Vorstellung: Subtraktivweiche, mal digital

RPWG
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Vorstellung: Subtraktivweiche, mal digital

Beitrag von RPWG »

Hallo zusammen, ich hoffe ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen :D .

Dann möchte ich auch mal was zum aktiven „Bauhaus“ beitragen.

Ich hatte ja in der Vorstellungsrunde bereits ein bisschen von meinen Selbstbauprojekten erzählt. Aus der Entwicklung meiner Aktivmonitore ist, sozusagen als „Abfallprodukt“, eine DSP-Weiche entstanden, die ich euch hier kurz vorstellen möchte.

In meinen Monitoren sollte neben einer Weiche ohne GLZ-Verzerrungen auch eine digitale Über-Alles-Entzerrung eingesetzt werden, ein DSP war also sowieso unumgänglich. In den letzten Monaten habe ich hierfür die Hard- und Software entwickelt.

Ich war in der Zwischenzeit des Öfteren mit Forenmitglied Ralph Berres ins Gespräch gekommen, der mir erzählte, er sei noch auf der Suche nach einer phasenlinearen Weiche für seine B&M Lautsprecher, und dass die Subtraktionsweichen nach Lipshitz und Vanderkooy wohl vorerst das Ende der analogen Fahnenstange seien (trotz GLZ-Verzerrungen). So richtig zufrieden war er damit jedoch nicht.

Als ich ihm das aufsummierte Signal meiner 3-Weg Weiche in FIR-Technik zeigte, entstand die Idee einer per DSP realisierten Subtraktionsweiche als stand-alone Modul für seine BM76.

Und das ist daraus geworden:

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Ralphs hohen Anforderungen „geschuldet“ :wink: , kommen Wandler mit 120dB Störabstand zum Einsatz, alles in 96 kHz / 24-bit.

Bis zu vier Wege können (theoretisch) realisiert werden, jeder einzelne mit Pegelsteller und sowohl symmetrisch als auch unsymmetrisch abgreifbar.

Eingangsseitig stehen zwei vollsymmetrische Eingänge zur Verfügung, man könnte also auch ein 2-Weg Stereosystem aufbauen.

Geclockt wird entweder über einen onboard 12.288 MHz Oszillator, ein Stecksockel für eine Clock im DIL-Gehäuse (z.B. Tentlabs XO) ist aber umschaltbar vorgesehen.

Zu Messzwecken hatte ich für die 3-Weg-Konfiguration Übergangsfrequenzen von 300 Hz und 3 kHz angesetzt. In den Oszilloskopbildern gilt:

Gelb: Tieftonkanal
Grün: Mitteltonkanal
Blau: Hochtonkanal
Violett: Summe (analog über OP aufsummiert)

Bild

An der Übergangsfrequenz TT -> MT

Bild

Und MT -> HT

Getriggert wurde jeweils an der Summe, sodass die Phasengleichheit der einzelnen Teilwege sichtbar wird.

Zu guter letzt noch ein 100 Hz Rechteck als Eingangssignal, getriggert wieder an der fallenden Summenflanke:

Bild

Über den 10-poligen Wannenstecker kann ein Sub-D Stecker in den Elektronikeinschub eingebaut bzw. mit der Weiche verbunden werden, der es erlaubt, die einzelnen Wege im eingebauten Zustand um +/- 6 dB anzuheben bzw. abzuschwächen. Die Einstellung kann dann per Knopfdruck im Programmspeicher des DSP abgelegt werden.

Ich bin gespannt, wie Ralph die Weichen verwenden wird. Er wird dann sicher an geeigneter Stelle berichten :wink: . Zuvor stehen aber noch weitere Messungen am Prototypen (Frequenz-/ Phasengang, Klirr, etc...) bevor. Sollte weiterhin Interesse bestehen, werde ich diese hier gerne veröffentlichen.

Grüße,
Roman
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Zwodoppelvier
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Beitrag von Zwodoppelvier »

Hallo Roman,

das sieht sehr interessant aus, bitte unbedingt weiter berichten!

Eine Frage zum letzten Oszi-Bild: hat das Summensignal leichte nadelförmige Überschwinger die vom HT-Kanal herrühren oder täuscht das?

Viele Grüße
Eberhard
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

Hallo Eberhard,

Die von dir zu Recht erkannten "Überschwinger" im Summensignal habe ich in einem aufskalierten Oszilloskopbild untersucht und auf das Gibbs'sche Phänomen zurückgeführt. Es ensteht unabhängig von der Abtastrate durch die Unstetigkeit des Rechteck-Eingangssignals und ist meiner Meinung nach für den regulären Betrieb mit Musik nicht relevant :wink: .

Gruß,
Roman
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Das sieht sehr gut aus, Gratulation !

Eine Frage hätte ich noch: Nach welcher Methode hast Du die FIR Koeffizienten berechnet ? Das letzte Mal als ich so etwas selber gemacht habe, tat ich das nach der "Fenster Methode", welche ja bekannterweise zu symmtrischen Filterkoeffizienten mit deutlichem Pre-Ringing führt. Bei Deiner Weiche sehe ich aber kein Pre-Ringing.

