Versuch: Regelung mit einem Doppelschwingspulen-Tieftöner

KSTR
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Beitrag von KSTR »

dietert hat geschrieben:Die Tachospannung ist dann bei der 4-Ohm Spule geringer. Die Induktivität geht aber mit dem Quadrat der Windugszahl, d.h. eine 4-Ohm-Spule müsste eigentlich Vorteile haben. Das habe ich aber gerade nicht beobachtet.
Da musste ich jetzt mal nachdenken bzw simulieren. Vier Schwingspulen-Segmente zu 4R und 1mH, jeweils zwei für Antrieb und zwei für Tacho, Koppelfaktor aller Spulen zueinander von (willkürlich) 0.25. Einmal diese Pärchen alle seriell, einmal alle parallel. Ergebnis: Frequenzgang des Übersprechens bleibt gleich.

Weniger Übersprechen gibt es nur mit weniger Koppelfaktor, also mit mehr geometrischer Trennung ... führt dann irgendwann zur üblichen orthogonalen separaten Sensorspule...
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dietert
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Beitrag von dietert »

Gut, anscheinend ist der Schwingspulenwiderstand nicht das gesuchte Qualitätsmerkmal, sondern neutral. In meiner Mail von gestern hatte ich ja vier Chassis genannt, zwei mit 200 Hz ( 4 Ohm und 8 Ohm), eins mit 170 Hz (8 Ohm), eins mit 100 Hz (4 Ohm).
Eigentlich muss sich die Frequenz, wo die Kerbe liegt, aus den TSP-Parametern und dem zugrunde liegenden Modell berechnen lassen. Weiß nicht, ob ich das hinkriege.
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Siehe mein erster Beitrag hier auf Seite eins. Die Frequenz der Kerbe ist der Schnittpunkt der Geschwindigkeits-Übertragungsfunktion die mit 20dB/dec zu fallen beginnt (oberhalb Fs) und der zunächst mit 20dB/dec steigenden ÜF des Übersprechens, die später waagrecht zu verlaufen beginnt. Wegen der Wirbelstromverluste usw nur in erster Näherung...
Wenn der Koppelfaktor klein ist, rutscht das Pegelniveau des Überprechens nach unten und der Schnittpunkt damit nach rechts. Soviel können wir qualitativ schonmal festhalten.

Ich denke dass eine analytische Herleitung der quantitativen Zusammenhänge recht mühsam ist und uU dann dennoch nicht nahe genug an der Realität.... von daher wird man ums Messen nicht herumkommen.
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Klaus, Dieter,

seit Ihr das Dokument von C-Y Chen, G t-C Chiu, C-C Cheng und H Peng, das am Anfang des Threads verlinkt war mal durchgegangen.

Dort wurden im Kapitel 2 Modellierungen und Messungen durchgeführt.

Ich denke die beschreiben das Verhalten und Eure Fragen, oder?
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dietert
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Beitrag von dietert »

Bin dran, das nachzurechnen. Leider sind die Autoren recht locker mit ihren verschiedenen Skalierungen, ist also ein wenig Arbeit. Und die Kurvenfits liefern eine ganze Reihe konkreter Zahlen, die eigentlich mit den TSP-Parametern in Verbindung gebracht werden müssen.

Außerdem versuche ich gerade, alle Parameter meiner vier Chassis zusammenzustellen, und noch die beiden Chassis aus dem Papier von Chen et al und dein SPH-254TC dazuzunehmen. Leider habe ich bisher keinen Wert für Le (1 KHz) des SPH-254TC. Besteht noch die Möglichkeit, das zu messen?
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Dieter,

ich habe beim SPH-254TC 0,45mH bei 1kHz gemessen. Bin gespannt was Deine Berechnungen ergeben. :wink:
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Wenn bei einem Tieftöner z.B. drei separate Schwingspulen eingesetzt werden, sollte das Uebersprechen minimal sein wenn die mittlere Spule als Sensorspule verwendet wird. Oder bei einem "vierspuligen" Chassis zwei Spulen angetrieben werden und eine dazwischen als Sensor verwendet. Die innerste oder die äusserste Spule dürfte dann nicht verwendet werden.

gruss

Charles
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Charles,

das verstehe ich nicht. Wenn man Spulen verschachtelt, resultiert das in besonders guter Kopplung untereinander, angewandt z.B. bei Übertragern von Röhrenendstfen zur Verbesserung des Übertragungsverhalten bei höheren Frequenzen.

