Ambiophonie - XTC, RACE oder auch BACCH-SP

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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hallo Stefan,

ich verwende hier doch lieber das Foren-Du, ich hoffe es ist ok.

Tja, ich hatte bereits ganz am Anfang mit Prof. Choueiri Kontakt zu seinen Filtern. Es war tatsächlich so, dass er auch meinte, ich könnte die Filter in Acourate realisieren mit einer kleinen Gebühr je Acourate-Lizenz.
Dann aber kam im Zuge der Patenterteilung die Uni Princeton mit ins Boot und es wurde eine andere Strategie entwickelt. Was sich eben in der hochpreisigen Lösung darstellt. Audiophile geben ja auch schon mal gern mehr aus ...

Aufgrund des Patents ist damit dieser Weg für Normalsterbliche eher nicht gangbar. Und Acourate muss ebenfalls ohne Bacch auskommen.

Grüsse
Uli
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StreamFidelity
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Stereo Crosstalk Cancellation (XTC) - Was gibt es Neues?

Beitrag von StreamFidelity »

Hallo zusammen,

um dieses Thema wieder aufzuwärmen möchte ich auf einen umfangreichen Beitrag von Archimago hinweisen: Stereo Crosstalk Cancellation (XTC): A review by STC. And trying out uBACCH, ambeo.one, and AmbiophonicDSP VST plus Foobar foo_dsp_ambio plugins

Das Prinzip

Sicher wiederhole ich jetzt einiges, was hier schon geschrieben wurde. Aber ich denke es schadet nichts das Prinzip nochmals zu skizzieren.

Im Bild unten wird das Wirkprinzip schnell deutlich. Ziel ist es, das Übersprechen zum gegenüberliegenden Ohr zu reduzieren. 1986 fanden Experimente mit einer physischen Trennwand zwischen den beiden Lautsprechern statt. Da keiner so hören will, wurden Lösungen in der Digitalverarbeitung gesucht.

Bild
Quelle: Archimago

In diesem Zusammenhang ist die HRTF (Head-Related Transfer Function) Filterwirkung wichtig. Es charakterisiert, wie ein Ohr den Schall von einem Punkt im Raum empfängt. Wenn der Schall auf den Zuhörer trifft, verändern die Größe und Form des Kopfes, der Ohren, des Gehörgangs, die Dichte des Kopfes, die Größe und Form der Nasen- und Mundhöhlen den Klang und beeinflussen, wie er wahrgenommen wird, indem einige Frequenzen verstärkt und andere gedämpft werden. Im Allgemeinen hebt der HRTF Frequenzen im Bereich von 2 bis 5 kHz mit bis zu 17 dB (bei 2.7 kHz) an. Aber die Frequenzkurve ist komplexer und variiert von Person zu Person erheblich. Siehe: head-related transfer function (HRTF).

Abgrenzungen

Stereo Crosstalk Cancellation (XTC) ist nicht zu verwechseln mit immersiven Audio (3D-Audio, Ambisonics), welche mit Hilfe zusätzlicher Kanäle und Lautsprecher arbeiten. XTC soll mit "zwei" Lautsprechern eine Räumlichkeit so erzeugen, als ob es Dutzende von Lautsprechern gäbe.

Witzigerweise gibt es bei Kopfhörern genau die entgegengesetzte Zielsetzung. Crossfeed soll das Hören über Kopfhörer dem Erlebnis über ein Lautsprecherpaar nachempfinden. Die bei Lautsprechern vorhandenen Schallanteile, welche mit leichter Verzögerung auch an das andere Ohr gelangen, werden mit Crossfeed nachträglich in das Signal eingeführt.

Wer nun denkt, mit Kopfhörern „ohne“ Crossfeed ist das Problem erledigt, liegt falsch. Weil die Interaktion (HRTF) des Kopfes und die Ohren mit dem Schall durch Kopfhörer physisch nicht möglich ist. Binaurale Aufzeichnungen versuchen das zu kompensieren.  

