Beethoven - Violinkonzert (Oistrach/Cluytens)

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
Melomane
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Beethoven - Violinkonzert (Oistrach/Cluytens)

Beitrag von Melomane »

Hallo,

heute ist Tag des Violinkonzerts, des vom Beethoven nämlich. Nachdem ich mir auf Jörgs Anregungen im Was-wir-zur-Zeit-hören-thread hin einige Aufnahmen per Stream zumindest auszugsweise angehört hatte und das Gefühl hatte, dass jede der genannten und verfügbaren Einspielungen meinen Ohren etwas zu sagen, teils auch zu erzählen hatte, nahm das Schicksal Anlauf, stupste mich an und zum Plattenregal hin. Und da fand sich doch tatsächlich eine gut erhaltene, gebraucht erworbene LP. Mit einer schon älteren Aufnahme, nämlich der von D. Oistrach und A. Cluytens. Und zwar diese LP hier:

https://www.discogs.com/de/Ludwig-v-Bee ... se/2760699

Und nach den ersten Tönen war es um meine Ohren geschehen. Wie des öfteren bei guten Platten hatten die das Gefühl, dass die Musik zu leben begann. Und notabene: Wir haben noch nicht Abend, der Strom ist noch nicht in Bestform, die roten Tuningmittel in den hochwandigen Gläsern wurden noch nicht eingesetzt und die Platte wurde meines Wissens in audiophilen Kreisen auch noch nicht als heißer Kandidat erwähnt. Wozu auch?! Schließlich handelt es sich nicht um ein Dynamikwunder wie z.B. Soltis Ring. Und für die Freunde einer bis ins letzte erhellten Bühne hat sie auch wenig zu bieten. Im Gegenteil - die Platte ist eher zurückhaltend, wenn auch "sauber" gepresst. Wie übrigens oft zu beobachten bei den HörZu-Ausgaben. Und das Orchester ist recht kompakt, wenn auch mit breiter, offener Bühne abgebildet. Dennoch: In diesem Fall erhebt sich ein Zauber aus der LP-Rille, wie es für meine Ohren nur mit diesem Medium geschieht. Im Orchesterspiel ist eine Spannung zu vernehmen, gewissermaßen unauffällig, aber mich zumindest ergreifend. Und dann erst der Oistrach! Wie schon oben angerissen: Andere Interpreten nutzen ihr Instrument, um etwas vorzutragen, etwas zu sagen oder zu erzählen. Oistrach macht mit seinem Spiel aus dem Instrument ein lebendiges Wesen! Ein Wesen, das nichts sagt oder erzählt. Sondern ein Wesen, das singt! In einer unglaublichen Weise ein Lied singt! Es ist einfach faszinierend, wie sehr sich Oistrachs Herangehensweise von der anderer Interpreten unterscheidet.

Als jemand, der mit der Platte aufgewachsen ist, bin ich natürlich nicht unvoreingenommen. Aber wenn ich ein solches Highlight auf dem Teller und vor meinen Ohren habe, dann können für deren Empfinden alle Nullen und Einsen einpacken. Egal, welche nominellen Vorteile sie der LP gegenüber haben. Einen solchen Genuss habe ich noch mit keiner digitalen Anlage gehabt, egal wo und bei wem ich sie gehört habe. Sorry, sind halt meine Ohren. Aber die sind einfach bei solchen Platten hin und weg. Ich hoffe und wünsche euch, dass ihr solche Momente auch mit digitalen Komponenten habt!

Für die Liebhaber des Vinyls und des Beethovenkonzerts jedenfalls gilt eine uneingeschränkte Empfehlung: Wenn euch diese Platte über den Weg läuft, greift zu!

So - und jetzt kaufe ich mir die Mutter! ;) Digital, mitsamt dem Masur und den New Yorker Philharmonikern. Danke für die Empfehlung, Jörg. :cheers:

Viele Grüße

Jochen
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Jochen,

wie der Zufall so spielt. Ich hörte gestern u.a. ebenfalls diese Aufnahme.
Allerdings "nur" die HiRes-Aufnahme (24-96) und die ist für meine Ohren relativ scharf und vordergründig. Das macht das Spiel von David Oistrach (den meine Frau über alles verehrte [na ja - vielleicht ein wenig übertrieben :P ] und in ihrem Violinspiel neben Kremer immer Vorbild war) nicht wirklich so lebendig wie du es hier wunderbar beschreibst.
Sollte ich mir doch noch die LP besorgen müssen? Wer weiß ...

