Kette per S/PDIF (Koax) oder AES/EBU verkabeln?

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Happajoe
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Kette per S/PDIF (Koax) oder AES/EBU verkabeln?

Beitrag von Happajoe »

Hallo zusammen

Mir stellt sich die Frage ob ich meine Kette per koax oder AES/EBU verkabeln soll ....

Das ganze schaut so aus :
Auralic Aries Femto —> Minidsp DDRC-22D —> Mytek Brooklyn Dac. Von dem gehts per RCA Cinch auf die Röhrenendstufe.

Ich kann vom Femto bis zum Brooklyn Dac komplett gleich durchverkabeln.
Würde hier AES / EBU einen Vorteil bringen ? Oder ist das nur fürs Studio vorgesehen wenn’s um lange Strecken geht ?

Momentan bin ich per digital koax verkabelt.
Abgesehen davon könnte ich auch noch komplett optisch digital verkabeln.

Und welche Digitalkabel sind im bezahlbaren Bereich zu empfehlen ?
Ich sag mal mehr als 100 Euro geb ich pro Digitalkabel nicht aus.

Was sind eure Erfahrungen / Meinungen ?

Schöne Grüße
Christian
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Christian,
so eine Digitalübertragung wird davon geprägt, dass Rechtecksignale mit steilen Flanken und Grundfrequenzen überwiegend im einstelligen MHz Bereich übertragen werden sollen. Dafür nimmt man eine Leitung mit definiertem Wellenwiderstand, die auf der Quelleseite mit gleichnamigem Widerstand angepasst wird, eine Steckverbindung mit gleichnamigem Wellenwiderstand auf beiden Seiten und einen Abschlusswiderstand gleichen Wertes.
Fünfmal muss dieselbe Bedingung eingehalten werden.
Das ist in der Praxis leider selten der Fall.
Ich habe bei Neutrik nach dem Wellenwiderstand der XLR-Verbinder gefragt. Weder die Datenblätter noch der Ingenieur am Telefon hatten eine befriedigende Antwort auf die Frage. Bei AES/EBU sind immerhin beidseitig Übertrager vorgeschrieben, die eine galvanische Trennung der Geräte mit sich bringen. Ich bevorzuge das. Die AES/EBU Verbindung scheint mir etwas robuster zu sein.
Bei den SPDIF-Übertragungsketten scheitert man schon an der Ausgangs-, später an der Eingangsbuchse. WBT hat einst 32 Ohm genannt, was von den geforderten 75 Ohm weit entfernt bleibt, folglich starke Reflexionen erzeugt. Damit die Reflexion den Ausgang nicht dann erreicht, wenn die Anstiegsflanke sich noch im Anstieg befindet und diese beschädigt, muss die Leitung lang genug sein (weit über 0,5m).
Gert setzt deshalb auf extrem schnelle Ausgangstreiber, damit wird diese Problematik gemildert.

Ich setze auf galvanische Trennung, damit nicht irgendwelche Ausgleichsströme und HF-Störungen sich über das Nutzsignal legen. Bei SPDIF sind Übertrager nicht vorgeschrieben, aber oft zu finden.
SPDIF würde ich bevorzugt mit 75 Ohm BNC-Buchsen und Steckern übertragen.
Aber auch die WBT NextGen sind hervorragend. Als Stecker kann man Nextgen dazu nehmen, aber auch Eichmann Bullet-Plug funktioniert bei mir gut.
Mit der klassischen Cinchbuchse auf einer (Empfänger-) oder beiden Seiten hat man schon verloren. Und der Stecker ist nicht so entscheidend wie die Buchse, da der Pin in die Buchse innen und der Massekragen außen drüber geht, die Kapazität der Cinchbuchse (zu hoch!) dominiert die Verbindung.
Wenn die Geräte die üblichen Cinchbuchsen haben, würde ich dieses Verbindungskonzept vermeiden.

Wer löten kann, baut empfängerseitig die Buchse aus, führt ein 75 Ohm Koaxialkabel durch die freigewordene Öffnung bis zum Abschlusswiderstand am Eingang des Empfängerchips.

Der Ausgangstreiber hat oft einen 75 Ohm Widerstand in Reihe mit dem Kabel, dabei wird der Ausgangstreiberquellwiderstand vernachlässigt, mit der Folge einer Fehlanpassung. Ich habe schon 5 verschiedene Modelle renommierter Hersteller in der hand gehabt und musste deutlich über 100 Ohm Ausgangswiderstand feststellen.
Die Methode: Mit einem 75 Ohm Widerstand als Last muss die Ausgangsspannung exakt halbiert werden. Ein normales Oszilloskop hat einen zu dicken Strahl, moderne Geräte mit zusätzlicher Digitalanzeige sind besser geeignet.

