Glaubhafte Stereomitte: Grenzen von Lautsprecheranordnungen

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O.Mertineit
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Glaubhafte Stereomitte: Grenzen von Lautsprecheranordnungen

Beitrag von O.Mertineit »

Hallo Liebe Forenten,

ich möchte Eure Aufmerksamkeit zunächst auf einen Artikel aus dem Jahr 1985 lenken, der - wieder einmal - die technischen Grenzen der Stereophonie insbesondere für höhere Frequenzen zum Inhalt hat:

"A New Approach to the Assessment of Stereophonic Sound System Performance",
Bennet et al, J. Audio Eng. Soc. Vol. 33 No. 6, May 1985

Hier findet sich eine Kopie:
http://decoy.iki.fi/dsound/ambisonic/mo ... l_1985.pdf


Ohne dabei tiefer auf die menschlichen Fähigkeiten beim räumlichen Hören und die dabei wirksamen Effekte und Mechanismen einzugehen, wird dort u.a. die mangelnde Fähigkeit üblicher stereophoner Lautsprecheranordnungen zur Abbildung glaubhafter mittiger Phantomschallquellen bei hohen Frequenzen behandelt.

Dazu gehört "seitliches Auswandern", "sich Verbreitern" oder "aus der Mitte Verschwinden" von mittigen Phantomschallquellen bei höheren Frequenzen. Dies wird in dem o.g. Artikel mit einem Ansatz analysiert und beschrieben, der die Abweichungen des Wellenfeldes zweier üblicher Stereo LS von demjenigen einer realen mittigen Schallquelle beschreibt.

Fig. 5 auf S. 318 stellt dazu einen anschaulichen Bezug her. Dazu eine Zusammenfassung meinerseits in Kurzform:

Nach der Analyse der Autoren ist allein aus der Ausprägung des Wellenfeldes bei üblichen Lautsprecheranordnungen oberhalb ca. 2 Khz auch bei gleichen Lautsprechersignalen L und R eine deutliche Abschwächung des "vorn" Eindrucks zu erwarten.

Bei noch höheren Frequenzen kommen auch bei gleichen Lautsprechersignalen L und R seitliche Komponenten hinzu.

Eigene Anmerkung dazu:
Diese führen dazu, daß für die Lokalisation einer mittigen Phantomschallquelle Richtungsinformation aus tieferen Frequenzbereichen vorhanden sein muss, ansonsten kann eine Lokalisation uneindeutig werden oder sogar in Richtung der beider Lautsprecher weisen.

Derartige Artefakte enstehen, wenn am Hörplatz seitliche Komponenenten der Wellenfront aufreten, die nicht durch eine (gedachte...) frontal einfallende Welle "erklärbar" sind und dabei eine gewisse Schwelle in Relation zum "ebenen" Anteil der Wellenfront überschritten wird.



Grüße Oliver
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hier nun die Fortsetzung ...

Veranschaulichung der Abstrahlung 2er verschiedener Lautsprecher-Anordnungen für stereophone Übertragung bei höheren Frequenzen.

Das erste von mir erstellte Bild zeigt eine 2 dimensionale Simulation eines Wellenfeldes in der Horizontalebene am und hinter einem gedachten Hörplatz, wie man es sich bei üblichen Stereo LS mit Membranen wesentlich kleiner als die Schallwellenlänge bei höheren Frequenzen vorstellen kann:

Bild
(Anklicken zum Vergrößern)

Bild 1: Wellenfeld mit konventioneller Konfiguration der Schallquellen

In die Stereobasisbreite - die beiden LS wären oberhalb des Bildauschnittes - passen hier gut 10 Wellenlängen, d.h. bei einer Basisbreite des Stereodreiecks von ca. 3m wäre die Wellenlänge knapp 0,3m und die Frequenz rund 1,2 Khz.

Die mittige Hauptabstrahlkeule der beiden LS in der Stereomitte ist im vorderen Teil der Hörzone (oben im Bild) etwa eine halbe Wellenlänge breit, was in etwa der Breite eines menschlichen Kopfes entspricht.

Ein typischer Hörplatz würde also in der senkechten Mittellinie im oberen Teil des Bildauschnittes liegen, weiter unten wäre ein Teil der "Nebenhörzone" hinter dem Haupthörplatz, die weiter entfernt von den LS liegt.

