Beethoven: Klaviersonaten 1-32

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Donny
Aktiver Hörer
Beiträge: 415
Registriert: 02.01.2016, 00:46
Wohnort: Bayern

Beitrag von Donny »

alcedo hat geschrieben: 02.03.2022, 18:50 Hallo Jochen & Jürgen

Vielen Dank für euer Feedback!
Es tut gut, wenigstens ab und zu mal eine Rückmeldung zu bekommen - selbst wenn sie gegenteiliger Meinung wäre 😄
Andererseits profitiere ich ja am meisten vom Vergleichshören 👍

Beste Grüße
Jörg
Hallo Jörg,

ich lese hier mit großer Freude und Interesse.

Wiederholt haben die Berichte schon meine Neugierde geweckt meinen Musikhorizont ein wenig zu erweitern, Meist geht dies mit der Anschaffung "neuer" Platten einher.
Mir fehlt leider die Zeit und Muse für Vergleiche von Interpretationen. Auch die musikalische Bildung. Ich könnte es "nur" in gefällt mir - spricht mich an oder eher nicht einteilen. Ich freue mich aber darauf mal mehr Zeit investieren zu können, vergleichen zu können und dazu tragen solche Berichte bei.

Ich denke, dass man gerade für den Zugang zu "spannenden" Interpretationen auch erstmal bereit sein sollte sich darauf einzulassen und auch mehrmals zu hören. Eine Empfehlung/Referenz und Beschreibung ist dafür schon mal ein guter Start. Das Medium Schalplatte hilft mir dann dabei einfach auch mal laufen zu lassen.

Viele Grüße und Danke
Dietmar
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Guten Morgen,

eben habe ich entdeckt, dass es die meines Erachtens sehr gute Gesamtaufnahme mit Paul Badura-Skoda (s.o.) vorübergehend im Sonderangebot gibt: statt 40€ nun für 19,90€ bei den üblichen Versandhäusern oder Läden vor Ort. Früher kostete sie mal knapp 80€.

Bild

Ist doch ein ideales Geschenk (zur Not an sich selbst ;-)) zu Nikolaus, 2. Advent oder Weihnachten.

Beste Grüße
Jörg
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Annie Fischer

Beitrag von alcedo »

Hallo, Klavierfreunde

Es ist mal wieder ein Update fällig. Warum? Weil ich dieser Tage bei einem Freund hier in Spanien intensiv Annie Fischer genießen konnte. Diesen Namen kannte ich nur im Zusammenhang mit Klavierkonzerten (Schumann & Mozart). Und obgleich diese Aufnahmen herausragend sind, habe ich ihn bei den Beethoven Klaviersonaten tatsächlich übersehen.

Empfehlen möchte ich zunächst diese Aufnahme:

Bild

Also die 1971-1987 von der BBC aufgenommenen Sonaten. Nicht zu verwechseln mit der in etwa zeitgleich in Ungarn entstandenen Gesamtaufnahme. Diese werde ich mir später noch zulegen. Ich habe einige Einzel-LPs davon gehört – aber die sind richtig teuer. Warten wir mal auf ein Schnäppchen 😉

Annie Fischer spielt mit einer unglaublichen Musikalität. Beim Hören ergeht es mir dann so wie auch meist bei Orchesterwerken mit Ferencs Fricsay: „Ja, genau so muss das sein“. Es klingt wie ganz selbstverständlich.
Fließende, logisch erscheinende Übergänge wie beispielweise in der Pathétique im 1. Satz vom Grave zum Allegro. Eine tolle Dosierung des Anschlags (jemand beschrieb dies mal mit „sie spiele nicht mit 2 Händen, sondern mit 10 Fingern“). Ein eher schlichtes Spielen – ohne Allüren oder in den Vordergrund gerückte Virtuosität. Wunderbar!

