Raummoden, Schröderfrequenz, Erstreflexionen

KlausR.
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Raummoden, Schröderfrequenz, Erstreflexionen

Beitrag von KlausR. »

Hallo Oliver,

ich koppele dies mal aus dem Fred im "Vorstellungsforum" aus, da dieses nicht für derartige Diskussionen gedacht ist.

http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic. ... 48#p107448

O.Mertineit hat geschrieben:m.E. erzählt Siegfried Linkwitz in Bezug auf LS/Raum Interaktion "heute dies und morgen das".
SL habe ich nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Die Tatsache bleibt dessenungeachtet bestehen, nämlich daß bisher nicht nachgewiesen ist, daß Erstreflexionen prinzipiell schädlich sind, Einzelfälle ändern daran nichts. Ich sage nicht: es gibt kein Verfärbungsproblem, ich, bzw. die Fachliteratur sagt: es gibt kein prinzipielles Verfärbungsproblem.

Laut Toole dominieren unterhalb einer Übergangsfrequenz (200-500 Hz) Raummoden und stehende Wellen, oberhalb dieser Frequenz ein Mix aus überlappenden Moden und Reflexionen. Was ausser Effekten naher Begrenzungsflächen und den ersten Minima von Kammfiltern ist in diesem Bereich noch los?

Zum Thema Schröderfrequenz: so wie ich Schröders paper „Die statistischen Parameter der Frequenzkurve von großen Räumen“ verstehe, geht dabei um was ganz anderes als darum, den Bereich der Raummoden von dem darüberliegenden abzugrenzen. In kleinen Räumen existiert nachgewiesenermaßen kein (stark) diffuses Schallfeld, welches eine Bedingung für Schröders Formel ist, sodaß deren Anwendung eigentlich nicht möglich ist, und wenn überhaupt, ist eher die ursprüngliche Formel anzuwenden, die doppelt so hohe Werte ergibt.
Frühe schallstarke Reflexionen (zumal wenn ohne merkliche Seitenkomponente) und dadurch bedingte niederfrequente Auslöschungen am Hörplatz können jedoch bei quasi-stationären Signalen (Bsp. Gesangsvokale) durchaus Dinge wie "Grundtonwärme" beeinflussen ...
Du sagst es selber: können! Die Literatur sagt im Grunde nicht gegenteiliges, was nichts daran ändert, daß die prinzipielle Schädlichkeit von Reflexionen nicht nachgewiesen ist.

Im unserm Wohnzimmer liegt übrigens genau so eine Situation vor: auf Grund der Hörsituation bleiben nur Reflexionen von Boden und Wand hinter Hörplatz übrig, Verfärbungen sind mir bisher nicht aufgefallen, wie soll sich sowas anhören?

Klaus
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

KlausR. hat geschrieben: Zum Thema Schröderfrequenz: so wie ich Schröders paper „Die statistischen Parameter der Frequenzkurve von großen Räumen“ verstehe, geht dabei um was ganz anderes als darum, den Bereich der Raummoden von dem darüberliegenden abzugrenzen.
...

Hallo Klaus,

die Schröderfrequenz hat in der Akustik m.E. inzwischen eine Bedeutung weit über Prof. Manfred Schröder und seine Veröffentlichungen hinaus. Es werden natürlich auch Alternativen für die Definition einer Übergangsfrequenz vom "modalen" zum "statistischen" Frequenzbereich eines Raums diskutiert:

Vgl. u.a. http://www.akutek.info/Papers/MS_Schroe ... isited.pdf


Die Schröderfrequenz über die Nachhallzeit anzugeben macht in akustisch kleinen Räumen keinen Sinn, aus eben den Gründen, die Du oben genannt hast.

Es geht jedoch in akust. kleinen Räumen um ein bestimmtes Maß der modalen Überlappung, das über- oder unterschritten wird.

Selbstverständlich ist es u.a. bei Entscheidung für eine bestimmte "Beschallungsstrategie" wichtig zu wissen, ob man sich eher im modal oder im statistisch geprägten Frequenzbereich eines Raumes befindet.

Auch wenn es eine - je nach Raum mehr oder weniger ausgeprägte - Übergangszone zw. beiden Bereichen gibt, so ist es doch auch für praktische Zwecke unabdingbar sie zu unterscheiden.

Denn im akustisch kleinen Raum liegt dieser Übergangsbereich im Hörbereich des Menschen, daran kommen wir kaum vorbei.


Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

KlausR. hat geschrieben: Im unserm Wohnzimmer liegt übrigens genau so eine Situation vor: auf Grund der Hörsituation bleiben nur Reflexionen von Boden und Wand hinter Hörplatz übrig, ...
Hallo Klaus,

das erscheint mir persönlich zu abstrakt und ich kann mir Deine Hörsituation ohne Bilder/Skizzen etc. tatsächlich nicht vorstellen.


"Floor Bounce":

https://www.youtube.com/watch?v=1ewHmYDQh8s

http://www.diyaudio.com/forums/multi-wa ... ounce.html


Ich höre mit LS, die praktisch keinen "Floor Bounce" bzw. damit zusammenhängende Auslöschung verursachen: Mich interessiert ein Setting naturgemäß eher, wenn es bestimmte Schwächen nicht hat.

Die Bodenreflexion äußert sich bei einem Stand LS als Addition oder auch (destruktive) Interferenz eines LS mit seiner Spiegelschallquelle "unter dem Boden":

Wer wollte denn - ernsthaft jetzt mal - behaupten, daß z.B. eine bestimmte Box (sagen wir eine übliche 2-Wege Kompaktbox mit Tieftöner unten eingebaut) im Tiefton- bis in den unteren Mittelton direkt auf den Boden gestellt genauso klingt wie z.B. auf einem 30 oder 60 oder 80 cm hohen Ständer (ohne zus. Schallwandwirkung um fair zu sein) ?

Ich ziehe niemals in Zweifel, daß man sich "an alles gewöhnen" kann und auch, daß es "nach ausreichender Gewöhnung" oft nicht mehr schlimm ist, aber darum geht es dabei m.E. nicht.

Sorry, aber da möchte ich persönlich nicht weiter diskutieren, ob's da einen Unterschied gibt oder "ob das vielleicht relevant sein könnte" ...

Der Umgang mit der Bodenreflexion ist m.E. einer von vielen Aspekten einer hochwertigen Wiedergabe im Tief-/Mittelton und es gibt in der LS-Konstruktion mehrere Strategien, die beschritten werden können (*) und auch in hochwertigen LS verschiedener Konstrukteure realisiert sind.

Ich betrachte den Boden bei einem "Standlautsprecher" als eine Art "Anbauteil des LS" bzw. die Spiegelschallquelle des LS selbst ist bis zu einer gewissen Frequenz als relevantes "Anbauteil" zu sehen. Alles andere ist doch vollkommen unrealistisch ...

Ein Boden (weit ausgedehnt) allein (ohne Raum) erhöht das Bündelungsmaß einer nahen monopolaren Schallquelle um 3dB und vermindert das aufzubringende Verschiebevolumen für gleichen Schalldruck um einen Faktor 2: Wer will denn davon reden, daß evt. "der Boden gar nicht da" sei ? Oder daß er "unhörbar" sei ?

Die Verminderung von Modeneinfluss - also hörbaren Artefakten der Kleinraumakustik eines Hörraums im Tiefton - würde ich jedoch als Priorität sehen. "Floor bounce" abzumildern oder zu umgehen ist, je nachdem um welchen Frequenzbereich es sich handelt und wie groß die Probleme im modenbehafteten Bereich des Raums sind, eher ein "Sahnehäubchen".


Grüße Oliver

____________

(*) "Bodenwoofer", "verteilte Woofer", ...
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Evt. ist auch das Allison Paper von 1974 interessant:

"The Influence of Room Boundaries on Loudspeaker Power Output", Roy F. Allison 1974

http://www.classicspeakerpages.net/libr ... _f_18.html

Im Abstandsbereichen von Schallquellen zu Begrenzungsflächen, die klein oder doch nicht mehr so klein in Relation zur abgestrahlten Wellenlänge sind, werden natürlich auch Strahlungswiderstände und akust. Ausgangsleistung einer Schallquelle frequenzabhängig beeinflusst ...

Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Sorry,

dies ist der Link zur Übersicht und allen Seiten des Papers:
http://www.classicspeakerpages.net/libr ... _by_roy_f/
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo,
es gibt da noch Alternativen. Don Keele hat seinen CBT (Constant Beamwidth Technology) hier umfassend beschrieben: http://www.xlrtechs.com/dbkeele.com/CBT.php
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Das AES-Paper dazu
Grüße Hans-Martin
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hallo zusammen,

eine m.E. praktisch bedeutungsvolle und kurze Anmerkung zum Allison Paper von 1974 findet sich hier:

http://www.diyaudio.com/forums/multi-wa ... nce-2.html (4. September 2014)


Der User "Speaker Dave" bei http://www.diyaudio.com ist David Smith, der u.a. Lautsprecher federführend für Hersteller wie JBL, McIntosh, KEF und Snell entwickelt hat:

"One thing to note about the Allison paper is that he really is calculating the boundary impact on the radiated power curve. He models 1, 2 or 3 boundaries (a corner of a room rather than a total room) and integrates around all included angles. The upshot of this is that the null frequencies he shows are always higher than you will see at a typical listening position.

The power integration includes response out front in a typical position and also angles much closer to the boundary walls. Those typically won't be listening positions, but, due to the shallow bounce angles, will have the bounce nulls at much higher frequencies.

David S. "



David Smith macht hier also darauf aufmerksam, daß "Auslöschungsfrequenzen", wie sie durch Grenzflächen des Raums entstehen, bei höheren Frequenzen zu liegen kommen, wenn man wie Allison die Schallleistung über alle Winkel integriert:

Durch die Berücksichtigung auch sehr stumpfer Reflexionswinkel (nahe der Grenzfläche) in der Integration entstehen meist wesentlich höhere Auslöschungungsfrequenzen, als dies in typischen Schalldruckverläufen an Hörplätzen der Fall ist.


Eigene Anmerkungen zur destruktiven Interferenz und den Anmerkung von David Smith ...

Dies hat u.a. folgende Implikationen:

- Kommt jemand auf die Idee, etwa mittels eines Equalizers z.B. durch Bodenreflexionen verursachte destruktive Interferenzen "ausgleichen" zu wollen, so macht er den bestehenden Fehler im Energiefrequenzgang damit nicht kleiner ...

- Es liegen in verschiedenen ortsspezifischen Schalldruckfrequenzgängen die Auslöschungsfrequenzen jeweils anders.

- Eine (destruktive) Interferenz dieser Art ist für einem bestimmten Hörplatz exakt auf der Auslöschungsfrequenz kaum auszugleichen, denn wer die Primärschallquelle im Pegel anhebt, der verstärkt auch die destruktiv interferierende Spiegelschallquelle um denselben Faktor ...


Grüße Oliver
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo Oliver,
O.Mertineit hat geschrieben:
KlausR. hat geschrieben: Zum Thema Schröderfrequenz: so wie ich Schröders paper „Die statistischen Parameter der Frequenzkurve von großen Räumen“ verstehe, geht dabei um was ganz anderes als darum, den Bereich der Raummoden von dem darüberliegenden abzugrenzen.
...

Hallo Klaus,

die Schröderfrequenz hat in der Akustik m.E. inzwischen eine Bedeutung weit über Prof. Manfred Schröder und seine Veröffentlichungen hinaus. Es werden natürlich auch Alternativen für die Definition einer Übergangsfrequenz vom "modalen" zum "statistischen" Frequenzbereich eines Raums diskutiert:

Vgl. u.a. http://www.akutek.info/Papers/MS_Schroe ... isited.pdf


Die Schröderfrequenz über die Nachhallzeit anzugeben macht in akustisch kleinen Räumen keinen Sinn, aus eben den Gründen, die Du oben genannt hast.

Es geht jedoch in akust. kleinen Räumen um ein bestimmtes Maß der modalen Überlappung, das über- oder unterschritten wird.

Selbstverständlich ist es u.a. bei Entscheidung für eine bestimmte "Beschallungsstrategie" wichtig zu wissen, ob man sich eher im modal oder im statistisch geprägten Frequenzbereich eines Raumes befindet.

Auch wenn es eine - je nach Raum mehr oder weniger ausgeprägte - Übergangszone zw. beiden Bereichen gibt, so ist es doch auch für praktische Zwecke unabdingbar sie zu unterscheiden.

Denn im akustisch kleinen Raum liegt dieser Übergangsbereich im Hörbereich des Menschen, daran kommen wir kaum vorbei.