Es ist deutlich erkennbar, daß das Wellenfeld mit einer gedachten "ebenen Welle", wie sie etwa von vorn am Hörplatz einträfe, nicht viel gemeinsam hat, und daß ebenso erhebliche seitliche Komponenten bereits nahe der Stereomitte (noch mehr bei Versatz des Hörers aus der Stereomitte) auftreten. Dazu muss man sich an einem jeweils gegebenem Ort den Gradienten von "rot" (z.B. Überdruck) nach "grün" (z.B. Unterdruck) vorstellen.

Wir befinden uns dabei gem. der Abbildung nichteinmal im Hochtonbereich, für den die Wellenlängen noch kleiner werden und somit die Abstrahlkeulen noch schmaler.


Erzielbare Verbesserung mit neuartigen Anordnungen:

Das nächste Bild zeigt das Wellenfeld bei gleicher Basisbreite und Frequenz für eine Anordnung von (Teil-) Schallquellen für den inken und den rechten Kanal, wie sie vom Konzept in vergleichbarer Form auch bei meinen Biegewellenwandlern ("Model2") Verwendung fand und in ähnlicher Form auch für meine Mittel-Hochton Arrays Verwendung finden wird:

Bild
(Anklicken zum Vergrößern)

Bild 2: Wellenfeld mit neuartiger Konfiguration der Schallquellen

Neben positiven Effekten für die Gesamtabstrahlung und LS- Raum Interaktion ergibt sich bereits im Direktschall der LS am Hörplatz eine wesentlich verbesserte Annäherung an frontal einfallende Wellenfronten, die sich an mehreren relativ großzügigen "Sweetspots" in der Stereomitte durch geeignete Aufstellung erreichen lässt.

Auch deutlich außerhalb der Stereomitte ergeben sich z.T. attraktivere Ausprägungen von Wellenfronten, als dies mit konventionellen Schallwandlern zu erzielen ist.

Die Anordnung verwendet dazu keine mittige Schallquelle und kann den Effekt bei passender Auslegung und Ansteuerung im Hochton sehr breitbandig für die bevorzugten Hörzonen aufrecht erhalten.



Worum es mir hier geht:

Eine für hohe Frequenzen verbesserte Abbildung in der Stereomitte wurde hier im Forum schon anhand vieler Aspekte thematisiert und es wurden auch Lösungen diskutiert und vorgestellt, die meist eine Verminderung der Stereo-Basisbreite zu hohen Frequenzen hin beinhalten.

Auch mögliche inhärente Vorteile der Analog Technik (LP) wurden diesbezüglich schon diskutiert, weil u.a. Tonabnehmersysteme eine zum Hochton hin abnehmende Kanaltrennung aufweisen: Dies könnte einen gewissen "zentrierenden" Effekt - wie groß er im konkreten Fall ist, hängt u.a. vom Tonabnehmer ab - auf die Stereoabbildung haben.

Dabei sollte m.E nicht vergessen werden, daß

- das Problem auch bei Signalen direkt aus der Stereomitte (Signale beider Kanäle identisch) besteht, so daß hier der Einsatz von Übersprechen zw. L und R keine Änderung mehr bewirken kann

- die Ursache der Effekte in der stereophonen Wiedergabeanordnung selbst und damit auch den üblicherweise dafür verwendeten Lautsprechern zu suchen ist: Die o.g. Schwächen können m.E. nur dort ursächlich gelöst oder siginifikant abgemildert werden, ohne daß man z.B. das Musikmaterial - evt. je nach individueller Ausprägung der Stereomitte - dazu nachbearbeiten müsste


Grüße Oliver
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

O.Mertineit hat geschrieben: http://decoy.iki.fi/dsound/ambisonic/mo ... l_1985.pdf

Ohne dabei tiefer auf die menschlichen Fähigkeiten beim räumlichen Hören und die dabei wirksamen Effekte und Mechanismen einzugehen, wird dort u.a. die mangelnde Fähigkeit üblicher stereophoner Lautsprecheranordnungen zur Abbildung glaubhafter mittiger Phantomschallquellen bei hohen Frequenzen behandelt.
...
Nach der Analyse der Autoren ist allein aus der Ausprägung des Wellenfeldes bei üblichen Lautsprecheranordnungen oberhalb ca. 2 Khz auch bei gleichen Lautsprechersignalen L und R eine deutliche Abschwächung des "vorn" Eindrucks zu erwarten.
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Eigene Anmerkung dazu:
Diese führen dazu, daß für die Lokalisation einer mittigen Phantomschallquelle Richtungsinformation aus tieferen Frequenzbereichen vorhanden sein muss, ansonsten kann eine Lokalisation uneindeutig werden oder sogar in Richtung der beider Lautsprecher weisen.
Hallo Oliver

