Raumakustik mit Kunstkopf messen?

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wgh52
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Raumakustik mit Kunstkopf messen?

Beitrag von wgh52 »

Hallo Freunde der Raumakustik,

beim Lesen der vielen Beiträge zu Raumakustik, mechanischer Raumabstimmung und elektronischer Raumkompensation sowie den Bemerkungen zur (Ir)Relevanz von Kugelmikrofonmessungen für Raumakustik kam mir der Gedanke mit dem Kunstkopf:

• Würde es nicht Sinn machen Hörplatz bzw. Sweetspot Abstimmungen mit einem Kunstkopf (so man einen bekommen kann) zu machen?
• Wie würde ein Kunstkopf die Messungen , bzw. Messergebnisnutzung in digitalen Raumkompensationssystemen beeinflussen?
• Wurde darüber schon irgendwo irgendwas publiziert?

Gruß,
Winfried

PS: Falls der Beitrag irgendwo besser passt als in einem neuen Thema, bitte einordnen.

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MichaNRW
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Beitrag von MichaNRW »

Hallo Winfried,

die Idee ist richtig gut! Aber nicht ganz zu ende gedacht ;)
Es gibt da noch weiter "Problemchen" die mitgehört werden wollen.
Ein paar Leute haben sich ähnliche Gedanken zum Thema Kunstkopf gemacht:
"Virtueller Kunstkopf“ erobert Schall im dreidimensionalen Raum
https://www.jade-hs.de/jadewelt/forschu ... alen-raum/

Grüße
Michael
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Winfried,

das ist definitiv eine wichtige Frage.
Die Antwort führt aber auch zum Problem, wo Messgerät bzw. Messanordnung das Ergebnis beeinflussen.

Veranschaulichung:
Stell Dir vor dass der Kunstkopf Deinem Kopf entspräche. Dann würde ein Mikro im Gehörgang bereits die HRTF des Kopfes mit aufzeichnen. Wenn Du das wiederum über LS hörst, passiert das Signal Deine HRTF noch ein zweites Mal. Was ja so nicht sein sollte.

Nun kannst Du die Ohren am Kunstkopf wegnehmen. Nichtsdestotrotz gibt es da noch Reflextionen, Beugung des Schalls etc. was die Messung beeinflusst.

Du kannst dann auch dem Rat folgen, die Aufzeichnung per Kopfhörer zu hören. Der durch den Hörer und die Ohrmuschel gebildete Raum beeinflusst das Resultat ebenfalls erheblich. Die Feststellung, welcher Kopfhörer nun linear abbildet, ist ebenfalls nicht so ganz ohne.

Zuletzt verbleibt wohl noch, per Mikro im Gehörgang aufzunehmen und per Stöpsel im Gehörgang wiederzugeben. Dann ergeben sich auch sensationelle Ergebnisse. Allerdings müsste man dann auch den Kopf stillhalten bzw. den Drehungen während der Aufnahme folgen.

Das größte Manko: die individualisierte KK-Aufnahme klingt überzeugend, allerdings ist sie im Plattenladen selten verfügbar. :P

Grüsse
Uli
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

OK. Danke Euch für die interessanten Antworten!

Vielleicht kam's nicht ganz 'rüber, aber in anderen, dieses Thema behandelnden Threads, wird (wenn ich's richtig verstanden habe) die Unzulänglichkeit des (Kugel-)Mikrofons für Raumabstimmungen betont. Mir ging's also nicht um HRTF oder Gehörgang oder Individualisierung, sondern lediglich um alternative, möglicherweise "naturnähere" Raumakustik-Messmethoden bzw. -aufbauten. Dass die KK-Messungen eventuell nicht 1-zu-1 verwendbar für z.B. Acourate wären, kann ich mir vorstellen. Aber an sich müssten die KK-Messergebnisse doch besser die (subjektiven?) Hörverhältnisse am Hörplatz repräsentieren als eine Kugelmikrofonmessung. Übertrieben gesagt: Ein Dummy mit KK am Hörplatz sitzend erscheint mir irgendwie noch realitätsnäher.

