Wie misst man den Wellenwiderstand von Kabeln?

SolidCore
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Beitrag von SolidCore »

Hallo zusammen

Nach nun längerer Krankheit und "endlich" gefunderer Ursache melde ich mich wieder zurück.
Hochspannend, dieses Thema.
Und Gerts Ausführungen und sein Forscherdrang ist wirklich toll.
Genau damit habe ich mich als "Kabelbauer" schon vor einiger Zeit beschäftigt, um ein überzeugendes Digitalkabel zustande zu bringen.
Also holte ich mir einen Rat und Unterstützung bei einem aus diesem Threat (ich weiss nun nicht, ob er genannt werden möchte).
Wer selbst Versuche mit Digitalkabeln machen möchte, dem kann ich kurz die wesentlichen Erkenntnisse zur Verfügung stellen.

- Reinste Silberleiter klingen, subjektiv für mich, generell besser als Kupfer, im Digitalbereich
- Eine Fehlanpassung im Wellenwiederstand macht sich durch "Maskierungen" im Klang bemerkbar, oft als Frische oder Spritzigkeit
- Ein mit gutem Silber mit meinetwegen 62 Ohm klingt dennoch besser als ein günstiges, oder reines Kupfer, was genau den Wellenwiederstand trifft
- Trifft das selbst gebaute den Wellenwiederstand zu klein, einfach die Dicke der Isolierung der beiden Datenleiter erhöhen, bis es passt. So simpel kann es sein
- Vorteilhaft ist die genaue Länge von 1,28m, oder ein vielfaches, oder Teiler dessen
- Digital braucht Querschnitt, mit dünnen Adern wird das nix

Zusätzlich:
Der direkte Vergleich Digital Cinch zu XLR kann auch wegen dem Empfänger, meist ein DAC, anders ausfallen. Nicht jedes Gerät behandelt Eingänge gleichwertig. Sind die Kabel nicht gleich, kommt genau das dabei heraus, was Gert bereits schrieb. Das Kabel "kann" entscheiden, welche Steckerform gewinnt.
Die Stecker selbst sind ebenfalls mit zu betrachten. Die von Horst erwähnten Focus 1 sind traumhaft. Bei Cinch würde ich die WBT Nextgen AG 110 empfehlen, und auch nur diese.
Einzig bei XLR Einbaubuchsen wirds kniffelig. Oyaide baut keine, Messing-Grundmaterial klingt grob, vergoldet ist auch nur sup-optimal. Viborg bietet versilberte mit reinem Kupfer als Unterlage, Neutrik Messing versilbert. Da fehlt mir noch die "ideale".

Hoffe, der ein oder andere kann damit etwas anfangen.

Gruss
Stephan
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

SolidCore hat geschrieben: 17.10.2019, 13:29 - Reinste Silberleiter klingen, subjektiv für mich, generell besser als Kupfer, im Digitalbereich
Hallo Stephan,