Wenn du ein natürliches Instrument oder eine menschliche Stimme benennen könntest, welche(s) keinen Grundton unter, sondern (ausschließlich wäre zu viel verlangt) über 2kHz besitzt, würde ich dieses Argument als schwerwiegend ansehen.
Derartige Artefakte enstehen, wenn am Hörplatz seitliche Komponenenten der Wellenfront aufreten, die nicht durch eine (gedachte...) frontal einfallende Welle "erklärbar" sind und dabei eine gewisse Schwelle in Relation zum "ebenen" Anteil der Wellenfront überschritten wird.
Da die seitliche Komponente nicht vor dem Lautsprecherdirektschall eintreffen kann, und aufgrund des größeren Wegs zum Ohr auch kaum in der Amplitude dominieren kann, was ist hier mit "eine gewisse Schwelle in Relation zum "ebenen" Anteil".." gemeint?
O.Mertineit hat geschrieben: Worum es mir hier geht:

Eine für hohe Frequenzen verbesserte Abbildung in der Stereomitte wurde hier im Forum schon anhand vieler Aspekte thematisiert und es wurden auch Lösungen diskutiert und vorgestellt, die meist eine Verminderung der Stereo-Basisbreite zu hohen Frequenzen hin beinhalten.
Diesen Vorschlag hat auch Dr. Edeko 1988 (3 Jahre nach den oben zitiertem AES-vortrag ) gemacht, seine Konstruktion war ein Lautsprecher mit engerer Hochtönerplatzierung gegenüber Mitteltöner, die Bässe jeweils außen.
Einen ähnlichen Ansatz hatten wir hier als physisches FLOW (Jakob).

In dem Thread Betreff: Fragen an die Tontechnik brachte Eberhard Sengpiel einige grundlegende Gedanken ein.
Auch mögliche inhärente Vorteile der Analog Technik (LP) wurden diesbezüglich schon diskutiert, weil u.a. Tonabnehmersysteme eine zum Hochton hin abnehmende Kanaltrennung aufweisen: Dies könnte einen gewissen "zentrierenden" Effekt - wie groß er im konkreten Fall ist, hängt u.a. vom Tonabnehmer ab - auf die Stereoabbildung haben.

Dabei sollte m.E nicht vergessen werden, daß
- das Problem auch bei Signalen direkt aus der Stereomitte (Signale beider Kanäle identisch) besteht, so daß hier der Einsatz von Übersprechen zw. L und R keine Änderung mehr bewirken kann
Hier stellt sich die Frage, inwieweit schon die Aufnahmetechnik verkehrt angewandt wurde. Wie 2 Lautsprecher im reflexionsfreien Raum auf linearen FG gebracht werden, weiß man inzwischen, mit einem angemessenen Bündelungsmaß, welches zum Hörraum passt, und das darf man im klassischen Stereodreieck voraussetzen. Dennoch werden Mikrofone nicht danach ausgewählt, sie nicht derart aufgestellt, dass mit dieser LS-Aufstellung ein annähernd perfektes Ergebnis erzielt wird, sondern der User gefordert ist, die Schwächen der Aufnahme auszubügeln. Da diese vielfältiger Natur sind, gibt es auch viele Methoden der Kompensation, aber leider nicht genug, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

