Sorry Kollegen,
habe dieses Thema hier ein bisschen schleifen lassen. Ich fürchte, wenn ich mich jetzt in das sechste und siebte Untergeschoss der Dreckeffekte bei UGK hinab begebe, wendet sich so mancher gähnend ab. Spontan wären mir als noch zu behandelnde Themen einfallen:
- Weitere Effekte durch nichtlineare Induktivitäten
- Effekte durch Wirbelströme
- Effekte durch Änderungen des ohmschen Widerstandes (Erwärmung bei Stromfluss)
- Rückwirkung von mechanischen Teilschwingungen auf der Membran auf das Antriebssystem
- Zuleitungseffekte (bei IGK ist das Kabel egal)
Vielleicht fällt dem einen oder anderen noch mehr ein, aber ich denke, lassen wir's damit erst mal gut sein. Ich will lieber auf Axels Anfrage eingehen:
Sheffield hat geschrieben:Da ich ebenfalls einen AMT verarbeiten will, habe ich natürlich sofort vermerkt, dass Eure AGM den Hochton mit einem Stromverstärker und ohne Gegenkopplung (wie auch - bei einer gefalteten, quasi rein mechanisch kontrollierten Membran?) antreibt. Auf einen Exkurs zu genau dieser Praxis, mit all ihren Besonderheiten und Unterschieden zu Konus- und Kalottenchassis, wäre ich also äußerst gespannt.
Zunächst mal: Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied bzgl. IGK-Ansteuerung zwischen Bändchen, AMT, Kalotte oder Konus. Dennoch gibt es Besonderheiten:
- Konus: An diesem Bespiel haben sich meine Ausführungen im Wesentlichen orientiert. Mit IGK erheblich kleinerer Klirr, Frequenzgang ausgedehnt nach oben, unten muss man aber eine Impedanzkorrektur durchführen. Da kommt man dann aber auch schon ohne Membranregelung viel tiefer runter als bei UGK im geschlossenen Gehäuse, auch tiefer als mit Bassreflexkanal, aber natürlich ohne dessen Wirkungsgradverstärkung.
- Kalotte: Hier kommt es darauf an, ob man sie deutlich oberhalb ihrer Resonanzfrequenz einsetzt, was bei Hochtonkalotten meist der Fall ist. Dann fällt mir kein einziger Grund ein, der für UGK spricht.
- AMT/Bändchen: Richtig bemerkt, wie soll man sowas regeln
? Dazu ist mir bisher nichts eingefallen. Herr Müller hat damit mal experimentiert, aber letztendlich ist ihm auch nichts eingefallen. Ein AMT ist aber aufgrund seiner winzigen Masse bei enormer effektiver Fläche die Chassisart, die eine Regelung am allerwenigsten nötig hat - aber nur bei IGK! Im Prinzip gilt der ganze Blumenstrauss an Effekten bei IGK/UGK ebenso für diese Lautsprecher-Gattung.
Aufgrund Deiner Frage, Axel, will ich auf den AMT etwas genauer eingehen. Mein Lieblings-AMT heißt ER4, wie sich ja mittlerweile wahrscheinlich rumgesprochen hat. Nun schauen wir mal ins Datenblatt:
Lecker, schaut mal nach Fläche und bewegter Masse. Gegenüber einer üblichen 25er-Kalotte ca. 7fache Fläche - entsprechend weniger Hub oder auch mehr Dynamikreserve. Bei einem Bruchteil der Masse.
Frequenzgang der Impedanz:
Na, wer damit Probleme kriegt, hat wirklich eins.
