Wie weiter nach dem Ende der CD?

Player, Streamer, Wandler, Vorverstärker usw.
Ralf Koschnicke
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Beitrag von Ralf Koschnicke »

Ich hatte ja versucht, ein Thema auszulagern, weil ich in dieser Diskussion etwas nicht verstehe, nämlich die hohe Zufriedenheit mit dem CD-Format. Die grundsätzliche Erwartungshaltung kann aber nicht für die unterschiedliche Haltung verantwortlich sein, soviel bin ich nun schlauer.

Hat es vielleicht dann doch nur mit Hörgewohnheiten zu tun, und ich muss einfach nur akzeptieren, dass die allgemeine Zufriedenheit viel größer ist als die eigene und einiger weniger?

Vielleicht löst aber folgendes den scheinbaren Widerspruch auf: Wann immer explizit Beispiele für liebgewonnene Musik genannt werden, sprechen wir über „tote Musik“, selten über Musik aus der Gegenwart. Das ist mir schon im letzten Mai auf der Highend und Hifi-Deluxe in München aufgefallen, viele bekannte alte Titel, so gut wie keine aktuelle Musik tönte.

Als aktiv Schaffender in der Gegenwart habe ich automatisch eine andere Grundhaltung. Privat bleibt mir zwar auch nur, mich mit der CD oder der LP zu arrangieren und meine persönlichen Präferenzen zu setzen. Ich bekomme z.B. Dave Brubecks „Time Out“ nicht als 24/192 mit genauso viel Sachverstand vom Originalmaster überspielt wie die LP. Die LP lässt mich Musik zwar viel intensiver erleben, knackst aber ab und zu. Die CD ... naja, inzwischen nur noch Notlösung, wenn nicht anders verfügbar. Ideal ist also beides nicht, Lösung jedoch nicht in Sicht.

In meinem Berufsumfeld sieht es anders aus. Wenn ich dort höre, dass moderne Digitaltechnik enorm viel mehr Musik liefert als herkömmliche, dann kann ich die nutzen und bessere Ergebnisse erreichen; zumindest bis zum Master.

Der typische Musikonsument sieht aber ein anderes Bild. Die Auswahl an solchen Aufnahmen ist relativ gering, und dann muss noch der Musikgeschmack passen. Gerade in der Klassik gibt es zudem alles schon x-mal, wenn auch nur auf CD. Ob der bessere Sound dann für einen persönlich ein besseres Gesamtpaket ausmacht, muss jeder für sich selbst entscheiden, unbestritten ist die Musik selbst erst mal entscheidend.
Ich glaube die Offenheit für neue Tonformate beginnt zu allererst bei der Offenheit gegenüber Musik und Musikproduktionen aus der Gegenwart. Erst dann kann die Diskussion über „alternative Darreichungsformen“ beginnen.

Grüße
Ralf
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Hörzone

Beitrag von Hörzone »

ich glaube Musik und Wiedergabe sollte man getrennt voneinander betrachten. Es gibt eine ausreichend grosse Anzahl an Klassikkonzertgänger, die haben zuhause eine bescheidene Anlage, und hören dort eher selten. Mit Aufgeschlossenheit hat das nichts zu tun, man muss nicht unbedingt immer den neuesten Erungenschaften hinterherhecheln um zufrieden Musik zu geniesen.
Die Menschen die sich, wie wir, mit Hifi beschäftigen sind in der Regel die Minderheit. Und auch von diesen wird man eher eine Minderheit finden die Ihre Glückseligmachung lediglich in den neuen Technologien sehen. Das ist weder schlech noch gut, es ist einfach so.. Ich hab mit sowas keine Probleme

viele Grüße
Reinhard
Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Ralf,
Ralf Koschnicke hat geschrieben:Vielleicht löst aber folgendes den scheinbaren Widerspruch auf: Wann immer explizit Beispiele für liebgewonnene Musik genannt werden, sprechen wir über „tote Musik“, selten über Musik aus der Gegenwart. Das ist mir schon im letzten Mai auf der Highend und Hifi-Deluxe in München aufgefallen, viele bekannte alte Titel, so gut wie keine aktuelle Musik tönte.
wenn ich mich im Konzertbetrieb so umschaue, dann muss ein Indentant, der ja auch Geld einspielen will, bei der Programmgestaltung sehr aufpassen, dass er Werke heutiger Komponisten immer mit "toter Musik" garniert, da er sonst viel leere Stuhlreihen vorfindet, besonders, falls das Werk nach der Pause am Programm steht.

