäre dann klar, daß es erstmal "anders" klingen muss.

Ich sage das als eindeutig Interessierter Hörer, nicht als "vorab" Kritiker.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

O.Mertineit hat geschrieben:es würde mich interessieren, wie bei der Wiedergabe reiner Intensitätsstereofonie ein "extreme FLOW" klingen würde, wo man einfach oberhalb einer gewissen Frequenz ein frequenzabhängig progressives Übersprechen zulässt ... ganz ohne individuelle Kalibrierung und mit sehr geringer Übersprechdämpfung im obersten Hochton....
Hallo Oliver

Dropboxe mir mal einen Track (Flac, WAV), den ich so bearbeite, wie du es vorgibst, also Übersprechen / Frequenz.
Sie klängen nun vor allem im "Raumanteil" des Schallfeldes im Wiedergaberaum etwas "dunkler" während die "mittigen" Phantomschallquellen ihr Oberwellenspektrum behalten und obertonmäßig leicht hervortreten würden.

Mögliche Folge bei vielen typischen Aufnahmen: Mittige Vocals behalten ihr Obertonspektrum, gepannte Instrumente treten vom Obertonspektrum her leicht zurück.

Dies wäre aber eine Nebenwirkung auf das Leistungsspektrum unterschiedlich lokalsierter Phantomschallquellen, die nicht primär mit einer "Korrektur" der Lokalisation zu tun hätte.
Das habe ich so gehört, aber anders interpretiert. Für mich ist die Abbildung der Grundton- und der Oberton-Phantomschallquelle am selben Ort eine natürlichere, integrierte Gesamtwahrnehmung des Originalinstruments. Dann fallen die vielen invertierten Tonaufnahmen noch deutlicher auf, der Unterschied zur korrekten Polarität ist leichter und eindeutiger hörbar.
Gibt es zu FLOW eine Art "White Paper", welches das Verfahren - wie es derzeit implementiert ist - beschreibt ?
Mir nicht bekannt, ich schreibe keins.
Mein besonderes Interesse gilt der Art der Summierung beim Übersprechen und der Ermittlung der Frequenzabhängigkeit der Übersprechdämpfung.
Das kannst du selbst ermitteln, indem du Mono-Terzrauschen verschiedener Bänder bei gleichem (un)Balanceverhältnis vergleichst und die Kompensation notierst, mit der die Richtung beibehalten bleibt.
* Bei "Lautsprecher FLOW" passierte übrigens nichts dergleichen: Stark gepannte Oberwellen wandern unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Leistung einfach mit dem Lautsprecher weiter zur Mitte ...
Dafür passiert aber etwas mit den Oberwellen mittiger Phantomschallquellen: Deren Leistung nimmt im Schallfeld des Wiedergaberaums tendenziell etwas zu, weil die Hochtöner durch verminderten Abstand stärker korreliert werden ...
Könnte bei J.J. Cale nicht schaden ... Aber die etwas zur Mitte verschobenen Chassis senken die Höhen etwas ab, wenn man den Bereich 2-8kHz betrachtet (HRTF, Link s. u.).
Ist ein Verfahren hier nicht nachweislich neutral, dann wird es schwer die jeweiligen Gründe für individuelle "Bevorzugung" oder "Ablehnung" festzumachen, denn es wäre dann klar, daß es erstmal "anders" klingen muss.
Ob Stereo nachweislich neutral klingt, muss auch erst noch bewiesen werden. Bei Mono aus einem Lautsprecher sehe ich das viel einfacher. Die HRTF Kurven bezeugen, dass eine echte Schallquelle aus der Mitte doch etwas anders klingt als ihre Phantom-Wiedergabe von 2 linearen Lautsprechern, die auf den Hörer mit 30° Abweichung strahlen. Das hatten wir mit Eberhard Sengpiel hier diskutiert: Betreff: Fragen an die Tontechnik, da sind auch als animated GIF die richtungsbezogenen Kurven

Grüße Hans-Martin

P.S.http://www.davidgriesinger.com, hier:
Spaciousness and Localization in Listening Room and Their Effects on the Recording Technique* 1986
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Hallo Hans Martin,

danke erstmal für die Informationen und Dein freundliches Angebot, ich werde erstmal ein wenig "in mich gehen" ... und Du hast zu befürchten, daß ich Dir tatsächlich ein File schicke ...

