HiFi-Hörraum = Studio-Regieraum

Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Atmos,
160-180 ms im Mittel würde bedeuten min ca 300 ms unter 100 Hz das ist schon Klasse, wie hast du es gemacht.
Steinwolle und Basotect?
Ganz so tief bin ich nicht gekommen, lerne daher gerne dazu. :cheers:

Bilder wären schön.

Gruß Harald
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atmos
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Akustikmateral

Beitrag von atmos »

Hi, Harald,
Bilder sind insofern schlecht, weil mein Raum zu klein ist und kein Maßstab sein kann.
Zuerst habe ich an der Rückwand 2 Rollen Steinwolle aufgestellt, an der linken Seitenwand steht eine Schaumstoffmatratze um die Zimmertür abzuschirmen.
Die Maßnahmen waren gut gegen die Raummoden.
Dann habe ich gegen die Reflexionen bei ca. 8 kHz Basotect an Front und Rückwand angebracht.
Da das Ergebnis nicht zufriedenstellend war, habe ich ein Deckensegel installiert.
Da ich zu der Zeit eine Weinlieferung hatte, legte ich das Gefache in die Raumecken bis unter die Decke und erzielte eine unglaubliche Verbesserung, selbst im Bassbereich.
Da die SW bei Pegel > 90 dB die Bässe durch das Haus schickten, habe ich 2 weitere Rollen Steinwolle auf die SW platziert.
Das Ergebnis war besser, der Nachhall war jetzt bei 0,12 bis 0,14, aber die Raumanregung immer noch gegeben.
Als letzte Maßnahme habe ich die SW auf 1/4 Raumhöhe gebracht und jetzt phänomenal durchsichtige Bässe und wesentlich weniger Raumanregung. Knapp unter der Zimmerdecke entfalten die Dämmrollen wohl eine andere Wirkung.
Letztlich bin ich froh, dass ich Audyssey außen vorgelassen habe.

Gruß
Günther
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Diskus_GL
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Beitrag von Diskus_GL »

Hallo,

ein Hörraum ist was völlig anderes - und mit einer anderen Zielsetzung - als ein Abhörstudio für die Abmischung und Produktion von Aufnahmen.
Daß es auch annerkannt gute Toningenieure gibt, die Abhörstudios nutzen, die üblichen "schalltoten" Studios Wfast komplett wiedersprechen zeigt z. B. Reference-Recordings (siehe z. B. hier: https://www.audioclub.de/index.php/club ... e-aufnahme ).

Bez. der LEDE-Regeln gibt es ja eine sehr interessante Arbeit von Linkwitz (eine seiner letzten vor seinem Tode), in der er die "alte" LEDE-Regel völlig in Frage stellt und als Ergebnis seiner Messungen und Untersuchungen quasi umkehrt, damit im Hörraum eine möglichst "vom Hörraum unbeeinflusste Wiedergabe einer Aufnahme über Boxen in einem Raum" möglich wird ... inklusive des aufgenommenen Raumeindruckes des Aufnahmeraumes (siehe AES123 oder in Auszügen in Deutsch: https://www.audioclub.de/index.php/club ... ochtoeners ).

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Linkwitz-Boxen ohnehin meist in rel. halligen Umgebungen stehen - also Räumen, die eher "normalen" Wohnzimmern entsprechen und fast nie "akustisch behandelt" sind. Und mit entsprechenden Boxen (gemäß den AES123 Ergebnissen) funktioniert das auch sehr gut.
Ich selbst habe diesbezüglich auch gute Erfahrungen in meinem recht halligen Wohnzimmer.

Grüße Joachim
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atmos
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Dipol-LS

Beitrag von atmos »

Hi, als ich bei Abacus die Oscara 214 gehört habe, war ein kleiner Haben Wollen-Reflex da, aber nachdem die Trifon 3 lief, verpuffte er sofort.

Was Rauminformationen angeht, ist und bleibt 2-kanaliges Stereo eine Krücke.

Gruß
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Diskus_GL hat geschrieben: 04.12.2020, 12:23Bez. der LEDE-Regeln gibt es ja eine sehr interessante Arbeit von Linkwitz (eine seiner letzten vor seinem Tode), in der er die "alte" LEDE-Regel völlig in Frage stellt und als Ergebnis seiner Messungen und Untersuchungen quasi umkehrt, damit im Hörraum eine möglichst "vom Hörraum unbeeinflusste Wiedergabe einer Aufnahme über Boxen in einem Raum" möglich wird ... inklusive des aufgenommenen Raumeindruckes des Aufnahmeraumes (siehe AES123 oder in Auszügen in Deutsch: https://www.audioclub.de/index.php/club ... ochtoeners ).
Hallo Joachim,
schade, dass ein fortschreitenes Prostatakarzinom einen Strich durch Siegfried Linkwitzs weitere Hörforschung gemacht hat.
Sonst hätte er vielleicht noch Korrekturen angebracht, z.B. bei der Lokalisation der Höhe, wo sich mit 2 einfachen Experimenten seine Aussage zurzeit noch als Mangel an Erfahrung nachvollziehen lässt*.
Auch in anderen Bereichen jetzt speziell den zitierten Link betreffend sind die Gedanken nicht zuende gedacht:
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Hier habe ich ein Beispiel von Hugh Masekela genommen (Mandela von Hope).
Die Spektralanalyse zeigt dieselben Frequenzen in demselben Zeitraum.
Wer errät, um was es sich handelt?
Wenn ich als Hilfestellung verrate, dass B ein Auszug von denselben 0,2 Sekunden des linken Kanals ist, Zeitverzögerung und Pegelverlust durch Reflexions-bedingten Umweg korrigiert, was kann dann A sein?
Definitiv ist die Hüllkurve anders. Welche Zuordnung würden unsere Ohren machen?
Könnten sie das Signal womöglich als vom selben Ursprung herkommend interpretieren?