Grüße Oliver
Schröder sagt in seinen papers von 1954 und 1962, daß die statistischen Paremeter der Frequenzgangkurve entweder identisch sind oder nur von der Nachhallzeit des Raumes abhängen, unter der Bedingung, daß der mittlere Abstand der Eigenfrequenzen klein ist gegenüber der Halbwerts-Bandbreite einer einzelnen Resonanz, was oberhalb einer Grenzfrequenz der Fall ist, wobei sich ursprünglich 10 Resonanzen überlappen, später dann nur noch 3.

Der Übergang vom Bereich, in dem die Raummoden, und somit die Lautsprecherposition, einen dominierenden Einfluß auf den Frequenzgang haben zum Bereich, wo dieser Einfluß verschwindet liegt laut Messungen von Toole deutlich überhalb der Schröderfrequenz. Dies wird auch durch Messungen von Baskind, AES paper 5146, bestätigt. Wie die Überlappung der Moden dort aussieht ist unbekannt, ist aber eher 3-fach als 10-fach.
Selbstverständlich ist es u.a. bei Entscheidung für eine bestimmte "Beschallungsstrategie" wichtig zu wissen, ob man sich eher im modal oder im statistisch geprägten Frequenzbereich eines Raumes befindet.
Verstehe ich nicht, könntest Du das mal etwas näher erläutern?

Du hast nicht zufällig Schröders 1954er paper aus Acustica? Falls ja, könnte ich eine Kopie haben? Ich habe nur die Übersetzung aus der AES und die deutschen Fachbegriffe wären interessant zu wissen.

Auf Deine anderen Antworten gehe ich später ein.

Klaus
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KlausR.
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Beitrag von KlausR. »

Hallo Oliver,
O.Mertineit hat geschrieben:
KlausR. hat geschrieben: Im unserm Wohnzimmer liegt übrigens genau so eine Situation vor: auf Grund der Hörsituation bleiben nur Reflexionen von Boden und Wand hinter Hörplatz übrig, ...
Hallo Klaus,

das erscheint mir persönlich zu abstrakt und ich kann mir Deine Hörsituation ohne Bilder/Skizzen etc. tatsächlich nicht vorstellen.
Die Hummeln stehen auf eine 10 cm hohen Podest an der langen Raumwand (ca. 8,50 x 4,50), Seitenreflexionen sind also stark im Pegel gegenüber dem Direktschall abgesenkt (weglängenbedingt ca. 7-10 dB, directivity ist nicht berücksichtigt). Zimmerdecke ist akustisch (Spanntuch mit 26 cm Luft, locker mit Steinwolle gefüllt), Sofa steht an der Wand, Boden ist gefliest, Wand hinter den LS ist mit selbstentworfenem Möbel zugebaut: Nischen, Schränkchen, Apothekerschrank, offene Regale etc. Bei Bedarf kann ich Dir ein Photo mailen.
Im Fred werden die Arbeiten von Bech werden erwähnt. Bech folgert, daß für Rauschen nur die Bodenreflexion und für Sprache keine der Reflexionen auf individueller Basis zur Klangfarbe beiträgt. Niedrige RT60 erhöht die Hörbarkeit einzelner Reflexionen. Untersuchungen mit Musik gibt es nicht bzw. sind mir nicht bekannt.
Die Bodenreflexion äußert sich bei einem Stand LS als Addition oder auch (destruktive) Interferenz eines LS mit seiner Spiegelschallquelle "unter dem Boden":
In meinem Fall kommt die Bodenreflexion ca. 1 ms nach dem Direktschall, also erster dip bei 500 Hz, erster peak bei 1000 Hz. Unangenehm aufgefallen ist mir bisher nichts, obwohl sie sehr pegelstark ist, und quasi der letzte der Mohikaner (anderen Reflexionen nicht vorhanden bzw. pegelschwach). Daher nochmal die Frage: wie hört sich sowas an?
Wer wollte denn - ernsthaft jetzt mal - behaupten, daß z.B. eine bestimmte Box (sagen wir eine übliche 2-Wege Kompaktbox mit Tieftöner unten eingebaut) im Tiefton- bis in den unteren Mittelton direkt auf den Boden gestellt genauso klingt wie z.B. auf einem 30 oder 60 oder 80 cm hohen Ständer (ohne zus. Schallwandwirkung um fair zu sein) ?
Ich bestimmt nicht, allein wegen des Effekts des nahen Bodens. Aus diesem Grunde habe ich auch den Pegel des Basstreibers abgesenkt, der Unterschied zu nicht-abgesenkt ist mehr als deutlich.
Ich betrachte den Boden bei einem "Standlautsprecher" als eine Art "Anbauteil des LS" bzw. die Spiegelschallquelle des LS selbst ist bis zu einer gewissen Frequenz als relevantes "Anbauteil" zu sehen. Alles andere ist doch vollkommen unrealistisch ...
Ist durchaus eine legitime Vorgehensweise, ich sehe das allerdings anders. Ansätze wie die von Keele gehen davon aus, daß die Bodenreflexion schädlich ist, obwohl der Beweis dafür mit Musik als Programmmaterial meines Wissens nicht erbracht ist. In seinem paper zum CBT wird dann auch nur gemessen und nicht gehört.