Grüße Hans-Martin
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

War wohl ein geistiger Schnell-/Fehlsch(l)uss. :oops:

Ich habe nur gerade die Feldlinien um die einzelnen Drähte herum betrachtet und da sah es nach Auslöschung aus.
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dietert
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Beitrag von dietert »

Inzwischen habe ich die Intermodulationsmessung zum Thema "positionsabhängige Schwingspuleninduktivität" und damit positionsabhängiges Übersprechen gemacht (siehe oben, Beitrag von Jörn).

Dazu habe ich einen SPH300CTC benutzt und einen Aufbau, der einen Dreieck-Sweep von etwa +/- 3 mm Hub bei 10 Hz mit einer Testfrequenz von 300 Hz überlagert. Diese liegt deutlich oberhalb der Kerbe in der Übertragungskennlinie des SPH300CTC, d.h. dort ist das Übersprechsignal deutlich größer als das Tachosignal. Für die Positionsmessung habe ich das Sensorsignal der zweiten Spule integriert (ein RC-Glied + Verstärker im Oszillograph).

Bei 10 Hz folgt die Membranposition praktisch dem Antriebsstrom, d.h. das Positionssignal zeigt im wesentlichen auch eine Dreieck-Schwingung, während das Sensorsignal die Tachospannung zeigt, die sich aus einem 10 Hz Rechteck und der überlagerten Testfrequenz zusammensetzt. Wenn man das Tachosignal einige Sekunden gegen das Positionssignal aufträgt, bekommt man Folgendes:

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Rechts ist die Membran draußen, und die Induktivität und damit das Übersprechsignal auf der Testfrequenz kleiner, links ist die Membran drinnen, die Induktivität und damit das Übersprechen größer. Oben ist die "Reinbewegung", unten die "Rausbewegung". Die Variation der Amplitude des Übersprechens beträgt 21,8 %. Nun dieselbe Messung mit dem Mikrofon statt der Sensorspule:

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Das Mikrofon sieht die 10 Hz natürlich schwächer, deswegen sind im Diagramm Vorwärts- und Rückwärtsbewegung nicht so schön getrennt. Man kann die positionsabhängige Amplitude aber trotzdem gut ablesen. Nun ist der Effekt - 8 %. Das ist genau, was man erwartet: Bei höherer Induktivität (Membran drinnen) fließt weniger Antriebsstrom und der akustische Output wird kleiner, deswegen umgekehrtes Vorzeichen. Der Effekt ist kleiner als beim Übersprechen, weil der Antriebsstrom ja auch noch vom ohmschen Widerstand der Antriebsspule abhängt.

Fazit:
Um einen intermodulationsarmen Tieftonlautsprecher zu bekommen, darf man das positionsabhängige Übersprechen nur teilweise kompensieren. Wenn man die Positionsabhängigkeit gar nicht berücksichtigt, ändert sich im wesentlich das Vorzeichen der Intermodulation, diese bleibt aber in derselben Größenordnung wie bei demselben ungeregelten Lautsprecher.
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dietert
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Beitrag von dietert »

Korrektur:
Ich glaube, da war ein Denkfehler. Die Messung am Sensorsignal enthält ja die Intermodulation, die hinterher mit dem Mikrofon gemessen wurde. Tatsächlich wäre also die Intermodulation des Übersprechens etwa 21,8 + 8 = 29,8 % und damit deutlich größer als die Intermodulation des ungeregelten Chassis. Das würde bedeuten, dass man die Kompensation des Übersprechens ohne Berücksichtigung der Positionsabhängigkeit nicht auf +/- 10 % hinkriegt, sondern auf etwa +/- 15 %. Mit Berücksichtigung der Positionsabhängigkeit wird das Ergebnis wahrscheinlich besser sein als das des ungeregelten Chassis.
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Dieter,

ich muss meine Angabe über die Induktivität des Monacor korrigieren. Die 0,45mH stimmen nicht. Die hatte ich irgendwie in Erinnerung.

Jetzt aber habe ich eine Impedanzmessung gefunden und die Induktivität neu berechnet. Sie liegt bei =0,57mH.

Ansonsten muss ich sagen, dass mir Dein Einsatz in diesen Thread sehr gut gefällt, wie auch die letzten Messungen.

Interessant finde ich, dass je nach Techniker das Thema der Ausblendung des Signals oberhalb der Kerbe recht unterschiedlich angegangen wird.

Beim Roaring Subwoofer wird es mit einen Tiefpass von 6dB / Oktave getan, die Herren Chen usw. blenden es mit 12dB / Oktave aus.

