Einstiegshilfen in die klassische Musik

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Horst-Dieter,
Horse Tea hat geschrieben: 19.12.2020, 00:12Bach auch nicht, trotz des "Weihnachtsoratoriums"?
sicher hatte Bach auch seine Hits, aber beim weiteren zu stöbern gibt es dann viel Frickeliges. Wenn sich Einsteiger den Namen gemerkt haben und in das falsche Konzert gerät, ist die Begeisterung schnell verflogen. Da sind sie vor allem bei Tschaikowsky eher auf der sicheren Seite, finde ich. Aber wie schon erwähnt hängt es vom Ausgangspunkt ab. Einen Metal-Fan begeistert man vermutlich eher mit Wagner.

Grüße
Harald
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Donny
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Einstiegshilfen in die klassische Musik

Beitrag von Donny »

Hallo,

wie erging es mir selber? Was kann ich an meiner Tochter beobachten?

Den Zugang fand ich über eingängige Melodien, die mich auch öfter an Musik aus Filmen bzw. damals meine Hörspielplatten erinnerten. Aber es war Antonín Dvořák mit "Aus der Neuen Welt" der mich dazu gebracht hat selber Klassik für mich aufzulegen.

Ich persönlich würde empfehlen eher ohne Gesang zu starten. Bei meiner Tochter (mir ging es früher nicht anders) sehe ich, dass sie speziell von sehr hohen Stimmen eher abgeschreckt wird. Aber natürlich kann eine Oper oder Teile daraus auch ein toller Einstieg sein.
Nessun Dorma aus Turandot oder der Gefangenen Chor aus Nabucco fallen mir da spontan ein.

Meine Empfehlung wäre z.B Antonín Dvořák Aus der neuen Welt oder Smetana z.B. die Moldau. Ein bisschen Hintergrundinfo zu den Stücken kann dann auch nicht schaden.

Am besten man geht möglichst unverkrampft und mit Spaß an die Sache ran. Es ist nicht immer ernst. Im Gegenteil. Ich lasse Klassik auch gerne mal im Hintergrund laufen.


Dann lese und folge ich gerne den Empfehlungen hier aus dem Forum, die oft Appetit machen.
Ich verstehe da zwar nicht immer alles, aber das tue ich bei den Themen zur Technik auch öfter nicht und verfolge sie dennoch.

Klassik ist auch prima geeignet die Anlage zu testen. So kam ich dazu Aufnahmen aus Kirchen vermehrt zu hören.


Viele Grüße
Dietmar
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Hans-Martin,
Hans-Martin hat geschrieben: 19.12.2020, 00:38 führt man Pop auf populus (lat."Volk") zurück, wird sie (Pop-Musik ihrer Zeit) vielleicht der Sache nicht ganz gerecht, denn Kompositionen wurden zumeist von Herrschenden bezahlt, um bei Hofe Unterhaltung zu haben.
das stimmt oft nicht. Beethoven, Wagner oder Liszt waren regelrechte Musikunternehmer. Es war aber lange Musik der Städte und deren Oberschicht.

Grüße
Harald
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Hironimus_23
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Beitrag von Hironimus_23 »

Hallo,

möglicherweise finden einige auch über Arvo Pärt zur klassischen Musik. Ein Komponist, dessen Musik ich sehr schätze, sie völlig anderes als andere klassische Musik empfinde - teils sehr spirituell.

Gruß,
Hironimus
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Guten Morgen,

prima, dass es schon so viele Tipps und Empfehlungen gibt.

Für mich war es immer wichtig, dass ich auch Hintergrundinfos und Erklärungen nachlesen konnte, wenn ich ein interessantes Musikstück im Radio o.ä. gehört hatte. Vielleicht ein Überbleibsel aus der Schule, da wir im Musikunterricht oft in Konzerte oder die Oper gegangen "worden" sind ;-)

Natürlich gibt es gute Handbücher zum Einstimmen in Konzerte und Opern wie die von Reclam oder den Kloiber/ Konold für Opern.
Viel lieber nutze ich allerdings uralte (über 40 Jahre) Erläuterungen noch aus meiner Anfangszeit. Oft sind es Ausgaben wie diese, damals vom weltgereisten Musikwissenschaftler Kurt Pahlen (der auch die Einführungen der Festspiele sowie Osterfestspiele in Salzburg, die Brgenzer Festspiele, die Schubertiade usw. durchführte) herausgegebenen und immer wieder erneut aufgelegte Reihe im Goldmann/ Schott-Verlag:

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Die kann man ganz leicht lesen (auch ohne Noten lesen zu können), alle Textstellen werden gut erläutert, Hintergründe zur Entstehung des Werks und zum Komponisten übersichtlich dargestellt und am Ende auch wichtige Einspielungen erwähnt.

