Pro & Contra FIR-Bassentzerrung

schauki
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Beitrag von schauki »

wgh52 hat geschrieben:...

1. Zumindest(!) theoretisch/messtechnisch ist mit FIR Entzerrung ganz allgemein Bassbereichs-Wiedergabeverbesserung gegenüber anderen Lösungen zu erreichen
Ja!
2. Geregelte Bassysteme (mit genügend tiefer unterer Grenzfrequenz) minimieren die Gruppenlaufzeit im Bassbereich unter die Hörbarkeitsgrenze der (meisten) Hörer.
Ob geregelt oder nicht ist unwichtig.
Wichtig ist Phasengang (-> Frequenzgang).
3. FIR Entzerrung kann geregelte Bassysteme (die ggf. auch IIR Raum-Entzerrung nutzen) "ersetzen". Das gilt aber auch umgekehrt (siehe 2.), und das ist wohl eine gute Nachricht für z.B. DEQX Benutzer, die bei TV/Video nicht von FIR Entzerrung auf IIR Entzerrung umschalten können/müssen, wie z.B. Audiovolver-Nutzer.
Der Vorteile von FIR inkl. Phasenentzerrung ist dass man untenrum hart abschneiden kann und die Phase eben danach entzerren.
Der LSP muss also unter der Hörschwelle 20Hz (??) nichts mehr tun, was beim sonst tief abgestimmten LSP sein kann - z.B. LP Rumpeln oder lustige Erdbeben Effekte.
4. Die bessere Wirksamkeit oder gar Notwendigkeit von FIR entzerrten Bass-Systemen (insbesondere in "kleineren" Hörräumen, also unter ca. 50 m² :shock: ) z.B. gegenüber geregelten Bassystemen bleibt zunächst unbewiesen.
Die Frage ist immer wo liegt die untere Grenzfrequenz?
Liegt die bei 5Hz wird man die Gruppenlaufzeit da unten a) nicht mehr hören und b) ist auf "keiner" Aufnahme sowas überhaupt drauf.

IIR oder FIR ist im TT eben so ne Sache, da "man" durch tiefe Abstimmung sowieso wenig GD aufreißt.
Besser als konstantes GD geht nicht.

Daher profitieren davon primär LSP die aufgrund ihrer Konstruktion (BR, TML,... Tuning um 40-50Hz) in dem Bereich höheres GD aufweisen.


Ob man FG Dinge (Raummoden, Auslöschung durch Reflexion,..) entzerrt ist bei FIR und IIR praktisch gleich.

mfg
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

wgh52 hat geschrieben:2. Geregelte Bassysteme (mit genügend tiefer unterer Grenzfrequenz) minimieren die Gruppenlaufzeit im Bassbereich unter die Hörbarkeitsgrenze der (meisten) Hörer.

3. FIR Entzerrung kann geregelte Bassysteme (die ggf. auch IIR Raum-Entzerrung nutzen) "ersetzen". Das gilt aber auch umgekehrt (siehe 2.), und das ist wohl eine gute Nachricht für z.B. DEQX Benutzer, die bei TV/Video nicht von FIR Entzerrung auf IIR Entzerrung umschalten können/müssen, wie z.B. Audiovolver-Nutzer.
Das sind m.E. falsche Schlüsse.
Es hängt nicht von geregelt oder nicht ab. Die Gruppenlaufzeit ergibt sich im wesentlichen aus dem Tiefpass, der aus Chassis und üblicher Frequenzweiche gebildet wird. Dabei pielt auch keine Rolle, ob der tieftöner bis 0 Hz runter spielt.

Ein Beispiel mit drei minimalphasigen Tiefpässen Butterworth 2. Ordnung mit den Eckfrequenzen 30 Hz (also schon reinster Sub), 60 Hz und 100 Hz.
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Die Sprungantworten sehen wie folgt aus und zeigen schon die Verzögerungen
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Und noch besser sieht man die Wirkung bei der Gruppenlaufzeit
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Also allein schon die Entscheidung über die Trennfrequenz und die Verwendung einer minimalphasigen Frequenzweiche bewirkt die verzögerte Ansteuerung der Basschassis und damit die Grösse der Gruppenlaufzeit. Unabhängig von geregelt bzw. nicht geregelt. Übrigens auch unabhängig von IIR und FIR-Filtern.

Es geht dann einzig und allein darum, ob man die Gruppenlaufzeit beseitigt haben will. Was dann mit FIR-Filtern vielleicht einfacher zu realisieren ist. Und was dann aber eben den Nachteil einer Latenz mit sich bringt, die in gewissen Situationen nicht akzeptabel ist.

