Mozarts "Don Giovanni" - (m)ein subjektiver Überblick

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg und alle Mozartopernfreunde,

seit ein paar Tagen und noch einige Wochen gibt es auf arte eine Aufnahme von den diesjährigen Salzburger Festspielen mit Theodor Currentzis zu hören und sehen.

Die Musik und die Sänger waren gut. Insbesondere gut war, dass mit wenig Vibrato gesungen und auf "Originalinstrumenten" gespielt wurde. Allerdings muss man sich auf Currentzische Einlagen gefasst machen, z.B. Improvisationen der Tasteninstrumente. Ein Kenner sagte uns, dass auch der originale Notentext durch den Dirigenten nicht die ultimative Beachtung findet. Darüber muss man hinweg sehen können. Die von Dir, Jörg, genannten Referenzaufnahmen sind sicher Mo zart ischer. Hier ist es halt Current zischer.

Uns hat die Inszenierung jedoch nicht gefallen. Es waren uns zu viel Requisiten und zu viel Symbolik im Einsatz. Das hat für uns den Spannungsbogen der Musik und die Konzentration darauf empfindlich gestört. Der 1. Akt ist diesbezüglich nach unserem Geschmack ! überladen, der 2. Akt dann deutlich schlanker. Auch so kann man die zwei Akte dieser schwierigen Oper differenzieren. Kann man, muss man aber nicht :mrgreen: . Das Darstellerische kommt bei den Sängern, so gut sie auch singen, bei Weitem nicht an die der Interpreten der letztjährigen "Cosi" heran.

Hier noch zwei Links zu Kritiken, die ich übrigens nicht vorher gelesen habe und die sich zum Großteil mit unseren Eindrücken decken:

https://m.tagesspiegel.de/kultur/don.../27458730.html

https://www.br-klassik.de/aktuell/ne...ntzis-100.html

Viele Grüße
Horst-Dieter

P.S. Bin kein Opernfan, außer Mozart :roll:, schon gar kein Kenner.
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Horst-Dieter

vielen Dank für diesen Input. Ich liege derzeit noch in der Augenklinik und kann daher nur ganz kurz antworten. Tatsächlich habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht als ich mir am Samstag auf ARTE diesen Don Giovanni anschaute - und irgendwo bei der Stelle als der Fotokopierer nur grünes Licht und lange Haare produzierte entnervt abgeschaltet.

Der Don Giovanni mit Currentzis aus 2016 ist für mich ein Highlight, der von 2021 in Salzburg ein Ärgernis. Nur noch Provokation macht für mich keinen Sinn und erinnert mich an Uli Steins Karrikatur, in der eine Maus ein Schild mit der Aufschrift "Ich bin dagegen!" hochhält.
Elvira und Donna Anna fand ich klasse, Don Giovanni dagegen ohne Ausstrahlung - und die Inszenierung habe ich nur zum geringen Teil verstanden. Vielleicht muss man dazu bis zum Schluß durchhalten (oder das Programmheft zur Verfügung haben).
Möglicherweise liegt dies auch am Zeittrend, wenn ich mal an den "Blutkünstler" Hermann Nitsch bei den Bayreuther Festspielen 2021 (Walküre) denke.

Da der Link zu BR-Klassik bei mir nicht funktionierte, hier eine Alternative dazu:
https://www.br-klassik.de/aktuell/news- ... k-100.html

Viele Grüße
Jörg
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Thomas86
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Beitrag von Thomas86 »

Hallo an die Mozartbegeisterten,

Das klingt interessant kontrovers!
Da muss ich mal reinschauen!

Viele Grüße und eine schöne Restwoche
Thomas

So: da Jörg hier die BFS anspricht:
Ich wunderte mich 2014 im Siegfried auch über Straßenbahnschilder und Krokodile, sowie Sonnenschirme.
Mir blieb leider - obwohl vorbereitet und mit Programmführer ausgestattet - der Inhalt der Symbolik verwehrt.

Den Holländer dieses Jahr fand ich toll! (Inszenierung), leider hatte ich auch hier nicht jede Symbolik sofort verstanden.
(Musikalisch war es für mich Standard)
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Thomas,

die Neugierde wecken ist doch ein schöner Aspekt des Fadens.

Meine Frau war von dem Holländer auch begeistert. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Der ist aber auch nicht von Mozart :lol: .

Viele Grüße
Horst-Dieter
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo zusammen,

die Inszenierung des Holländers ist auch meiner Meinung nach gelungen, das Dirigat etwas "brav". Andererseits schließt sich hier ein wenig der Kreis, denn auch dort steht eine Frau am Dirigentenpult: Oksana Lyniv, die erste Dirigentin bei den Bayreuther Festspielen! Ebenfalls keine Unbekannte, hat sie doch jahrelang Kyrill Petrenko in München assistiert und auch selbst dirgiert. Nach Simone Young In Hamburg vielleicht die nächste große Wagner-Dirigentin - warten wir es ab! :cheers:

Viele Grüße
Jörg
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg,

Oksana Lyniv hat auch das Eröffnungskonzert der diesjährigen Ludwigsburger Festspiele dirigiert. Ich fand ihr Dirigat sehr unflexibel und eckig. Mimik als Mittel der Kommunikation mit dem Orchester setzte sie nicht ein. Ihr Dirigierstil war das völlige Gegenbeispiel zu Joanna Mallwitz. Meine Lehrerin, die im Orchester mitwirkte, hatte den Eindruck, dass sie sehr ehrgeizig ist und in den Proben den Musikern nicht sehr vertrauensvoll gegenüber trat. Ich bleibe erst einmal reserviert.

Viele Grüße
Horst-Dieter
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