Das war hier nur als Beispiel gedacht. Eine Oper als Einstieg würde ich tatsächlich nur bedingt empfehlen. Wenn dann solche wie Mozarts "Zauberflöte" oder "Entführung aus dem Serail", Wagners "Holländer", Verdis "Traviata" oder Humperdincks "Hänsel und Gretel".

Beste Grüße
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Guten Morgen,

zur Klarstellung: Mein Hinweis auf die Popmusik sollte nicht so sehr die Frage implizieren, wer die Musik gehört hat, sondern darauf hinweisen, dass es die Musik ihrer Zeit war. Sie wurde gespielt, rezipiert, diskutiert pro und kontra. Man setzte sich damit auseinander, mit der tagesaktuellen Musik. Es gab keine Klassik, nichts, was eine Gruppe von Musikliebhabern auf den Sockel stellt und als etwas Besonderes deklariert, mit dem man sich von der Musik des Tages absetzen konnte. Eher kloppten sich Wagnerianer und Anhänger von Brahms, um nur ein Beispiel zu nennen. Aber man prügelte sich auf dem selben tagesaktuellen Spielfeld. Glücklicherweise wird - so zumindest mein Eindruck - heutzutage die klassische Musik nur noch selten im Sinne der Abgrenzung eingesetzt. Im Gegenteil, immer öfter versucht sich "die" Klassik für ein - wie sagt man dann so schön?! - ein breiteres Publikum zu öffnen. Natürlich geht es darum auch um wirtschaftliche Interessen.

Nun hat die Klassik heutzutage das Problem, dass die sie am Leben erhaltenden Voraussetzungen immer mehr wegbrechen. Irgendwo las ich vor einigen Tagen, dass der Umsatz im Klassiksegment (Tonträger/Streaming) um 30% eingebrochen sei. Nun kann man mit Statistiken bekanntlich vielerlei machen. ;) Aber in dem Bericht wurde auch auf eine Äußerung von Furtwängler hingewiesen (hier sinngemäß referiert, ich finde den Beitrag nicht wieder), dass derjenige, dem es an den nötigen Voraussetzungen fehle, sich schon bemühen werde, dem Mangel abzuhelfen. Und das dürfte heute wie damals eher naiv gewesen sein. Das Bürgertum, das die klassische Musik auch als Mittel der Selbstinszenierung nutzte, ist nicht mehr wirklich existent.

So - und damit bleibt: Man kann heute Musik welchen Genres auch immer als Hörer im Prinzip genießen, ohne sich all das Drumherum zu kümmern. Man sollte nur wollen/ein offenes Ohr haben. Und die Ohren werden sich schon öffnen, sofern das Gehirn keinen Riegel vorschiebt. Manchmal höre ich übrigens auch Techno. 8) :cheers:

Viele Grüße

Jochen
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treble trouble
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Beitrag von treble trouble »

Hallo Klassiker,

ein interessanter Thread, wie für mich gemacht. Ich habe nämlich genau das Problem, dass ich den Zugang zur Klassik sehr schwierig finde. Klassische Musik hat meinen Respekt und ich höre immer wieder mal in etwas rein, bspw. wenn hier Empfehlungen ausgesprochen werden, aber es ist nicht leicht. Ich versuche, zu beschreiben, womit speziell ich die Probleme habe:

1) Klassische Musik klingt für mich beim ersten Reinhören immer gleich. Nämlich nach klassischen Instrumenten. Meistens Streicher, Klavier, vielleicht die diversen Blasinstrumente, ggf. Pauke, Harfe, usw. Ja, da ist schon eine Bandbreite bei, aber die Instrumente klingen halt erstmal klassisch. Dass es Unterschiede im Klang zwischen verschiedenen Flügeln gibt, ist dann schon wieder viel zu speziell. Das hört man als Anfänger nicht wirklich, bzw. wäre es mir recht egal, selbst wenn ich es hörte.