Allerdings: der Flügel klingt für meine Ohren zeitweise etwas harsch. Die Aufnahmetechnik scheint mir auch suboptimal zu sein. Störte mich jedoch nie, da mich das Spiel von Annie Fischer immer sofort einnahm und ich im „Genießermodus“ war 😉

Viel Freude damit und viele Grüße
Jörg
Bild
Boxentroll
Aktiver Hörer
Beiträge: 145
Registriert: 11.07.2018, 16:01
Wohnort: Rhein Main

Beitrag von Boxentroll »

Hallo Jörg,

in der letzten Ausgabe der „Blindverkostung“ wurde eben die Aufnahme aus Ungarn anhand der Pathetique sehr gelobt.
Kann ich als Ergänzung sehr empfehlen, also die Sendung.

Viele Grüße
Christian
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Danke für den guten Tipp, Christian.

Habe mir die Sendung angehört - und jetzt gefällt mir auch noch Wilhelm Kempff :)
Aber das muss warten, bis ich mich an Annie Fischer "satt" gehört habe :cheers:

Viele Grüße
Jörg
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Annie Fischer - Komplettaufnahme

Beitrag von alcedo »

Guten Morgen,

wie angedroht, hier nun der 2. Teil meiner Empfehlung zu den Beethoven Klaviersonaten mit Annie Fischer, diesmal die Gesamtaufnahme. Aber eine unvollendete, da Annie Fischer immer wieder Verbesserungen vornahm und zu Lebzeiten keine Veröffentlichung zuließ. Der Bösendorfer ist für meine Ohren ungewöhnlich hart abgestimmt – klingt aber nach etwas Einhören dann ausgesprochen passend.

Bild
Die Original-LP-Box

Bild
Die CD-Ausgabe

Ich mag inzwischen vor allem die frühen Sonaten gerne hören (vermutlich, weil ich die „berühmten“ alle schon dutzende Male gehört habe). Man genieße in diesen Werken nur mal die langsamen Sätze mit Annie Fischer! Eine andere Welt … Wie schafft sie es nur, diese Spannung so zu halten? Alles wirkt klar und natürlich, nichts Aufgesetztes oder ungewöhnliches. Irgendwo stand zu lesen, ihr spröder kantiger Klavierklang wirke holzschnittartig. Das trifft es recht gut. Ihre Klänge kommen oft aus dem Nichts, entstehen mit einer unglaublichen Intensität. Diese dann virtuos zu inszenieren ist nicht so ihre Art – das überlässt sie anderen Pianisten.

Also wunderbare Interpretationen, aber keine Referenzeinspielung für den Einsteiger. Eher für den Suchenden nach Ergänzungen seiner Sammlung.

PS: die LP- und CD-Ausgabe werden zu recht hohen Preisen gehandelt. Als Download gibt es die Gesamtausgabe dagegen zu einem echten Schnäppchen, aber leider ohne booklet. Da musste ich dennoch zuschlagen. 😉

Viele Grüße
Jörg
Bild
realperfekt
Aktiver Hörer
Beiträge: 542
Registriert: 24.01.2008, 22:45
Wohnort: Bochum

Beitrag von realperfekt »

guten Morgen Jörg,
von wann sind die Einspielungen?
Peter
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Guten Morgen Peter

Offiziell sind sie von 1977/78.
Tatsächlich hat sie immer wieder daran gearbeitet und einzelne Teile komplett ausgetauscht. Manche sprechen daher von "langjähriger" bis hin zu 15jähriger Aufnahmedauer. Konkret wurde auch einmal von 1971-1987 geschrieben ...
Die dadurch theoretisch mögliche"Flickschusterei" ist erstaunlicherweise nicht hörbar. Alles wirkt wie aus einem Guss.

Grüße
Jörg
Bild
matia100
Aktiver Hörer
Beiträge: 565
Registriert: 03.09.2011, 01:08
Wohnort: Dresden

Beitrag von matia100 »

Hallo Jörg,

auch von mir vielen Dank für diese Entdeckung. Seitdem höre ich die Beethoven Sonaten von Annie Fischer rauf und runter. Sie hat einen einzigartigen Impetus, äußerst klar aber voller Emotion. Es scheint fast so als würden all ihre männlichen Kollegen das von Natur aus nicht realisieren können was sie aus den Tasten hervorzaubert. Der klare Klang des Bösendorfer in der 77-Aufnahme unterstützt dies noch. Aufnahmetechnisch auch sehr gut.