Eigentlich sieht die Antwort auf das Rechtecksignal genau so aus, wie bei einer Subtractive-Delay Weiche nach Lipshitz und Vanderkooy (welche übrigens bei korrekter Umsetzung KEINE Gruppenlaufzeitverzerrungen aufweist). Vage mag ich mich an ein Paper von Kreskovsky erinnern aber dort wurde, glaube ich, IIR verwendet.

Gruss

Charles
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Jetzt melde ich mich auch mal zu Worte.

Ich hatte mittlerweile einige Veröffentlichungen zur Vanderkoyweiche gesichtet, und diese mit der Schaltung, welche ich freundlicherweise vom Herrn Friedrich Müller bekommen hatte, verglichen. Selbst die um 1978 veröffentlichte Schaltung aus der Zeitschrift Elektor hatte eine verblüffende Ähnlichkeit.

Ich hatte die Schaltung also mit LT Spice simuliert. Die Ergebnisse hatte in dem Beitrag Subtraktionsweichen eingestellt. Mir war es nicht gelungen eine konstante Gruppenlaufzeit zu erzeugen. Auch nicht bei einer 2weg LR Weiche vierter Ordnung. Ob das an dem Allpassglied in der Vanderkoyweiche liegt weis ich nicht.
Analog war einfach nicht die Forderungen frequenzunabhängige Phasenübereinstimmungen der Kanäle untereinander und konstante Gruppenlaufzeit der aufsummierten kanäle unter einen Hut zu bringen.

Roman hat das als bisher mir einzig bekannte Stand alone Lösung , wenn auch digital, geschafft. Dazu meine Hochachtung. Andere reden davon, er machts einfach.

Was das gibbsche Phnomen betrifft, tritt das nur auf, wenn die Flankensteilheit der Signale so groß werden, das höhere Frequenzen als die halbe Abtastrate entstehen. Bei einem normalen Musiksignal kann das allenfalls bei einen analogen Plattenspielersignal entstehen, da diese nicht bandbegrenzt ist.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich diese Weiche anhört, wenn diese in meiner BM76 werkelt.
Ich werde das so realisieren, das ich umschalten kann zwischen analoger Originalweiche und der DSP Weiche vom Roman. Mir schwant jedenfalls schon böses.

In diesem Sinne

Ralph Berres
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Roman,

welchen Wert hat denn die GLZ in Deinem System? Verwendest Du FIR-Filter?

Grüsse
Uli
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Zu der Lipshitz Vanderkooy Weiche:

Die einzigen analogen Implementierungen von aktiven Weichen, welche ich kenne und die gleichzietig näherungsweise eine subtractive-Delay Weiche darstellen, waren von Studer und Mitsubishi. Wobei ich bei Mitsubishi nicht sicher bin, ob es nur einen einzigen Prototypen gab (Vierwege aktiv Studio Monitor). Die Elektor Weiche ist keine Subtractive Delay Weiche, sondern eine Phasensubtraktionsweiche und hat m.E. als einzigen Vorteil, dass der Händler etwas enger tolerierte Widerstände verkaufen darf. :wink: :mrgreen:

Ich habe mit meiner Sigma-DSP Entwicklungsumgebung auch schon subtractive-Delay Weichen "gebaut". Empfand ich aber nicht so als interessant, da ich Topologien den Vorzug gebe, welche analog implementiert werden können.

Gruss

Charles
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Ralph Berres
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Beitrag von Ralph Berres »

Charles

Wie würde denn eine analoge Weiche, die genau Romans Eigenschaften aufweist, nämlich eine frequenzunabhängige Phasenübereinstimmung zwischen den Kanälen, wie bei der Vanderkoyweiche UND eine konstante Gruppenlaufzeit, wie bei reinen Subtraktionsfiltern, ohne Allpassglieder, bei dir denn aussehen?

Das würde mich brennend interessieren.

Ich würde einer analogen Lösung einer digitalen den Vorzug geben, wenn sie denn die von mir gewünschten Eigenschaften hätte. So sehr ich mich bemüht habe das zu realisieren, mir ist es nicht gelungen.

Ralph Berres
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Die ursprüngliche Idee der zwei Herren war, das Ausgangssignal eines Tiefpasses vom verzögerten Eingangssignal zu subtrahieren.

Genau dieses Delay ist das Schwierige am Ganzen. Es gibt ein Massengrab von eng tolerierten Bauteilen. Und auch dann geht es nur bis zu einer maximalen Grenzfrequenz. Hier hat heute eindeutig "digital" die Nase vorn. Eine frequenzunabhängige Verzögerung ist analog etwas vom Schwierigsten (schau mal im Tietze-Schenk bei den Allpässen nach) und digital hingegen etwas vom Einfachsten in der Realisierung.