Zum Argument, das Tonabnehmersystem schränke die Hochtonkanaltrennung ein, kann ich nur auf den FLOW-Thread verweisen und das Augenmerk auf den historischen Aspekt richten. 1959 erschienen die ersten Tonträger in Stereo auf dem Massenmarkt, Radio folgte wenige Jahre später in stereo und spielte überwiegend Schallplatten. Sphärische Nadeln folgten der Rillenauslenkung, und der Pincheffekt erzeugte vertikale Bewegungen, die den Grundtonbereich auch bei Monosummensignal gegenphasig (180°, besser gesagt gegenpolig) überlagern und damit dekorrelieren. Das wird im klassischen Kanaltrennungsmessschrieb nicht dargestellt. Er zeigt nur den FG eines angesprochenen Kanals und die Artefakte auf dem eigentlich nicht angesteuerten Kanal. Da der Bereich oberhalb 800Hz in der Amplitude abfällt, stelle ich mir vor, dass dieser Effekt hier zunehmend ausbleibt. Es ist m.E. falsch, den Bereich Vinylabtastung auf engere Hochtonprojektion zu reduzieren. Auch muss bedacht werden, dass auch vom Rundfunk geforderte Monokompatibilität bei Intensitätsstereofonie erheblich besser gewährleistet ist als bei Laufzeitstereofonie.

Lord Rayleighs Duplextheorie des Hörens muss erst noch widerlegt werden, und der Mangel an Laufzeitinformation bei den meisten Aufnahmen verlangt nach Kompensation der Ortung von Grundtönen, die so sehr vom Natürlichen abweicht. Hört man auf der Mittelachse der beiden LS, treffen diese gleichzeitig am Schädelmittelpunkt ein, aber das interessiert weniger, weil das dem jeweiligen Lautsprecher zugewandte Ohr zuerst hört, bevor der Schall vom anderen LS ankommt. Das Zeitfenster für die Summenlokalisation ist bekannt, Stereo funktioniert.

Die Diskrepanz in der Lokalisation von Grundton und Obertonbereich ist ebenfalls lange bekannt. Ich behaupte, sie geriet in Vergessenheit, weil die Abtastung von Vinyl eine weitgehende Kompensation durch reinen Zufall und Schwächen des Mechanismus bewirkte, keinesfalls geplant und beabsichtigt! Klaus Wendt hat seine Doktorarbeit darüber geschrieben, seit Blumlein 1932, deBoer 1940, haben viele Forscher sich der Thematik angenommen, praktisch alle 10 Jahre gab es Veröffentlichungen, auch Simonsen, Griesinger, Sengpiel, die die Diskrepanz von reiner Laufzeit zu reiner Intensität bei Stereo erforschten und grafisch darstellten.
- die Ursache der Effekte in der stereophonen Wiedergabeanordnung selbst und damit auch den üblicherweise dafür verwendeten Lautsprechern zu suchen ist: Die o.g. Schwächen können m.E. nur dort ursächlich gelöst oder siginifikant abgemildert werden, ohne daß man z.B. das Musikmaterial - evt. je nach individueller Ausprägung der Stereomitte - dazu nachbearbeiten müsste

Das kann man auch umdrehen, wie ich oben es schon tat- in der Wiedergabekette sind Stereolautsprecher mit angemessenem Bündelungsmaß auszuwählen und die Aufnahmetechnik hat das als Zielgruppe zu berücksichtigen.

Gunther Theile (IRT) setzt auf Äquivalenzstereofonie

http://www.hauptmikrofon.de/theile/Thei ... ES1991.PDF

Wer sich mit Abbildungsschärfe beschäftigt, stolpert über die Absolute Polarität der Aufnahme. Dazu empfehle ich folgendes Experiment:
Ein einzelner Lautsprecher (Vollbereich oder 2-Weg - nicht 3-Weg mit Übergangsfrequenz B/MT deutlich unter 1000Hz) gibt allein Musik wieder und wird umgepolt. Bei unbekannter Polarität der Aufnahme ist einmal der Lautsprecher als Quelle deutlich auszumachen, zu orten, im anderen relativ umgepolten Fall löst sich der Klang diffuser und breiter vom Lautsprecher.

Da die technisch festgelegte Polarität des LS verlangt, dass die Membran sich bei positivem Signal in Richtung Hörer bewegt, bleibt bei diffuser Wiedergabe des Lautsprechers noch die Möglichkeit, dass in der Übertragungskette die Polarität wechselt. Kürzlich wurde der Funk LAP2V3 als invertierend festgestellt. Wenn man eine scharfe Ortung der Phantomschallquelle in der Mitte wünscht, bleibt der Wunsch nach korrekt gepolter Aufnahme nicht aus, sonst hat man schon verloren. Es sei denn, man benutzt Elektronik, bei der rein zufällig der Hersteller vergessen hat, auf die Invertierung des Signals hinzuweisen.