Beste Grüße
Jörg
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

... ich meine diese hier:

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VG
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Jörg,

ich höre bei der HiRes-Variante, was du meinst und was der abgeht im Vergleich zur Schallplatte, auch zum "Vinyl-Rip". Der Unterschied wird ein wenig geringer, wenn zur Röhrenverstärkung und zu den Klipsch Heresy gegriffen wird. Dann wird die Wiedergabe quasi dreidimensional. Und selbst da kann man mit dem Vinyl-Rip den Zauber "nur" erahnen, den für meine Ohren das Original, die LP, hervorruft. Aber ohne direkten Vergleich kann zumindest ich mit dem Vinyl-Rip und der Röhre leben.

Ansonsten gilt wie immer: Jede Jeck es anners. :cheers:

Viele Grüße

Jochen
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo Jochen,
Und dann erst der Oistrach! Wie schon oben angerissen: Andere Interpreten nutzen ihr Instrument, um etwas vorzutragen, etwas zu sagen oder zu erzählen. Oistrach macht mit seinem Spiel aus dem Instrument ein lebendiges Wesen! Ein Wesen, das nichts sagt oder erzählt. Sondern ein Wesen, das singt! In einer unglaublichen Weise ein Lied singt! Es ist einfach faszinierend, wie sehr sich Oistrachs Herangehensweise von der anderer Interpreten unterscheidet.
Oistrach deckt für mich hier eine Interpretationsvariante ab, die sich knapp neben einer "ungarischen" Spielweise einreiht.

Bei Beethoven sollte die Violine für meinen Geschmack anders klingen.

Allerdings:

Ansonsten gilt wie immer: Jede Jeck es anners. :cheers:

Es grüßt

Bernd Peter
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Bernd Peter
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Beitrag von Bernd Peter »

Hallo,

vom Violinkonzert Beethovens hat man eine recht große Auswahl an Einspielungen.

Der 2.Satz ist dabei für mich Maßstab.

Hier darf der Solist sein Können und Verständnis unter Beweis stellen.

Die Bandbreite geht von zu viel Soße bis übertriebene Wildheit.

Einer der es versteht ist Grumiaux in seiner Aufnahme mit Galliera aus dem Jahre 1966.

https://www.amazon.de/Beethoven-Violin- ... B00000E47Q

Sein Spiel hat Fülle und Kraft, es bleibt aber schnörkellos, ohne Vibrato oder sonstigen Schnickschnack.

Eine mMn wunderschöne und passende Beethoveninterpretation.

Gruß

Bernd Peter
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Amati
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Beitrag von Amati »

N'Abend,

seit jeher ist für mich die Interpretation von Wolfgang Schneiderhan aus meinem Geburtsjahr das Maß der Dinge, wenn es um DAS Violinkonzert geht.
Aufnahme: Mai / Juli 1962 in der Jeus-Christus-Kirche in Berlin von Günther Hermanns, dem absolut genialen Toningenieur der Deutschen Grammophon.
Ich habe davon eine Originale LP aus dem Nachlass meines Vaters. Insofern eine eher nicht objektive Betrachtung :mrgreen:

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Peter
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo zusammen,

wenn wir hier alle unsre Lieblingsaufnahmen dieses Violinkonzerts aufzählen, wird es sicherlich eine endlose Liste ;-)
Wobei ich keine "Lieblingsaufnahmen" mehr habe - das ändert sich einfach mit der Zeit. Ist wie beim Whisky oder beim Wein oder ...
Für eine bestimmte Zeit ist eine Aufnahme interessant, und dann kommt die Zeit für eine andere, die wieder ganz andere Facetten aufzeigt.

Deshalb will ich hier mal eine Aufnahme anpreisen, die NICHT zu meinen Favorits im engeren Sinne gehört und die ich dennoch sehr mag und häufiger höre: Masur mit Anne-Sophie Mutter und dem New York Philharmonic Orchestra aus 2002. Und ich bin alles andere als ein Fan von Mutter!