Ich fasse nochmal zusammen (der Einfachhheit halber fange ich beim zuverlässigsten Punkt an):
7. Der Abschlusswiderstand beim Empfänger ist die leichteste Übung, hier 75 Ohm (SPDIF) oder 110 Ohm AES/EBU einzubauen schafft jeder Hersteller.
6. Davor die wichtige Buchse, weder XLR hat definierte 110 Ohm noch die übliche Cinch (RCA) -Buchse hat den gewünschten Wert (75 Ohm) Ausnahme: WBT NextGen. Alternative: BNC mit 75 Ohm, leider kein etablierter Standard.
5. Die Kabelstecker werden in die Buchsen gesteckt, sie ordnen sich denen unter.
4. Das Kabel, Koax 75 Ohm angefangen bei den vielen RG 59 Kabelvarianten oder AES/EBU symmetrisch 110 Ohm, die übliche Impedanz einer verdrillten Leitung (twisted pair). Das halten fast alle Hersteller gut ein. Der User sollte mindestens 75 cm, besser 1 m verwenden, um die Folgen der hier beschriebenen Fehlanpassungen zu mildern. Digitalkabel haben eine Laufrichtung, verkehrtherum spielen sie nicht ganz so optimal, das hat auch Robert Harley (stereoplay.com) Anfang der 1990er gemessen.
M.E. ist bei der symmetrischen Leitung der Schirm nicht vorgeschrieben, die beidseitigen Übertrager sollten eine gute Gleichtaktunterdrückung bewirken, ich persönlich finde eine ungeschirmte Leitung deutlich besser.
3. Anfangsstecker des Kabels: Bei SPDIF der übliche RCA-Stecker wie bei 5. Aber bei AES/EBU ist es die Kupplung, die hier die Impedanz bestimmt, ausnahmsweise nicht der geräteseitige Einbaustecker.
2. Ausgangsbuchse bei der Signalquelle: meistens Murks, der einemauf einen bestimmten Kabelbereich beschränkt; aber bei AES/EBU ist der Eingangskupplung des Kabels relevanter
1. Anpassung an den nachfolgenden Rest: bei SPDIF oft mit deutlich über 75 Ohm suboptimal, bei AES/EBU kann eine prozentual geringere Fehlanpssung erwartet werden, aber auch da habe ich schon krasse Fehlanpassungen erlebt (Pin 2, 3 jeweils über 10 Ohm und ohne Übertrager vom niederohmigen Buffer angesteuert).

Fazit: Dir richtige Anpassung an der Quelleseite und die exakt passende Buchse am Empfänger zwingen den Benutzer, das Kabel diesen Aspekten unterzuordnen, unter Berücksichtigung von Laufrichtung (XLR-Kabel kann man icht einfachtestweise umdrehen) und Mikrofonieeffekten.

Das Optimum findet man nur, wenn man selbst eingreift, die Quelle prüft, ggf. Buchsen tauscht oder rigoros Kabel in den Geräten festlötet, unter Umgehung der Buchsen. Ansonsten rangiert das eigentliche Kabel unter ferner liefen...
Grüße
Hans-Martin
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ony
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Beitrag von ony »

Hallo,

dann müsste man ja eigentlich mit optischen Kabel besser fahren, da gibts ja keine Fehlanpassung und die "Verluste" durch die optischen Wandler sollten ja nicht höher sein, als die durch Übertrager oder eben fehlangepasste Ein-/Ausgänge?

Gruß, Roland
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Roland...

Wenn es ein professionelles System mit Single Mode Übertragern und vernünftigen optischen Steckern gäbe, wär ich bei dir...

Aber Toslinkt... Multimode und diese billig PVC Schläche die sich dann Glasfaser schimpfen... mehr Jitter kann man sich fast nicht einfangen.

Grüße

Christian
ony
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Beitrag von ony »

Hallo Christian,

ich hab einen Mutec 1.2 in der Kette, allerdings eigentlich nur für die USB-Verbindung zum PC (zum Aufnehmen).
Der MC 1.2 hängt "optisch" am RME ADI 2 (alt), weil ich den Coax-Eingang am ADI 2 für den Netzwerkplayer brauche (meine digitale Hauptmusikquelle).

Ich könnte jetzt alle Geräte coax an den Mutec hängen und vor dort aus coax auf den Wandler, bringt das was?

Gruß & Dank, Roland
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Roland

das sind Dinge, die man meiner Meinung nach nicht pauschal beantworten kann, da es auch immer davon abhängt, was ein Gerät intern mit den Daten macht.

Also auch hier gilt leider: Versuch macht kluch. Wenn der Mutec Reclockt kann das auf jeden Fall was bringen!

