Joe Morello - Going Places (Jazz)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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Franz
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Joe Morello - Going Places (Jazz)

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Der Mann liebt das Understatement: "I'm one of the best drummers in my street", behauptete Joe Morello einst. Wenn dem so wäre, müßten in seiner Straße in Boston die besten Schlagzeuger der Welt leben. Denn dazu gehört der beleibte Schlagwerker, der in den späten 50er Jahren Dave Brubeck das rhythmische Bewußsein gab und beim Welt-Hit Take Five die Trommel rührte, noch immer. Das beweist nicht zuletzt diese Quartett-Platte, die er fürs amerikanische Edel-Label dmp einspielte. Morello zeigt dabei die Reife, die Technik und jenes somnambule Gefühl für die Musik, das ihn stets auszeichnete. Obwohl die Standards, die er mit Greg Kogan (Piano), Ralph Lalama (Saxophone) und Gary Mazzaroppi aufgenommen hat, stilistische Lichtjahre von der Brubeck-Ära entfernt sind, ist die Handschrift Morellos unverkennbar. Brillant die Stocktechnik beim munter dahinswingenden Song über das Feudenmädchen Sweet Georgia Brown, virtuos das Feuerwerk bei Parisian Thoroughfare, atemberaubend die Besenarbeit bei Autumn Leaves - der Mann demonstriert 55 Minuten lang eindrucksvoll, daß er noch so gut ist wie vor 30 Jahren. Auch klanglich ist diese 20-Bit-Aufnahme erste Sahne. Lediglich im Tieftonbereich wäre weniger mehr gewesen.

© Audio

Mit seinem First-class-Studio im neuenglischen Stamford hat sich dmp-Gründer und -Chef Tom Jung eine High-Tech-Spielwiese geschaffen, auf der nur das Neueste und Beste an digitalem Equipment zur Anwendung kommt. Doch immer wieder erweist sich (ähnlich wie bei den New Yorker Chesky-Kollegen): Die "Arbeit" der edelsten Wandler und 20-Bit-Digitalmixer erstrahlt in um so vollerem Glanz, je natürlicher, handgemachter, unmanipulierter die Musik ist. So landete Jung auch seinen größten '93er Coup, als er Dave Brubecks alten Hausdrummer Joe Morello, der lange abgetaucht war, zu einer Aufnahme überreden konnte. Da beben die Schlagzeugfelle, bollern die Becken, brummen die Bässe, und wunderbar trocken tönt das Saxophon, assistiert von einem Piano, das - seiner Rolle als Begleitinstrument gemäß - weder zu aufdringlich im Vordergrund noch zu weit hinten plaziert ist. Kein Zweifel: Jung, der Mann aus Connecticut, der sich seine Tonmeistermeriten mit Aufnahmen wie Billy Joels Live-Klassiker "Songs In The Attic" erwarb, beherrscht sein Handwerk. Morellos Quartett mit Greg Kogan, Piano, Ralph Lalama, Saxophon und Flöte, sowie Gary Mazzaroppi am Baß spielt sich souverän swingend durch die Welt des traditionellen Jazz. Als muntere Ouvertüre kredenzen Morello & Co. den alten Schlager "Sweet Georgia Brown", der hier wie neugeboren klingt. Im weiteren Programm findet sich neben Bop ("Secret Love") und Standards aus dem "Great American Songbook" ("Skylark", "Autumn Leaves") auch eine Bearbeitung von Lalo Schifrins "Mission Impossible Theme" - hier erweitert Morello, dessen Drum-Solo aus "Take Five" Jazzgeschichte geschrieben hat, wieder einmal seine Perkussionskunst in den Bereich eines Leadinstruments hinein. Bleibt zu wünschen, daß dieses Urgestein des Jazz-Schlagzeugs baldmöglichst ins Studio zurückkehrt - vielleicht wieder mit einem Tonmeister wie Jung.

© Stereoplay

Ganz dicke Empfehlung auch meinerseits. Macht Laune, einem solchen Ausnahmekönner an den drums zuzuhören.

Gruß
Franz
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