Lösungsmodelle

Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es zwei vorherrschende Lösungsmodelle. Das eine Modell arbeitet mit dem RACE-Algorithmus (Recursive Ambiophonic Crosstalk Elimination), auch bekannt als Ambiophonics. RACE wurde von Ralph Glasgal und Robin Miller in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2006 entwickelt und kostenlos veröffentlicht.

Der für mich wichtigste Nachteil ist, dass die Lautsprecher sehr eng zusammenstehen müssen. So möchte ich nicht Musik hören.

Bild
Quelle: Archimago

Das andere Modell ist BACCH® 3D Sound, lizenziert von der Princeton University. Im Idealfall werden mit einem binauralen Mikrofon die Lautsprecher und die Schallanteile zu den Ohren erfasst. Oder es erfolgt eine virtuelle Erfassung der Lautsprecher-Ohrpositionen. Ein wesentlicher Vorteil ist sicherlich, dass die Lautsprecher so aufgestellt werden können wie gewohnt.

Das hat alles seinen Preis. Allein das BACCH® Binaural Microphone Pro kostet 2.980,00 US$. Dazu kommt die Software. Eine Preisübersicht gibt es hier: BACCH4Mac Editionen.

Je nach Konfiguration gibt es dann sogar eine Webcam dazu, welche eine dynamische Sweet-Spot-Anpassung in Echtzeit für eine Vielzahl von Hörerpositionen ermöglicht. Die Person unten rechts ist im übrigen Edgar Choueiri, der mit Ralph Glasgal im Ambiophonics Institute zusammenarbeitete.

Bild
Quelle: https://www.theoretica.us/bacch4mac/img ... umbers.jpg

Wer nicht mit Computern arbeiten will, kann auch gleich fertige Geräte wie BACCH-SP kaufen.

Software

Die kostengünstigsten Lösungen beziehen sich auf den RACE-Algorithmus und lassen sich mit Plug-ins für zum Beispiel JRiver oder Foobar realisieren. Wer das testen möchte, liest sich am besten den oben verlinkten Artikel von Archimago (Teil III) durch. Wer einen miniDSP verwendet, kann das Audio-Plug-in: Ambiophonics ausprobieren.

Getestet hat er auch das uBACCH Audio-Plug-In, welches einen kostenlosen 14 tägigen Probelauf ermöglicht. Die BACCH-dSP-Software gibt es meines Wissens nur über die BACCH4Mac Editionen.

Zusammenfassung

Ambiophonics invertiert das Originalsignal und gibt es verzögert über den gegenüberliegenden Kanallautsprecher wieder, so dass das sekundäre interaurale Übersprechen des ersten Lautsprechers und das invertierte Signal gleichzeitig am unerwünschten Ohr ankommen und so den Übersprechpegel reduzieren. Dieser Filter wird nach Gehör angepasst.

Der von der Princeton University eingeführte BACCH-Filter verwendet stattdessen Impulsantworten (BRIR - Binaural Room Impulse Response), die von einem Kunstkopf oder den Gehörgängen eines Zuhörers gemessen werden. Alternativ wird uBACCH angeboten, welches nach Entfernungsangaben den Filter berechnet. Mit BACCH verschlechtert sich das 3D-Bild allerdings, wenn man sich in Längsrichtung (rückwärts-vorwärts) von der Stelle entfernt, an der der BACCH-Filter entworfen wurde (der optimale Sweet Spot). Das 3D-Bild verschlechtert sich katastrophal (d.h. bricht zusammen), wenn sich der Zuhörer seitlich (ohne Headtracking) für mehr als 20 cm zu jeder Seite bewegt. Positiv ist, dass die Lautsprecher so stehen bleiben können wie gewohnt. BACCH würde ich bevorzugen.

Während Ambiophonics kostengünstig genutzt werden kann, muss für BACCH mehr ausgegeben werden. Immerhin scheinen die Preise nachzugeben, da die Software uBACCH für rund 340,00 US$ (mit Rabatt) zu haben ist. Der Königsweg scheint mir aber in einer echten HRTF Messung zu liegen. Da wird es freilich sehr viel teurer, weil ein binaurales Mikrofon benötigt wird.
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Hallo Gabriel,

siehe dazu auch viewtopic.php?p=230518#p230518 ff.