Muss es noch aussuchen und überlegen, was ich damit machen will.

Grüße Oliver
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Beitrag von Hans-Martin »

O.Mertineit hat geschrieben: Muss es noch aussuchen und überlegen, was ich damit machen will.
Hallo Oliver

vergleichend anhören natürlich, genau hinhören und analysieren, bewerten und entscheiden, ob besser oder schlechter. Wenn die Wahl eines Stückes schwerfällt, schick einfach mehrere, am besten keine dynamikkomprimierte Grütze. Wenn DR unter 10 festgestellt wird, kann man das doch gleich vergessen. Den Rest formaler Post bitte per PN, bevor die Moderatoren sie hier entfernen.

Grüße Hans Martin
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

Hallo Oliver
O.Mertineit hat geschrieben: Die mittleren zugeordneten Erhebungswinkel für Tonimpulse sehen nach Roffler & Butler 1968 relativ unabhängig vom realen Erhebungswinkel der Schallquelle in der Medianebene so aus:

7.20 Khz ca. +20 Grad
4.80 Khz ca. +11 Grad
3.20 Khz ca. +4 Grad
1.40 Khz ca. 0 Grad
0.60 Khz ca. -4 Grad
0.25 Khz ca. -5 Grad

Ich habe die Werte zum Roffler & Butler Experiment aus Jens Blauert "Räumliches Hören" Hirzel 1974, Bild 63 abgelesen, daher sind Ungenauigkeiten möglich.
Interessant ... Dann würde also ein HT, welcher typischerweise "oberhalb" ca. 2kHz werkelt, eine psychophysiologische, vertikale Unschärfe von ca. +2° ... +20°/ +25° generieren.

Wenn nun der MT mit dem Frequenzbereich von 200Hz ... 2kHz wie üblich unterhalb des HT montiert wird, dann entsteht an der Hörposition bei 2m Hörabstand vielleicht ein Versatz zum HT von ca. -5°. Dazu kommt noch nach Roffler das hörphysiologische Verschmieren von ca. -5° dazu, macht insgesamt -10°. Das Gesamtsystem würde somit im Bereich von 200Hz ... 10kHz insgesamt ca. 30° ... 35° verschmieren.

Machen wirs nun besser mit upside-down? Der MT kommt, vom Hörplatz her betrachtet, ca. +5° über den HT montiert, und verschmiert mit dem Frequenzbereich von 200Hz ... 2kHz weiterhin seine habituellen 0° ... -5°. Gleich Insgesamt vertikal +5° ... 0° "Schmierversatz" von 2kHz ... 200Hz für den Mitteltöner.

Das invers montierte Gesamtsystem mit HT unten und MT oben schmiert somit bloss noch 20°... 25°, statt deren 30° ... 35° bei konventioneller Montage. Bildet das inverse System deshalb möglicherweise etwas schärfer ab, als das Konventionelle?

Umkehrgrüsse
Simon
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Nova Auralis
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Beitrag von Nova Auralis »

O.Mertineit hat geschrieben:bei den meisten LS - z.B. 2-Wege Regal LS - sehe ich einen klanglichen Unterschied beim "Umdrehen" eher darin begründet, daß die maximale vertikale Abstrahlung gegenüber der "Schallwandnormalen" (0-Grad) im Bereich der Übernahmefrequenz geneigt ist und eine Frequenzabhängigkeit aufweist.

