Beethoven auf Originalinstrumenten

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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Horse Tea
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Beethoven auf Originalinstrumenten

Beitrag von Horse Tea »

Werte Klassikfreunde,

hier eine Empfehlung aus der Presse, in der auch schon hier vorgestellte und gelobte Aufnahmen wiederzufinden sind.

https://www.spiegel.de/kultur/musik/bee ... 9NcCvtlFcJ

Die Einschätzung des Autors von Theodor Currentzis teile ich jedoch nicht. Insbesondere die Konzerte mit seinem Chor Anima Aeterna sind für mich zeitgemäß und hörenswert. Wie beurteilt Ihr den Dirigenten?

Viele Grüße
Horst-Dieter
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Rudolf
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Beitrag von Rudolf »

Hallo Horst-Dieter,

zu Currentzis' Einspielung von Beethovens Eroica kann ich nichts sagen, da bislang nicht gehört.

Seine Einspielung von Purcells Oper Dido & Aeneas (mit Simone Kermes in der Rolle der Dido) gehört dagegen zu meinen persönlichen Highlights "zeitgemäßer" Barockmusik. Ich würde Currentzis auf jeden Fall hören wollen, wenn er wieder in Köln gastiert.

Viele Grüße
Rudolf
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo, Horst-Dieter,

Danke für deinen Hinweis auf diese interessante Übersicht zu einigen Neueinspielungen. Im Großen und Ganzen entspricht sie auch meiner persönlichen Ein- und Wertschätzung.

Was Currentzis angeht: seine Aufnahme der 5. Symphonie empfinde ich als sehr gut, wenn auch nicht als herausragend. Erwartungsgemäß insgesamt sehr schnell mit einem wunderbaren 3. Satz; exakte Metronomangaben und offenbar sehr gut einstudiert. Eine Aufnahme, die mir erst nach dem 2. Hören Spaß gemacht hat (dann aber richtig) - der Einstieg gelang mir nicht direkt. Mir fehlt dennoch bei aller Akribie eine neue Sichtweise (was allerdings mein "Problem" ist, da ich soetwas gerne von neuen Aufnahmen erwarte). Für mein Hörgefühl haben das bereits Gardiner oder Antonini spannender gemacht (um nur einige zu nennen). Und schneller (was natürlich kein Kriterium ist, bei Currentzis aber immer wieder gerne genannt wird) war bereits 1928 Richard Strauß mit dem Staatsopernorchester Berlin.

Was die 30 Minuten-CD angeht: das ist wohl nur ein Marketing-Gag. Passt doch wunderbar zum Enfant terribel mit den roten Schuhen :lol:
Currentzis hat ja zeitgleich auch die 7. Symphonie am gleichen Ort aufgenommen - hätte das Label ohne weiteres auf die gleiche Scheibe pressen können (soll im Herbst veröffentlicht werden) . Aber so - verbunden mit der herrlichen Aussage, die man Currentzis in den Mund gelegt hat "wenn man 2 Romane schreibe, veröffentlicht man diese doch auch nicht in einem Buch", erhält man kostenlose Werbung :cheers:

Rudolph: Ja, sehe ich auch so. Currentzis genieße ich bei Purcell (noch plastischer ist allerdings das Dirigat von Emmanuelle Haim) ebenso wie bei Mozarts Requiem und dessen 3 DaPonte-Opern oder Strawinskys Psalm-Symphonie.

Viele Grüße
Jörg
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Jens
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Beitrag von Jens »

Ich kann nur die 5te kommentieren. Schnell... und blutleer. Mein Eindruck leider sehr deutlich der, möglichst flott da man nicht weiß wie man es sonst hätte spielen sollen. Da gefällt mir eigentlich jede Einspielung besser- Ohne überhaupt zu Äußerst gelungenen 5te wie Bernstein oder Kleiber greifen zu müssen.

Oh Gott einmal die selben Meinung wie der Spiegel.... langsam werd ich alt :lol: :lol: :shock:

Ps muss erwähnen dass ich an sich ein Freund des „Orginalklanges“ bin (Harnoncourt hat das ja zb. auch sehr stark eingesetzt).
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Guten Morgen,

kürzlich ist die schon länger angekündigte Aufnahme von Currentzis mit der 7. Symphonie von Beethoven erschienen. Warum sie nicht gleich mit der 5. veröffentlicht wurde, wurde ja bereits weiter oben andiskutiert.
Und im Gegensatz zu Currentzis Aufnahme der 5. bin ich diesmal auf Anhieb sehr angetan von dessen Interpretation, zumal ich befürchtete, er würde wieder zum Geschwindigkeitswettbewerb antreten und die 7. in unter 30 Minuten einspielen ;-)

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Ganz im Gegenteil: sehr passende Tempi, den schwierigen 4. Satz spielt er sogar (verhältnismäßig) langsam wie ich ihn sonst nur von Jochum, Vänskä oder Norrington gehört habe. Dadurch ist aber gerade der 4. Satz enorm durchhörbar gelungen - trotz Allegro keine Raserei und jedes Instrument ist genau ortbar. Überhaupt ermöglicht die gesamte Aufnahme ein Hineinschauen in die Partitur wie mit einer Lupe: jede Kleinigkeit wird hörbar. Extrem detailreich.