Das Thema Crossfeed bei Kopfhörern dient vornehmlich dazu, den seitlichen Druck einer dedizierten links-/rechts-Wiedergabe einer üblichen Stereodatei am Ohr zu vermeiden und das Klanggeschehen weiter nach vorne zu bringen.
Prof. Choueiri führt das Bacch wiederum gerne so vor, als würde Musik auch seitlich passieren (also das Gegentum von Xfeed) . Das ist auch dann wirklich bemerkenswert, wenn er dann Musiker um einen herum per in-Ears aufnimmt und per Stereo-LS wiedergibt.
Wenn eine Aufnahme aber für übliches Stereo abgemischt ist und dann so auseinandergezogen wird kann es extrem unnatürlich sein. Wie eben berichtet. Für binaurale Aufnahmen mag das aber passend sein. Leider gibt es hier wiederum nur wenig Material.

Es gibt darüber hinaus auch noch andere Ansätze, das Xtalk-Kammfilter zu verringern. Das passende Stichwort ist hier phase shuffling.

Und neben dem RACE-Ansatz gtibt/gab es Versuche unter dem Stichwort OPSODIS. Funktioniert prima, wenn man festgenagelt sitzen bleibt. Ansonsten kann es plötzliche links-/rechts-Vertauschungen bei der Wiedergabe geben. Soweit ich weiss spielt OPSODIS keine Rolle mehr.

Viee Grüsse
Uli
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StreamFidelity
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Beitrag von StreamFidelity »

Hallo Uli,

vielen Dank für die Ergänzung.

Hier wird das auch nochmal bestätigt: STEREO CROSSTALK CANCELLATION. Der Autor schreibt, dass normalerweise Stereomaterial für die Wiedergabe auf Stereolautsprechern gedacht ist und dieses Übersprechen normal ist. Es kann jedoch nützlich sein, wenn binaurales 3D-Stereomaterial verwendet wird.

Na dann stecke ich das jetzt in meine Asservatenkammer.

Grüße Gabriel
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atmos
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Ambiophonie in All in One Anlagen

Beitrag von atmos »

Hi,
ich habe von Medion eine All in One Anlage und da kann ich mir vorstellen, dass mit Ambiophonie da eine ordentliche Stereobasis geschaffen werden könnte.

Ich denke auch, dass die Ambiophonie von Anfang an auf verlorenem Posten stand, weil in 2014 Auro 3D und Dolby Atmos auf den Markt gekommen sind.

Gruß
Günther
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StreamFidelity
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Review Theoretica Applied Physics BACCH-SP adio 3D Sound Processor

Beitrag von StreamFidelity »

Hallo zusammen,

es gibt einen Testbericht zum Theoretica Applied Physics BACCH-SP adio 3D Sound Processor (34.430 USD). Dieser stammt zwar aus 2019, bestätigt aber Ulis Hörbericht. Binaurale Aufnahmen waren verblüffend, während herkömmliche Stereoaufnahmen nicht in jedem Fall die gleichen 3D-Ergebnisse lieferten.

Grüße Gabriel
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Hifidistel
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Absolute Sound

Beitrag von Hifidistel »

Liebe Leute,
Die Absolute Sound veröffentlichte Videos Kurzem einen Test von BACCH4Mac:
https://www.theabsolutesound.com/articl ... er-review/
Das Fazit ist interessant und lädt ein, sich damit mal etwas eingehender zu beschäftigen. Preise von knapp unter 1k bis 6k für Audiophile. Manche geben das für Netzkabel aus.😎 Vielleicht auf der HighEnd zu hören.
Allerdings derzeit für MacUserInnen interessant. Leider habe ich keinen M2 Mac. Mal sehen, irgendwann kommt der auch noch…
Liebe Grüße
Sascha
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