Es gibt ein paper, Salmi et al. (1982), “Listening room influence on loudspeaker sound quality and ways of minimizing it“, AES paper 1871, wo im RAR und einem einzigen LS die Bodenreflexion mit Rauschen als schädlich eingestuft wurde. No comment :mrgreen:
Die Verminderung von Modeneinfluss - also hörbaren Artefakten der Kleinraumakustik eines Hörraums im Tiefton - würde ich jedoch als Priorität sehen.
Stimme ich zu, solange es um mit normalem Musikmaterial (störend) hörbare Moden geht.
David Smith macht hier also darauf aufmerksam, daß "Auslöschungsfrequenzen", wie sie durch Grenzflächen des Raums entstehen, bei höheren Frequenzen zu liegen kommen, wenn man wie Allison die Schallleistung über alle Winkel integriert:

Durch die Berücksichtigung auch sehr stumpfer Reflexionswinkel (nahe der Grenzfläche) in der Integration entstehen meist wesentlich höhere Auslöschungungsfrequenzen, als dies in typischen Schalldruckverläufen an Hörplätzen der Fall ist.
In seinem paper rechnet Allison und vergleicht dies mit Messungen an im Freien aufgebauten Begrenzungsflächen, wobei die berechneten Werte recht gut mit den gemessenen übereinstimmen.

Ich perönlich entnehme Allisons Arbeiten lediglich die Information, daß nahe Begrenzungsflächen einen Effekt haben, was bei ungünstiger Positionierung zu zuviel Baß führen kann, weswegen physisch große Lautsprecher in bzgl. der Abmessungen kleinen Räumen nicht unbedingt eine gute Idee sind.

Klaus
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

KlausR. hat geschrieben: ...
Der Übergang vom Bereich, in dem die Raummoden, und somit die Lautsprecherposition, einen dominierenden Einfluß auf den Frequenzgang haben zum Bereich, wo dieser Einfluß verschwindet liegt laut Messungen von Toole deutlich überhalb der Schröderfrequenz. Dies wird auch durch Messungen von Baskind, AES paper 5146, bestätigt. Wie die Überlappung der Moden dort aussieht ist unbekannt, ist aber eher 3-fach als 10-fach.
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O.Mertinei hat geschrieben: ...
Selbstverständlich ist es u.a. bei Entscheidung für eine bestimmte "Beschallungsstrategie" wichtig zu wissen, ob man sich eher im modal oder im statistisch geprägten Frequenzbereich eines Raumes befindet. ...
Verstehe ich nicht, könntest Du das mal etwas näher erläutern?

Hallo Klaus,

ich fürchte, das wird mir in Gänze momentan zu aufwändig, da existiert ja auch eine Menge Literatur und es wurde hier im Forum auch schon viel verlinkt.

Es geht mir hier jedoch grundsätzlich um verschiedene "Subwoofer Strategien", die im "akustisch kleinen Raum" angewandt werden können. Um solche Räume geht es ja hier im Forum nahezu auschließlich:

Typischerweise wird man Übernahmefrequenzen für (deutlich separierte) Subwoofersysteme noch in den Bereich der Schröderfrequenz oder darunter legen, zumindest gibt es dafür gute Gründe. Diese haben aber nicht nur mit der modalen Überlappung allein zu tun.

Subwoofer Systeme, die nicht auf dem Quelle/Senke Prinzip beruhen, regen im bevorzugten Fall ein recht überschaubares "Set" an Eigenmoden so an, daß am Hörplatz ein (möglichst) ausgewogener Frequenzgang entsteht.