Ich plädiere dafür, von allen Beteiligten einzufordern, dass sie sich an die Spielregeln halten. Die Aufnahme mit Mikrofonen, die beim Einschlagen einer Kesselpauke einen negativen Puls liefern, die Mikrofonvorverstärker, die diesen negativen Impact auch negativ weitergeben, der Mann / die Frau am Mixer macht ggf. Gebrauch des vorhandenen Druckknopfs für Polarität (hat jedes bessere Mischpult!), so dass am Ende eine Aufnahme entsteht (vielleicht auch in einer CD festgehalten), bei der der Einschlag sich auch im Oszillogramm als negativer Puls zeigt. Meine Klassiksammlung wird von invertiertem Material dominiert, nahezu 90% sind nach diesem Kriterium verkehrt (im Sinne des Wortes: verpolt).

Es ist erschreckend, feststellen zu müssen, dass die Tonträger schaffende Zunft vorsätzlich das Ergebnis verkehrt. Da ist es kein Wunder, dass es so viele schlechte Lautsprecher gibt. Denn die schlechten Aufnahmen überholen locker deren Anzahl. Es kann und darf nicht Aufgabe eines Lautsprechers sein, die schlechte, mangelbehaftete Aufnahme, oder die ursprünglich gute Aufnahme, die erst im Mastering schlecht gemacht wurde, zu kompensieren. Ich behaupte, nur andersherum kann ein Schuh draus werden: Zeitkoinzidente Lautsprecher mit reduziertem Einfluss des Hörraums und neutraler Elektronik (ungesoundet nach Sven (Truesound)).

Und Robert E. Green (the absolute sound) liefert mit seinem Vorschlag, die LS unter 90° (45° zur Medianebene) statt der üblichen 60° (30°) aufzustellen, damit die Wellen sich primär ohne Beeinflussung ausbreiten, ein interessantes Alternativdenkmodell.

Grüße Hans-Martin
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hans Martin,

mein Thread hat das Thema "Grenzen von Lautsprecheranordnungen" bezüglich der Stereomitte und nicht "Kritik an der verbreiteten Aufnahmepraxis." Du scheinst mir jedoch nahezu jedes Thema in diese Richtung zu interpretieren ... es ist aber nicht jedes Thema von einem TE so angelegt.
Hans-Martin hat geschrieben: Es kann und darf nicht Aufgabe eines Lautsprechers sein, die schlechte, mangelbehaftete Aufnahme, oder die ursprünglich gute Aufnahme, die erst im Mastering schlecht gemacht wurde, zu kompensieren.
Ich behaupte, nur andersherum kann ein Schuh draus werden: Zeitkoinzidente Lautsprecher mit reduziertem Einfluss des Hörraums ...
@Hans Martin:
Ich sehe - ehrlich gesagt - den Bezug zu meinem Post nicht ganz. Habe ich z.B. für "nicht-zeitkoinzidende" Lautspecher plädiert, die irgendwelche Aspekte einer Aufnahme "korrigieren" sollen ?

Wenn ich Deine Standpunkte für mich zusammenfasse, dann kommt als "Konsensat" für mich in etwa Folgendes heraus:

- 90% aller Aufnahmen sind schlecht und müssen vom Musikhörer daheim nachbearbeitet werden, denn in der Regel sind mindestens die absolute Polarität und die Mikrofonierung falsch.

- Die Arbeiten u.a von Dr. Floyd Toole zur LS-/Raum Interaktion basieren auf einem grundsätzlich falschen Paradigma, in dem die LS zur "Korrektur von Aufnahmefehlern" missbraucht (?) werden. Daher soll man sich mit diesem Stand der Erkenntnisse erst gar nicht befassen.

- konkrete Alternativen für eine LS-/Raum Interaktion müssen daher nicht vorgeschlagen bzw. zur Diskussion gestellt werden. Es reicht stattdessen aus, in stereotyper Weise "mehr Bündelung" und "wenier Raumanteil" als Forderung zu wiederholen. Auch die raumakustischen Realität der Mehrzahl von Hörern ist bei dieser Diskussion bedeutungslos.