Nun ja, mag sein, dass ich hier irgendwas richtig falsch sehe - war halt eine Idee.

Gruß,
Winfried

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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Winfried, verspätete Antwort,
ich wüsste niemand, der Messtechnik mit Kunstkopf besser beherrscht als Klaus Genuit
https://www.head-acoustics.de/de/about_us.htm
aber Head Acoustik macht damit überwiegend Geräuschmessungen und bewertet diese, der Vorteil ist die bessere Auswertbarkeit, wenn man nicht mehr vor Ort ist, schließlich wird auch der räumliche Eindruck mit aufgezeichnet.

Für mich bedeutet Messen auch immer, die richtige Auswertung dazu haben müssen. Solange man die Messwerte nicht richtig interpretieren kann oder nicht in ein Korrektursystem einpflegen kann, nützt es mir nichts. Und deshalb halte ich die Methode, ein einzelnes kalibriertes Mikrofon zu benutzen, immer noch für die beste.
Und jetzt kommt der Haken beim Kunstkopf, da halte ich eine Kalibrierung für nahezu unmöglich, da das Mikrofon nicht wissen kann, ob z.B. 4kHz von vorn, oder von der Seite oder von hinten kommen, beim Kopf macht das aber einen großen Unterschied. Erst, wenn die Einfallsrichtung durch Vergleich mit dem anderen Mikrofon hinsichtlich Intensität und Laufzeitunterschied feststeht, könnte man eine individuelle Pegelkorrektur vornehmen. Die orientiert sich also dann an dem ankommenden Signal, in Abhängigkeit vom anderen Kanal.
In unserem Hörsinn ist das ganz einfach, angeboren, erlernt...


Mit dem "Aachen Head" von Head Acoustics gibt es einige Kunstkopfaufnahmen, z.B. Klangräume

Ein Verfahren, Kunstkopfaufnahmen so zu entzerren, dass man sie mit Lautsprechern wiedergeben kann (aber noch Kopfhörerkompatibel), hat die EMI in ihrem Forschungslabor als Sensaura entwickelt. Nachdem es eine überschaubare Reihe von CDs gab, darunter auch eine Telarc. Sensaura wurde an die Computerspieleindustrie verkauft.

Grüße Hans-Martin
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo,
Hans-Martin hat geschrieben:Für mich bedeutet Messen auch immer, die richtige Auswertung dazu haben müssen. Solange man die Messwerte nicht richtig interpretieren kann oder nicht in ein Korrektursystem einpflegen kann, nützt es mir nichts. Und deshalb halte ich die Methode, ein einzelnes kalibriertes Mikrofon zu benutzen, immer noch für die beste.
Selbst wenn man mit Kunstkopf die HRTF berücksichtigen kann, ist damit die indivduelle HRFT nicht berücksichtigt. Schaut man sich mal psychoakustische Untersuchungen an, in denen auch Ergebnisse der einzelnen Versuchspersonen gezeigt werden, sieht man, daß da recht beträchtliche Unterschiede zw. den Personen auftreten können.

Hinzu kommt, daß bei einer simplen Messung mit Mikrophon die komplette Auswertung der Daten wegfällt, die das Gehirn vornimmt, wie z.B. Kurven gleicher Lautstärke, Präzedenzeffekt, Klangverfärbungsunterdrückung, Maskierungseffekte. Ich kann auf Grund einer simplen Frequenzgangmessung also gar nicht beurteilen, was ich korrigieren will/muß, weil ich nicht weiß, was das Gehirn schon selber korrigiert.

