Beatles LP Box - Mono mit räumlicher Tiefe?

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Siriuslux
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Beatles LP Box - Mono mit räumlicher Tiefe?

Beitrag von Siriuslux »

Hallo zusammen,

Hier ein Link zum Artikel in der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/p ... ageIndex_3

Der Autor ist total begeistert, was meinen denn die Mitforenten zu diesem Thema? Vor allem eines macht mich stutzig, nämlich bei Mono von räumlicher Tiefe zu sprechen, womöglich ist das jetzt aber meiner grenzenlosen Ignoranz geschuldet.

Gespannt auf Eure Meinung und Vergleiche grüßt Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Jörg,

das Thema Räumlichkeit bei Mono ist ein heiß diskutiertes. ;) Leider hören die Diskutanden zumeist mit ihrer normalen Anlage, also mindestens 2-kanalig. Vermutlich verliefe die Diskussion anders, wenn konsequent ein Mono-Verstärker, nur ein Lautsprecher verwendet würde und sichergestellt wäre, dass nicht die in der Rille tanzende Nadeln dem Hörer einen Streich spielt. Ich kann leider eine solche Testumgebung auch nicht stellen. Daher bleibt auch meine Vermutung unbestätigt. Vielleicht hat jemand von euch die Möglichkeit, eine Mono-Installation zu realisieren?

Allerdings wüssten wir dann nur etwas über die Wiedergabe. Die Aufnahme wäre immer noch zu diskutieren und damit der Streit um die Frage, ob ein Mikrofon, das in einen Raum hineinhorcht, davon nicht etwas auch in nur einer Aufnahmespur abspeichert, noch offen.

Gruß

Jochen
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Raumtiefe, Entfernung des Schallereignisses machen wir überwiegend an der ITDG (Initial Time Delay Gap) Anfangszeitlücke fest. Dafür braucht es kein Stereo, die ist in einen Mono genauso vorhanden. Ich habe früher den Fehler gemacht, von der Stereoskopie auf das Stereo-Hören zu schließen, aber so funktioniert das räumliche Hören nicht.

Bei Mono-Schallplatten kommen noch mechanische Einflüsse beim Abtasten hinzu. Der Mono-Abtaster hat nur ein System, welches horizontale Auslenkung in Signal umsetzt, vertikale ignoriert. Damit entfällt ein Störsignal beim Höhenschlag. Da die linke Rillenflanke bei Stereo die Nadel drückt, beim rechten Kanal saugt, gibt es bei Stereo eine Dekorrelation, die bei Mono-Seitenschrift nicht existiert. Die Abtastung ist in Mono mit Mono-Tonabnehmer präziser, lässt beim Stereo-Tonabnehmer mit seinen aufeinander senkrecht stehenden Systemen schon nach, da diese unter 45° zur Rillenmodulation stehen und kleine Kanalungleichheiten mitteln sich nicht ganz heraus. 3-dimensional, wie der FAZ-Text zitiert, ist gewiss etwas übertrieben. ..

Grüße Hans-Martin
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hans-Martin hat geschrieben: Bei Mono-Schallplatten kommen noch mechanische Einflüsse beim Abtasten hinzu. Der Mono-Abtaster hat nur ein System, welches horizontale Auslenkung in Signal umsetzt, vertikale ignoriert. Damit entfällt ein Störsignal beim Höhenschlag.
Hans-Martin,

nur um Missverständnisse zu vermeiden folgende Ergänzung: Wir haben hier keine Platten mit nur horizontaler Auslenkung und wir haben in der Regel heute auch keinen solchen Monoabtaster. Die heutigen Monoabtaster sind zumeist auch zu vertikaler Bewegung fähig und nur intern auf ein Monosignal verschaltet. Beides war natürlich früher anders.

Gruß

Jochen
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Hallo Jochen,

allein Ortofon bietet aktuell schon eine Auswahl von 8 Mono-Tonabnehmern, Beispiel.

Nach Norm haben wir eine Seitenschrift. Natürlich hat die Nadel auch eine vertikale Beweglichkeit, aber die Umsetzung im Spule/Magnet System geschieht ohne vertikale Komponente, eben anders als bei Stereotonabnehmern, wo die Spulen unter 45° angeordnet sind, folglich eine vertikale Komponente mit umgesetzt wird, auf die der Phonovorverstärker auch reagiert. Und hinter dessen Ausgang auf Mono schalten, ist immer noch was anderes, als gleich mit einem Mono-Abtaster ein sauberes Signal zu liefern.

http://ortofon.com/images/hifi/article/ ... rooves.jpg

Hier noch eine anschauliche Darstellung und das Original Statement von
ortofon hat geschrieben:Another big advantage in using a mono cartridge to play mono records is the absence of response to vertical movement. This means that a mono cartridge is basically immune to the pinching effect which comes into action when the stylus is pushed vertically upward in very narrow grooves. Also the response to dust, dirt and wear is reduced substantially. The final result will be a clean and noiseless reproduction of the mono record.
Ich dachte, ich hätte mich in meinem früheren Beitrag unmissverständlich ausgedrückt.