Aus dem verlinkten Artikel entnehme ich die Aussage, dass omnipolares Abstrahlverhalten der LS (Bipolverhalten, nicht Dipol) die Phantomschallquellen verschlechtert.
Linkwitz hat geschrieben: When the rear tweeter polarity is monopolar, phantom imaging deteriorates.
Also, wenn die Hauptdarsteller, die Instrumente auf der Bühne schlechter ortbar sind, was interessiert da noch die Räumlichkeit, die natürgemäß diffus ist? Worum geht es bei der Musikwiedergabe, wenn nicht um Glaubwürdigkeit durch Wiedererkennen der Protagonisten?
Grüße
Hans-Martin

P.S. (nicht zu interpretieren als posthume Diskreditierung, sonders als Hinweis auf die Spezialisierung menschlichen Denkens auf Teilbereiche zulasten anderer, ebenfalls relevanter Bereiche):
* Der über den Boden reflektierte Schallanteil hat gegenüber dem Direktschall einen Zeitversatz. Linkwitz meinte, diese Information (Auswertung von Zeitversatz und Kammfiltereffekten) würde eine Information über die Höhe der originären Schallquelle vermitteln.
Siegfried Linkwitz" hat geschrieben:After all, almost every source that we hear has a floor reflection and we seem to use this information primarily to determine the height of the source above the floor.
Breitbänder als Schallquelle vorausgesetzt, wo lokalisieren wir in der Höhe eine Gesangsstimme, wenn sie zischreicher mit mehr Obertönen wiedergegeben wird, während die Schallquelle LS keine andere Positionsveränderung erfahren hat'? Die Antwort kann jeder für sich selbst durch Hören finden, jeer LS ist hinreichend.
Zu den gleichbleibenden Bedingungen bei fixer Hör- und LS-Position im Hörraum kommen die nichtkommunizierten (=unbekannten) Bedingungen der Aufnahmesituation.
Wenn man nickt, also den Schädel nach unten dreht, bleiben die Ohren auf gleicher Höhe. Bei identischem Schallsignal ändert sich die Wahrnehmung der Höhe über dem Boden des unveränderten Schallereignisses. Eine hörphysiologische Täuschung, die offenbar vorrangig von der Ausrichtung der Pinnae abhängig bleibt, und von den HRTFs. Diese Antwort kann jeder für sich selbst durch Hören bestätigt finden.

Einer Diskussion seiner Referenzaufnahmen und deren invertierter Polarität im Bezug auf seine propagierten Dipole (invertiertes Material als Direktschall und korrekt polarisiertes rückwärtiges Diffussignal) ging er mit Textbausteinen als Antwort aus dem Weg. Ich habe dafür Verständnis, schließlich war er schwer erkrankt, wie sich später herausstellte.
Linkwitz Lebenswerk ist beachtlich, Chapeau!
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Hallo Hans-Martin,

das Muster des Unterschieds zwischen A und B erscheint mir durchaus vertraut. Insofern...
Hans-Martin hat geschrieben:Wer errät, um was es sich handelt?
... handelt es sich m.E. um das Gegensatzpaar nicht-invertiert zu invertiert, und zwar gemessen am Hörplatz - zumindest solche Messungen haben auch bei mir ähnliche Unterschiedsmuster generiert..

Grüße
Fujak
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Diskus_GL
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Beitrag von Diskus_GL »