Grüsse, Uli
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Hallo Uli,

vielen Dank für die Mühe mit Deiner aufschlussreichen Antwort!
uli.brueggemann hat geschrieben:...Die Gruppenlaufzeit ergibt sich im wesentlichen aus dem Tiefpass, der aus Chassis und üblicher Frequenzweiche gebildet wird...
...Also allein schon die Entscheidung über die Trennfrequenz und die Verwendung einer minimalphasigen Frequenzweiche bewirkt die verzögerte Ansteuerung der Basschassis und damit die Grösse der Gruppenlaufzeit. Unabhängig von geregelt bzw. nicht geregelt. Übrigens auch unabhängig von IIR und FIR-Filtern...
Zur Klarstellung hake ich mal nach: Verstehe ich richtig, dass darum (und abgesehen vom Chassiverhalten an sich und weiterer Raummoden- oder Chassisentzerrungen) bei der Bass/Mitteltontrennfrequenz am besten eine FIR Weiche zum Einsatz kommt und damit ist man dann schon ein entscheidendes Stück weiter mit der GLZ Minimierung?

Daraus würde ich schliessen:
1. Trennung Tief- zum Mitteltöner mit FIR Weiche ist optimal
2. Entzerrung des Bass-F-Ganges (inkl. Moden, Chassis,...) ist (in gewissen Filtergüte-Grenzen) mit IIR Filtern ausreichend

Gruß,
Winfried
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schauki
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Beitrag von schauki »

Hallo Winfried!

Also es kommt eben drauf an.
Vor allem bei Subwoofern die i.d.R. unter 100Hz angekoppelt werden - und das möglichst steil damit sie nicht ortbar werden - geht die Gruppenlaufzeit duraus auf 2stellige ms Beträge.

Die O500C trennt ihren 12" TT zum MT bei 520Hz mit 48dB LR und kommt auf ~4ms.
Mit 24dB würde sie auf ~2ms kommen mit 12dB auf 1ms unsw...

Also FIR-Phasenentzerrung bietet die Möglichkeit gleichzeitig steil zu trennen ohne GLZ Erhöhung, dafür aber mit Gesamtlatenz, die min. so hoch ist wie die theoretische GLZ ohne FIR.

Somit gilt sowohl für Punkt 1. als auch 2.:
Man kommt mit IIR/analog auf Systeme mit geringer GLZ - wo Phasenentzerrung mit FIR nur mehr wenig verbessern kann.

Plant man allerdigns von Haus auf mit FIR und Phasenentzerrung kann man sowohl was die TFs TT/MT/HT angeht Dinge anstellen die per IIR/analog sicher hörbare GLZ zur Folge hätte.
Z.B. 300dB/Okatve Filter, Subsonics bei 18Hz mit 200dB/Oktave,...

In Summe kommt somit ein höher belastbarer LSP raus, weniger Interferenzen zwischen den Chassis -> besseres Abstrahlverhalten, Chassis spielen wirklich nur in dem Bereich in dem sie gut sind unsw...


Bei einem tief abgestimmten CB System das bei 600Hz mit 24dB/Okatve trennt ist weniger Verbesserungspotential vorhanden als beim BR System das auf 40Hz getuned ist und bei 120Hz mit 48dB trennt.

mfg
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fftransformation
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Beitrag von fftransformation »

Hallo Zusammen,

in dem Zusammenhang habe ich was entdeckt, das ich mir nicht erklären kann. Wenn man eine FIR Frequenzweiche baut, dann kommt es im Bereich der Übernahme zu einem seltsamen Effekt, in REW sieht das dann so aus:

FIR Hochpass

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IIR Hochpass

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IIR Tiefpass

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FIR Tiefpass

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OK, es sind unterschiedliche Flankensteilheiten FIR -> IIR, aber es ist auch bei niedrigeren Steilheiten vorhanden. Es handelt sich dabei auch nicht um Messfehler, denn es ist bei Impulsen um und nach der Trennfrequenz als Ausschwingen hörbar. Glücklicherweise hebt es sich bei perfekter Summe einer Frequenzweiche nahezu auf.

Was könnte das sein?
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veloplex
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Beitrag von veloplex »

Hallo,

Pre-Ringing? http://www.aktives-hoeren.de/viewtopic.php?f=28&t=2218

Gruß Christoph
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fftransformation
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Beitrag von fftransformation »

Hallo Christoph,

so krass kann preringing sein? Ich dachte das kann nicht sein :cheers:
Bei einem reinen Filter kann ich die PRC wohl nicht verwenden, so wie ich das interpretiere!?

Georg
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Udor
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Beitrag von Udor »

Hallo Georg,

Soweit ich das verstanden habe ist das ein Merkmal des FIR Filters und wird vollständig durch die anderen Filter kompensiert (wie du selber schon angemerkt hast). Ist also nicht hörbar und nicht mit dem (sehr wohl hörbaren) Preringing vergleichbar der bei zu starker Phasenkorrektur entstehen kann.

Lies mal hier: Thoughts About Crossovers von Uli Brüggemann.

Uli wird das aber noch besser (auf Deutsch) erklären können.