Grüße Hans-Martin
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Ich bin zu blöd dafür. Übrigens liefert mein kleines Ortofon D25M ein Stereosignal. Aber hier soll's ja um die Beatles gehen.
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Though the 2M mono series uses stereo coils, designer Leif Johannsen told me "In the MM we cannot turn the armature or anything else. So the mechanical geometry is the same as in the stereo 2M’s. But we can couple the two coils in a clever way (NOT simply parallel between L and R)) and thereby making it work as one coil. The point is to have a design not sensitive to vertical movements and that has been achieved."
Ortofon hatte viele Jahre den magnetischen Kurzschluss als Antriebsprinzip (patentiert, VMS variable magnetic shunt), ein Eisenteil war damals leichter als ein Magnet (weniger bewegte Masse, heute gibt es leichte hocheffiziente Magnete, dafür habe ich aber kein Bild gefunden), es variiert mit einem Kurzschluss (Shunt) den magnetischen Fluss durch die Spulen:

http://ortofon.com/images/hifi/article/ ... agram.jpeg

Abgebildet ist schematisch nur ein Kanal, der andere ist beim gleichen Ringmagnet um 90° gedreht angebracht, die beiden Systeme kreuzen sich. Werden nun statt der diagonal angeordneten Spulen die beiden oberen (bzw. die unteren) als ein Kanal verdrahtet, wird das System von 45° auf horizontal umgestellt, wenn dann noch beide Systeme parallel geschaltet werden, erklärt sich der etwa halbe Gleichstromwiderstand und die halbe Induktivität des Systems. So könnte man durch reine Umbelegung der internen Spulenbeschaltung einen Monotonabnehmer aus der Stereoproduktion ableiten, der vertikale Nadelbewegung nicht mehr in Signal umsetzt. Der Nadeleinschub bleibt Stereo wie Mono identisch, was einen Kostenvorteil bei der Massenfertigung bedeutet.

Die hohe Linearität der Abtastung, auch der andere Verrundungsradius der Nadel, der mehr Abstand zum Rillenboden bewahrt, die in Rillenrichtung schmaleren Abmessungen für bessere Detailabtastung, das alles unterstützt die Fähigkeiten, aus diesem bewährt-alten Medium ein ungeahntes Optimum abzutasten. Es erscheint paradox, extreme Nadelschliffe für Mono zu verwenden, wo wir doch schon 55 Jahre alle Optimierungen unter Stereoaspekten voranbringen. Es sind aber andere Aspekte, die bei Mono bereits gut waren und bleiben, und noch andere, die es zu verbessern gilt, da muss man anders denken.

Weil die Beatles noch einmal in Mono erschienen, hat das laut Webseitenauskunft Ortofon motiviert, das Thema noch weiter zu verfeinern. Wenn man die Resultate der Experimentierfreude aus der frühen Stereo-Ära hört, könnte man das auch verstehen. Auch das scheint paradox, das Rad der krassen Stereotrennung etwas zurückzudrehen.

Grüße Hans-Martin
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Hans-Martin
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Beitrag von Hans-Martin »

Melomane hat geschrieben:Übrigens liefert mein kleines Ortofon D25M ein Stereosignal.
Hallo Jochen,

es handelt sich bei dem zitierten um einen Stereotonabnehmer der OM Serie mit dem einheitlichen Systemkörper, dessen Spulen "normal" in Stereo verschaltet sind, lediglich der Nadeleinschub D25M ist mit seiner sphärischen Verrundung (a) auf oft gespielte alte Mono-Schallplatten optimiert, er dringt wegen des größeren Radius nicht so tief in die Rille ein, um weiter unten liegende Rillenbeschädigungen oder Schmutzablagerungen zu übergehen. Zudem hat man in der Mono-Ära bei den großen Plattenfirmen Schneideverfahren eingesetzt, die die Abtastverzerrungen der spärischen Nadel vorauskompensieren sollten, die aber beim Aufkommen der elliptischen Schliffform hinfällig wurden.

Neue (unbeschädigte und saubere) Vinylscheiben vertragen durchaus eine moderne Abtastnadel, die rillenoptimiert geschliffen ist und detailfreudig und verzerrungsärmer (b) abtastet.

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Wenn man dann noch eine rein Horizontalschrift-orientierte Spulenbeschaltung hat, wird das Ergebnis noch besser, verliert aber die Stereoabtastfähigkeit, weil Differenzsignale (Tiefenschrift) nicht umgesetzt werden.

Die Abweichung der Form der sphärischen Nadel zum Schneidstichel führt zu einer Differenz im Abtasten, bei der die Nadel eine vertikale Komponente (b)erfährt (Pinch-Effekt).

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Dieses Fehlersignal wird bei einem reinen Monosystem elektrisch ebenfalls (ebenso Rumpeln bei Höhenschlag) nicht umgesetzt.

Nur ein horizontal orientiertes Spulensystem im Systemkörper, eine sphärische oder hyperelliptische Nadel, gewählt in Abhängigkeit vom Vinylzustand, Abspielen eines Monosignals über nur einen Lautsprecher, dann können die Beatles gern noch mal kommen. Wenn schon, denn schon ...

Grüße Hans-Martin
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