Beethoven - Missa solemnis

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Antworten
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1723
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Beethoven - Missa solemnis

Beitrag von Horse Tea »

Werte Klassikfreunde,

zwar ergibt die Suchfunktion im Forum unter dem Stichwort "solemnis" 6 Treffer und ein paar rudimentäre Interpretationsemphehlungen, eine richtig begeisterte fehlt mir jedoch. Das möchte ich nunmehr nachholen, denn dieses selten zu hörende Werk, dessen zeitliche Nähe zu Beethovens 9. Symphonie leicht nachvollziehbar ist, zählt sicher zu Beethovens genialsten Kompositionen. Anlass ist mir ein Konzert, dem ich letzte Woche beim Musikfest Berlin beiwohnen konnte und das nur noch bis zum 11.09.22 in der Mediathek nachzuhören ist, was ich gestern auch getan habe.

(https://mediathek.berlinerfestspiele.de ... lin#search).

Unter dem Dirigat von Sir John Eliot Gardener musiziert das Orchestre Révolutionnaire et Romantique und der Monteverdi Choir auf (Verzeihung, ich finde diesen Ausdruck passender als das deutsche Analog) period instruments. Die Gesangssolisten sind überragend, lediglich der Bass fällt etwas ab. Das komplexe Werk ist wie das richtige Leben voller Widersprüche und sicher nicht als eingängig zu bezeichnen. Es wurde ursprünglich für einen kirchlichen Förderer des Komponisten konzipiert und hat einen ausschließlich liturgischen Text. Dennoch ist es alles andere als Kirchenmusik und, wenn überhaupt, wohl nur im Konzertsaal ausführbar. Die etwas tiefere Stimmung der historischen Instrumente macht es den Sopranen etwas leichter, die hohen Partien zu singen. Dennoch ist der Gesangspart eine große Herausforderung, was erklärt, dass dieses Stück recht selten aufgeführt wird. Solemnis heißt übrigens feierlich.

Der Gegensatz Glauben oder Zweifeln geht für mich in Richtung der Aufklärung, also des Zweifels. Letztenendes handelt es sich bei der Missa aber um eine Synthese, d.h. die Antwort eines menschlichen Genies aus beidem. Glauben und Zweifeln werden durch die Musik ihres Gegensatzes enthoben. Gardener hat aber ganz sicher auch den Zeitbezug im Kopf gehabt, der besonders am "Dona nobis pacem" festgemacht werden kann.

Vor dem Konzert fand im Foyer ein Kritikergespräch statt, das u.a. die Diskographie des Werkes zum Gegenstand hatte. Da der hier angegebene Link leider nur kurz funktioniert, hier noch aus dem Gedächtnis heraus und ohne Gewähr eine kurze Liste der dort gemachten Empfehlungen. Da ist zunächst die ältere Aufnahme mit Gardener und der exzellenten Sopranistin Lucy Crowe, die auch letzte Woche sang, dann Klemperer, Kubelik und Blomstedt.

Viele Grüße
Horst-Dieter

P.S. Ich muss unbedingt noch auf das Kontrafagott hinweisen. Das ist das Instrument rechts von den Fagotten. Zur damaligen Zeit hatte es noch kein U, d.h. es überragt sogar die Chorsängerinnen zwei Reihen hinter dem Kontrafagottisten. Es ist das erste Mal, dass ich ein solches Kontrafagott in der Wirklichkeit gesehen habe und nicht nur in einem Buch.
Bild
Antworten