Gruß Udo
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

fftransformation hat geschrieben:in dem Zusammenhang habe ich was entdeckt, das ich mir nicht erklären kann. Wenn man eine FIR Frequenzweiche baut, dann kommt es im Bereich der Übernahme zu einem seltsamen Effekt, in REW sieht das dann so aus:
...
Was könnte das sein?
Könnte ich denn mal die FIR-Filter bekommen? Dann schau ich gerne rein. Ich hab übrigens mal einen FIR Hochpass angeschaut, da hab ich mit REW kein Problem. Daher meine Frage.

Grüsse
Uli
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fftransformation
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Beitrag von fftransformation »

Hallo Zusammen,

@Uli
uli.brueggemann hat geschrieben:Ich hab übrigens mal einen FIR Hochpass angeschaut, da hab ich mit REW kein Problem. Daher meine Frage.
Das wäre erfreulich, wenn ich nur ein Fehler gemacht hätte...

https://rapidshare.com/files/795334576/Cor1R44.dbl
https://rapidshare.com/files/1892420940/Cor1L44.dbl

Die Filter hatte ich in Brutefir reingeladen und durchgemessen.

Gruß Georg
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Sieht alles völlig OK aus, wir sehen da den rechten Teil des Zappelns der Pulsantwort des FIR-Filters. Wäre es minimalphasig sähe das Tailing genauso aus (bzw sogar noch länger). Das ist einfach ein brutal scharfkantiges und steiles Filter.

Das eigentliche Preringing linearphasiger Filter sehen wir hier NICHT, weil REW von "hinten" auf den Puls guckt, in der Zerlegung als Zerfallsspektrum. Mit Ulis S-Transform kann man frei rotieren und sieht die symmetrischen Buckel an der Trennfrequenz vor und nach dem Pulszentrum bei linearphasigen Filtern bzw den (genauso starken) Buckel hinter dem Pulskern im minimalphasigen (analogen-/IIR-) Fall.

Da hilft nur flachere Filterung. Ein Gauss'scher Kernel hätte NULL Überschwinger, aber Neville-Thiele 1ter Ordnung kommt dem sehr nahe, nur ein ganz kleiner einzelner "Huggel".
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fftransformation
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Beitrag von fftransformation »

KSTR hat geschrieben:Da hilft nur flachere Filterung. Ein Gauss'scher Kernel hätte NULL Überschwinger, aber Neville-Thiele 1ter Ordnung kommt dem sehr nahe, nur ein ganz kleiner einzelner "Huggel".
Kann man daraus ableiten, dass es Filter gibt, der in dieser Disziplin besser wäre?
Ich kann einen Gauss´scher Filter leider nicht erzeugen...

Kann man 2 Filter Hoch und Tiefpass in der S-Transform/ Acourate irgendwie addieren um zu sehen, wie die pre und postringings aufheben? Das würde zumindest die Arbeit extrem erleichtern, wie immer das Ganze in 2 Kanäle von Brutefir reinzuladen.
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Addition der Pulse geht mit Acourate problemlos, es ergibt sich eine "glatte 1" (und muss das auch). Wenn man einen der Pulse um ein paar Samples verschiebt und dann addiert, sieht man den Ripple der sich unter Winkel ergibt... es sei denn man hat einen Koax oder trennt so tief, dass die Chassis weniger als eine Viertelwellenlänge auseinander liegen...

Wie gesagt, ich halte NT1 für die ziemlich optimale Lösung bzgl Ringing-Artefakte, wenn man die Chassis so (vergleichsweise) weit überlappen lassen kann.
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fftransformation
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Beitrag von fftransformation »

Danke!

Allerdings den Satz verstehe ich nicht:
KSTR hat geschrieben:es sei denn man hat einen Koax oder trennt so tief, dass die Chassis weniger als eine Viertelwellenlänge auseinander liegen...
Könntest du nochmal etwas erklären? :cheers:
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Wenn die Chassis sehr dicht beieinander sind (oder eben koaxial angeordnet), ergibt sich sehr wenig Laufzeitunterschied im Übergangsbereich auch bei Abstrahlung ausserhalb der Hörachse (zB auf 30° vertikal). Dadurch addieren sich die beide Wege fast immer noch perfekt und nur wenig vom Ringing kommt durch.

Und "dicht beieinander" ist eine Funktion der Wellenlänge (der Trennfrequenz). Ist der Abstand kleiner als ein Viertel der Wellenänge (zB etwa 1/4 von ca 30cm für 1kHz), addieren sich die Signale auch im worst-case (also unter 90°) noch fast perfekt und zeitgleich, womit sich das Ringing ebenfalls fast perfekt aufhebt.

Das ist insofern ein prinzipielles Dilemma, als dass man steile -- oder vielmehr "scharfkantige" -- Filter (auch normale minimalphasige) eigentlich da nicht gut einsetzen kann wo man sie am meisten bräuchte, nämlich dann wenn Chassis weit auseinanderliegen. Bei linearphasigen Filtern ist das durchdrückende Ringing bei der Abstrahlung ausserhalb der Hauptachse dann noch besonders psychoakustisch störend, weil es vor und nach einer Transiente kommt, aber nur der Teil danach durch Verdeckung einigermaßen "wegmaskiert" wird.
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