das deckt sich mit meinen Beobachtungen bei Kabeln und Steckern.
- Eine Fehlanpassung im Wellenwiederstand macht sich durch "Maskierungen" im Klang bemerkbar, oft als Frische oder Spritzigkeit
Die "Spritzigkeit" würde ich als "Nervigkeit" bezeichnen. Welligkeiten beim Rechteck des Eingangssignals sind ein Indiz für Fehlanpassung, die habe ich als nervig empfunden, spritzig ist mE eine zu positive Darstellung.
Ein mit gutem Silber mit meinetwegen 62 Ohm klingt dennoch besser als ein günstiges, oder reines Kupfer, was genau den Wellenwiederstand trifft
Bei AES/EBU kann ich das so nachvollziehen (also keine sauberen 110 Ohm), bei Koax habe ich dazu keine Meinung.
- Trifft das selbst gebaute den Wellenwiederstand zu klein, einfach die Dicke der Isolierung der beiden Datenleiter erhöhen, bis es passt. So simpel kann es sein
- Vorteilhaft ist die genaue Länge von 1,28m, oder ein vielfaches, oder Teiler dessen
Jetzt wird es spannend, wo doch die Lösung des Universums: 42 lautet, von Inch auf Zentimeter umgerechnet 106,7cm.
Wikipedia hat geschrieben:Die Datenrate auf dem Kabel entspricht dem 64-Fachen der Abtastrate und beträgt 2,0 Mbps bei 32 kHz, 2,8 Mbps bei 44,1 kHz, 3,1 Mbps bei 48 kHz sowie 6,2 Mbps bei 96 kHz.
Dabei kommt BMC (Biphase-Mark Code)zum Einsatz, also die doppelte Frequenz. Rechtecksignale sind reich an Obertönen, vorrangig die ungeradzahligen (Fourier wurde mMn noch nicht wiederlegt). Die Vielfalt der gelieferten Abtastraten und der Bitraten lässt keine Einheitsfrequenz erwarten. Nimmt man einen nackten geraden Draht als Antenne, entspricht seine Länge einer Frequenz bei der er für Sendung oder Empfang auf Resonanz kommt, überzieht man den Draht mit einem Isoliermatierial, ist nicht mehr die Lichtgeschwindigkeit in Luft (nahe Vakuum), sondern die des Überzugs ausschlaggebend, was die Geschwindigkeit herabsetzt (V-Faktor bei Kabeln). Bei gleicher Frequenz ist dann die Wellenlänge kürzer, bei Antennen kann man dann den Draht verkürzen. So einfach ist das. Bei Digitalkabeln bedeutet das, man muss längere Teflonkabel einsetzen, während bei (langsameren) PVC-Kabeln die Reflexionen hinreichend verzögert sind. Genug Variable, um genannte 1,28 cm Länge aus meiner Sicht als willkürlich gewählte Zahl zu bezeichnen.
- Digital braucht Querschnitt, mit dünnen Adern wird das nix
In den Geräten sind die Leiterbahnen weniger als 1mm breit, bei 35um Stärke ergibt sich ein Querschnitt von etwa 1/30 qmm. Ein RG59 mit 75 Ohm hat um 0,6mm Stärke, macht unter 0,3qmm, vereinfacht gesagt, das 10-fache der Leiterbahn. Dafür ist das Digitalkabel vermutlich auch mehr als 10-mal so lang. Aus den Verhältniszahlen dürfte man ableiten, dass auch innerhalb der Geräte die Verbindungen optimierbar sind, am besten mit kabelidentischen Parametern ohne Steckverbinder, die ohnehin meist nur Störungen einbringen. Die unbequeme Lösung heißt: Buchsen rausnehmen, Kabel durchführen und dort direkt auf die Leiterplatte löten, wo der Abschlusswiderstand wirksam ist.
Der direkte Vergleich Digital Cinch zu XLR kann auch wegen dem Empfänger, meist ein DAC, anders ausfallen. Nicht jedes Gerät behandelt Eingänge gleichwertig.
Das stimmt, ich kenne Geräte, wo die SPDIF-Eingänge direkt, die EAS/EBU über Übertrager an den gleichen Eingangswahlchip laufen, aber auch Geräte, wo alle SPDIF und AES/EBU Eingänge über identische Übertrager laufen, die nur im Abschlusswiderstand unterschieden werden können, bevor es zum Eingangswahl-IC geht.

Grüße
Hans-Martin
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SolidCore
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Beitrag von SolidCore »

Hallo Hans Martin

Vielen Dank für deine weiterführenden Erklärungen. Ich stimme dir zu.