Und eins der markanten Eigenschaften von Currentzis kommt auch in diesem Album zum Tragen: eine extreme Dynamik. Allein der Beginn des 2. Satzes - wer hat diesen jemals so leise gespielt (eine Stecknadel könnte man fallen hören) und dabei solch eine Spannung erzeugt? Er reizt das hier bis an die Grenze des noch Hörbaren aus! Currentzis nennt das (im booklet) "sakrale Choreographie" ...
Ein gelungene Neueinspielung!

Viele Grüße
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

tja, was will man sagen? Eine Beurteilung sagt ja mehr etwas über den Beurteilenden als über die Interpretation. Zumal ich zumindest rein emotional an die Sache herangehen. Ich kann ja nicht mal Noten lesen... Was für einen Wert hat dann meine Einschätzung? Außer den, dass ich etwas über mich sage. Und mir geht es halt so, dass ich mit reinen Geschwindigkeitsrekorden nichts anfangen mag. Ich liebe es mehr, den Augenblick auszukosten. Wenn mich aber eine Aufnahme mitreißt allein aufgrund des mich in diesem Moment faszinierenden Tempos, dann lasse ich mich gerne mitnehmen.

Und so werde ich mir den Currentzis durchaus mal anhören. Wenn es spannend ist, auch komplett.

Das war nun der Beitrag, auf den die Welt gewartet hat. :)

Viele Grüße

Jochen
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Tinitus
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Beitrag von Tinitus »

Hallo Jochen und der Rest derjenigen die regelmäßig hier auf Musik hinweisen,

doch doch mich interessiert das sehr (bin allerdings auch nicht die Welt).
Da ich nicht nur nicht Noten lesen kann, sondern auch von Klassik wenig Ahnung habe, sich gerade Klassik aber vom Plattenteller wunderbar anhört, lese ich hier interessiert mit.

Gruß

Uwe
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Melomane hat geschrieben: 17.04.2021, 11:20 Und so werde ich mir den Currentzis durchaus mal anhören. Wenn es spannend ist, auch komplett.
Hallo Jochen,

ja, das ist so eine Sache. Spannend ist die Interpretation allemal. Ob sie auch gefällt? Das ist eine ganz andere Sache.
Es gibt zum Glück sehr viele, sehr gute alternative Einspielungen. Diese dürften hinlänglich bekannt sein ...

Viel Spaß - bin gespannt, ob du sie bis zum Ende durchhörst ;-)

Viele Grüße
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Jörg,

ja, das werde ich. Es läuft gerade der erste Satz. Soweit eine tolle Aufnahme! Punkt!! Ich hatte ein hemmungslos auf die Instrumente dreschendes Szenario erwartet. Aber das ist es überhaupt nicht. Gewiss ist das alles höchst effektvoll in Szene gesetzt. Aber in einer Weise, bei der Interpretation und Aufnahmetechnik jede Instrumentengruppe ins Licht treten lassen und die Musik zum Leben erwecken. Das ist auch nicht flatline, sondern durch die Temporückungen und dynamischen Abstufungen wird das Hören zum Genuss. Heute zumindest. ;) Und die Symphonie wird transparenter mit einer mutmaßlich kleineren Besetzung dargeboten als es ein großes Symphonieorchester gewöhnlich macht/machen kann. Und die Klangfarben kommen auch nicht zu kurz. So lasse ich mir das gefallen. :cheers:

Viele Grüße

Jochen
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Als aktuelle Ergänzung zur obigen Empfehlung:
hier die gerade eben beim Bayerischen Rundfunk erschienene Rezension der 7. Symphonie mit Currentzis:
https://www.br.de/mediathek/podcast/cd- ... te/1823181

Viele Grüße
Jörg
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salsero_at
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Beitrag von salsero_at »

Ich habe versucht, mir die Aufnahme der 7. von Currentzis anzuhören, habe aber nach ein paar Minuten aufgegeben, weil ich sie ganz furchtbar finde. Die Musik beginnt nie zu fliessen, sondern ich habe immer den Eindruck von Stop and go. Und die extremen Dynamikwechsel finde ich maniriert und effekthaschend. Also definitiv nicht meines.

Ich muss leider für meinen Geschmack dieser Kritik im wesentlichen zustimmen: https://www.youtube.com/watch?v=eSOOktKe-Po
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Thomas86
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Beitrag von Thomas86 »

Hallo Namenloser,

Das ist schade, dass du der Aufnahme nichts positives abgewinnen konntest.

Ich habe gerade kurz in den 1. Und 2. Satz hingehört und kann deinen Eindruck nicht teilen.

Gerade den 2. empfinde ich als sehr fließend und das pp ist voller Spannung.
Hier will ich Jörg zustimmen!

Muss ich mir in Ruhe mal zu Gemüte führen.

Grüße
Thomas
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