Klaus
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

KlausR. hat geschrieben:Hinzu kommt, daß bei einer simplen Messung mit Mikrophon die komplette Auswertung der Daten wegfällt, die das Gehirn vornimmt, wie z.B. Kurven gleicher Lautstärke, Präzedenzeffekt, Klangverfärbungsunterdrückung, Maskierungseffekte. Ich kann auf Grund einer simplen Frequenzgangmessung also gar nicht beurteilen, was ich korrigieren will/muß, weil ich nicht weiß, was das Gehirn schon selber korrigiert.
Hallo Klaus,
ich verstehe Winfrieds Vorschlag so, dass eine HRTF-orientierte Messung Ergebnisse liefern soll, die durch eine einfallsrichtungsorientierte Bewertung (mechanisch/akustischer Einfluss des Kunstkopfs) mehrdimensionale Auswertung ermöglicht. Unsere Hirnleistungen, kleine Bewegung und die Änderungen der akustischen Wahrnehmung in Bezug zu setzen und auf das übereinstimmende verbleibende Bild vom Objekt zu kondensieren, bleiben dabei unübertroffen.
Ich habe gerade gelesen, dass die Leipziger Alzheimerforschung festgestellt hat, dass nach Verlust der Sprechfähigkeit dennoch bekannte Lieder weitergesungen werden konnten, und dass Hirnarreale Aktivitäten zeigten, die üblicherweise mit Motorik verknüpft werden. Musikempfindungen und -Wiederkennen scheinen länger noch zu bleiben als andere Bereiche des schwindenden Gedächtnisses. Das bestätigt meine persönliche Beobachtung, dass Leidenschaft für Musik erhalten bleibt, trotz fortgeschrittener Inkontinenz und Abbau intellektueller und kommunikativer Fähigkeiten bei Demenz. Musik mit hohem Luftgitarrenfaktor bleibt eine Freude und motiviert zur Bewegung.
Was in unseren Hirnen passiert, scheint weniger erforscht als was vor unseren Ohren geschieht.

In unserem Theater fiel der Pegel in den hinteren Rängen bis zu -20dB gegenüber der Bühne ab.
Da fragt man sich schon, ab hinsichtlich der Loudnesskurven der Eindruck von Live-Musik richtig ist, den man mit nach Hause nimmt. Er ist Sitzplatzabhängig und den richtigen Orchesterklang bekomme ich nur am Dirigentenpult, wo dser Koordinator seine Instruktionen verteilt, bis es seiner Meinung nach stimmt.
Der schmale Schlauch des Wiener Musikvereinssaals ist dann imstande, eine Wellenfront mit geringeren Veränderungen zum Hörer zu transportieren als die offene Muschel mit dem Orchester in der Mitte, man denke an die Richtwirkung einer Trompete, deren Obertöne die Zuhörer hinter dem Orchester nicht mehr abbekommen.
Es ist nicht Aufgabe des Dirigenten, auf weiter entfernte Sitzplätze Rücksicht zu nehmen, er kann es nicht, und es würde anderen Plätzen wiederum nicht gerecht. Und es ergibt sich, dass die Aufnahme schon Fehler enthält, beim Mastering wird von jemand, der idR nicht Zeuge der Performance war, nach uns nicht kommunizierten Kriterien der Klang noch einmal nachgebogen.
Wenn man dieselbe Abhörlautstärke wie beim Mastering einstellt, könnte man erwarten, dass sich gemäß Loudnesskurven auch dieselbe tonale Balance einstellt. Solch ein Wert wird nicht kommuniziert, also dreht man an der Lautstärke, bis es gefällt, bis es besonders stimmig wird.
Das ist nur ein Kompromiss, mit dem man aber leben kann.

Mehr Abstand zu den Boxen sorgt auch für ein schwächeres Klangbild, aber die Raummoden bringen sich brutaler ein, was tonale Unbalance betrifft.
Und in den pp Stellen spielen die Bässe da lauter und bei fff leiser als der Rest, um Differenzwerten bei Loudnesskurven gerecht zu werden?