Wenn man die "Mitte" zw. Tieftöner und HT auf Ohrhöhe legt und manche LS umdreht, dann klingen sie anders. Den Erhebungswinkel des Schalleinfalls durch den Hochtöner allein halte ich dabei nicht für eine "dominante" Ursache. Man kann ja bei Interesse im Einzelfall jeweils beides ausprobieren.
Ich nehme an, der erste Abstatz bezieht sich auf die für gewöhnlich (bei Lautsprechern mit Anordnung des Hochtöners über dem Mitteltöner) zum Fußboden hin geneigte Abstrahlkeule, bedingt durch den Zeitversatz bzw. das unterschiedlich lange Einschwingen der beiden beteiligten Einzelchassis um die Übernahmefrequenz herum. Der klangliche Unterschied würde in diesem Fall also auch erst bei Interaktion des Lautsprechers mit dem Raum entstehen, da sich die Diffusschallantwort aufgrund der veränderten vertikalen Abstrahlung (Spiegelung an der horizontalen Achse) ebenso ändert? Was jeweils das besseres Ergebnis einbringt, hängt dann wohl von der akustischen Beschaffenheit von Fußboden und Decke ab.

Falls dies der einzig dominante Effekt wäre, ließe sich dies doch eigentlich vollständig relativieren, indem man bei Aktivlautsprechern die Einzelchassis entsprechend zeitlich kohärent ansteuert (dass die Phasen zumindest innerhalb des Übernahme-Frequenzbereichs übereinstimmen)?

Die verbleibenden mehr oder weniger ausgeprägten Effekte wären dementsprechend die (HRTF-bedingte) Änderung der Hörwahrnehmung durch Heben/Senken des realen Einfallswinkels, die frequenzabhängige vertikale Lokalisation unabhängig des realen Einfallswinkels und damit möglicherweise unterschiedlich starkes vertikales "Verschmieren" der Abbildung bei Vertauschen der Chassisanordnung, sowie die resultierenden veränderten Ergebnisse bezüglich Kantenreflexionen durch unterschiedliche Chassisanordnungen auf der Schallwand. Ferner müssen natürlich immer die treiberspezifischen Eigenschaften (insbesondere hierbei das Abstrahlverhalten) beachtet werden.

Gibt es weitere zu beachtende Punkte, die hier - im Hinblick auf die Entscheidung, den Hochtöner lieber ober- oder unterhalb des Mitteltöners anzuordnen - eine Rolle spielen könnten?

Unabhängig vom Abstrahlverhalten der Einzelchassis, welches Chassis sollte am ehesten auf Ohrhöhe gebracht werden? Auf welche Weise verändert sich jeweils die empfundene Höhe der projizierten Abbildung? Wird ein Großteil des Klanggeschehens eher auf Höhe des Hochtöners oder des Mitteltöners lokalisiert?

Wie lässt sich ferner eine Projektion deutlich über Boxenebene erreichen, wenn dies z.B. aufgrund relativ kleiner Standlautsprecher (wo keines der Chassis auf Ohrhöhe gebracht werden kann) gefordert wäre? - Manipulationen im entsprechenden blauert'schen Frequenzband einmal beiseite gelassen.
Hans-Martin hat geschrieben:Was immer wieder auffällt, ist die Position der Stimme oberhalb der Boxenebene. Tolle Illusion, wenn die Sängerin vor einem regelrecht 'steht'!
Ich frage, weil ich mich demnächst bei meinen ersten Eigenentwicklungen entscheiden darf, wie ich diese gestalte. Das optische Erscheinungsbild soll nicht zu dominant wirken, weswegen ich grundsätzlich in Richtung schmalerer und zugleich auch nicht zu hoher Standlautsprecher tendiere. Im Zweifel könnte zumindest das oberste Chassis auf Ohrhöhe gebracht werden (lieber wäre es mir aber etwa 3 Grad unterhalb). Der Hochtöner wird in jedem Fall leicht nach innen versetzt (nicht nur wegen FLOW, sondern insbesondere auch wegen der Kantenreflexionen), deswegen können die Chassis-Zentren vertikal etwas zusammenrücken.

Ich hoffe auf ein paar Ratschläge, die mich bei meiner Entscheidungsfindung weiterbringen. :wink:
O.Mertineit hat geschrieben:Bei nur geringen Winkeländerungen würde ich mich im Übrigen auch nicht auf die Lokalisationsschärfe in der Vertikalen verlassen. Für solche Betrachtungen führen "Eigenbeobachtungen" ohne Verblindung sehr schnell in den Bereich der Autosuggestion. Eine Differenzierung unterschiedlicher in Frage kommender Ursachen für veränderte Wahrnehmungen ist unter solchen unkontrollierten Bedingungen ganz und gar unmöglich.

