Schubert: Streichquartett "Der Tod und das Mädchen"

Klangperlen und künstlerische Leckerbissen
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alcedo
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Schubert: Streichquartett "Der Tod und das Mädchen"

Beitrag von alcedo »

Liebe Klassik-Freunde

schon lange habe ich nicht mehr so viel Spaß bei einer kammermusikalischen Aufnahme gehabt wie hier.
Was soll man dazu noch sagen außer „spektakulär – fantastisch - elektrisierend“!

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Durch Zufall habe ich diese Aufnahme kennengelernt. Eine Debüt-CD (die gerade erschienen ist) – obwohl das Quartett bereits seit 2012 auftritt und schon mehrfach 1. Preise abgeräumt hat. Vom jungen vision string quartet aus Berlin hatte ich zuvor allerdings noch nie gehört – und bin restlos begeistert.

Wir kennen alle zur Genüge das Streichquartett Nr.14 von Franz Schubert, das berühmte „Der Tod und das Mädchen“. Aber so dynamisch, jugendlich-frisch, jazzig, wie improvisiert, voller Energie und gleichzeitig so feinfühlig, plastisch hat man es sicherlich nur selten gehört. Alle Vier spielen homogen und verstehen sich offenbar blind.
Zusätzlich ist auf der CD noch Mendelssohns 6. (und letztes) Streichquartett zu hören. Es passt thematisch sehr gut zu Schuberts Meisterwerk und wird ebenfalls brilliant interpretiert.

"Nebenbei" ist die Aufnahme auch technisch herausragend: mit wunderbarer Räumlichkeit und einem schönen warmen Klang.

Sehr hörenswert!

Beste Grüße,
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo Jörg,

danke für deine Empfehlung, die ich gut nachvollziehen kann. Deswegen kam die Einspielung hier in HiRes auf die Festplatte. :cheers:

Viele Grüße

Jochen
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Jörg,

danke für den Tipp. Mich überzeugt die Qualität nicht. Das klingt mir zu klinisch, zu glatt und zu laut. Im direkten Vergleich schneidet klanglich die Neuerscheinung von 12 Ensemble viel besser ab, hat mehr Luft, atmet mehr:

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https://play.qobuz.com/album/ol96eo1rci3ka

Viele Grüße
Harald
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Harald,

wow - da kann man doch gut erkennen, wie unterschiedlich Geschmäcker und Vorlieben sein können :wink:
Ich bin zwar auch Arzt, kann das von dir als "klinisch" Empfundene in der Aufnahme allerdings nicht erkennen. Habe mir daher die Zeit genommen, beide Aufnahmen zu vergleichen.

Abgesehen davon, dass die Aufnahme der 12 Ensemble ein Arrangement (also eine Bearbeitung der Originalpartitur) des Streichquartetts ist und damit natürlich ganz anders klingt, empfand ich die Aufnahme selbst als hallig, metallisch (insbes. im ersten Satz) und die Instrumente nicht sauber zu orten.

Aber nun beispielhaft zur Interpretation selbst. Nehmen wir den Beginn des 2. Satzes. Im Rhythmus eines Totentanzes (hier werden die ersten Takte des gleichnamigen Lieds zitiert) tröstet der Tod das sterbende Mädchen, nimmt ihm die Angst ("bin Freund und komme nicht zu strafen, ...., sollst sanft in meinen Armen schlafen"). Dieses choralsatzartige Thema mit seinen 5 Variationen wird von dem vision string quartet (für meine Begriffe) still und verhalten, "mit-fühlend" interpretiert. 12 Ensemble spielen es eher blutleer, steril, tot - das Mädchen ist jedoch noch nicht tot, sondern liegt im Sterben!

Auch fiel es mir bei der reinen Streichquartettbesetzung deutlich leichter, der filigranen Struktur des Werks zu folgen als mir dies in der überarbeiteten Version von 12 Ensemble gelang. Vorallem im schnellen 1. und 4. Satz wurde dies deutlich.

Kleine Anmerkung: man kann genauso berechtigt das gesamte Quartett als absolute Musik betrachten und darauf beharren, dass dieses dann programmatisch auch nichts mit dem Titel zu tun habe, also dass in der Musik eben nicht der Tod oder das Mädchen musikalisch geschildert werden, sondern die Musik rein nach musikalischen Ausdrucksformen gestaltet wird. Insofern kann auch nicht gesagt werden, welche Interpretation nun "richtiger" ist :lol:

Wer übrigens an spannenden alternativen Aufnahmen dieses Quartetts interessiert ist, dem kann ich die Aufnahmen des Hagen Quartetts (1992: eleganter, feiner, homogener Streicherklang) oder des Alban Berg Quartetts (1997: zupackend, energisch, mit weitem Klangbild) empfehlen.