Im Vergleich dazu bekommt Pop-, Rock-, Jazz-Musik meine Beachtung, wenn irgendwas im Sound ist, was meine Aufmerksamkeit weckt. Ein cooler Synthie-Sound, ein geiler Bass-Sound, ein rhytmisches Geräusch, etc. Z.B. hört sich Kraftwerk, Trentemøller und Yello sehr unterschiedlich vom Sound an. Und da sind wir noch nicht beim melodischen und rhythmischen Inhalt.

2) Um den Inhalt zu erfassen, braucht man Zeit und Geduld. Obwohl ich gerne lang gezogene Progressive-Rock/Pop, Jazz, cool groovende Funk/R&B, etc. Stücke höre, erscheinen mir klassische Stücke, wenn ich sie nicht kenne, sehr langatmig. Das wird besser, wenn ich sie kenne und wenn man sie "versteht". Also wenn man den generellen Aufbau eines Werkes kennt (was will uns der Komponist sagen?) und so ungefähr weiß, was einen erwartet., so dass man bspw. die Melodie im Kopf mitsummen kann oder sich auf den nächsten Tusch freut. Um dort hin zu kommen, muss man ein Werk aber mehrmals gehört haben. => Henne-Ei-Problem

3) Selbst wenn ich weiß, dass ich gerne mal was von Komponist X hören würde, stellt sich die Frage, welches Konzert Y denn. Und komplett erschlagen werde ich dann von der Vielzahl der Interpretationen mit Dirigent Z, Orchester A und Konzertsaal B. Da kommt schon ein sehr großes Kreuzprodukt zusammen. Bei Empfehlungen ist es also m.E. immer wichtig, eine konkrete Aufnahme zu nennen und nicht nur ein bestimmtes Werk.

Vor allem wegen 2) halte ich Empfehlungen für am besten, wenn man das Thema mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwoher kennt (Werbung oder sonstige Einspielungen im TV, Film). Dann wunder ich mich zwar immer, wie viel da noch drum herum komponiert ist, aber ich freue mich, wenn dann endlich der Teil kommt, den man kennt. Damit stellt sich so ein bisschen das Gefühl ein, die gesamte Wahrheit zu erfahren.

4) Klassische Musik macht vor allem auf guten, glasklar klingenden Anlagen Spaß. Genau solche Anlagen, auf denen Rock/Pop-Stücke dann nicht mehr so viel Spaß machen, weil deren Sound schnell nervig wird. Ich habe immer den Eindruck, dass eine gute Anlage sehr stark den Musikgeschmack beeinflusst. Meine Anlage ist schon nicht schlecht, glaube ich, aber ich habe sie bewusst nicht auf "glasklar" getrimmt, weil ich auch noch durchschnittliche Rock/Pop-Aufnahmen hören können möchte und ich schnell ein Problem mit klaren Höhen bekomme. Im Vergleich dazu haben die meisten (Nicht-Audiophilen; soll nicht abwertend sein. Die haben halt andere Interessen.) eher lala-Anlagen. Und dort ist Klassik dann nur so "Gefidel", was nicht packt.

5) Wie man den Zugang zu Operngesang finden kann, ist mir total schleierhaft. Ich finde diese Art zu singen ganz schrecklich. D.h. auf einer guten Anlage finde ich es durchaus Interessant, mir die Stimme anzuhören. Und ja, ich sehe das schon als Leistung an, was nicht jeder kann. (Also das Singen, nicht das Anhören.) Aber das halte ich i.d.R. nur ein oder zwei Minuten aus. Ob man sich da reinhören kann? Oder ist es einfach Geschmacksache, entweder es gefällt oder nicht? Das kann ich nicht abschätzen.

Es gab bestimmt noch etwas, das ich dazu schreiben wollte. Das wäre mir entfallen. Ist ja auch so genug Text geworden.

Schöne Grüße
Gert
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Gert,

das mit den gut klingenden Anlagen halte ich für ein Gerücht. Guter Klang macht viel aus, aber das ist ja generell so, wie wir wissen. Meine Mutter hört sehr viel Klassikradio, das Radio klingt ganz ordentlich, mehr nicht. Trotzdem kann ich bei einzelnen Stücken regelrecht in der Musik versinken.