...

Eine Lokalisatonsschärfe in der Medianebene, welche z.B. die Veränderung des Erhebungswinkels des Hochtöners allein durch Umdrehen einer kleinen Regalbox in z.B. 2m Entfernung sicher feststellen kann, ist m.E. durch keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.

Außerdem wäre es leicht möglich, bei solchen Versuchen Effekte durch veränderte Laufzeitverzerrungen und Richtwirkung des 2-Wege Systems und solche durch veränderten Erhebungswinkel des Hochtöners experimentell zu trennen: Das müsste man dann allerdings wirklich realisieren, um hier irgendwelche Aussagen treffen zu können.

Deshalb ist nur ein verblindeter Versuch mit geeignetem Versuchsaufbau hier das Mittel der Wahl.

Ansonsten bleibe ich bei meiner begründeten Annahme, daß Lokalisation in der Vertikalen eine "äußerst unscharfe" und unsichere Sache ist, die bei kleinen Änderungen des Erhebungswinkels sehr leicht durch das Vorhandensein anderer Effekte (zumal größerer Effekte) dominiert werden kann.
Aufgrund dieser Umstände lassen meine eigenen Experimente auch leider keine sicheren Erkenntnisse zu, genauso gut könnte alles Autosuggestion sein, oder aber tatsächlich gehörte Unterschiede auf den erwähnten anderen Effekten beruhen.

Ich hatte versucht durch das einfache Umdrehen meiner vorhandenen passiven 2-Wege Lautsprecher einen Vergleich zu bekommen, ich bin mir aber letztendlich vollkommen unsicher geblieben, da sich der ganze Klangcharakter zu stark verändert hat, als dass ich da "in Stein meißelbare" Aussagen über die vertikale Lokalisation treffen könnte.

Mein Eindruck war jedoch, dass der Hochton durch eine inverse Anordnung wider Erwarten doch deutlich nach unten verschoben wird. Bei dieser Anordnung erhielt ich nur ein halbwegs homogenes Klangbild, wenn ich mich auf die Ebene des Hochtöners herabbegab, sprich bei dann erhobenem Mitteltöner. Das Geschehen spielte sich dabei hauptsächlich auf Höhe oder knapp über dem Hochtöner ab und war relativ gut fokussiert. Wenn ich mich hingegen auf die Mitteltöner-Ebene begab, zerfiel die Abbildung; die Mitten wurden fast durchweg über Boxenoberkante lokalisiert, manche Höhen aber klebten zum Teil deutlich am tiefer gelegenen Hochtöner. Dazwischen klaffte eine Lücke (stark übertrieben ausgedrückt).

Drehte ich die Lautsprecher wieder in ihre angedachte Stellung (Hochtöner zuoberst), erschien mir die Abbildung insgesamt "zusammenhängender" und zugleich größer. Die Mitten wurden - vermutlich dank Obertöne - weiterhin deutlich nach oben getragen (beim Hören auf Hochtöner-Ebene oder darüber), sodass Stimmen und einige Soloinstrumente vergleichbar hoch über Boxenoberkante zu lokalisieren waren, wie bei umgedrehter Anordnung (beim Hören auf Mitteltöner-Ebene oder darüber). Im Gegensatz zu letzterer war nun aber auch die Perkussion auf ähnlicher Höhe angesiedelt.

Zumindest lässt sich aus meinen Beobachtungen ableiten, dass bei meinen gegebenen Lautsprechern in Kombination mit meinem gegebenem Hörraum ein schlichtes Umdrehen dieser wohl eher keine "Tuning-Maßnahme" darstellt. :cheers:
O.Mertineit hat geschrieben:Die mittleren zugeordneten Erhebungswinkel für Tonimpulse sehen nach Roffler & Butler 1968 relativ unabhängig vom realen Erhebungswinkel der Schallquelle in der Medianebene so aus:

7.20 Khz ca. +20 Grad
4.80 Khz ca. +11 Grad
3.20 Khz ca. +4 Grad
1.40 Khz ca. 0 Grad
0.60 Khz ca. -4 Grad
0.25 Khz ca. -5 Grad
Daihedz hat geschrieben:Interessant ... Dann würde also ein HT, welcher typischerweise "oberhalb" ca. 2kHz werkelt, eine psychophysiologische, vertikale Unschärfe von ca. +2° ... +20°/ +25° generieren.

