Filterfunktion bei Mehrwegern

wgh52
Aktiver Hörer
Beiträge: 5650
Registriert: 25.01.2008, 15:17
Wohnort: Schweitenkirchen
Kontaktdaten:

Beitrag von wgh52 »

Hallo Charles,
phase_accurate hat geschrieben:... für meine Manger machte es einen deutlichen Unterscheid, ob ich den natürlichen Frequenzgang am unteren Ende des Uebertragungsbereichs des Woofers beim Pfad für den MSW auch mitberücksichtigt hatte oder nicht. Ist zugegebenermassen nicht die Uebertragungsfunktion eins Weichenpfades, die hier hereingefunkt hatte, sondern die natürliche Uebertragungsfunktion eines Treibers - aber der Effekt war genau der gleiche...
(auch) das meinte ich mit meinen Bemerkungen weiter oben.

Grüße,
Winfried

4718
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo,
letztendlich macht es keinen großen Unterschied, ob man die Delle oder den Berg hat. Die Wege sind ja in beiden Fällen in Phase. Man kann problemlos "über alles" entzerren. Und viel ist es ja in der Regel ohnehin nicht. :)

Gruß
Nils
Bild
uli.brueggemann
Aktiver Hersteller
Beiträge: 4663
Registriert: 23.03.2009, 15:58
Wohnort: 33649
Kontaktdaten:

Beitrag von uli.brueggemann »

Moin,

ich habe mal die besagten minimalphasigen LR4-Filter mit 200 Hz, 800 Hz und 2500 Hz auf eine andere Variante angewandt und zwar mit Zielrichtung Subtraktionsweiche.
- Dazu zuerst einen minimalphasigen Dirac erzeugt, also Sample 0 = 1
- Dann einen LR4-Tiefpass 2500 Hz. Dieser hat eine Gruppenlaufzeit von ca. 7 Samples (bei Abtastrate 48 kHz). Also den Dirac um 7 Samples rotiert und dann den 2k5-Tiefpass subtrahiert. Das ergibt einen Hochpass.
- Als nächstes einen LR4-Tiefpass mit 800 Hz generiert. Dessen Gruppenlaufzeit ist ca. 25 Samples. Also den Dirac UND den 2k5-Tiefpass um 25-7=18 Samples rotiert und dann den 800-Tiefpass vom 2k5-Tiefpass subtrahiert. Das ergibt einen Bandpass.
- Des weiteren einen LR4-Tiefpass mit 200 Hz erzeugt. Die Gruppenlaufzewit ist ca. 106 Samples. Also den Dirac UND den 800-2k5 Bandpass UND den 800er Tiefpass um 106 -25 = 81 Samples rotiert und den 200er Tiefpass vom 800er Tiefpass subtrahiert. Das ergibt den unteren Bandpass.

Im Zeitdiagramm sieht das dann so aus, wobei alle Weichen als Pulsantwort gezeigt sind, die Summe der Weichen ergibt eine perfekte Sprungantwort (die Summe der Subtraktionsfilter MUSS sich ja perfekt addieren):
Bild

Die Frequenzgänge addieren sich damit ebenfalls perfekt
Bild

Insgesamt ergibt sich eine Zeitverzögerung von ca. 106 Samples = 2.2 ms, wobei sich Hochton und Mittelto and die Gruppenlaufzeit des 200er Tiefpasses angleichen.
Der Nachteil dieser Methode ist natürlich durch die notwendigen Verzögerungen von 81, 99 bzw. 106 Samples für die oberen Weichen gegeben, was auf eine digitale Verarbeitung hinführt. Dort ist das ja kein Problem. Aber mit analogen Bauteilen wird es ja doch eher problematisch.

Natürlich sind das hier nun wiederum idealisierte Weichen. In der Praxis müsste man das Verhalten der Chassis ebenfalls mit berücksichtigen.

Grüsse
Uli
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Danke Uli für die Generierung der Subtraktionsweiche. Einen Nachteil sehe ich allerdings noch: die Flanken sind streng voneinander abhängig. Man sieht z.B. beim Hochtöner schön, wie flach der Hochpass untenrum wird.

Ich halte es für besser, die Gesamtsumme später zu entzerren, sofern nötig. Damit hat man mehr Freiheiten, das Abstrahlverhalten möglichst gut einzustellen.

Gruß
Nils
Bild
uli.brueggemann
Aktiver Hersteller
Beiträge: 4663
Registriert: 23.03.2009, 15:58
Wohnort: 33649
Kontaktdaten:

Beitrag von uli.brueggemann »

Nils,

Irgendeinen Tod muss man immer sterben.
Dafür sieht die Sprungantwort ja drastisch besser aus im Vergleich :wink:

Grüsse
Uli
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Hi Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben:Irgendeinen Tod muss man immer sterben.
Das stimmt wohl. ;)
Dafür sieht die Sprungantwort ja drastisch besser aus im Vergleich :wink:
Naja, die phasenkorrigierte Gesamtsprungantwort von den Varianten 1.1, 2. oder 3. haben wir uns ja noch gar nicht angeschaut. Kannst du die eventuell mal zeigen? Ich habe im Moment keinen Zugriff auf die Tools.