2 Aussagen waren gegenüber meinen gegenstimmig. Somit wollte ich es nochmal genauer darstellen.

Einmal die genannte Länge von 1,28m, gegenüber 1,06m. Dies bezog sich nur auf ein und das gleiche Silber-Digitalkabel, in 1,06m und 1,28m.
Verschiedene "Testhörer" empfanden die 1,28m einstimmig besser, da das kürzere "maskierter" Klang. Das gleiche bei 64cm zu 50cm. Ob das Ergebnis übertragbar ist auf andere Kabel, muss ein neuer Hörvergleich entscheiden. Das gleiche beim Querschnitt. Wählt man einen Silberdraht im Digitalkabel im gleichem Querschnitt wie einen aus Kupfer, "klingt" er dünner. Erhöht man den Querschnitt, kann man beliebig Grundtonstärke hinzufügen. Dies zeigte sich auch beim Umbau von Gerds G-Hub, als ein 1mm statt ein 0,8mm eingesetzt wurde. Ansonsten hast du natürlich absolut Recht, was Leiterbahnen und andere Signalwege angeht.

Wieder zum Thema:
Der auch von Dir genannte Wellenwiederstand bei XLR Digitalkabeln ist mir nun etwas unklar. 110 Ohm zwischen Pin 2 und 3, oder 55 Ohm? Oder bezogen sich die 55 Ohm jeweils gegen Pin 1 ? Kann eventuell mal jemand in bestehende AES-EBU Industriekabel messen, wie sich diese verhalten? Bisher ging ich davon aus, mit einem 110 Ohm Wellenwiederstand zwischen Pin 2 und 3 wäre alles ok. Ganz gleich, wie sich Pin 1 dazu verhält.

Gruss
Stephan
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

SolidCore hat geschrieben: 18.10.2019, 12:40 Somit wollte ich es nochmal genauer darstellen.
Einmal die genannte Länge von 1,28m, gegenüber 1,06m. Dies bezog sich nur auf ein und das gleiche Silber-Digitalkabel, in 1,06m und 1,28m.
Verschiedene "Testhörer" empfanden die 1,28m einstimmig besser, da das kürzere "maskierter" Klang. Das gleiche bei 64cm zu 50cm.
Hallo Stephan,

wenn das längere Kabel besser klingt, kann es sowohl ein indiz dafür sein, dass es Reflexionen gibt, die zur Signalquelle zurückwandern (was Gert auf sehr pragmatische Wiese durch Veränderung /Abgleich am Digitaleingang mit Trimmpoti macht), als auch Mikrofonieeffekte, die sich bei längeren Kabeln stärker als bei kurzen einschleichen, das Kabel im Grundton fülliger machen.
Der auch von Dir genannte Wellenwiederstand bei XLR Digitalkabeln ist mir nun etwas unklar. 110 Ohm zwischen Pin 2 und 3, oder 55 Ohm ? Oder bezogen sich die 55 Ohm jeweils gegen Pin 1 ? Kann eventuell mal jemand in bestehende AES-EBU Industriekabel messen, wie sich diese verhalten? Bisher ging ich davon aus, mit einem 110 Ohm Wellenwiederstand zwischen Pin 2 und 3 wäre alles ok. Ganz gleich, wie sich Pin 1 dazu verhält.
In meinem Beitrag (Antwort auf Fujaks Frage) bezog ich mich auf Gerts symmetrischen Ausgang. Darauf zielte Fujaks Frage ja auch. Und Gert steuert Pin 2 an, Pin 3 bekommt das invertierte Signal (beide zeitgleich mit abgestimmter Verzögerungsschaltung). Beide Ausgänge haben jeweils 55 Ohm, bezogen auf die Signalmasse der Quelle. Wenn sie das nicht hätten, wäre die Leitung zwischen 2 und 3 nicht mit 110 Ohm korrekt abzuschließen. Würde man nun jeden Pin gegenüber Masse mit 55 Ohm abschließen (also 55 zwischen 2 und 1, 3 und 1), müsste es auch funktionieren. Prinzipiell könnte man also auch 2 Leitungen RG58 nehmen, verdrillen und für AES/EBU nehmen. Die Sorte wählt man dann danach aus, dass die Toleranz nach oben geht, also 53 Ohm real, nicht 50Ohm nach Tabelle).