Wenn nun der MT mit dem Frequenzbereich von 200Hz ... 2kHz wie üblich unterhalb des HT montiert wird, dann entsteht an der Hörposition bei 2m Hörabstand vielleicht ein Versatz zum HT von ca. -5°. Dazu kommt noch nach Roffler das hörphysiologische Verschmieren von ca. -5° dazu, macht insgesamt -10°. Das Gesamtsystem würde somit im Bereich von 200Hz ... 10kHz insgesamt ca. 30° ... 35° verschmieren.

Machen wirs nun besser mit upside-down? Der MT kommt, vom Hörplatz her betrachtet, ca. +5° über den HT montiert, und verschmiert mit dem Frequenzbereich von 200Hz ... 2kHz weiterhin seine habituellen 0° ... -5°. Gleich Insgesamt vertikal +5° ... 0° "Schmierversatz" von 2kHz ... 200Hz für den Mitteltöner.

Das invers montierte Gesamtsystem mit HT unten und MT oben schmiert somit bloss noch 20°... 25°, statt deren 30° ... 35° bei konventioneller Montage. Bildet das inverse System deshalb möglicherweise etwas schärfer ab, als das Konventionelle?
Das würde mich ebenfalls brennend interessieren, ist dies tatsächlich so?

Mir stellt sich jedoch zusätzlich die Frage, ob es wirklich zielführend ist, das System die Töne vertikal weniger stark "auffächern" zu lassen um somit "schärfer" oder "genauer" abzubilden? Denn Höhen-Informationen sind auf der Aufnahme doch sowieso nicht vorhanden, Ziel ist es aber trotzdem eine realitätsnah große Abbildung (auch in der vertikalen Ausbreitung) zu erhalten. Ich könnte mir deshalb rein theoretisch ebenso vorstellen, dass ein deutlich nach oben versetzter Hochtöner die Abbildung (mithilfe der Obertöne) stark nach oben zieht und "aufweitet", und dies womöglich in der Wirkung beeindruckender involvierender sein könnte, als wenn man das Geschehen quasi durch einen kleinen "Spalt" zu beobachten das Gefühl hat. Selbstverständlich spielt hier auch wieder der persönliche Geschmack eine Rolle.

Es wäre natürlich wunderbar, wenn sich zukünftig noch irgendwelche konkreten Empfehlungen herauskristallisieren würden. Aber auch eine wieder aufgenommene weitere theoretische Diskussion wäre spannend. :)

Beste Grüße,
Jannis
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Nova Auralis
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Beitrag von Nova Auralis »

Hallo,

ich habe nun einen weiteren Test bezüglich vertikal inverser Chassisanordnung (mangels Alternativen leider erneut nur durch einfaches Umdrehen meiner 2-Wege Passivlautsprecher) vollzogen, diesmal jedoch mit komplett frei im Raum stehenden Lautsprechern und Abhöre im Nahfeld. Somit wurden zumindest zum Teil die Raumeinflüsse ausgeblendet.

Das Ergebnis war recht ähnlich, das heißt die Grundtendenzen blieben bestehen. Besonders zu Bewusstsein gestiegen ist mir hingegen ein ziemlich eklatanter Unterschied in der Darstellung der "Bühnentiefe". Dies war mir zuvor schon aufgefallen, die freie Aufstellung zeigte den Umstand aber umso deutlicher auf. So geht die Illusion der abgebildeten Bühne bei vertikal inverser Chassisanordnung ein gutes Stück weiter in die Tiefe - allgemein wirkt die räumliche Abbildung in alle Richtungen "offener".