Warum also ist die, nach Deiner Definition "tote Musik", heute so lebendig ?

Das liegt doch nicht am Publikum, obwohl viele zeitgenössische Kompositeure das meist so sehen.
Ich sage aber, es liegt an ihnen, den Komponisten, wenn mir ihre Musik nicht gefällt. Warum soll ich mich quälen und noch Geld dafür zahlen, dass ein zeitgenössischer Komponist, aus welchen Gründen auch immer, die über Jahrhunderte entwickelten Grundsätze der Musikästhetik ignoriert. Nur weil's modern ist, cool ist oder was?

Leonard Bernstein hat doch in vielen Kursen und Büchern über Musik immer wieder aufgezeigt, welche Kreativität man entwickeln kann, obwohl man dabei in der Tonalität verharrt, die uns Menschen nun mal angeboren ist. Niemand muss in dissonante Lärm-Excesse ausbrechen, tut er es trotzdem, sollte er sich nicht wundern, dass ihm kaum jemand zuhört.
Ich glaube die Offenheit für neue Tonformate beginnt zu allererst bei der Offenheit gegenüber Musik und Musikproduktionen aus der Gegenwart. Erst dann kann die Diskussion über „alternative Darreichungsformen“ beginnen.
Für das was heute, mit wenigen Ausnahmen, an "Neuer Musik" komponiert wird brauche ich keine neuen Tonformate, da reicht die CD allemal. Was ich aber brauche, um neben "toter Musik" auch die "lebendige" zu hören, sind zu allererst bessere Komponisten. *) :cheers:

Gruss
Sigi

*) Beispiel: Das Klavierkonzert von Andre Jolivet (1905-1974) ist so ein Grenzfall, das kann man noch hören...aber oft werde ich's auch in 24/192 nicht vor die Lauscher bekommen...aber auch er reiht sich ja nun in die Sparte "tote Musik" ein.
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Ralf Koschnicke
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Beitrag von Ralf Koschnicke »

Entschuldige die Verwirrung, Sigi, da hätte ich noch einen Satz Erklärung nachschieben müssen. Mit "tote Musik" meine ich Musik aus der Vergangenheit im Allgemeinen, ob Beatles, Pink Floyd oder ein von Karajan gespielter Beethoven.

Neue Musik ist ein anderes Thema, da habe ich meist auch so meine Probleme. Mit Jolivet geht es mir exakt genauso, je nach Tagesform finde ich den fantastisch, an anderen Tagen kann ich ihn gar nicht hören.

Was ich vermisse, ist in der Gegenwart entstandene Musik, ob Pop oder Klassik von Interpreten aus der Gegenwart, die scheint kaum bis gar keine Rolle unter Hifi-Liebhabern zu spielen. Die Gründe sind nochmal ein eigenes Thema, aber die Beobachtung als solche ist doch nicht von der Hand zu weisen, oder? (Du bist vermutlich aber eine Ausnahme, um das gleich zu sagen :D )

Grüße
Ralf
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Markus Spatz
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Beitrag von Markus Spatz »

Ralf Koschnicke hat geschrieben:Hat es vielleicht dann doch nur mit Hörgewohnheiten zu tun, und ich muss einfach nur akzeptieren, dass die allgemeine Zufriedenheit viel größer ist als die eigene und einiger weniger?
Hallo Ralf,

ich glaube auch hier gilt: Das Bessere ist des Guten Feind.

Es müssen erst mal mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, sich hochauflösende Signale wirklich anzuhören um zu erfahren, wo denn die Unterschiede liegen (Klangfarben, Raumdarstellung, etc.).
Wie sagte mal ein Tonmeister so treffend: Wenn man erst mal auf den Geschmack gekommen ist, will man nicht mehr zurück.

Eigentlich ist das wie mit unseren Wiedergabeanlagen. Sobald man sich wieder verbessert hat, will man mit der alten Konstellation nicht mehr hören.

Gruß
M. Spatz
Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Ralf,

danke für Deine Klarstellung, wenn Du "tote Musik" sorum definierst, bin ich absolut bei Dir.