Ich finde es wirklich sehr interessant (und spannend!) wie unterschiedlich doch solche Interpretationen von uns wahrgenommen werden. Vielleicht höre ich deshalb so gerne "klassische" Musik :roll:
Von daher: Danke Harald, dass du mich auf diese Aufnahme aufmerksam gemacht hast!

Beste Grüße
Jörg
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hkampen
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Beitrag von hkampen »

Hallo Jörg,

du hast ein paar interessante Aspekte aufgezeigt, und ich stimme dir zu: schön, dass es bei viel klassischer Musik verschiedene Aufnahmen und Interpretationen gibt. Das ist da auch nicht vergleichbar mit verschiedenen Versionen im Rock, Pop oder Jazz eines Stücks, die Unterschiede sind oft feiner, außerdem werden individuell interpretierte Coverversionen besonders im Rock und Pop leider immer weniger.

So macht es Spaß, sich mit Musik zu beschäftigen. Wir können unterschiedlicher Ansicht sein, aber keiner ist beleidigt :cheers:

Grüße
Harald
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

so iss es :cheers:
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Marbello
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Beitrag von Marbello »

Mir geht es oft so das die Interpretation eines Stückes, mit der ich es zuerst kennengelernt habe, unbewusst zur Referenz wird.
Bei Schuberts SQ No.14 war das die Aufnahme mit dem Melos SQ von 1975. Eine Interpretation , die ich immer noch schätze ohne dabei
behaupten zu wollen, das sie besser oder gar die Beste sei. Ich hatte das Stück in einem Film gehört ( ich glaube es war " Die Dinge des Lebens ") und mich dann auf die Suche nach Aufnahmen gemacht. Dabei fiel mir das die LP mit dem Melos SQ in die Hände.
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Marbello

das kenn ich gut. Auch bei mir ist oft die "Kennenlern"-Aufnahme für lange Zeit dann die "Referenz". Der Ausdruck ist eigentlich unglücklich (und dennoch nutze ich ihn selbst recht häufig), ich meine damit eher "meine persönliche, rein subjektive Referenz/ meine Lieblingsaufnahme".
Im Laufe der Jahrzehnte habe ich jedoch gelernt, diese Lieblingsaufnahmen immer mehr zu hinterfragen (zumal sich mein Hör-geschmack offenbar auch immer wieder ändert - und nicht nur stimmungsabhängig).

So habe ich gerade - Corona sei Dank - über ein Dutzend "Fidelio"-Aufnahmen abgehört und miteinander verglichen. Und meine bisherige Referenz ist ein wenig nach hinten gerutscht.

Zur Zeit vergleiche ich knapp 18 "Zauberflöten"-Aufnahmen miteinander. Bin gespannt, wie das Ergebnis hier aussehen wird ...

PS: Die Melos-Aufnahme (ich kenne die mit der roten Rose auf dem Cover) finde ich auch recht gut :cheers:

Gruß,
Jörg
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alcedo
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Der Herr der Ringe und ein Streichquartett

Beitrag von alcedo »

„Leidenschaftliche Bezwinger der Saiten“ wurden die vier Musiker des Quatuor Arod von der Fachpresse bereits tituliert.
"Was für eine überbordende Spielfreude, der technische Perfektion und gestalterische Intelligenz nur das Fundament liefern, auf dem sich mit größter Emotion musizieren lässt!" – schrieb die Aachener Zeitung 2016 über das (noch sehr junge) Arod Quartett.

Damals gewannen die vier Musiker gerade den renommierten ARD-Wettbewerb in München. Sie studierten noch und waren dennoch bereits auf extrem hohem Niveau. Ihre Debüt-CD mit Mendelssohn-Streichquartetten erntete viel Lob und Anerkennung, zumal sie mit viel Verve, Poesie, hoher Virtuosität und einem wunderbaren leidenschaftlichen Ensemblegefühl mit scheinbar blindem Verständnis spielen. Die damalige überbordende Spielfreude und technische Brillanz waren jedoch einen Touch zu viel für meine Ohren. Oder überforderte mich einfach. Was auch immer …

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In der neuen Aufnahme mit einigen Streichquartetten von Schubert (darunter natürlich auch Nr.14 „Der Tod und das Mädchen“) scheinen sie noch weiter gereift zu sein. Sie spielen immer noch voller Leidenschaft, interessanten Tempi und höchster Dramatik. Die wunderbaren Kontraste und schroffen Kanten bei Schubert – alles perfekt abgebildet, nichts geglättet, nichts ´schöngespielt´. Mit herrlichen Klangfarben und hoher Intensität.

Ein großartiges Album.