Mit einem Ausschlussverfahren, so behaupte ich, kann man sinnvolle von zwecklosen Maßnahmen trennen, zu den sinnvollen gehört m.E. die Linearisierung des LS-FGs auf Achse (mittels Fensterung von der Messung ausgeschlossene Reflexionen), die der Hersteller mangels technischer Möglichkeiten belassen hat, und die angemessene Pegelreduktion bei den Raummoden, die ich auch mit dem Begriff Verdeckung in Verbindung bringe. Man hört einen tiefer reichenden Bass, sofern in der Aufnahme vorhanden, ohne dass die Dröhneffekte des Raums ihn zudecken. Ohne Dominanz der Raummoden erfährt man auch mehr Luft zwischen den Instrumenten und bessere Fokussierung bei derselben Aufnahme, und um die Pegel der Raummoden zu erfassen, reicht ein einfaches Mikrofon mit Kugelcharakteristik und Kalibrierung.

Den Prezedenzeffekt halte ich für vorteilhaft, aber zugleich auch kaum korrigierbar, sehe dafür auch keinen Bedarf, im Gegenteil.

Die Messung mt einzelnem Mikrofon und überschaubaren Eigenschaften hilft mMn mehr zum Verständnis der Vogänge und Kompensationsansätzen als ein spezielles Stereo-Mikrofon, welches als Schnittstelle zwischen Live-Event und Hörerohr eingesetzt wird, gefolgt von Aufnahme- und Wiedergabekette bis Kopfhörer.

Mir scheint der Begriff angemessen bei allen Maßnahmen sehr wichtig.
Bis man sich zufrieden zurücklehnen kann.
Grüße Hans-Martin
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:
KlausR. hat geschrieben:Hinzu kommt, daß bei einer simplen Messung mit Mikrophon die komplette Auswertung der Daten wegfällt, die das Gehirn vornimmt, wie z.B. Kurven gleicher Lautstärke, Präzedenzeffekt, Klangverfärbungsunterdrückung, Maskierungseffekte. Ich kann auf Grund einer simplen Frequenzgangmessung also gar nicht beurteilen, was ich korrigieren will/muß, weil ich nicht weiß, was das Gehirn schon selber korrigiert.
Hallo Klaus,
ich verstehe Winfrieds Vorschlag so, dass eine HRTF-orientierte Messung Ergebnisse liefern soll, die durch eine einfallsrichtungsorientierte Bewertung (mechanisch/akustischer Einfluss des Kunstkopfs) mehrdimensionale Auswertung ermöglicht.
Daß das nicht funktioniert, hat ja schon Uli erläutert. Das Signal würde eine erstes Mal eine willkürliche HRTF, nämlich die des Kunstkopfes, ein zweites Mal die indivuelle HRTF des Hörers durchlaufen.
In unserem Theater fiel der Pegel in den hinteren Rängen bis zu -20dB gegenüber der Bühne ab. Da fragt man sich schon, ab hinsichtlich der Loudnesskurven der Eindruck von Live-Musik richtig ist, den man mit nach Hause nimmt. Er ist Sitzplatzabhängig und den richtigen Orchesterklang bekomme ich nur am Dirigentenpult, wo der Koordinator seine Instruktionen verteilt, bis es seiner Meinung nach stimmt.
Schaut man sich mal in Konzertsälen an verschiedenen Stellen aufgenommene Frequenzgänge an, wird deutlich, daß da beträchtliche Unterschiede vorliegen. Sein Gehör ab und zu durch Konzertbesuche zu „eichen“, wie es oftmals vorgeschlagen wird, ist also ziemlich sinnlos.