Gruß
Nils
Bild
uli.brueggemann
Aktiver Hersteller
Beiträge: 4663
Registriert: 23.03.2009, 15:58
Wohnort: 33649
Kontaktdaten:

Beitrag von uli.brueggemann »

Nils,

den Punkt 3 Deines Papers hab ich mir bisher gar nicht angeschaut :mrgreen:
Wenn man mit FIR-Filtern nur die Phase korrigieren dann braucht man dazu ein Allpassfilter bzw. Exzessphasenfilter. Natürlich kann man die einzelnen Wege in der Phase korrigieren... bloss, wohin? Minimalphasig sind Deine LR4 ja schon und sie addieren sich zu dem gewünschten Amplitudengang. Man könnte linarphasig machen, aber dann haben wir wieder das symmetrische Filter mit Verzögerung. Irgendwie dazwischen und falls ja, wie?

Oder man nimmt man ein invertiertes Exzessphasenfilter über die Summe der Weichen. Das klappt dann auf jeden Fall. Allerdings gibt es auch hier eine Verzögerung.

Bei dem von mir dargestellten Subtraktionsfilter passt die Summe hinsichtlich Amplitude und Phase. Da muss man (theoretisch) kein Filter mehr dazuschalten.

Grüsse
Uli
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben:Wenn man mit FIR-Filtern nur die Phase korrigieren dann braucht man dazu ein Allpassfilter bzw. Exzessphasenfilter. Natürlich kann man die einzelnen Wege in der Phase korrigieren... bloss, wohin? Minimalphasig sind Deine LR4 ja schon und sie addieren sich zu dem gewünschten Amplitudengang. Man könnte linarphasig machen, aber dann haben wir wieder das symmetrische Filter mit Verzögerung. Irgendwie dazwischen und falls ja, wie?
Bei Variante 3 addieren sich die minimalphasigen Filter nicht perfekt. Hier fehlen ja die zusätzlichen Allpässe bzw. Tief- und Hochpässe. Das heißt, beim einzelnen Bandbpass (also Weg) wird nur die Phase seines Hoch- und Tiefpasses linearisiert. Da dann alle Wege linearphasig sind, summieren sich auch alle zusammen rein konstruktiv.

Natürlich mit konstanter Verzögerung.
Oder man nimmt man ein invertiertes Exzessphasenfilter über die Summe der Weichen. Das klappt dann auf jeden Fall. Allerdings gibt es auch hier eine Verzögerung.
Genau. Das ist Variante 1.1.
Bei dem von mir dargestellten Subtraktionsfilter passt die Summe hinsichtlich Amplitude und Phase. Da muss man (theoretisch) kein Filter mehr dazuschalten.
Richtig. Dafür wird die Amplitude der Filterfunktion für den einzelnen Bandpass verändert. Es sind dann eben keine LR4 mehr, sondern "irgendwas anderes". Das beeinflusst das Abstrahlverhalten. Ob gut oder schlecht, hängt vom Konzept ab. Jedenfalls fällt ein Freiheitsgrad weg, den man zur Formung des Abstrahlverhaltens ansonsten hätte. Deswegen benutze ich lieber die linearphasigen Filter, die für mein Konzept passen, und entzerre im Nachhinein noch mal über alles, wenn die Gesamtsumme nicht konstant ist.

Gruß
Nils
Bild
uli.brueggemann
Aktiver Hersteller
Beiträge: 4663
Registriert: 23.03.2009, 15:58
Wohnort: 33649
Kontaktdaten:

Beitrag von uli.brueggemann »

FoLLgoTT hat geschrieben:Deswegen benutze ich lieber die linearphasigen Filter, die für mein Konzept passen, und entzerre im Nachhinein noch mal über alles, wenn die Gesamtsumme nicht konstant ist.
Linearphasigkeit ist bei mir ja auch der Standard.
Damit ist es dann aber auch egal welchen Filtertyp man verwendet, solange er jedenfalls das Abstrahlverhalten im gewünschten Maß realisiert. Es ist dann auch egal, wie die Filterflanke verläuft, solange eben dann auch hier das Abstrahlverhalten passt. D.h. im eigentlichen Sinn könnte man das Abstrahlverhalten gezielt optimieren. Dann muss lediglich das Chassis ebenfalls den sich ergebenden Frequenzbereich mitspielen können.

Wenn aber nun die Linarphasigkeit der Ausgangspunkt ist, dann bräuchte man auch nicht entsprechend Deinem Paper für jedes Chassis die zusätzlichen Filter zur Anpassung der Phase.
Zumindest habe ich das Paper eigentlich als interessanten Ansatz verstanden um bei minimalphasigen Weichen trotzdem einen korrekten Summenfrequenzgang zu erzielen. Wo andere mit Polaritätsdrehungen der Chassis "herumtricksen" :wink:

Grüsse
Uli
Bild
phase_accurate
Aktiver Hörer
Beiträge: 803
Registriert: 06.05.2008, 16:47
Wohnort: Bern

Beitrag von phase_accurate »

Hallo Uli
Wo andere mit Polaritätsdrehungen der Chassis "herumtricksen"
Man muss aufpassen, dass man nicht jeden, der mit invertierten Chassis arbeitet pauschal als "Trickser" bezeichnet. Falls es um Topologien geht, wo das Verpolen eigentlich nicht vorgesehen ist und der Entwickler den Frequenzgang der Treiber nicht anderweitig mitberücksichtigen kann, gehe ich mit Dir einig. Bei Topologien wie LR2 ist das Verpolen hingegen korrekt.