Die grosse Anzahl von Bauteilen ist es, was die Sache schwierig macht. Deshalb benutzen viele analoge Implementierungen nicht ein frequenzunabhängiges Delay, sondern nur einen Phasenschieber, welcher dann wiederum keine konstante Gruppenlaufzeit aufweist, sondern bloss ein Phase-Matching zwischen den Wegen erlaubt.

Die andere Möglichkeit ist, der Weiche einen Phasenequaliser vorzuschalten, was ebenfalls nicht ohne ist. Auch dieser hat nämlich eine obere Grenzfrequenz und benötig ebenfalls ein Bauteilemassengrab, welches proportional der Bandbreite, über welche man entzerren will, und der Grösse der zu entzerrenden Gruppenlaufzeitverzerrungen proportional zunimmt.

Gruss

Charles
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

phase_accurate hat geschrieben:Nach welcher Methode hast Du die FIR Koeffizienten berechnet ? Das letzte Mal als ich so etwas selber gemacht habe, tat ich das nach der "Fenster Methode", welche ja bekannterweise zu symmtrischen Filterkoeffizienten mit deutlichem Pre-Ringing führt. Bei Deiner Weiche sehe ich aber kein Pre-Ringing.
Hallo Charles, die Filterkoeffizienten sind über den gefensterten Entwurf mit symmetrischem Koeffizientensatz entwickelt. Welches Fenster hast du damals verwendet? Weißt du das noch?
phase_accurate hat geschrieben:Vage mag ich mich an ein Paper von Kreskovsky erinnern aber dort wurde, glaube ich, IIR verwendet.

Danke für den interressanten Lesestoff :D , das Paper kannte ich noch gar nicht. Ich vermute, du meinst dieses?

Ich habe das jetzt (noch) nicht bis ins tiefste Detail gelesen, aber erreicht er nicht ein zum Tiefpassfilter "unsymmetrisches" Hochpassfilter?
uli.brueggemann hat geschrieben:Welchen Wert hat denn die GLZ in Deinem System?
Mit den aktuellen Filtersätzen ca. 4 ms.

Grüße,
Roman
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Roman,

ich wage einmal die Behauptung, dass der Frequenzgang des Bandpasses niedrige Frequenzen nicht besonders unterdrückt (ca. -25 dB/20 Hz) und vermutlich einen Knick ähnlich der Subtraktivweiche Abb. 6.12 in Douglas Selfs Buch "The Design of Active Crossovers" aufweist.

Zumindest komme ich bei Acourate-Simulationen mit derartig kurzen Filtern (symmetrisch, 384 taps) schlichtweg auf keinen grünen Zweig, sprich brauchbar steiles Filter.

Kannst Du mir die Filtersätze mal schicken?

Grüsse
Uli
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

uli.brueggemann hat geschrieben:ich wage einmal die Behauptung, dass der Frequenzgang des Bandpasses niedrige Frequenzen nicht besonders unterdrückt (ca. -25 dB/20 Hz) und vermutlich einen Knick ähnlich der Subtraktivweiche Abb. 6.12 in Douglas Selfs Buch "The Design of Active Crossovers" aufweist.
Hallo Uli,

ich habe dir mal den Frequenzgang des Mitteltonzweiges angehängt (Die linke Achsenbeschriftung ist leider verloren gegangen, es sind dBV bei 0 dBV Eingangssignal). Wie gesagt, es sind noch nicht die Filter, die später tatsächlich rein sollen. :wink:

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Ich werde aber das Simulationsergebnis oben noch mal am "lebenden Objekt" nachprüfen, sprich die Dämpfung kontrollieren. Dein Verdacht war ja bestimmt nicht unbegründet. :shock:

Grüße,
Roman
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Den Hochpassverlauf würde man auch mit IIR und Delay hinkriegen (Lipshitz Vanderkooy Weiche), sogar 24 dB pro Oktave gingen auch. Der Tiefpass hingegen ist deutlich steiler als man es mit IIR einfach so hinkriegen würde (nicht unmöglich aber schwieriger).

Gruss

Charles
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RPWG
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Beitrag von RPWG »

Hallo zusammen,

Ich habe den Bandpass eben mit Funktionsgenerator und Oszi nachgemessen. Dabei habe ich 1 kHz als 0 dB angesetzt und davon ausgehend die Dämpfung bei 100 Hz und bei 20 Hz mittels Messwerten ausgerechnet. Auf 1 oder 2 dB kam es mir jetzt mal nicht an.

Das Ergebnis:

100 Hz: -28 dB
20 Hz: -56 dB

Uli, ich habe jetzt die Koeffizientendatei nicht zur Hand aber es handelt sich bei dem "Master Tiefpassfilter" des Tieftonkanals welches hier vom Mittelton abgezogen wird, um ein ganz einfaches 400 taps linearphasiges FIR Filter :? .

Beste Grüße,
Roman
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

RPWG hat geschrieben:Uli, ich habe jetzt die Koeffizientendatei nicht zur Hand
Roman,
es wäre sehr freundlich, wenn Du denn die Datei wieder zur Hand hast, sie mir doch mal zu schicken.

Grüsse
Uli
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