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, woran dies liegen mag? Ist es allein dem Umstand geschuldet, dass die Abstrahlkeule größter zeitlicher Kohärenz zwischen den Chassis eher in Richtung Ohren ausgerichtet ist, oder spielt ebenso der unterschiedliche Einfallswinkel des Schalls eine Rolle?

Wäre nur ersteres der Fall, müsste der beschriebene klangliche Vorteil bei entsprechend vorausentzerrten Lautsprechern (eventuell alternativ auch bei konstruktiver Korrektur durch gegeneinander räumlich versetzte Chassis) eigentlich wegfallen, bzw. beide Chassisanordnungen gleichauf "räumlich" spielen?

Damit bliebe als klanglich stark ausgeprägter Effekt die Irritation durch die zum Teil scheinbar von "unten" kommenden Höhen, sei dies nun eine Folge tatsächlich erfolgter Richtungslokalisation durch den Hörapparat, oder nur ein hörpsychologisches Phänomen, weil mir meine Augen suggerieren, der Hochton müsse eben von dort unten kommen.

Unabhängig der wirklichen Hintergründe ist dieser Faktor deshalb durchaus bedeutend für mich und ich wäre nur bereit hier einen Kompromiss einzugehen, wenn mir die vertikal inverse Chassisanordnung an anderer Stelle stark ausgeprägte klangliche oder/und optische Vorteile bescheren würde. Nach meinen persönlichen Vorlieben zu urteilen wäre mir da eine tiefere virtuelle Bühne womöglich bereits Grund genug. Auch falls das Konzept - z.B. bei weiteren nötig gewordenen Maßnahmen gegen Kantendiffraktion durch das Anordnen des Hochtonchassis nahe der Gehäuseoberkante - ansonsten zu sehr mit meinen ästhetischen Vorstellungen kollidieren würde, ließe mich das eher mit einer vertikal inversen Chassisanordnung sympathisieren.

Wie dem auch sei, ich wäre jedenfalls überaus froh über hilfreiche Antworten zu dem Thema. :wink: Hätte ich aktuell die entsprechenden Möglichkeiten, würde ich ja durchaus experimentell versuchen diesbezüglich zu Erkenntnissen zu gelangen, da dies aber nun einmal nicht der Fall ist, bin ich auf theoretische Ansätze oder Erfahrungen/Wissen anderer angewiesen.

Beste Grüße,
Jannis
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Jannis
Den Artikel über die Anfangszeitlücke sollte man kennen, um zu verstehen, wie wir Entfernung, Raumtiefe erkennen.
Für die Wiedergabe mit Lautsprechern zeigt sich, dass der Solist sich in Richtung Hörer bewegt, wenn jegliche Artefakte, Diffusität, Rauschen, Klirr usw. geringer sind, wenn man von Blauertschen Bändern für die Lokalisation absieht, oder vom FG im Mitteltonbereich. Nimmt man die Mitten zurück, wird das Klangbild auch zurückhaltender, noch etwas Rauschen, Diffusität, schon rutscht alles zurück.


Ich habe ein einfaches Experiment hier beschrieben, 2 Lautsprecher vertikal spiegelbildlich zur Ohrhöhe angeordnet, Monoansteuerung. Ergebnis bei mir: Die Summe ortet man nicht in der Mitte (vertikal). Ich rechne das HRTF zu.

Bei fast allen Lautsprechern hat man einen vorauseilenden Hochtöner in der Sprungantwort. Ich denke, der Hersteller hat seine Weichenauslegung und die Sprungantwort aufeinander abgestimmt. Wenn die inverse (oder nicht-invers) Anordnung des Hochtöners dazu erforderlich ist, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, sollte man die Box nicht auf den Kopf stellen, sonst klingt sie wahrscheinlich schlechter, außer der Hörer ist auf derselben Achse des Lautsprechers (wie oben vorausgesetzt).

Auch bei Lautsprechern mit inverser Anordnung habe ich das Becken über der Trommel geortet.
Aber wenn sie auf dem Teppich stehen, klingen sie nicht annähernd so gut, wie wenn der Mittelton auf ca. Ohrhöhe spielt.

