Ab wann lädt ein Horn wirklich?

Sigi M.
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Ab wann lädt ein Horn wirklich?

Beitrag von Sigi M. »

Hallo zusamm'

habe mit Josh gestern darüber diskutiert, wie man am Besten analysiert / berechnet / misst / überlegt, ab wann ein Horn wirklich 100% lädt. Hintergrund ist, dass ich den Mitteltöner meines BMS 4592 (250-6300 Hz) an einem Jabo Traktrix (d= 72 cm) in einem Bereich betreiben möchte, der möglichst geringen Membranhub erzeugt, um Intermodulationsverzerrungen der Membran auf dem möglichst geringen Niveau zu halten.

In dem Bereich, in dem ein Horn tatsächlich lädt, sind die Membranbewegungen nahe Null, und erfüllen damit dieses Ziel.

Die von Josh vorgeschlagene Vorgehensweise war, zwei Messungen zu vergleichen, übereinander zu legen:
A) Messung im Zentrum der Hornmundfläche
B) Messung in einigem Abstand (hier 2m)

Hintergrund: Dort wo das Horn zu Ende ist, eben in der Mundfläche, lädt das Horn noch perfekt. In einigem Abstand macht sich dann bemerkbar, dass das Horn aufgrund seiner "nicht unendlichen Ausdehnung" die Fähigkeit des Ladens verliert, bzw. einbüßt.

Ergebnis: perfekt lädt es ab 625 Hz, der -3 dB Punkt liegt bei 430 Hz. Eine Übergangsfrequenz, bei der mein Kickbass noch problemlos aufspielt.

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Es gibt Fälle, in denen diese Treiber/Hornkombi bis 250 Hz eingesetzt wird :roll:
Das ist mit dem Treiber auch durchaus möglich, wenn man es mit der Belastung nicht zu sehr übertreibt. Klanglich verspreche ich mir Vorteile von der bestmögliche Auslegung.

VG
Sigi

Horngrösse verhält sich wie Hubraum, durch nichts zu ersetzen, als durch noch mehr... :lol:
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hallo Sigi

Dass sich das so klar abzeichnet hätte ich auch nicht gedacht. Danke für die Veranschaulichung!

Der klassische Weg ist idR über die elektrische Impedanz zu schätzen. Das funktioniert aber auch nicht immer genau und man kann unterschiedliche Horntypen kaum miteinander vergleichen. Aber es hilft.
Insb. Freifeld vs Geladen. Dafür braucht man aber auch Equipment.

Was auch gern rational zu Hilfe gezogen wird ist der K3 Klirr. Bei manchen über-potenten Treibern klirrts aber erst relevant bei brutalen Pegeln über 110dB. Dafür braucht man aber auch ein SPL Meter und etwas Erfahrung.

Auch noch gut: Sonogramm. Von 0 bis -180. Außerhalb der Achse wird genau der Bereich am wenigsten Abfallen/Bündeln, welcher auf Entfernung am meisten verliert. Was das Horn nicht lädt beugt sich um den Mund. Ist also Kugelförmig, der Druck verteilt sich sphärisch, und verliert 6dB pro Entfernungsverdopplung. Während der gerichtete Bereich weniger verliert. Ist aber auch wieder Zeit- und Platz-aufwendig zu messen.

Ich denke ein Betrachten aller 4 Faktoren von Sonogram + el. Impedanz + Entfernungsverlust + K3 gibt ein volles Bild. Aber die Entfernungsmessung ist für Otto Normal der Pareto Weg.

Gruß
Josh


PS: Wie sieht das eigentlich mit dem Kickbasshorn aus? :D
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Mister Cool
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Beitrag von Mister Cool »

Hallo Sigi,

Du schreibst von dem Mittelton-Anteil des BMS (bis 6,3kHz), aber der Meßschrieb läuft fast bis 10kHz. Ist der HT mitgelaufen?