Was das mit dem Herr der Ringe zu tun hat?
Dazu genügt ein Blick auf die Homepage des Ensembles:
Le Quatuor Arod chose as their tutelary figure a horse imagined by Tolkien in The Lord of the Rings. A symbol of strength and ardour (his name means “agile, swift”), he also embodied a spirit of freedom and companionship given that the elf Legolas provided him with a bareback horse, without reins.

Beste Grüße
Jörg
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Melomane
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Beitrag von Melomane »

Hallo,

ich finde auch diese Zusammenstellung recht interessant:

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail ... um/8459567

Bitte die Titel und ihre Variation der Worte beachten. ;)

Viele Grüße

Jochen
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo zusammen,

eine Aufnahme darf hier nicht fehlen, wenn man über die letzten Streichquartette von Schubert redet: die des Artemis Quartetts.

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Ich habe dieses Album dieser Tage wieder mit viel Genuß gehört - nicht nur Nr.14 (Der Tod und das Mädchen), sondern insbesondere Nr. 15. In keiner anderen Aufnahme habe ich dieses G-Dur Konzert so nachvollziehbar, in sich schlüssig und verständlich gehört wie hier.
Leider gibt es dieses (für mich beste Streichquartettensemble, das ich je gehört habe) wohl nicht mehr: sie haben sich (zumindest vorerst) offiziell auf unbestimmte Zeit aufgelöst. Nach all den Schicksalschlägen in der Vergangenheit (so ging 2015 der wunderbarwe Bratschist Friedemann Weigle in den Freitod, beim genialen Cellisten Eckart Runge wurde Krebs festgestellt) und vielen Wechseln in der knapp 25jährigen Ensemblegeschichte erlauben es (nach Infos auf der Homepage) "... die Folgen der zermürbenden Pandemie, ein schwerer Krankheitsfall in engster Familie und der anstehende Mutterschutz von Vineta Sareika dem Quartett derzeit nicht, verlässlich zu planen. Das Artemis Quartett gibt eine Spielpause auf unbestimmte Zeit bekannt und löst die derzeitige Besetzung auf."

Wer Schuberts letzte Streichquartette liebt, wird um diese Aufnahme nicht herumkommen.

Viele Grüße
Jörg
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Horse Tea
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Beitrag von Horse Tea »

Hallo Jörg,

danke für die, für mich neue, Information über die (vorläufige) Auflösung des Artemis Quartetts, dass ich in allen Besetzungen von 1989 bis 2015 live erleben konnte. Dein Urteil, dass es sich um eines der besten Streichquartette in unserer Ära handelt, teile ich vollkommen. Das Alban Berg Quartett, bei dem das Artemis Q. auch in die Schule gegangen ist, habe ich allerdings ähnlich atemberaubend gehört. Leider sind die meisten Alben dieses Ensembles (ABQ) klangtechnisch kein ausgesprochener Genuss.

Viele Grüße
Horst-Dieter
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Hallo Horst-Dieter

ja, das ABQ war wohl jahr(zehnt)elang der Maßstab für alle - auch als Lehrer. Auch für mich zählten sie zusammen mit dem Juilliard Quartett zum Mount Everest der Ensembles. Und natürlich gibt es noch eine weitere große Anzahl hervorragender Quartettbesetzungen wie Hagen, Melos, Suske, Emerson, Mandelring, Amadeus, Gewandhaus, Lindsay, Quartetto Italiano, Belcea, Takacz oder von den älteren das Busch und das Hungarian Quartett - um nur die zu nennen, die mir spontan einfallen.

Wenn ich mir jedoch das oben erwähnte Streichquartett Nr.15 anhöre, bleiben nur wenige in meiner persönlichen Auswahl übrig: Busch, Hungarian und eben auch Artemis :lol:

Beste Grüße
Jörg
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alcedo
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Beitrag von alcedo »

Guten Abend, Kammermusikfreunde

offenbar sind derzeit bei den Streichquartetten Schuberts letzte Quartette en vogue. Denn gerade hat auch das hervorragende französische Ensemble Quatuor Hermès Nr.13 (Rosamunde) und Nr.14 (Der Tod und das Mädchen) eingespielt.

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Nach so vielen Neueinspielungen in den letzten Monaten von den gleichen Werken frage ich mich, was dieses Ensemble nun anders macht. Spielt es noch wilder, schneller, kantiger oder im Gegenteil quälend langsam, leise, mit Eiseskälte? Weder noch! Keine extremen Übertreibungen, sondern intelligent in der Mitte - ausbalanciert, farbenfroh, detailreich. Wohltuend "normal". Einfach nur schön zum Dahinschmelzen.

https://www.youtube.com/watch?v=SXLyZRddLfU
https://www.br-klassik.de/aktuell/br-kl ... s-100.html

Viele Grüße
Jörg
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