Viele Grüße

Christian
ony
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Beitrag von ony »

O.k., Merci!
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Happajoe hat geschrieben:Auralic Aries Femto —> Minidsp DDRC-22D —> Mytek Brooklyn Dac. Von dem gehts per RCA Cinch auf die Röhrenendstufe.
Hallo Christian,
Auralic Aries Femto wird mit einem Analognetzteil versorgt, welches einen Schuko hat, über die Erdung der Signalmasse ist mir nichts bekannt.
Minidsp DDRC-22D wird mit einem Steckerschaltnetzteil versorgt, die Netzstörungen werden erfahrungsgemäß auf die Signalmasse abgeleitet, weil ein Schuko nicht vorhanden ist.
Mytek Brooklyn Dac hat zwar einen Schuko, aber ein internes Schaltnetzteil.

Ausgerechnet das zentrale Gerät, Minidsp, kann als Störquelle angenommen werden, welches munter alle Netzstörungen auf die Signalmasse ableitet. Ich würde da ein gut mit Reserve ausgestattetes Analognetzteil bevorzugen.
Das alles spricht für symmetrische Verbindungen(AES/EBU) wo Übertrager die Geräte galvanisch trennen.
Beim Netzteil des Minidsp könnte man die - Leitung auf Schutzerde legen, oder das Gehäuse des Minidsp von einer erreichbaren Schraube dorthin verbinden.
Grüße
Hans-Martin
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chriss0212

Beitrag von chriss0212 »

Hallo Hans-Martin

Ist denn der Trafo bei AES/EBU wirklich immer verbaut? Also gehört der zwingend zum Standard?

Grüße

Christian
Mister Cool
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Beitrag von Mister Cool »

Hans-Martin hat geschrieben: Das alles spricht für symmetrische Verbindungen(AES/EBU) wo Übertrager die Geräte galvanisch trennen.
Optische / Toslink / ADAT Verbindung würde sie ebenfalls galvanisch trennen (falls das ein Kriterium sein sollte). Allerrdings ich weis nicht, ob alle genannten Geräte in dieser Kette diese Verbindung unterstützen.

Grüsse,
Alwin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

chriss0212 hat geschrieben:Ist denn der Trafo bei AES/EBU wirklich immer verbaut? Also gehört der zwingend zum Standard?
Hallo Christian,
Wikipedia hat geschrieben:Die Kanalkodierung der Audiodaten wird mittels Biphase-Mark-Kodierung vorgenommen. Das zu übertragende Signal ist gleichanteilsfrei und kann zur Vermeidung von Brummschleifen galvanisch getrennt über Impulstrafos übertragen werden. Elektrisch verwendet die AES3-Schnittstelle Pegel und Treiber nach der Norm EIA-422 (RS422). Durch die Art der Kanalkodierung kann auf der Empfangsseite der Abtastratentakt mittels einer PLL aus dem AES3-Signal wiedergewonnen werden.
Ich halte diese Kann-Regelung für den gebräuchlichen und weitgehend praktizierten Standard. Der Eingangsübertrager gewährleistet die beste Gleichtaktunterdrückung, trennt zugleich galvanisch und vermeidet nicht nur Brummstörungen sondern stoppt vagabundierende HF (wie die vom Netzfilter eines 2-poligen SteckerSchaltnetzteils ohne Schuko auf Versorgungsspannungs-Null abgeleitete Netzstörungen).

Ich halte einen Ausgangsübertrager für eine einfache Lösung, ohne einen Zeitversatz zwischen dem positiven und dem invertierten Signal, die Potentialfreiheit gewährleistet gegenüber dem Schirm eine Art Gleichberechtigung, auch hinsichtlich dielektrischer Absorption.
Dem Hersteller des Gerätes hilft dabei, dass die Übertragungsbandbreite des Übertragers bei SPDIF und AES/EBU dieselbe ist, die Impedanz wird mit externen Widerständen angepasst, derselbe Typ Übertrager kann bei beiden zum Einsatz kommen.
Bei Mutec ist der Übertrager nur bei den symmetrischen Ein- und Ausgängen zu finden, SPDIF ist hart auf Signalmasse =Schuko) geschaltet.
Und TOSLINK hat Bandbreitenbeschränkungen, kann nicht besonders lang verwendet werden, weil das Licht verluste hat, außerdem kommt es bei Biegungen zu Reflexionen, es gibt Übergangsprobleme, wenn die Lichtfaser am Ende nicht poliert ist, und man sagt den Fototransistoren nach, sie seien nicht rauschfrei. Toslink hat seine eigenen Beschränkungen, trennt aber galvanisch absolut sicher. Es gibt ATT&T Standards, ADAT und MADI, die besser übertragen können als das Consumer Electronics- orientierte Toshiba-Link
Grüße
Hans-Martin
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