Grüsse,
Alwin
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Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

Mister Cool hat geschrieben:Hallo Sigi,

Du schreibst von dem Mittelton-Anteil des BMS (bis 6kHz) (bis 6kHz), aber der Meßschrieb läuft bis 10kHz. Ist der HT mitgelaufen?

Grüsse,
Alwin
Hallo Alwin
nach den Erfahrungen aus der Diskussion über die Treiberpolung messe ich immer bis zum "Raumrauschen" (Grund-noise…) Fachbegriff fehlt mir gerade. Das gibt jedenfalls die bessere Sprungantwort, weil sich sonst die obere Messfrequenz (obere Grenz-Frequenz des Bandpasses in dessen Grenzen man misst) als Vorschwinger im IMpuls etabliert. Deshlab 10 kHz, das kann er gerade noch.
Nein der HT war nicht dabei, der Einsatzbereich des MT ended aber dort wo der HT mit 6300 einsetzt. Daher die 6KHz.
VG
Sigi
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Alwin,

Das deckt sich eigentlich ganz gut mit den Angaben des Herstellers. Den BMS kannst Du nicht höher als ~6,5kHz betreiben. Der fällt da schon arg ab.

http://www.bmsspeakers.com/fileadmin/bm ... curves.jpg

Dummerweise ist der HT da noch nicht zu 100% da, weswegen man immer mit einem kleinen Loch kämpft, was ich aber nicht tragisch finde.

Viele Grüße

Christian
Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

Hornguru hat geschrieben:...
Auch noch gut: Sonogramm. Von 0 bis -180. Außerhalb der Achse wird genau der Bereich am wenigsten Abfallen/Bündeln, welcher auf Entfernung am meisten verliert.
...
PS: Wie sieht das eigentlich mit dem Kickbasshorn aus? :D
Hatte ich noch gar nicht drüber nachgedacht, das bedeuted ja auch weniger Reverb :-) zwischen 350 und 600 Hz, und damit eine bessere Bühne. Ich glaube eine gute Überlegung, diese Messung.

Kickbass - weiss ich nicht, ob ich das wissen will :roll:
Na gut, kommt gleich.

VG
Sigi
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Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

chriss0212 hat geschrieben: Dummerweise ist der HT da noch nicht zu 100% da, weswegen man immer mit einem kleinen Loch kämpft, was ich aber nicht tragisch finde.
Uli hat auch über dieses Loch berichte, aber mit NT3 und dem korrekten Delay/Polung hatte ich nie das Problem. Korrekturbereich MT / HT liegt aber auch bei ca. 10 dB, was eine 10-fache Verstärkerleistung bedeuted, aber für Hören mit diesem Teiber im WZ nicht relevant ist.

VG
Sigi
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Korrekturbereich MT / HT liegt aber auch bei ca. 10 dB
Damit bekommt man das Loch auch raus... so wild ist es ja nicht.

Man sieht das Loch ja schon in den Einzelfrequenzgängen... somit muss es ja ohne entsprechende Korrektur auch in der Summe da sein. Korrekte Polung und Phase hin oder her ;)

Aber wie gesagt: Ich habe es nicht korrigiert, fand es aber auch akustisch nicht problematisch. Ein Lautsprecher darf auch Fehler haben, so lange sie nicht nerven ;)

Grüßle

Christian
Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

Hallo zusamm'
wie versprochen, Auslegung zum Kickbass

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braun Messung in 2 m Entfernung
blau Messung im Mund

Differenz zwischen Mund- und 2m Entfernungsmessung: (Abweichung blaue / braune Kurve)
Bei 90 Hz ~ 2dB
Bei 460 Hz ~ 3dB
bei einem Pegelunterschied von 3 dB oGf/uGf Pegel (rechte / linke Cursormarkierung), passt ! Ok, unten rum muss man ein bischen drücken ;-)

Die 450 Hz (KB) mit ~ 3dB Ladeverlust schliessen sich prima an den MT mit ~ 3dB Ladeverlust bei 450 Hz an. Mit insgesamt ca. 6 dB benötigtem zusätzlichen Headroom, würde ich sagen, passt doch auch ganz gut.