Was das Aufnahmedatum anbetrifft, so hier der Hinweis aus dem Booklet:
Bild

Mir liegt inzwischen noch eine andere Sammlung vor: "Annie Fischer - The Complete London Studio Recordings" Dort sind neben den Beethoven Sonaten auch diverse Klavierkonzerte enthalten. Die Sonaten-Aufnahmen sind aus 1955/56 und in den Abbeyroad-Studios aufgenommen.

Die Hungaroton-Aufnahme, also etwa 20 Jahre später aber ist doch sehr viel gereifter und für mich die besondere.

Viele Grüße
Matthias
Bild
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1723
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg,

etwas spät, aber nicht weniger nachdrücklich danke ich Dir für das "Ausgraben" der Beethovensonaten gespielt von Annie Fischer. Ich kannte die Pianistin noch nicht. Asche auf mein Haupt! Wir haben die Sonaten Nr. 18 und 32 gehört. Auf dem Albumcover steht eine 1961, vermutlich das Aufnahmejahr. In Discogs habe ich das Album nicht gefunden, um das zu verifizieren. Ich habe noch nie eine Interpretation gehört, die in den Pianopassagen so speziell weich und locker anschlägt. Besser weiß ich es leider nicht zu beschreiben. Auch feste zupacken kann die Pianistin. Die Klangqualität dieser Aufnahme (auf Qobuz) fand ich überraschend gut. Diese ist für mich, trotz überzeugender Interpretation, ein Grund, warum ich oft den älteren Interpretationen wenig abgewinnen kann.

Viele Grüße
Horst-Dieter
Bild
realperfekt
Aktiver Hörer
Beiträge: 542
Registriert: 24.01.2008, 22:45
Wohnort: Bochum

Beitrag von realperfekt »

Ja Jörg, da kann ich nur beipflichten – auch mir fällts schwer den PauseKnopf zu drücken!
Eine sehr einfühlsame und verbindende Interpretation!
Auch wenn das Klavier manchen Anschlag hart quittiert – alles nicht wichtig!
Danke für den Tipp
Peter
Bild
Horse Tea
Aktiver Hörer
Beiträge: 1723
Registriert: 19.03.2016, 20:22
Wohnort: Unterfranken

Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg und alle Beethovenfreunde,

zuletzt hatte ich in einem anderen Thread den blutjungen Lukas Sternath gelobt. 25 Jahre älter, aber durchaus als Pianist der jüngeren Generation zu bezeichen, möchte ich heute für Daniel Heide eine Lanze brechen. Wir hatten den Pianisten bisher nur als Liedbegleiter live gehört. Auch in dieser Funktion ließ er uns sofort als kongenialer Partner, etwa von Julian Pregardien, aufhorchen. Sehr ähnlich auf dem neu erschienenen, hier verlinkten Album mit vier Beethovensonaten. Es handelt sich bereits um Vol. III seiner geplanten Gesamteinspielung. Sein Spiel empfinde ich als zart und sehr abwechselungsreich. Wie wirkt seine Interpretation auf Euch?

Bild

Viele Grüße
Horst-Dieter
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Beitrag von alcedo »

Guten Abend, Horst-Dieter

ich sehe gerade, dass dir noch keiner auf deine Frage geantwortet hat und so will ich das gerne für meinen Teil übernehmen. Ich bin die Woche über beruflich unterwegs und konnte mir daher im Hotelzimmer nur über Kopfhörer Volume 1 und 2 auf Qobuz anhören, also nicht über Boxen.

Die Klangfarben und der wunderbar eingefangene Bösendorferklang (ich bin einfach ein Fan davon :cheers: ) begeisterten mich direkt. Aufnahmetechnisch sind die beiden gehörten Alben schon mal 1. Sahne!