Da Schirme selten 100% abdecken und sich noch magnetische Störungen einschleichen können, würde ich die äußere Ummantelung abnehmen, dann kann man sie enger umeinander winden, was eine bessere Gleichtaktunterdrückung ermöglicht. Im Empfangsgerät könnte man dann mit einem 5kOhm Trimmer parallel zum Abschlusswiderstand einen Abgleich machen. Diese Lösung setzt aber voraus, dass Aktive Treiber auf Pin1 Signalmasse-bezogen die Pins 2 und 3 ansteuern. Prinzipiell findet man das in dem einst erschienenen Advance Akustik CD-Laufwerk, dort hatte man aber mit jeweils 10 Ohm Ausgangswiderständen wenig Rücksicht auf die Leitungsimpedanz genommen. Das Laufwerk war eigentlich ein kastriertes DVD-Laufwerk und der Jitter am Ausgang lag über 850ps, da war schon fast egal, wie schlächt das Kabel noch übertrug. AES/EBU verlangt Übertrager auf beiden Seiten, dann ist das Signal floatend.

Schaut man sich die Berechnung (Küpfmüller) von paralelen Leitern mit bekannten Isolationsparametern und Abständen an, ist die Gleichung dazu noch halbwegs überschaubar. Sobald dann noch ein Schirmgeflecht um beide Leiter hinzukommt, wird es komplex, besonders, wenn ein elektrischer Signal-Zusammenhang zu einem oder beiden Leitern besteht. In diese Gleichung treten andere Parameter mit ein, folglich ist ein Twisted Pair von einem Twisted Pair mit floatendem Schirm von einem Twisted Pair mit Schirm auf Signalmasse noch zu unterscheiden.

Uli hatte vor 9 Jahren hier im Forum den Vorschlag gemacht, am Ende des Kabels einen Abgleich zu machen, ähnlich wie man einen Tastkopf beim Oszilloskop auch auf ein perfektes Rechteck am Eingang einstellt. Ich war damals der Meinung, es bedarf bei den Cinchsteckern/Buchsen einer passenden zusätzlichen Induktivität, um die zu hohe Kapazität zu kompensieren, also schwer realisierbar. Ich sah nur die 75 Ohm im Gerät, also einen einfach zu realisierenden Abschluss der Leitung auf den Normwert. Nun wissen wir, dass die Normwerte nicht eingehalten werden. Gert hat kürzlich aufgezeigt, dass eine kurze Stecke mit Impedanzfehler nicht wahrgenommen wird. Gert baut den Eingang um, setzte einen Trimmer in das Gerät. Tauscht man das Kabel, muss man an den Trimmer dran, um das individuell zu kompensieren.
Geht also doch. :cheers:

Grüße
Hans-Martin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Fortepianus hat geschrieben: 16.10.2019, 11:08 in der Tat habe ich etwas gestutzt, als ich die Verbindung gesehen habe. Der verwendete Übertrager hat tatsächlich eine Mittelanzapfung auf Primärseite, ich habe das gemessen, und die hängt auf Pin1 der XLR-Buchse. Eigentlich muss man nur dem smd-Übertrager das mittlere Beinchen auf Primärseite anheben und fertig. Das mach ich jetzt mal :cheers: .
Hallo Gert,
ist noch was passiert...?
Grüße
Hans-Martin
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben: 24.11.2019, 19:39
Fortepianus hat geschrieben: 16.10.2019, 11:08 Eigentlich muss man nur dem smd-Übertrager das mittlere Beinchen auf Primärseite anheben und fertig. Das mach ich jetzt mal :cheers: .
ist noch was passiert...?
nein, es ist nix passiert :) . Also jetzt bezüglich des Beinchen-Hebens. Sah so aus wie mit gesenktem Beinchen. Ich habe das dann nicht weiter verfolgt, aber das Beinchen angehoben gelassen, weil mir der theoretische Vorteil einleuchtet.

Viele Grüße
Gert
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