Eine emotionale Beziehung zu einer bestimmten Musikrichtung ist wichtig, um sie zu genießen. In wie weit man sie noch als Erwachsener entwickeln kann, weiß ich nicht. Zuerst zählt erstmal der Wille, sich Klassik als ein sehr umfangreiches musikalisches Universum zu erschließen. Vielleicht ist es dann am besten, erstmal im Hintergrund einen netten Klassiksender laufen zu lassen, um sich einzugrooven, sich zu gewöhnen und sich dadurch erst in die Lage zu bringen, Unterschiede und Feinheiten erfassen statt auf bekannte Melodieteile zu warten.

Viele Grüße
Harald
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Gert,

schön, dass du hier deinen Kommentar gepostet hast. Ich hatte schon befürchtet, dass wir Klassik-Fans uns hier untereinander wieder Tipps geben, aber die angedachte Zielgruppe gar nicht erreichen ;-)

Obwohl ich mich nicht beschweren könnte, habe ich doch hiermit
Thomas86 hat geschrieben: 18.12.2020, 20:47 Dann empfehle ich folgende Produktion:
Mozart – Messe in c-Moll, KV 427 (mit Werkeinführung)
bereits einen guten Tipp erhalten (und mir heute vormittag schon angehört - Danke, Thomas)

Wenn es bei dir, Gert, unter Problem Nr.3 mit Filmen funktioniert, dann empfehle ich dir solche mit und über klassische Komponisten. So erhältst du auch gleich spielerisch viele Hintergrundinfos und Zusammenhänge der Musikstücke. Der beste mir bekannte Film dazu wäre "Amadeus" von Milos Forman aus 1984. Einfach genial!

Zu deiner Anmerkung Nr.5: mein Einstieg erfolgte tatsächlich über Opern - und dann auch noch mit Wagner! Aber 2 Schulfreunde und ich waren damals Literaturversessen und wir lernten zeitweise das halbe "Rheingold" auswendig (und dazu noch freiweillig!). Die Stabreime werde ich wohl nie vergessen: Garstig glatter glitschiger Glimmer, wie gleite ich aus ..." Na ja, Glück gehabt, dass ich dennoch bei der Klassik hängen geblieben bin :cheers:

Beste Grüße
Jörg
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Thomas86
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Beitrag von Thomas86 »

treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08 Hallo Klassiker,

Im Vergleich dazu bekommt Pop-, Rock-, Jazz-Musik meine Beachtung, wenn irgendwas im Sound ist, was meine Aufmerksamkeit weckt. Ein cooler Synthie-Sound, ein geiler Bass-Sound, ein rhytmisches Geräusch, etc. Z.B. hört sich Kraftwerk, Trentemøller und Yello sehr unterschiedlich vom Sound an. Und da sind wir noch nicht beim melodischen und rhythmischen Inhalt.

Schöne Grüße
Gert
Hallo Gert,

zu dem von dir oben genannten Punkt hätte ich ein paar "Crossover" Sachen.
Evtl. gefällt dir etwas davon.

An die Klassiker:
Achtung!
Das ist nichts für den werktreuen Verfechter :lol:

Bach Prelude BWV 855a
https://open.spotify.com/track/6usyGSCG ... 16-6MLYEiA

Beethoven Mondschein Sonate 1. Satz
https://open.spotify.com/track/20GaLZN8 ... S19bqOpuOw

Saint-Saens ?
https://open.spotify.com/track/71xw9CaZ ... A7s7iGFLuw

Wer einen rhytmischen und "beschwingten" Zugang zu Beethovens 2. Satz aus der 7. Sinfonie haben will, der sollte hier mal rein hören. :)
https://open.spotify.com/track/7oTYeO1i ... jEoBEevLQQ

Jener Satz ist evtl. Manchem aus dem Film "the king speech" bekannt.
https://open.spotify.com/track/4EcOBeGY ... FdD4HEyjAg

Wenn wir gerade bei "abgeänderter Klassik" in Filmen sind.
Eine Version des Mozart Don Giovanni von Hans Zimmer im Film
Sherlock Holmes, Spiel im Schatten.
https://youtu.be/d0rYDknSIQw

viele Grüße
Thomas

ps: Danke Jörg :)
Das Requim gibt es auch vom gleichen Label
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hi Thomas

habe das mit dem Requiem schon gesehen - und höre es gerade :cheers:

Danke und beste Grüße
Jörg
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Donny
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Beitrag von Donny »

Hallo Gert,

danke für Deine Gedanken dazu. Ich kann das gut nachvollziehen. Ich tue mich z.B. sehr hart einen Zugang zu Jazz zu finden.
treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08
1) Klassische Musik klingt für mich beim ersten Reinhören immer gleich.
......
Im Vergleich dazu bekommt Pop-, Rock-, Jazz-Musik meine Beachtung, wenn irgendwas im Sound ist, was meine Aufmerksamkeit weckt. Ein cooler Synthie-Sound, ein geiler Bass-Sound, ein rhytmisches Geräusch, etc. Z.B. hört sich Kraftwerk, Trentemøller und Yello sehr unterschiedlich vom Sound an. Und da sind wir noch nicht beim melodischen und rhythmischen Inhalt.

Ich denke, dass das alles gleich klingt ändert sich mit dem Interesse und dem sich damit beschäftigen. Für mich klingt Jazz "immer irgendwie gleich" - jetzt werde ich gesteinigt. Oder z.B. alle Klaviere eben einfach nach Klavier. Mit den Unterschieden habe ich mich noch nicht beschäftigt - bisher auch keine Veranlassung gesehen aber ich bin neugierig darauf geworden und wenn es mal passt höre ich mal verschiedene an. Es gibt bei vielen ob nun Klassik, Synthie-Sound, Jazz, ... soviel zu entdecken.

treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08
2) Um den Inhalt zu erfassen, braucht man Zeit und Geduld. Obwohl ich gerne lang gezogene Progressive-Rock/Pop, Jazz, cool groovende Funk/R&B, etc. Stücke höre, erscheinen mir klassische Stücke, wenn ich sie nicht kenne, sehr langatmig. Das wird besser, wenn ich sie kenne und wenn man sie "versteht". Also wenn man den generellen Aufbau eines Werkes kennt (was will uns der Komponist sagen?) und so ungefähr weiß, was einen erwartet., so dass man bspw. die Melodie im Kopf mitsummen kann oder sich auf den nächsten Tusch freut. Um dort hin zu kommen, muss man ein Werk aber mehrmals gehört haben. => Henne-Ei-Problem
Daher auch mein Vorschlag - einfach mal etwas "leichtere" Klassik im Hintergrund laufen lassen. Bei der Moldau freue ich mich schon immer auf die Stelle, wenn die Stromschnellen kommen. Ich koche da öfter beim Hören und manchmal entdecke ich wieder ein Stück welches mir gefällt oder wert scheint am Abend mal genauer reinzuhören.
Also nicht gleich den kompletten Ring vornehmen.

treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08
3) ........ stellt sich die Frage, welches Konzert Y denn. Und komplett erschlagen werde ich dann von der Vielzahl der Interpretationen mit Dirigent Z, Orchester A und Konzertsaal B. Da kommt schon ein sehr großes Kreuzprodukt zusammen. Bei Empfehlungen ist es also m.E. immer wichtig, eine konkrete Aufnahme zu nennen und nicht nur ein bestimmtes Werk.
......
Ich verlasse mich da einfach auf Rezessionen. Ich sehe hier Parallelen zu Empfehlungen für Hifi-Anlagen. Man sollte ein wenig wissen von wem mit welchen Vorlieben die Empfehlung kommt. Ich habe aber bisher auch noch nicht erlebt, dass ein Dirigent, Orchester, Konzertsaal ein Stück derartig verhunzt hat, dass es nicht seine Komposition widergespiegelt hätte - bzw. bei mir zur totalen Ablehnung geführt hätte. Für mich zählt das dann schon zum Feintuning. Ausnahme können hier für mich Frauenstimmen sein. Das kann bei mir schon mal zu - Halte ich nicht aus - führen. Aber es gibt auch ganz wundervolle.
treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08
4) Klassische Musik macht vor allem auf guten, glasklar klingenden Anlagen Spaß. Genau solche Anlagen, auf denen Rock/Pop-Stücke dann nicht mehr so viel Spaß machen, weil deren Sound schnell nervig wird. Ich habe immer den Eindruck, dass eine gute Anlage sehr stark den Musikgeschmack beeinflusst. Meine Anlage ist schon nicht schlecht, glaube ich, aber ich habe sie bewusst nicht auf "glasklar" getrimmt, weil ich auch noch durchschnittliche Rock/Pop-Aufnahmen hören können möchte und ich schnell ein Problem mit klaren Höhen bekomme. Im Vergleich dazu haben die meisten (Nicht-Audiophilen; soll nicht abwertend sein. Die haben halt andere Interessen.) eher lala-Anlagen. Und dort ist Klassik dann nur so "Gefidel", was nicht packt.
Da ist was dran und auch wieder nicht. Eine für meinen Geschmack gute Anlage kann beides. Allerdings gebe ich Dir Recht es kann schon dazu führen dass man meint Pavarotti singt AC DC. Bei mir liegt das daran dass z.B. AC DC einfach "rotzig" gehört. Vermutlich auch weil ich es von meinen Jugendanlagen her auch so kenne. Ich versuche deshalb erst gar nicht die oberen Weihen des High End zu erreichen. Analogfreaks haben u.a. auch daher verschiedene Tonabnehmer auf Ihrem Dreher - je nach Gusto. Und Elektronik bietet hier über Presets auch Möglichkeiten.
treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08
5) Wie man den Zugang zu Operngesang finden kann, ist mir total schleierhaft. Ich finde diese Art zu singen ganz schrecklich. D.h. auf einer guten Anlage finde ich es durchaus Interessant, mir die Stimme anzuhören. Und ja, ich sehe das schon als Leistung an, was nicht jeder kann. (Also das Singen, nicht das Anhören.) Aber das halte ich i.d.R. nur ein oder zwei Minuten aus. Ob man sich da reinhören kann? Oder ist es einfach Geschmacksache, entweder es gefällt oder nicht? Das kann ich nicht abschätzen.
Man muss es ja nicht erzwingen. Aber ab und an mal reinschmecken ist sicher kein Fehler. Sich manches anzuhören ist sicher auch eine Leistung :D .

Paul Pott hat hier mit Nessun Dorma ja mal einen Hype losgetreten. Ich nannte es damals spaßhalber den "Telekom-Song" von Paul Pott, da es auch für die Werbung verwendet wurde. Für mich nicht die beste Interpretation von Nessun Dorma, aber er hat es vielen zugänglich gemacht. Ich höre es am liebsten von Pavarotti. Warum? Weil er meiner Meinung nach unheimlich viel Schmalz reinbringt.

treble trouble hat geschrieben: 19.12.2020, 12:08 ...... Ist ja auch so genug Text geworden.
..
Bei mir auch :D

Viele Grüße
Dietmar
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Liebe Freunde,

angefangen hat es bei mir mit der "ZDF-Hitparade", dann kam Ilja Richters "Disco". Dementsprechende Songs drehten sich auf dem Plattenspieler. Dann kam Frank Laufenbergs "Pop-Shop" auf SWF3 und die Hinwendung zu Gruppen wie Deep Purple und Genesis. Alles auf einer geerbten Yamaha-Anlage mit Bose 901 Boxen und später mit DIY-Hörnern. Mit Klassik hatte ich nix, nada am Hut.

Mit Anfang Zwanzig, ich war inzwischen ein eifriger Leser des Audio Magazins, holte ich mir von meinem Studentenjob eine echte HiFi-Anlage mit Backes & Müller Lautsprechern (BM Delta). Das war der Beginn meiner Liebe zu Jazz-Alben des ECM Labels. Diese Aufnahmen und meine BM-Lautsprecher gingen eine wundervolle Liaison ein.

Klassische Musik bereitete mir dagegen keine echte Freude. Ich versuchte es mit den bereits genannten "Gassenhauern" und war sogar ständiger Besucher der Kölner Philharmonie. Einen besonders großen Bogen machte ich um Barock-, Vokal- und Kirchenmusik. Ein entscheidender Fehler*, wie ich jetzt rückblickend feststellen musste!