Mir war nicht bewusst, dass ein Horn im Abstand im oberen Frequenzbereich besser wird. Interpretiere ich das richtig?

VG
Sigi
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hallo Sigi

Ich glaube das lässt sich schwieriger Vergleichen.
Man kann nicht stur nach Peak Normieren. Man muss irgendwie die Hochton Aplitude im geglätteten Mittel nah beieinander haben.

Das geht wohl schwer mit gefalteten Hörnern weil diese eine Verzerrung in der Wellenfront haben.

Ich würde mal versuchen das Mikro auf den Boden zu legen. Ggf sogar den Teppich weg rollen
Einmal am Mund liegend.
Und einmal 2 Meter weg liegend.
Am Boden entlang sollte die Wellenfront immer gleich bleiben.

Gruß
Josh
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Mattias
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Beitrag von Mattias »

Hi,

für eine vernünftige Auskunft über das "Laden" eines Hornes empfiehlt sich der Artikel "Horn Theory: An Introduction" von B. Kolbrek, erschienen in "audioXpress" 2008. Dort sind auch ne Menge Diagramme drin, was die "Hornladung" verschiedenster Horntypen (auch Tractrix) angeht. Natürlich den Hornhals (also Anschluss) betreffend. Da dürfte sich ne Menge klären.

Ladung hat per se erstmal nix mit Bündelung zu tun, z.B. lädt eine überlange Tube ggfs. hervorragend, strahlt aber bereits bei niedrigen Frequenzen breit ab.

Das große Jabo lädt, wenn ich mich recht erinnere, bis ca 250Hz hinunter, was grob mit deiner Messung übereinstimmt (starker Pegelabfall). Was du aber mit deinen Vergleichsmessungen (bzw. den gezogenen Vergleichen) mist, sind reine Beugungseffekte am Einfachspalt (ok, hier rundes Loch). Hat mit Ladung (Realteil der akustischen Impedanz) nichts zu tun. Jedes Chassis dieser Größe würde gleiche relative Ergebnisse liefern (nur bei geringerem Pegel).

Ein Horn wird zu höheren Frequenzen nicht besser, siehe obere Quelle. Allerdings bündeln die Tractrixhörner mit zunehmder Frequenz ganz gruselig stark, das 72er extrem. "Kugelwelle" deutet nur auf die möglichst reflexionsfreie Auslegung des Hornverlaufes hin, hat mit einer entstehenden kugelwellenförmigen Wellenfront durch die Hornkonstruktion jedoch nix zu tun (ist nur ein Wunschdenken).

Gruß
Mattias
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Hornguru
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Beitrag von Hornguru »

Hallo Mattias!

Danke für den Artikel.

Ein Rohr mit kleinem Austritt ist aber kein Horn. Es ist eine Transmissionline. Der Unterschied ist, diese erzeugt in der Luftmasse eine Tunnelresonanz. Diese erzeugt nicht in der ersten Wellenfront eine höhere Amplitude sondern schwingt sich über mehrere Perioden hoch, und erzeugt so in der (zeitlichen)Summe mehr Energie. Diese "laden" immer nur ganz bestimmte Frequenzen und deren Vielfache.

Du hast Recht, das Laden per se bzw die Strahlungsimpedanz hat nichts direkt mit dem Richtverhalten zu tun. Siehe Multicell.

Dass für dich Bündelung gruselig ist, die Kante beugt, und die Kugelwellentheorie nicht stimmt, hat aber mit dem Thema nichts zu tun ;)

Praxisrelevant bleibt die Frage:
- wie weit runter will ich mein Horn betreiben?
- in welchem Bereich habe ich weniger Verzerrungen?
- wo gibt es Anhaltspunkte und Analogien die sich einfach erfassen lassen ohne Messlabor?
- möchte ich dem BMS bei 300Hz doppelt so viel Arbeit abverlangen und die Hälfte im Diffusfeld verlieren?

