Eine kleine Regelungsphilosophie (Friedrich Müller)

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Eine kleine Regelungsphilosophie (Friedrich Müller)

Beitrag von Aktives Hören »

Der nachfolgende Beitrag stammt von Friedrich Müller (Silbersand):
Friedrich Müller hat geschrieben:
Die Unterscheidung in geregelte und ungeregelte Lautsprecher ist eigentlich nicht richtig. Denn auch „ungeregelte“ Chassis kommen nicht ganz ohne Regelungen aus: Da gibt es zum Beispiel eine elastische Gummisicke an der Membran, die sie immer wieder in die Ruhelage zurückholt oder es gibt Dämpfungswatte im Gehäuse, die die Bewegung etwas „zäher“ macht (wie die Stoßdämpfer im Auto), damit die Sache nicht allzu wild herumschaukelt. Das alles sind Regelungsvorgänge, die aber recht simpel bleiben, wenn sie auf mechanische Maßnahmen beschränkt bleiben.

Auch wer „Regelung“ für unnötig oder gar schädlich hält, benutzt ständig einfache Formen davon, weil sonst weder HiFi noch irgendetwas andere überhaupt funktionierte. Der Unterschied zwischen Ordnung und Chaos ist nämlich tatsächlich der Unterschied zwischen „negativer Rückkopplung“ (das ist Regelung) und „positiver Rückkopplung“. Lautsprecher mit Regelung müssten also eigentlich „Lautsprecher mit negativer Rückkopplung“ heißen, nur dass diese Bezeichnung unter Marketingexperten eher unbeliebt ist.

Das soll keineswegs heißen, es gäbe keinen Unterschied zwischen passiven und aktiven geregelten Systemen. Ganz im Gegenteil: Ein Sensor verbessert die Regelung derart stark, dass man diesen quantitativen Fortschritt mit Recht als qualitativen Sprung bezeichnen darf. Es gibt da nämlich eine Grenze (physikalisch heißt die „aperiodischer Grenzfall“), jenseits derer der Sensor das Kommando übernimmt und das System nicht mehr zu Eigenschwingen fähig ist.

Dieses Kommando über die Eigenschwingungen kann man nicht hoch genug schätzen, weil es die Schwingungen sind, an denen unser Gehör hinter den Klängen die Klangquelle erkennt: zum Beispiel an einem „topfigen Klang“ einen Hohlraum oder an einem „metallischen Klang“ ein ausklingendes Stück Aluminium.

Und unser Gehör lernt schnell, bestimmte Schwingungsgemenge der Klangquelle „Lautsprecherbox“ zuzuordnen, und das ist dann der Moment, ab dem die Musikwiedergabe keinen Spaß mehr macht, weil unser „akustisches Betriebssystem“ unserer emotionalen Ebene meldet: „Emotionen unnötig, hier klingt kein Cello, sondern nur eine Box“.

Das bei Passivboxen übliche Verfahren, dann eben etwas an der Abstimmung oder an der Verstärker-Kabel-Boxen-Kombination zu ändern, hilft nur so lange, bis nach ein paar Tagen auch diese Kombination wieder mit ihren typischen Eigenschwingungen erkannt und abgespeichert ist.

Der große „Sound-Austreiber“ ist also der Sensor als oberste Instanz über die vielen Eigenschwingungen. In ihm steckt das eigentliche Können und der weitaus größte Teil der Entwicklungsarbeit. Das ist eine faszinierende Arbeit, weil hier Theorie, Messungen und Erfahrung zusammenkommen. Die Theorie ist umfangreich und die kann man in den Lehrbüchern über Regelungstechnik nachlesen. Die Messungen selbst sind relativ einfach, nur sind die Ergebnisse manchmal schwer zu interpretieren.

Die Erfahrung muss oft darüber entscheiden, welche Entwicklungsrichtung das beste Ergebnis verspricht. Denn am Ende entscheidet unser Gehör, und dessen Hard- wie Software übertrifft bis heute jede Messtechnik.

Friedrich Müller, im Januar 2008
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