Meyer, “Acoustics and the Performance of Music”, Verlag Das Musikinstrument, 1978
Takatsu, “Acoustical design and measurement of a circular hall, improving a spatial factor at each seat”, Journal of Sound and Vibration 2000, S.263
Man hört einen tiefer reichenden Bass, sofern in der Aufnahme vorhanden, ohne dass die Dröhneffekte des Raums ihn zudecken. Ohne Dominanz der Raummoden erfährt man auch mehr Luft zwischen den Instrumenten und bessere Fokussierung bei derselben Aufnahme, und um die Pegel der Raummoden zu erfassen, reicht ein einfaches Mikrofon mit Kugelcharakteristik und Kalibrierung.
Raummoden habe einen Effekt nur dann, wenn sie von der gerade wiedergegebenen Musik auch tatsächlich angeregt werden. Wie oft kommt das vor? Ein Mikro kennt keine Kurven gleicher Lautstärke, wird da unter Umständen was korrigiert, was eigentlich kein Problem ist?
Die Messung mit einzelnem Mikrofon und überschaubaren Eigenschaften hilft mMn mehr zum Verständnis der Vogänge und Kompensationsansätzen als ein spezielles Stereo-Mikrofon, welches als Schnittstelle zwischen Live-Event und Hörerohr eingesetzt wird, gefolgt von Aufnahme- und Wiedergabekette bis Kopfhörer.
Kein Mikrophon wertet die Daten so aus wie unser Gehirn, damit aufgenommene Frequenzgänge sagen also recht wenig darüber aus, wo Probleme sind und warum. Im Baßbereich lassen sich die Pegelwerte recht einfach von dB SPL in Sone (Lautheit) umrechnen, dies gibt ein klareres Bild des Geschehens und lässt sich m.E. sehr viel besser zur Problembeurteilung verwenden. Im restlichen Bereich sollte man vielleicht die Finger davon lassen, da man mit elektronischer Korrektur auch den Frequenzgang des Direktschalls verbiegt, und damit das Referenzsignal, mit dem alle nachfolgenden Signale (Reflexionen) verglichen werden.

Klaus
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

KlausR. hat geschrieben: Raummoden habe einen Effekt nur dann, wenn sie von der gerade wiedergegebenen Musik auch tatsächlich angeregt werden. Wie oft kommt das vor? Ein Mikro kennt keine Kurven gleicher Lautstärke, wird da unter Umständen was korrigiert, was eigentlich kein Problem ist?
Hallo Klaus,
wenn ich von Güte=8 ausgehe, ist nicht nur bei dem angeregten Ton etwa 12dB Überbetonung, sonder auch bei den beiden benachbarten überschlägig immer noch +6dB zuviel, in der nächsten Oktave wiederholt sich das Spielchen, wo ein Instrument auf einmal sich von den lokalisierbaren Position völlig aufbläht. Diese Unausgewogenheit findet zudem im Zeitbereich gerade bei tiefen Frequenzen besondere Ausdehnung, weil die Wellenlängen zeitlich wie räumlich sehr groß sind, folglich das Abklingen bei gleichen Dämpfungsparametern länger hörbar andauert.

Die Loudnesskurven sind pegelbezogen, und da wird ja schon im Studio bei einem Pegel auf Ausgewogen getrimmt, den der Hörer zuhause momentan stimmungsabhängig womöglich nicht einstellt.