Ein Musterbeispiel, welches für Dipol-Subwoofer auch in praktischen Abwandlungen geeignet ist, findet sich u.a. hier: https://etda.libraries.psu.edu/paper/18841/17442

"MODAL COUPLING OF DIRECTIONAL SUBWOOFERS IN RECTANGULAR ROOMS", Philip Feurtado, August 2013

Der modellhafte Ansatz in Figur 4.12 auf S. 49 beruht auf selektiver Anregung von Längsmoden und zusätzlich der Ausnutzung einer Komplementarität "Schnellesender" vs. "Druckempfänger".


Diese und vergleichbare Subwoofer Ansätze "kollabieren" (auch bei Quelle/Senke Systemen), wenn Moden höherer Ordnung in's Spiel kommen, deren Anregung man - meist aufgrund mangelnder Richtungsselektivität (Verteilung von Quellen) und/oder mangelnder Symmetrie der realen Subwoofer-Anordnung im Raum - nicht mehr kontrollieren kann (dies trifft auch DBA und SBA zu ..).

Der Raum wird dann für "wirtschaftlich und praktisch vertretbare 'modal Balancing" Strategien" zu komplex: Es wird dann bei mittleren Bassfrequenzen evt. sogar noch unterhalb der Schröderfrequenz langsam erforderlich, die Haupt-LS in's Spiel zu bringen ...

Zusätzlich steigt mit Quermoden und kleiner werdenden Wellenängen natürlich das Risiko, (auch ungewollte/unzutreffende) Richtungsinformation im Tiefton zu übertragen (und sei dies nur durch den Klirr mancher Subwoofer ...).

Der Übernahmebereich zw. Subwoofer und Haupt-LS kann noch gezielt genutzt werden für eine "räumlich verteilte" Anregung des Raums, in der ebenfalls Quelle/Senke Effekte bezüglich kritischer Moden genutzt werden können. Das erfordert natürlich entsprechende Planung ...

Im Bereich der Schröderfrequenz und darüber, wo die Haupt-LS dann allein die Tieftonwiedergabe bestreiten, sind Haupt LS gefragt, die im Bereich größerer modaler Überlappung des Raums eine statistisch günstige Interaktion mit dem Raum pflegen:

Richtwirkung verwendeter Schallquellen und deren Abstände zu einzelnen Grenzflächen (u.a. auch dem Boden) werden jetzt entscheidend, zusätzlich muss ein funktionierendes Stereodreieick bezogen auf den Hörplatz aufgebaut werden.

Eine Forderung, die an reine Subwoofer nicht gestellt wird, sonst könnte man damit weder "modal Balancing-" noch "Quelle/Senke-" Strategien sinnvoll verfolgen:

Ich konstruiere z.B. derzeit überhaupt keine Haupt-LS mehr, die für einen Einsatz ohne Subwoofer-System gedacht wären.

U.a. das Allison Paper und auch die Gedanken und Ergebnisse, die hier im Forum - nicht nur von mir - z.B. im Umfeld von Kardioid Haupt-LS schon gezeigt und diskutiert wurden, zeigen m.E. Richtungen auf, die für eine zuträgliche LS-Raum Interaktion von Stereo Haupt-LS im Bereich der Schröderfrequenz und darüber möglich sind.


Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

KlausR. hat geschrieben: Die Hummeln stehen auf eine 10 cm hohen Podest an der langen Raumwand (ca. 8,50 x 4,50), Seitenreflexionen sind also stark im Pegel gegenüber dem Direktschall abgesenkt (weglängenbedingt ca. 7-10 dB, directivity ist nicht berücksichtigt). Zimmerdecke ist akustisch (Spanntuch mit 26 cm Luft, locker mit Steinwolle gefüllt), Sofa steht an der Wand, ...
Hallo Klaus,

ich möchte Dir nicht zu nahe treten, aber die Anregung eines Raums mittels der beiden Haupt-LS entlang der kürzeren Achse - zumal wenn die tiefste Raumresonanz in dieser Richtung noch deutlich oberhalb gewünschter Grenzfrequenzen liegt - halte ich eher für eine Notlösung in Fällen, wo es nicht anders geht.

Im Tiefton wird damit nur ein Bruchteil der möglichen modalen Überlappung genutzt. Auch die Vorstellung, Seitenwände und Decke seien hier bezüglich tiefer Frequenzen quasi "aus dem Spiel", halte ich nicht für realistisch.