*) Zu meiner Entschuldigung mag vielleicht herhalten, dass Barockmusik zur damaligen Zeit sowohl von der Größe der Orchester und Auswahl der Instrumente fast genauso wie moderne Sinfonien aufgeführt wurden. Inzwischen hat sich die historisch informierte Aufführungspraxis mit kleineren Besetzungen und originaler Instrumentierung durchgesetzt. Für mich ein entscheidender Unterschied, sehr gut nachzuvollziehen z. B. anhand der Interpretation von Vivaldis "Vier Jahreszeiten": Man höre sich Anne-Sophie Mutter mit den Wiener Philharmonikern unter Herbert von Karajan und zum Vergleich Giuliano Carmignola mit den Sonatori de la Gioiosa Marca unter Andrea Marcon an. Danach weiß man, was für ein "Klassiktyp" man ist! Gesangstimmen werden heutzutage ebenfalls anders interpretiert, vor allem ohne das früher obligatorische Vibrato. Beide Entwicklungen kommen meinen vom Jazz geprägten Hörgewohnheiten sehr entgegen.

Seitdem ich über Lautsprecher verfüge, die insbesondere im Stimmenbereich über herausragende Fähigkeiten verfügen, hat sich das Blatt komplett gewendet: Ich sauge Sopranstimmen, vor denen ich früher weggerannt bin, inzwischen geradezu auf. Und Barock ähnelt dem Jazz, unter anderem in der Möglichkeit zur Improvisation, in meinen Ohren sehr. Sehr entgegen kommen mir auch die relativ kurzen Spannungsbögen, die bei sinfonischen Werken oftmals wesentlich länger angelegt sind.

Nach wie vor höre ich sehr gerne Jazz und "Weltmusik", aber mit angelsächsisch geprägtem Pop und Rock kann ich nur noch insofern etwas anfangen, dass damit schöne Erinnerungen verbunden sind.

Ich möchte noch anmerken, dass es schon hilft, wenn man sich rund um klassische Musik auch etwas Wissen zu deren Zeitalter und Entstehung aneignet. Das macht Spaß und hilft zumindest mir, einige versäumte Jahre Geschichtsunterricht nachzuholen.

Vielleicht sind diese Hinweise ja Anreiz für den einen oder anderen, sich doch mehr mit klassischer Musik auseinanderzusetzen.

Viele Grüße
Rudolf
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Rudolf,
Rudolf hat geschrieben: 19.12.2020, 18:14*) Zu meiner Entschuldigung mag vielleicht herhalten, dass Barockmusik zur damaligen Zeit sowohl von der Größe der Orchester und Auswahl der Instrumente fast genauso wie moderne Sinfonien aufgeführt wurden. Inzwischen hat sich die historisch informierte Aufführungspraxis mit kleineren Besetzungen und originaler Instrumentierung durchgesetzt. Für mich ein entscheidender Unterschied, sehr gut nachzuvollziehen z. B. anhand der Interpretation von Vivaldis "Vier Jahreszeiten": ...
ja, es gibt deutliche Unterschiede einmal zu früher und auch in den jeweiligen Phasen der klassischen Musik. Das Buch "Musik - Ein Streifzug durch 12 Jahrhunderte" hat mir geholfen, mich ein wenig besser zurechtzufinden.

Barock ist oft sicherlich eingängiger als lange Symphonien, und für Einsteiger gut geeignet. Beim Gesang gibt es nur ein paar Ausnahmen, die mir dann aber ausgesprochen gut gefallen, darunter ist Regula Mühlemann.

Grüße
Harald
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Rudolf,

die Idee über die Barockmusik zur Klassik zu gehen, ist für viele bestimmt eine recht gute und eventuell sogar leichtere Zugangsvariante.
Auch hier gibt es ja viele "Evergreens" wie Vivaldis Jahreszeiten, Händels Feuerwerks- und Wassermusik usw., die jeder schon mal gehört hat.
Rudolf hat geschrieben: 19.12.2020, 18:14 Ich möchte noch anmerken, dass es schon hilft, wenn man sich rund um klassische Musik auch etwas Wissen zu deren Zeitalter und Entstehung aneignet. Das macht Spaß und hilft zumindest mir, einige versäumte Jahre Geschichtsunterricht nachzuholen.
In meinem Bücherregal ist mir noch ein weiteres, leicht lesbares Buch ins Auge gefallen und ich kann das dem Klassik-Interessierten nur wärmstens empfehlen:

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Da ist wirklich alles drin, um auf - teilweise recht lustige Art - die eventuelle Scheu vor der gar nicht so spröden Klassik zu verlieren.

Viele Grüße,
Jörg
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