Deshalb empfahl ich auf die Frage "wie tief trennen?" -> "Druckverlust auf Abstand berücksichtigen".
Kann aber durchaus sein dass wir hier falsche Rückschlüsse ziehen - wie du ja bemerkst :D
Das Ergebnis bleibt aber gleich. Misst du den Klirr jeweils Amplitudenlinearisiert einmal im Nahfeld und einmal Fern, so wird sich diese 300-600Hz Region stark unterscheiden.

Das ganze ignoriert aber noch einen weiteren Punkt: Habe ich unter 600Hz denn überhaupt einen besseren Treiber? Oder ist der BMS immer noch besser als das Kickbass-Horn von Sigi?

Gruß
Josh
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Josh
Das ganze ignoriert aber noch einen weiteren Punkt: Habe ich unter 600Hz denn überhaupt einen besseren Treiber? Oder ist der BMS immer noch besser als das Kickbass-Horn von Sigi?
Das ist aus meiner Sicht sogar der springende Punkt ;)

Wie sagte Hajo so schön: vergiss die 2 Okataven Regel... schau Dir an welcher Treiber im jeweiligen Horn besser funktioniert und danach trennst Du ;)

Regeln sind aus meiner Sicht eher als Anhaltspunkt zu sehen... aber eben nicht allgemein gültig.

Ich würde da mal wieder ganz praktisch rangehen: ausprobieren ;)
Gibt ja so viele Konstrukte die nach Lehrbuch nicht funktionieren sollten aber spielen und umgedreht ;)

Grüße vom Praktiker

Christian
Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

Macht nicht den riesigen Unterschied, die Fähigkeit zu laden ist deutlicher, Grenzfrequenzen bleiben allerdings im Großen und Ganzen, wie im vorigen Bild. Benötigter Headroom 2 dB mehr.
Bild
blau Messung im Mund

Impedanzverlauf (simuliert, Messung demnächst)
Bild
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Sigi M.
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Beitrag von Sigi M. »

Mattias hat geschrieben:Hi,
...
für eine vernünftige Auskunft über das "Laden" eines Hornes empfiehlt sich der Artikel "Horn Theory: An Introduction" von B. Kolbrek, erschienen in "audioXpress" 2008.
...
Gruß
Mattias
Hallo Mattias, hast ja auch ein schönes Projekt mit dem BMS durchgezogen :cheers: :-)
Auch von mir Danke auf den Hinweis "Horn Theory-Kolbrek", werde ich lesen, wenn ich hier mit dem Ein-Messen durch bin.

Eine Frage an Dich: welchen Einsatzbereich würdest Du definieren, bzw. hast Du Verbesserungsideen zu meinen Ausführungen? :cheers:
Für mich war die Frage wichtig, ab welcher Frequenz die Anpassung des Treibers an den Raum nicht mehr verbessert werden kann.

Die Anpassung des Treibers an den Raum ist ja wesentlich vom Horn (-Umfang am Mund) abhängig. Je größer das Horn, desto bessere Anpassung des Treibers an den Raum.

Genauso kann man sagen, dass für ein gegebenes Horn (in dem Fall KH72) ab einer bestimmten Frequenz (nach oben) die Anpassung des Treibers an den Raum nicht mehr besser wird. (nicht mehr gesteigert werden kann) Diese Frequenz wollte ich herausbekommen, weil sie aus meiner Sicht das Optimum für den Betrieb mit dem BMS darstellt.

Optimum in dem Sinn, dass der BMS unter den für ihn besten Bedingungen den größten Frequenzbereich abbildet. Das ist der kleine braune Kreis im Schaubild meines Eröffnungsbeitrages. Der lila Kringel links daneben ist schon ein Kompromiss. Welche Frequenz würdest Du wählen?

VG
Sigi
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