Frequenzgang des Schalldrucks:
So, jetzt wird's interessant bzgl. IGK. Zunächst fällt auf, dass der FG nicht ideal gerade ist, es gibt also ein wenig auszubügeln (siehe oberes Diagramm). Insbesondere zwischen 2 und 4kHz. Nun gibt es ja da den Trick, der hinter halb vorgehaltener Hand kolportiert wird, hinter den ER4 eine kleine Dämpfungskammer zu machen und die mit gepresstem Filz zu füllen - bzw. mit allerlei anderen Materialen. Dadurch ergibt sich eine erstaunliche Linearisierung des Amplitudenfrequenzgangs zwischen 2 und 4kHz (siehe unteres Bild). Macht man genau diese Filzkammer da hin, steuert das Chassis aber nun mit IGK, gibt's diese Überhöhung plötzlich nicht mehr. Was will uns das sagen? Die Linearisierung des FG kommt durch Dreckeffekte zustande, die man gar nicht haben will, im Wesentlichen den genannten inneren Mikrofonieeffekt. Wie schon ausgeführt, verzichte ich auf diesen Effekt dankend gerne und bügle den FG da unten lieber durch eine kleine RC-Kombi an passender Stelle der Aktivelektronik - das ist nun wirklich eine einfache Fingerübung.
Schauen wir mal auf die - natürlich bei UGK gemessenen - Klirrkomponenten K2 und K3:
Das ist nicht schlecht, aber auch nicht berühmt. Und es ist sogar noch etwas beschönigt - das ist nämlich die Dipolkurve, also hinten offen. Im Fall des hinten mit gepresstem Filz gefüllten Kämmerleins steigt der noch weiter an - wundert den aufmerksamen Leser ja nun auch nicht mehr. Egal, sagen wir mal vereinfachend, K2 und K3 liege zwischen 0,1 und 0,3%, also zwischen -50 und -60dB. Anmerkung: Der Klirr ist natürlich abhängig vom Schalldruck, das Datenblatt schweigt aber über den hier zugrunde liegenden. Nach meinen Messungen decken sich die hier gezeigten Kurven mit meinen (bei UGK) bei ungefähr 90dB Schalldruck in 1m Entfernung.
Und nun erinnert Euch doch bitte
an eine Messung bei vergleichbarem Schalldruck an meiner guten alten BM20, die ab 3,5kHz einen per IGK versorgten ER4 drin hat. K2 liegt zwischen -62 und -68dB, das erheblich giftigere K3 zwischen -68 und -74dB. Wie denn das? Das ist ja grob eine Größenordnung besser als die Werksangabe? Bin ich zu blöd, den Klirr richtig zu messen? Oder Eton? Weder noch, der Unterschied liegt in UGK und IGK begründet. Eine Größenordnung, also Faktor 10! Das sind Welten! Übrigens, für die AGM habe ich das natürlich auch weiter unten noch gemessen, also ab 2k. Da sieht's ganz ähnlich aus.
Vielleicht versteht Ihr jetzt besser, warum ich meine, dass man einen AMT erst mit IGK in den HiFi-Olymp bringt. Einen Bass zwingt man halt per Regelung, die nirgends so perfekt funktioniert wie im untersten Frequenzbereich, zu perfekter Performance. Beim MT wird's heikler, weshalb ich mich einer Kombi aus IGK und Regelung bediene. Und beim HT - IGK. Ok, eine Kalotte kann man mit entsprechendem Aufwand auch noch regeln.
Die Technik der Stromgegenkopplung für die Endverstärker verwenden nur sehr wenige - vielleicht hat ja mein Beitrag ein wenig die entsprechenden Entwickler von Aktivlautsprechern angeregt, darüber nachzudenken - falls sich der eine oder andere hierher verirrt hat. Es gibt aber auch ein paar Hindernisse auf dem Weg zur IGK: Die Chassis selbst. Die sind nämlich oft so konstruiert, dass der eigentlich grob einer umgedrehten Badewanne entsprechende Frequenzgang gerade durch (natürlich Klirr verursachende) Maßnahmen, die genau die Dreckeffekte der UGK ausnutzen, ausgebügelt wird. Es ist deshalb gar nicht so einfach, passende Chassis zu finden, die sich für IGK eigenen (und/oder für Regelung, da gibt's ein ähnliches Problem). Am liebsten sind mir Chassis, die bei UGK einen zwar glatten (=Membran-resonanzfreien), aber eben der umgedrehten Badewanne ähnelnden FG haben - die lassen sich am besten mit IGK und /oder Regelung an die Leine nehmen.
Viele Grüße
Gert