Da ändern im tiefen und mittleren Bass auch 25cm poröses Material nicht viel, Moden ab (H, B, T) 1,0,0 (axiale Mode in Hochrichtung) dürften allein dadurch noch nicht sehr stark bedämpft werden, ab den (2,0,0) mag es merkliche Dämpfung geben.

Die Bodenreflexion für den Woofer dürfte jedoch bei Dir keine Rolle Spielen, aufgrund der Bodennähe und des stumpfen Winkels (eine mögliche Auslöschung könnte oberhalb der Trennfrequenz liegen, je nach LS Typ). Die Frage ist, wie sich diese (sehr) bodennahe Aufstellung konkret für den Mittelton gestaltet ...


Grüße Oliver
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Beitrag von O.Mertineit »

KlausR. hat geschrieben: ...
Ich perönlich entnehme Allisons Arbeiten lediglich die Information, daß nahe Begrenzungsflächen einen Effekt haben, was bei ungünstiger Positionierung zu zuviel Baß führen kann, ...

Hallo Klaus,

dafür hätte es jedoch Allison's Arbeit tatsächlich nicht bedurft ... :wink:

Es steckt m.E. schon sehr viel mehr drin:

Vor allem stellt er grundsätzlich Frage nach der Variabilität der LS-Raum Interaktion und erkennt - auch in seinen folgenden Arbeiten (ebenfalls unter o.g. Link zu finden) - die Notwendigkeit einer statistischen Betrachtung, um z.B. LS Anordnungen diesbezügl. zu bewerten. Ihn interessiert dabei wohl die Fragestellung (in meinen Worten):

"Kann passendes LS-Design das Phänomen auf einer statistischen Grundlage entschärfen", d.h. gibt es Optionen in der Konstruktion, die solche (Varianz-) Phänomene in Abhängigkeit unterschiedlicher Räume und Platzierungen von LS nachweislich abmildern.

Damit sind die Fagestellungen und Herangehensweisen von Roy Allison m.E. für Anfang/Mitte der 70er recht modern und sie sind m.E. auch bis heute berechtigt und sinnvoll.

Die Arbeiten von Toole werfen natürlich insgesamt noch sehr viel mehr Licht auf die Frage nach "LS-/Raum Interaktion und Hörerpräferenz". Aber das sind unterschiedliche Ebenen, die m.E. unabhängig voneinander eine Berechtigung haben.


Grüße Oliver
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FoLLgoTT
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Beitrag von FoLLgoTT »

Hallo Oliver,
O.Mertineit hat geschrieben:Da ändern im tiefen und mittleren Bass auch 25cm poröses Material nicht viel, Moden ab (H, B, T) 1,0,0 (axiale Mode in Hochrichtung) dürften allein dadurch noch nicht sehr stark bedämpft werden, ab den (2,0,0) mag es merkliche Dämpfung geben.
Das würde ich so nicht sagen. Laut dieser Messung bedämpft eine Akustikdecke auch die Moden der anderen Dimensionen. Zumindest teilweise.

Und auch wenn der Absorber nur 25 cm dick ist, so erstreckt er sich doch über die gesamte Länge und Breite. Da ist sicherlich ein Effekt messbar.

Klaus, hast du zufällig Messungen vorher/nachher gemacht?

Gruß
Nils
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

FoLLGoTT hat geschrieben: Das würde ich so nicht sagen. Laut dieser Messung bedämpft eine Akustikdecke auch die Moden der anderen Dimensionen. Zumindest teilweise.
Hallo Nils,

klar tut eine poröse Deckenauflage das für nicht nur für axiale Moden in Hochrichtung, mir ging es nur darum, eine grobe Hausnummer für den Wellenlängenbereich (unabhängig von einer konkreten Deckenhöhe) zu nennen.

Eine poröse 25cm Auflage ist z.B. für etwa 5m Wellenlänge (z.B. bei Deckenhöhe 2,5m) noch nicht "die Welt". Auch wenn eine Wirkung bereits einsetzt.

Bei halber Wellenlänge davon sieht das sicher schon anders aus.

Grüße Oliver
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RationalDenken
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Beitrag von RationalDenken »

Hallo Zusammen,
bereits ab 65 cm gibt es anscheinend verdammt effiziente Bauteile:

http://www.mbakustik.de/main.php?target=1-2-2-3_b650

und bereits ab 15 cm unterhalb 125 Hz:
http://www.mbakustik.de/main.php?target ... bd7fb4dfc4

Gruß
Dirk
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