Ich sehe mich in diesem Sinne durchaus als Ausnahme, da mir neu eingespielte, excellente Aufnahmen, wie Du sie fertigst, oder Farao Classics mit Mehta, oder der BR mt Jansons oder auch die vorzüglichen Einspielungen in der Reihe RCO Live, schon einen starken "Kaufzwang" auferlegen, da lasse ich gerne alte Karajan-Produktionen im Regal oder auf Platte schlummern.

In diesem Zusammenhang habe ich gerade ein schönes Zitat von Mariss Jansons im Focus gelesen. Auf die Frage "Schenken sie uns eine Lebensweisheit" antwortete er
Mariss Jansons hat geschrieben:Wie mein Vater mir sagte:lieber ein gutes Konzert weniger als ein schlechtes mehr
(auch sein Vater, Arvid Jansons, war ja Dirigent). Es überrascht also nicht, dass er derzeit als bester lebender Dirigent gilt, wie dieser Mann seine Musiker motviert und "im Griff" hat, ist schon ein Erlebnis.

Allerdings, es gibt auch da mindestens eine Ausnahme: Keine neue Norma-Aufnahme bietet ein "Casta Diva", das der Interpretation von Maria Callas, jedenfalls bisher, das "Wasser reichen kann"...sie ist die Beste, La Divina, eben :D

Gruss
Sigi
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Hörzone

Beitrag von Hörzone »

Ralf Koschnicke hat geschrieben:Was ich vermisse, ist in der Gegenwart entstandene Musik, ob Pop oder Klassik von Interpreten aus der Gegenwart, die scheint kaum bis gar keine Rolle unter Hifi-Liebhabern zu spielen.
das zum Beispiel ist bei mir ganz und gar nicht der Fall. Meine Sammlung zeigt gerade aus diesem Jahrtausend sehr viele Titel die spannend und interessant sind (ich hab bei den Trompeternthread zum Beispiel Nils Petter Molvær ins Spiel gebracht).

Der Gerd (gto) hört meines Wissens nur aktuelle Musik, und da hab ich auch schon manchen guten Tipp bekommen. Nur lohnt es sich kaum drüber zu schreiben, da sowieso niemand drauf eingeht.

Mit neuzeitlicher Klassik hat Sigi recht, die meisten wollens nicht hören, ich auch nicht.. hatte mal ein Paket mit 700 CDs akutueller klassischer Musik gekauft, da waren auch namhafte Komponisten drunter, ich hab keine einzige mehr.

viele Grüße
Reinhard
Speedy
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Beitrag von Speedy »

Ralf Koschnicke hat geschrieben:Was ich vermisse, ist in der Gegenwart entstandene Musik, ob Pop oder Klassik von Interpreten aus der Gegenwart, die scheint kaum bis gar keine Rolle unter Hifi-Liebhabern zu spielen.
Also ich komme gar nicht mit dem Hören hinterher, soviel neue Musik kaufe ich, habe ich gekauft und stapelt sich bei mir.

Das liegt doch am Individuum, ob und wie er sich über neue Musik informiert und konsumiert, nicht am Format.

Grüße
Speedy
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Dr.Who

Beitrag von Dr.Who »

Hallo,

wir sollten froh sein die CD behalten zu dürfen, jetzt gibts SlotMusic in 320kbit mittels SD-Karten. Darauf verständigten sich Majors wie Sony, Warner Bros. usw. Anstatt bergauf, gehts immer weiter bergab.

Der DRM-Kopierschutz entfällt, das ist das einzig positive an der Geschicht.

Gruß,Milon
Christian Kramer
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Beitrag von Christian Kramer »

Hallo Leute,

ich glaube, dass die CD noch lange geben wird.

Beim Schnüffeln um Netz habe ich einen interessanten Bericht gefunden, dort wird beschrieben, wie Leute horrende Summen für eine CD ausgeben, um noch mehr zu verdienen.

Keine DVD, BD, LP oder Festplatten können da mithalten, die CD stellt alles in den Schatten. :lol: :mrgreen:

Grüße Christian
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Fujak
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Beitrag von Fujak »

Christian, danke für den Link zu diesem fundierten und hochaktuellen Bericht. Da sind doch alle Kern-Argumente auf den Punkt gebracht - und auch die politische Dimension kommt nicht zu kurz. :mrgreen: :cheers:

Grüße
Fujak
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