Hans Martin, nimm es mir bitte nicht übel, aber ich würde gern einmal ein Thema ohne Deine Pauschalkritik in dieser Richtung themenzentriert und auf einem aktuellen Stand der Erkenntnisse besprechen wollen. Ohne z.B. die in den Arbeiten von Dr. Floyd Toole u.a. bei Harman verarbeiteten und gewonnenen Erkenntnisse ernsthaft einzubeziehen, ist eine Diskussion über Lautsprecher, Lautsprecher-/Raum Interaktion sowie HiFi allgemein heute m.E. sinnlos und stellt eine Verschwendung von Ressourcen dar (*).

Die Folgen sind doch für Dich auch klar: Während Du 90% Deiner Aufnahmen nachbearbeiten musst, möchten (viele ...) andere lieber Musik hören. Dabei stellen sich in der Heimwiedergabe Fragen in ganz anderer Richtung und mit anderen Prioritäten: Es sind vor allem die Prioritäten selbst, die zum aktuellen Erkenntnisstand gehören.

Natürlich kann man ständig beklagen, daß die Mehrzahl aller Aufnahmen schlecht gemacht seien, und daß eine ganze "Zunft" mehrheitlich unfähig sei. Aber mal im Ernst: Das nutzt sich doch irgendwann auch mal ab.

Zum Laufzeitanteil bei stereophonen Aufnahmen: Ich persönlich habe keine prinzipiellen Vorbehalte gegen Mischformen von Laufzeit und Intensitätsstereophonie. Wenn ich etwas dagegen hätte, dann müsste ich mit sehr vielen Klassikaufnahmen ein Problem haben ... bei mir klingt die überwiegende Mehrzahl aller Aufnahmen - auch und gerade im Klassikbereich - jedoch irgendwo zwischen "wirklich akzeptabel" und "sehr gut", dieser Meinung bin ich übrigens auch nicht allein.

Aber eine Nachbearbeitung von Aufnahmen mit gemischter Stereophonie z.B. mit Mid-Side Prozessoren erscheint mir doch ein wenig fragwürdig, denn es ist doch nur der Anteil der Intensitätsstereophonie wirklich kompatibel mit einer solchen Form der Nachbearbeitung.

Was solche Mastering Methoden für einen unversellen Ensatz in der "Heim-Nachbearbeitung" zumindest "hinterfragbar" macht, um es mal vorsichtig auszudrücken.


Grüße Oliver

_________
(*) Über Leute wie Peter Pfleiderer und seine Thesen zu Aufnahmetechnik, die Du an anderer Stelle erwähnt hast, möchte ich mich hingegen am besten überhaupt nicht unterhalten: U.a. Eberhard Sengpiel hat sich mit Pfleiderers Thesen bereits zur Genüge befasst. Herr Pfleiderer ist fachlich nicht anerkannt und steht vollkommen isoliert mit seinem proprietären Aufnahmeverfahren, welches im Übrigen auch hinsichtlich einer Spezifikation kaum mit anderen Ansätzen mithalten kann: Herr Pfleiderer ist sich nur darin sicher, daß alle anderen in der Tonzunft unfähig sind ...
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

Hans Martin hat geschrieben: Da die seitliche Komponente nicht vor dem Lautsprecherdirektschall eintreffen kann, ...
Hans Martin,

Du hast Dich offenbar weder mit dem Eingangsartikel noch mit meinen Illustrationen zur Interferenz befasst. Es ging dort zunächst ausschließlich um den Direktschall, Reflexionen aus dem Raum wurden bisher noch gar nicht betrachtet. Das ist ja gerade der springende Punkt ...

@Hans Martin: Mir scheint, Du schreibst hier sehr viel und sehr "divers" zu etwas, das Du gar nicht gelesen hast.

@Alle:
Ich bin wirklich drauf und dran, diesen Thread wegen "thematischer Verwässerung" aufzugeben, d.h. ich möchte hier nichts mehr posten und bitte um Verständnis dafür.

Grüße Oliver
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Daihedz
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Beitrag von Daihedz »

Hallo Oliver

Ich hoffe, dass sich aus diesem Tread etwas interessantes entwickelt.
O.Mertineit hat geschrieben: ... erhebliche seitliche Komponenten bereits nahe der Stereomitte (noch mehr bei Versatz des Hörers aus der Stereomitte) auftreten. Dazu muss man sich an einem jeweils gegebenem Ort den Gradienten von "rot" (z.B. Überdruck) nach "grün" (z.B. Unterdruck) vorstellen.