Das souveräne Spiel von Daniel Heide ist sehr facettenreich, vor allem in den langsamen lyrischen Teilen sind auch kleinste Nuancen wahrzunehmen. Könnte man durchaus als "zart" im Sinen von sensibel, feinfühlig bezeichnen. Das Gegenteil fehlt mir allerdings (noch) bei Heide. So schreibt er zwar im Booklet zur Sonate Es-Dur op.27/1: "... Eine sehr kurzweilige Sonate in dem das sich zaghaft vorwärts-Tastende des 1.Satzes durch ein rauschendes C-Dur Intermezzo abrupt unterbrochen wird..." Dies bleibt er (für mein Empfinden) aber leider schuldig. Der Übergang verliert dabei seine Wirkung, alles wirkt sehr kontrolliert oder anders ausgedrückt: mit angezogener Handbremse gespielt. Man vergleiche dies nur mal mit der Spielweise von Annie Fischer, Gould oder Pollini ...

Unabhängig davon: eine schöne, spannende Aufnahme mit einem sehr direkt aufgenommenen tollen Flügelklang!

Viele Grüße
Jörg
Bild
alcedo
Aktiver Hörer
Beiträge: 1930
Registriert: 09.12.2019, 20:21
Wohnort: NRW

Wilhelm Kempff spielt Beethovens Klaviersonaten

Beitrag von alcedo »

Hallo,

ich bin ein wenig verblüfft. Habe ich hier doch bereits viele Gesamteinspielungen der Sonaten empfohlen und nun kommt noch eine daher. Wie soll man denn da den Überblick behalten? Und kann das noch als Empfehlung gelten?
Ich meine: ja. Die Klaviersonaten bieten in meinen Augen und für meine Ohren Material genug, um sich ein Leben lang damit zu beschäftigen. Und genau das hat auch Wilhelm Kempff getan, der „Poet“ unter den Pianisten. Er hat die Sonaten mehrfach aufgenommen und die Spezialisten streiten gerne, welche davon die perfektere ist. Ich selbst bevorzuge die aus 1964-65.

Bild

Kempff spielt lyrisch, fantasierend, wie spontan entstehend, bildhaft, als erzähle er eine Geschichte. Und immer mit einem noblen Ton. Ohne großes Virtuosentum (hier ähnlich Annie Fischer) erreicht Kempff mit seiner schlichten Eleganz und tiefempfundener Natürlichkeit eine strahlende Schönheit, die seinesgleichen sucht. Seltsam, dass ich das erst jetzt so stark bemerke. Ich kenne und besitze Kempff-Aufnahmen schon seit den 70er Jahren – aber damals galt er bei uns eher als „old school“. Gulda, Gould, Brendel oder Barenboim waren zu diesen Tagen unsere Helden an den Tasten. Welch riesiger Irrtum! Kempffs feines Klavierspiel fasziniert mit schön artikulierter Phrasierung, einem präzisen eleganten Anschlag, wunderbaren Klangfarben und wohldosiertem Haltepedaleinsatz. Beethoven als „Revolutionär“ ist hier allerdings nicht zu hören.

Viele Grüße
Jörg
Bild
realperfekt
Aktiver Hörer
Beiträge: 542
Registriert: 24.01.2008, 22:45
Wohnort: Bochum

Beitrag von realperfekt »

alcedo hat geschrieben: 25.11.2023, 12:38 Gulda, Gould, Brendel oder Barenboim waren zu diesen Tagen unsere Helden an den Tasten. Welch riesiger Irrtum! Kempffs feines Klavierspiel fasziniert mit schön artikulierter Phrasierung, einem präzisen eleganten Anschlag, wunderbaren Klangfarben und wohldosiertem Haltepedaleinsatz. Beethoven als „Revolutionär“ ist hier allerdings nicht zu hören.
ja, kenn ich zu gut!
Muss nicht immer schlecht sein, wenn man älter wird ...
Bild
Antworten