Gruss

Charles
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Uli,
uli.brueggemann hat geschrieben:Dann muss lediglich das Chassis ebenfalls den sich ergebenden Frequenzbereich mitspielen können.
Das sehe ich auch so.
Wenn aber nun die Linarphasigkeit der Ausgangspunkt ist, dann bräuchte man auch nicht entsprechend Deinem Paper für jedes Chassis die zusätzlichen Filter zur Anpassung der Phase.
Wie gesagt, Linearphasigkeit war nicht des Ziel des Dokuments. Es sollte vielmehr aufzeigen, wie man Speicher sparen kann. Bei ADAU1452 oder MiniDSP/MiniSharc reicht es für "nur FIR-Filter" nämlich nicht aus bei vier Wegen. Da ist so ein Mischbetrieb dann ggf. sinnvoll. Und Lineaphasigkeit ist aus meiner Sicht bei Variante 3 und 4 nur ein Abfallprodukt.
Zumindest habe ich das Paper eigentlich als interessanten Ansatz verstanden um bei minimalphasigen Weichen trotzdem einen korrekten Summenfrequenzgang zu erzielen. Wo andere mit Polaritätsdrehungen der Chassis "herumtricksen" :wink:
Genau. Das lässt sich ja auch rein passiv oder analog aktiv realisieren. Wenn man sowas denn möchte...

Gruß
Nils
Bild
phase_accurate
Aktiver Hörer
Beiträge: 803
Registriert: 06.05.2008, 16:47
Wohnort: Bern

Beitrag von phase_accurate »

Die Subtractive Delay Weichen, wie sie von Uli in euinem der vorherigen Posts gezeigt wurden, lassen sich auf dem ADAU1452 sehr bequem ertellen. Gemäss Lipshitz-Vanderkooy soll das beste Lobing verhalten mit Bessel Tiefpässen ab 4. Ordnung erzeugt werden können. Die so generierten Hochpässe wiesen aber nur 2. Ordnung auf. Ist mindestens dritte Ordnung gefragt, muss zu Butterworth Tiefpässen gegriffen werden. Dann ist aber das Lobing Verhalten etwas weniger gut. Es gibt noch ein Papaer von Kreskovsky wo er beschreibt, wie man Hochpässe höherer Ordnung als 3 generieren kann.

Das Ganze hat mit dem Original Thema nichts zu tun. Ich erwähne es nur, weil die Sprache auf den ADAU1452 fiel.

Gruss

Charles
Bild
FoLLgoTT
Aktiver Hörer
Beiträge: 554
Registriert: 20.01.2011, 14:05
Wohnort: Hannover
Kontaktdaten:

Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Charles,
was meinst du mit "Lobingverhalten"?

Das Abstrahlverhalten ist ja komplett vom geometrischen Konzept abhängig. Also Treiberanordnung, - größe, Gehäusegeometrie usw. Ohne das kann man eigentlich gar nicht auf das Abstrahlverhalten schließen. Selbst Horbach und Keele geben in ihrem Konzept immerhin Abstände für die Treiberpärchen vor, auf das sie die Filter loslassen. Das lässt zumindest eine gewisse Approximation zu.

Der Hinweise auf Lipshitz-Vanderkooy ist grundsätzlich gut. Nur fehlt mir da so ein bisschen. :)

Gruß
Nils
Bild
Sigi M.
Aktiver Hörer
Beiträge: 454
Registriert: 30.01.2017, 17:54
Wohnort: 69469 Weinheim

Beitrag von Sigi M. »

uli.brueggemann hat geschrieben: - Dann einen LR4-Tiefpass 2500 Hz. Dieser hat eine Gruppenlaufzeit von ca. 7 Samples (bei Abtastrate 48 kHz).
Hallo Uli,
interessanter Ansatz! Habe versucht das nachzuvollziehen, aber:
wo kann man die Gruppenlaufzeit ablesen / oder wie berechnen?
Danke für einen Hinweis.
VG
Sigi
Bild
Sigi M.
Aktiver Hörer
Beiträge: 454
Registriert: 30.01.2017, 17:54
Wohnort: 69469 Weinheim

Beitrag von Sigi M. »

Hallo Nils
habe diesen Verweis gefunden:
Stanley P. Lipshitz / John Vanderkooy, Journal of AES Vol. 31 January February 1983
Verfüge aber nicht über dieses Paper.

Den Begriff Lobing (Überlappung) kenne ich als Abstrahlverhalten im Überlappungsbereich (geometrisch gesehen, vor der Schallwand) bei Verwendung > 1 Treiber.

VG
Sigi
Bild
Antworten