Die Abstände der Kurven sind nicht kostant, d.h., bei 60dB oder 90dB sind für 20 dB Verschiebung recht unterschiedliche Kompensationen erforderlich. Das kann nicht Aufgabe der LS und nicht des Mikrofons sein, hier kompensierend einzugreifen.
Vielmehr müsste man eine Loudnesskorrektur haben, die graduell variabel ist. Meine Versuche, 9 Speicherplätze mit über die Zielkurve gestülpten Kurvendifferenzen die Lautstärke einstellbar zu machen, führte nicht zu gleichem Klangeindruck bei allen Stufen, eigentlich unbefriedigend, aber mir kam der Gedanke, dass im Orchester nicht alle Instrumente gleichlaut spielen, und die leiseren brauchen dann eine andere Kompensation als die lauteren. Unmöglich, das!
Loudnesskompensation ist ein sehr schwieriges Kapitel für sich.
Kein Mikrophon wertet die Daten so aus wie unser Gehirn, damit aufgenommene Frequenzgänge sagen also recht wenig darüber aus, wo Probleme sind und warum. Im Baßbereich lassen sich die Pegelwerte recht einfach von dB SPL in Sone (Lautheit) umrechnen, dies gibt ein klareres Bild des Geschehens und lässt sich m.E. sehr viel besser zur Problembeurteilung verwenden. Im restlichen Bereich sollte man vielleicht die Finger davon lassen, da man mit elektronischer Korrektur auch den Frequenzgang des Direktschalls verbiegt, und damit das Referenzsignal, mit dem alle nachfolgenden Signale (Reflexionen) verglichen werden.
Wenn ein lineares Mikrofon (Dank Kalibrierung) und ein nicht linearer Lautsprecher zeigen, wo man korrigierend eingreifen kann, um die Arbeit des LS-Entwicklers zuende zu bringen, kann es hörbar positive Auswirkungen haben. Die Pegelveränderungen des Direktschalls zeigen sich dann aber ebenso auch im Nachhall.
An der Relation beider zueinander ändert es nichts.
Da die Hörzellen eine Erholzeit nach dem ersten Puls brauchen, könnte man vereinfachend sagen, dass eine FFT-ähnliche Sofortanalyse gemacht wird, und mit dem späteren Verlauf des Schalls eine anders geartete Auswertung erfolgt. Auch ein interessantes Kapitel, die Glaubwürdigkeit der Wiedergabe zu testen.
da man beim Betreten des Raums schon die FFT der eigenen Schritte macht, kennt man den Widerhall, die Raumgröße, wesentliche Hallmerkmale und hört sich auf den raum ein.
Ein Trick der Tontechniker ist, das raumeigene Rauschen einen kurzen Moment vor dem Beginn der Musik mit aufzuzeichnen, damit man sich auf den Aufnahmeraum einstellen kann. Auch Beifall kann da interessante Effekte bringen.
Grüße Hans-Martin
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben:wenn ich von Güte=8 ausgehe, ist nicht nur bei dem angeregten Ton etwa 12dB Überbetonung, sonder auch bei den beiden benachbarten überschlägig immer noch +6dB zuviel, in der nächsten Oktave wiederholt sich das Spielchen, wo ein Instrument auf einmal sich von den lokalisierbaren Position völlig aufbläht. Diese Unausgewogenheit findet zudem im Zeitbereich gerade bei tiefen Frequenzen besondere Ausdehnung, weil die Wellenlängen zeitlich wie räumlich sehr groß sind, folglich das Abklingen bei gleichen Dämpfungsparametern länger hörbar andauert.
Als ich die Hummeln 2001 neu hatte, habe ich mit M. Wolff telefoniert wegen des Einmeß-Services. Er fragte, ob mir beim Musikhören was auffiele, was ich verneinte, woraufhin er meinte, daß dann kein Handlungsbedarf bestünde. Mit der seit dem Telefonat entdeckten sehr selten vorkommenden Anregung der 2ten Quermode kann ich gut leben.
Wenn ein lineares Mikrofon (Dank Kalibrierung) und ein nicht linearer Lautsprecher zeigen, wo man korrigierend eingreifen kann, um die Arbeit des LS-Entwicklers zuende zu bringen, kann es hörbar positive Auswirkungen haben.
Die Arbeit des Entwicklers zu Ende führen? Einen solchen Lautsprecher sollte man sich gar nicht erst kaufen :mrgreen: Ansonsten hast Du natürlich Recht.

Klaus
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Klaus,
mit Arbeit zu Ende bringen meinte ich DSP Einsatz zur weiteren Linearisierung, wenn DSP schon vorhanden ist. Bei passiven LS sind die Möglichkeiten sehr begrenzt und bei aktiven kommen ja zunehmend DSPs zum Einsatz, aber es gibt genügend Fälle, wo Verbesserung noch möglich ist.

Und wenn man an die Fähigkeiten von Acourate denkt, die Sprungantwort eines fertigen Lautsprechers von idR bestenfalls zeitkohärent auf zeitkoinzident umzuwandeln, dann tun sich neue Klangräume auf, da ist momentan das Ende der Fahnenstange. Zumal Hornsysteme wie Avantgarde Acoustic ihre Hörner so montieren, dass sie sich nicht gegenseitig behindern - was der bestmöglichen Sprungantwort nicht gerade förderlich ist.
Aber das gehört eigentlich in den anderen Thread, wo sich die Befürworter und Gegner von digitalen Raumkorrektursystemen hacken.
Grüße Hans-Martin
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