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Aber diese Aufnahme ist herrlich. Für mich quasi die „Entdeckung der Langsamkeit“ (wie ein bekannter Buchtitel lautete), meditativ, traumgleiches Larghetto; die Rondo-Kadenzen, die räumliche Abbildung der sich bewegenden Anne-Sophie Mutter ...

Aber gegen das Erbe des Vaters kann sie natürlich nicht anst... ankommen. ;-) Würde mir auch so gehen.

Beste Grüße
Jörg
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Boxentroll
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And now for something completely different...

Beitrag von Boxentroll »

Hallo zusammen,

ich möchte zwei Aufnahmen nennen, die mir sehr am Herz liegen und sich auch deutlich von denen aus den 1960ern unterscheiden. Quasi als eine Art Gegenpol, ohne aber irgendwie überzogen historisierend und abgehoben zu sein.

Faust unter Abbado und Mullova unter Gardiner.

Sollte man kennen :cheers:

Schönen vierten Advent,

Christian
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Donny
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Beitrag von Donny »

alcedo hat geschrieben: 19.12.2020, 21:33 ......

Aber diese Aufnahme ist herrlich. Für mich quasi die „Entdeckung der Langsamkeit“ (wie ein bekannter Buchtitel lautete),

.....

Beste Grüße
Jörg
Hallo,

bei solchen Beschreibungen bekommt man einfach Lust die Platte aufzulegen. Danke für die vielen Anregungen.

Musikalisch kann ich hier nichts empfehlen. Aber das Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ über den Kapitän und Polarforscher John Franklin kann ich sehr empfehlen. Für einen langen Winterabend bei schöner Musik und einem Getränk der Wahl genau das richtige.

Amati hat geschrieben: 19.12.2020, 20:26 N'Abend,
.....
Ich habe davon eine Originale LP aus dem Nachlass meines Vaters. Insofern eine eher nicht objektive Betrachtung :mrgreen:
.....
Es ist "schön" wenn man mit Platten/Musik Erinnerungen verknüpft. Daher gebe ich auch keine einzige her. Bei Tschaikowskis Klavierkonzert 1b Moll denke ich immer an meinen Opa und dass es oft Sonntag vormittag lief. Wohl meine früheste Erinnerung an Klassik.
Ich dürfte damals so 4 oder 5 gewesen sein.



Viele Grüße und einen phänomenalen 4. Advent.
Dietmar
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Donny hat geschrieben: 20.12.2020, 10:56 ... und einen phänomenalen 4. Advent.
Da sagst du was, Dietmar!
Euch allen auch einen herrlichen 4. Advent!
Ausserdem hat meine Mutter heute Geburtstag und ich bin vor 30 Minuten noch einmal Vater geworden!!
Genau genommen: Groß-Vater. Aber das sind jetzt nebensächliche Details ;-)

Das ist jetzt zwar sowas von Off Topic - aber es passte so schön zu Dietmars Bemerkung

Berauschte Grüße
Jörg
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Herzliche Glückwünsche!
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

auch von meiner Seite. :)
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Donny
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Beitrag von Donny »

Hallo Jörg,

das nenne ich nun mal wirklich phänomenal.

Herzlichen Glückwunsch !!

Da kommt von Dir bei "Was wir gerade hören" dann verstärkt

https://www.youtube.com/watch?v=0SYJdNvN10E

oder

https://www.youtube.com/watch?v=Qta02HChyUw

oder wie ich am ehesten vermute

https://www.youtube.com/watch?v=oDI6kPnkNAE


Entschuldigt das OT - aber einen besseren Grund kann es ja kaum geben.

Viele Grüße
Dietmar
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Amati
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Beitrag von Amati »

alcedo hat geschrieben: 20.12.2020, 12:47
Donny hat geschrieben: 20.12.2020, 10:56 ... und einen phänomenalen 4. Advent.

Genau genommen: Groß-Vater. Aber das sind jetzt nebensächliche Details ;-)



Berauschte Grüße
Jörg
Willkommen im Club. :cheers: Bist Du Oma oder Opa geworden? :mrgreen:
Sollte es eine Enkelin sein, zieh dich schon mal warm an...

Peter
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