Wir befinden uns dabei gem. der Abbildung nichteinmal im Hochtonbereich, für den die Wellenlängen noch kleiner werden und somit die Abstrahlkeulen noch schmaler. ...
Ja, und das kann sehr nervig werden, wenn man nicht buddahmässig hinhocken möchte, resp. kann, sondern ab und zu mit dem Kopf gerne etwas hin- und herwackelt.

Mal als Annäherungsansatz (nicht als Lösungsansatz, denn eine Lösung wird es kaum geben) bloss prinzipiell angedacht: Man nehme die Ansätze von Trinaural und Flow, und kombiniere das Ganze: In den Seitenkanälen werden ab ca. 800Hz die Höhen laufend etwas zurückgenommen und dafür dem Zenterkanal dergestalt zugespiesen, dass an der Hörposition wieder ein gerader Frequenzgang gemessen wird.

Ich würde in einem experimentellen Setup z.B. mit einer Absenkung der Höhen von ca. 6dB bei 10kHz in den Seitenkanälen beginnen.

Grüsse
Simon
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O.Mertineit
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Beitrag von O.Mertineit »

... OK, versuchen wir's nochmal zum Thema:
Daihedz hat geschrieben:Ich würde in einem experimentellen Setup z.B. mit einer Absenkung der Höhen von ca. 6dB bei 10kHz in den Seitenkanälen beginnen.
Hallo Simon,

klar ist Deine Idee in Bezug auf weniger Interferenzen und ebenere Wellenfronten mittiger Phantome im Hochton zielführend (*).

Aber bei Aufnahmen mit (Anteilen von ...) Laufzeitstereophonie bedeutet ein Tiefpassfiltern von differentieller Seiteninformation (R - C x L und L - C x R) m.E. immer einen Eingriff, der sich auf jede individuelle Aufnahme anders auswirken kann. Es ist m.E. ein "Remastering Schritt" auf "Mid-Side" Ebene, der mit Laufzeit Anteilen einer Aufnahme nicht kompatibel ist.

Man wirft auch m.E. unbestreitbar Strukturinformation der 2-kanaligen Aufnahme dadurch weg:

Sind Hochton-Anteile im laufzeitstereophonen Teil einer Aufnahme, die nicht in Phase sind, grundsätzlich als "Abfall" zu sehen ?

Wieviel davon "soll" bzw. "darf" man denn wegwerfen, nur um damit eine Stereomitte (subjektiv) zu stabilisieren, die evt. aufgrund bestimmter wiedergabeseitiger Artefakte (s.o.) überhaupt erst "instabil" geworden ist und nicht unbedingt nur durch Hochtonanteile der Aufnahme, die L u. R. nicht in Phase sind (**).

Bei reiner Intensitätsstereophonie wären meine Schmerzen da weitaus geringer. Bei vielen Klassikaufnahmen, wo auch mit Hauptmikrofonsystemen gearbeitet wird, sehe ich das jedoch eher mit gemischten Gefühlen.



Grüße Oliver

______________

(*) Zur Egänzung "Trinaural"
Stereo......: L + R
Trinaural....: L - R/2 + (R+L)/2 + R - L/2


(**) Es gibt einige solcher Artefakte neben der eingangs genannten üblichen Stereo LS Anordnung selbst: Dazu zählen potentiell Sprünge im Rundstrahlverhalten der LS zwischen einzelnen Wegen, sehr frühe Reflexionen im Zusammenhang mit Kantenbeugung an Lautsprechergehäusen und dergleichen mehr ...
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Die Realität, hier gegebenes Musikstück mit beliebigem Frequenzgemisch (welches das Ohr so kunstvoll in eine Bühne mit unterschiedlichen Schallquellen lokalisiert), ist technisch schwierig zu behandeln.

Die Veränderung einer Richtung per Behandlung des Seitensignals ist da noch die leichteste Übung. Und natürlich nicht vollkommen.

Die Veränderung der Richtung per Laufzeit ist bei dem gegebenen Gemisch für mich derzeit gar nicht vorstellbar.

Da nun in Praxis immer Intensität und Laufzeit zusammenwirken, sollte klar sein, dass eine glaubhafte Stereomitte durch eine nachträgliche Behandlung nur suboptimal zu erzielen ist.

Und dennoch: die Vinyl-Hörer und die Trinaural-Hörer hat das, so glaube ich, bisher am wenigsten gestört. Oder?

Grüsse
Uli
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