Ich habe es nicht getan und konnte, subjektiv wie auch messtechnisch ( Klirr ), wie ich beschrieben habe keine Nachteile feststellen, außer der Tatsache, dass oberhalb der Kerbe man keine Positionsinformation mehr bekommt.

Aus praktischer Sicht, wenn man den Einsatz als Subwoofer plant, hätte ich kein Problem das ohne "Ausblendung" laufen zu lassen, denn das "Ausblenden" geschieht ja letztendlich indirekt durch den benutzten Tiefpass des Subwoofers.

Nur so ein Paar Gedanken meinerseits :wink:
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dietert
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Beitrag von dietert »

Danke für das Feedback und die Korrektur.

Dass man oberhalb der Kerbe keine Information aus der Sensorspule bekommt, finde ich etwas bequem. Wenn ich das Übersprechen auf 10 % genau verstehe und kompensiere, dann verschiebt sich die Kerbe von 200 Hz auf 620 Hz. Das finde ich interessant.

Inzwischen habe ich auch noch den Heco HW200SCP44100I in meiner Keramikbox dazugenommen, d.h. jetzt sind es sieben verschiedene Chassis, die man zum Check der Formeln benutzen kann.

Die letzten Messungen zeigen ja, wie groß die Fehler eines passiven Tieftöners bei großen Auslenkungen sind. Wenn man seine Klirrfaktormessungen ansieht, sagt man sich meistens: Aha, unter 30 Hz habe ich 10 % Klirr, macht nichts. Wenn ich dem betreffenden Tieftöner die 30 Hz tatsächlich gebe (Equalizer!), dann hat er eben diese großen Hübe, und dann hat er solche Verzerrungen von 10 % auf seinem gesamten Spektrum! Insofern wäre ich sehr zufrieden, wenn ich einen DSP mit Formeln fertig hätte, der das messen und in erster Ordnung korrigieren kann, d.h. einen Abgleich auf minimale Intermodulation. Erinnert mich irgendwie an die ersten Farbfernseher in der Werkstatt meines Vaters und seinen Kampf mit der Konvergenz.

Die Intermodulation im Output des ungeregelten Chassis, die ich mit dem Mikrofon gemessen habe, kann ich übrigens auch direkt über den Antriebsstrom messen. Das ist dann wieder die rein elektrische Messung, die man mit einem DSP automatisieren kann. Mit so einer Messung (Ortsmessung aus Sensorsignal gegen Antriebsstrom) kann man übrigens sehr schön die elastische Hysterese der Membranaufhängung zeigen, eine der Störungen, die die Regelung beseitigt.

Ist aber alles ein bischen tricky, weil es neben der von Jörn ins Spiel gebrachten positionsabhängigen Induktivität ja auch noch eine Abhängigkeit der Induktivität vom Antriebsstrom gibt (magnetischer Sättigungseffekt). Vielleicht muss man zwei Messungen mit gleichem Hub aber unterschiedlichem Antriebsstrom kombinieren: Einmal die Messung bei 10 Hz, danach nochmal auf der Eigenresonanz. Aber hier verlassen wir eindeutig den Bereich, der einem Selberbauer zugänglich ist.
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dietert
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Beitrag von dietert »

In einem anderen Thread wurde kürzlich auf die Linkwitz LX521 Dipollautsprecher hingewiesen. Wer sich wie Herr Linkwitz auf einen Dipol-Tieftöner verstiegen hat, der hat das Problem mit den großen Hüben und der damit unvermeidlichen Intermodulation in verschärfter Form. Für mich ist bei Herrn Linkwitz nicht der Dipol interessant, sondern sein Lösungsvorschlag zum Thema Intermodulation: Man nehme zwei Tieftöner in Push-Pull-Konfiguration. Die vorgeschlagene 90°-Anordnung der beiden Chassis finde ich zweckmäßig.

Diese Methode eignet sich auch für eine geschlossene Box mit zwei geregelten Doppelspulentieftönern. So kann ein Selberbauer einen sehr guten geregelten Basslautsprecher herstellen, ich meine ohne ein DSP-Projekt und ohne Modifikationen an Lautsprecherchassis. Bei diesem Konzept braucht man nicht zu messen, wie groß die besprochenen Intermodulationen sind, denn die kompensieren sich automatisch. Alle anderen Fehler beseitigt die Regelung.

Link: http://www.linkwitzlab.com/LX521/Description.htm
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cay-uwe
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Beitrag von cay-uwe »

Dieter,

wenn ich das richtig verstanden habe, ist das der Aufbau den man im "Roaring Subwwofer" Dokument auch durchführt :wink:
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