Ein anderer Aspekt: Wenn ich im Konzertsaal sitze, und die Orchestermusiker sitzen auf dem Podium niedriger als ich im Auditorium auf meinem Sitzplatz, wie müsste man die Lautsprecher aufstellen, um eine natürliche Wiedergabe zu erreichen?
Die Frage, wie es aus jener Perspektive klingt, wo die Mikrofone deutlich über den Köpfen für die Aufnahme schweben, darf man besser nicht stellen, denn diese Plätze kann man nicht buchen.
Abgesehen davon, dass man die beiden letzten Sätze für reine Rhetorik halten könnte, lohnt es sich, über das Zustandekommen einer Aufnahme nachzudenken, bevor man über die optimale Ergänzung der Aufnahme/Wiedergabe-Kette, sprich Wahl der Lautsprecher und ihre Positionierung nachdenkt.
Viel zu selten erfährt der Hörer, welches Equipment bei der Aufnahme eingesetzt wurde, mit viel Glück kann man anhand der Bilder aus dem Beiheft die Mikrofonaufstellung erkennen. Was ich zu dem Thema zusammentragen konnte, habe ich hier zusammengestellt.

Und spätestens hier müsste auffallen, dass es kein Stereo-Paradigma gibt, keine vereinheitlichtes Aufnahmeschema (außer vielleicht Kunstkopf-Aufnahmen für Kopfhörerwiedergabe) lässt auch kein vereinheitlichtes Lautsprecheraufstellschema zu. Denn anhand eines gleichseitigen Dreiecks von Boxen/Hörplatz mit neutral-linearem FG bei der Box müsste es dem Aufnahmetechniker doch möglich sein, realitätsnahe Aufnahmen zu machen und per Tonträger oder Download zu vermarkten, die unter bekannten und vorgegebenen Wiedergabebedingungen wiedererkennbar sind.

Vergleicht man die erfolgreichen Pop-Produktionen in Vinyl (jetzt hier als Beispiel für viele: Fleetwood Mac Rumours), ihre Wiederauflage als CD, die spätere Remastervariante, so stellt man Klangunterschiede fest.
Welche von den Versionen kommt als naturgetreu im Klang(High-Fidelity) am nächsten an das Original heran, welche Version ist am meisten verfremdet? Man sollte erwarten, dass damals die Musiker und Tonmeister nah dran waren. Ich tendiere dazu, der dynamikkomprimierten Version mit den +5dB im Bass und +3dB Anhebungen in den Höhen die Natürlichkeit abzusprechen, auch wenn sie bei Leisehörern und Autofahrern besser ankommt, Dokumentation hier.
Wenn dann das berühmte Remastering-Studio (Bernie Grundman, USA) eine ursprünglich korrekte Aufnahme wie Jennifer Warnes The Hunter zur Wiederbearbeitung im eigenen Haus bekommt und erneut durch die Mangel dreht, leicht komprimiert, aber die Polarität auf Invers umstellt, und damit die Diffusität erhöht -was der Genauigkeit abträglich ist und die Zischlauteproblematik erhöht- vergeht mir der Appetit.
Dafür nährt es den Zweifel.
Es ist ein heikles Thema, wie man mit vorhandenen Aufnahmen Erkenntnisse gewinnt, Tendenzen erkennt, aber letztlich mit nur einem Aufbau für alle Fälle / Aufnahmen beste Ergebnisse erhalten möchte.
Vielleicht muss man die Aufnahmen nachbearbeiten und wegspeichern, derart, dass sie mit einem eingemessenen vorgegebenen Lautsprechersystem relativ bessere (optimale will ich nicht sagen) Ergebnisse liefern.
Wenn man Lautsprecher derart konfiguriert, dass sie mit bestimmten (1) Aufnahmen besser klingen, bestimmte Effekte erzielen, überzeugen, dafür mit anderen Aufnahmen (2) nicht mehr (im Sinne von: enttäuschen), wie erkennt man, dass die zugrunde gelegte Aufnahme (1) besser war als (2)?
Grüße Hans-Martin
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