Hallo,

Linkwitz Erkenntnisse aus AES123 bez. des Hörens beziehen sich nicht speziell auf den Schall, der von den Boxen kommt. Es geht darum, dem Gehör die Möglichkeit zu bieten, den Hörraum quasi "akustisch auszublenden". Das passiert dann, wenn das Reflexionsbild des von den Boxen abgestrahlten Schalls am Hörplatz dem jeder anderen Schallquelle im Hörraum entspricht (z. B. der eigenen Stimme, anderen Menschen oder Instrumente). Dann analysiert das Gehör weitgehend nur noch den Inhalt des von den Boxen wiedergegebenen Schalls, da es ja die Veränderungen des Schalls durch den Raum "ausblenden" kann (das hat übrigens bereits Blauert aufgeführt). Damit ist auch der Einfluss von Bodenreflexionen im Hörraum praktisch egal. Wenn im wiedergegebenen Schall Bodenreflexionen des Aufnahmeraums enthalten sind, werden diese vom Gehör auch entsprechend analysiert, da ja dann idealerweise die Bodenreflexionen (des Boxenschalls) des Hörraums entsprechend egalisiert werden.
Linkwitz Erkenntnis ist eigentlich, daß die meisten Probleme bei der Wiedergabe von Schall über Boxen in Räumen daher kommen, das die meisten Boxen ein stark frequenzabhängiges Reflexionsverhalten am Hörplatz erzeugen, das sich eben deutlich von dem Reflexionsbild unterscheidet, das z. B. die eigene Stimme in diesem Raum erzeugt. Dadurch werden die Boxen als "Schallerzeuger" erkannt und das stört die Anlass des Schalls der von diesen Boxen kommt.
Das ist eben je nach Anlage oder Hörraum mehr oder weniger ausgeprägt.
Seine Erkenntnis ist eben, daß es für die Analyse des von Boxen wiedergebenden Schalls wichtig ist, dem Gehör die Möglichkeit zu bieten alle anderen Einflüsse - speziell die des Hörraums - auszublenden... und das bedingt die Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten des Gehörs um hier im eigenen Hörraum mit der eigenen Anlage die für das Gehör idealen Voraussetzungen zu schaffen. Und dazu muss man den Hörraum weder schalltot machen noch speziell akustisch behandeln (wie er ja auch erkannt hat). Es kommt auf ganz andere Dinge an.

Linkwitz Versuch mit den zusätzlichen, deutlich zeitverzögerten Höhen durch seine Boxen zeigten ja, daß dieses mehr an Hochton, der zudem noch zeitverzögert an die Ohren kommt, nicht zu einer Verschlechterung der Analyse des wiedergegebenen Schalls führt, sondern unter bestimmten Bedingungen sogar eine deutliche Verbesserung ergaben.
Das war ja das Überraschende für ihn, das er aufgrund seiner Messungen und seiner Erfahrung zu diesem Zeitpunkt so nicht erwartet hat, Daraufhin hat er sich ja mit dem Analysefähigkeiten des Gehörs beschäftigt und kam dazu, seine bisherige Ansicht´ten - auch bez. LEDE - zu hinterfragen und in manchen Punkten komplett zu revidieren.
Prinzipiell ist das ja auch nicht neu und seine Quellenangaben zeigen ja, das sich andere Forscher schon länger mit dem Thema beschäftigten (ASA, Blauert, ...) - AES123 ist insofern nur eine erneute Bestätigung.

Das Gehör analysiert ja immer längere Zeitabschnitte und versucht dabei die - ihm bekannten - Raumeinflüsse des Raumes in dem es sich befindet zu eliminieren, damit nur noch der zu analysierende Schall übrig bleibt um diesen bestmöglich auszuwerten.

Insofern ist jeder Versuch, anhand von Frequenzgangdarstellungen oder Schallverläufen die Analysefähigkeiten des Gehörs zu ermitteln zum Scheitern verurteilt. In den von Hans-Martin gezeigten Schallverläufen kann man ja nicht mal sagen, wieviele Schallquellen enthalten sind, geschweige denn welcher Anteil des Schallverlaufs zu welcher Schallquelle gehört oder welcher Anteil zu einer Reflexion einer der enthaltenen Schallquelle im Aufnahmeraum ist. Schon gar nicht können wir daran erkennen, was z. B. an Text, Gesang oder sonstigen "Signalen" oder "Informationen" enthalten ist.

Das Gehör kann aber all diese problemlos! Es ist in der Lage recht schnell und erstaunlich genau, die Anzahl der enthaltenen Schallquellen zu erkennen, sie zu charakterisieren, deren Schallanteile zu gruppieren und diese Gruppierungen dann zu analysieren (bez. Text, Gesang, Melodie, etc.) und dann sogar alle erkannten Schallanteils-Gruppierungen in Zusammenhang zu bringen (..gemeinsammer Rhythmus, Melodie, Gesang etc.) und das sogar, wenn die Laufzeitunterschiede mehrerer Instrumente physikalisch unterschiedlich sind - das Gehör wird die Schallanteile dieser Instrumente als "zusammen" melodisch und im gleichen Rhythmus spielend analysieren - auch wenn dies physikalisch definitiv nicht so ist.

Wen das Thema Hören und welchen Einfluss das bez. der Wiedergabe von Schall über Boxen in Räumen interessiert, dann empfehle ich sich mit ASA zu beschäftigen... da wird einem manches deutlich, was unser Gehör so alles leistet und auch wie man das dann auf seine Anlage zu Hause anwenden kann (wie Linkwitz ja auch erkannt hat - wenn auch recht spät in seinem Leben).

Grüße Joachim
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