Subtraktionsweichen

KSTR
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Beitrag von KSTR »

Hi Winfried,

die reine Pegelabweichung wäre in der Tat kein großes Problem (wobei Gerts Analyse ja einen stark vereinfachten "Labor-Fall" darstellt). Jedoch ist das Problem im Phasenbereich diffiziler, d.h. wenn die Trennfrequenzen links/rechts um ein paar Prozent verschieden sind obwohl sonst alles zu 100% exakt ist, ergeben sich L/R-Phasenunterschiede die dann z.B. die Phantommitte frequenzabhängig leicht wandern lassen, je steiler die Weichen umso schlimmer (auch wenn der betroffene Bereich dann schmaler wird).

Für einen einzelnen LS betrachtet machen solche kleinen Abweichungen sicher keinen langen Bart, aber für die L/R-Gleichheit in allen Belangen (auch off-axis, nicht vergessend) kann da schon einiges zusammen kommen. Ein gutes Argument für digitale Weichen (dann wohl aber incl. individueller L/R-Treiber-"Voraus"-Entzerrung auf gleichen komplexen FG, es sein denn, die Chassis sind schon ab Werk wirklich extremst gut gematcht).

Grüße, Klaus
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:sehe ich richtig, dass die Abweichung durch 1% Kondensator-Bauteiletoleranz unter ca. +/- 0,1 dB liegen?
Oder wie ist die Darstellung zu interpretieren?
Korrekt.
wgh52 hat geschrieben:Falls ich richtig gesehen habe hieße dies nach meiner Meinung, dass Bauteletoleranzen weder absolut noch relativ ein Thema sind (auch wenn man alle Weichenbautele hinzunähme und 1%er nimmt)?
Ich hab' das jetzt nochmal simuliert, indem ich für alle frequenzbestimmenden R und C 1% angenommen habe. Da wird der Vorteil der AP-Weiche ein bisschen größer. Dann habe ich noch den Fall R 1% und C 5% angenommen: Da wird liegt der Amplitudenfehler bei AP innerhalb 0,5dB, bei LR innerhalb 1dB.

Wie Klaus aber richtig bemerkt, liegt das Problem an anderer Stelle:
KSTR hat geschrieben:Jedoch ist das Problem im Phasenbereich diffiziler, d.h. wenn die Trennfrequenzen links/rechts um ein paar Prozent verschieden sind obwohl sonst alles zu 100% exakt ist, ergeben sich L/R-Phasenunterschiede die dann z.B. die Phantommitte frequenzabhängig leicht wandern lassen, je steiler die Weichen umso schlimmer
Die Phasenverläufe liefert die Monte-Carlo-Analyse, die ich gemacht habe, auch gleich mit, und da zeigt sich, dass hier die AP-Weiche der LR-Weiche überlegen ist im Toleranzverhalten.

Viele Grüße
Gert
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Fortepianus hat geschrieben:....Die Phasenverläufe liefert die Monte-Carlo-Analyse, die ich gemacht habe, auch gleich mit, und da zeigt sich, dass hier die AP-Weiche der LR-Weiche überlegen ist im Toleranzverhalten.
Hallo Gert und Klaus,

Interessant, dass die Amplitudenverläufe "toleranzunempfindlicher" sind als die Phasengänge. Nachdem die Analyse das ausgibt, wär' ein Bildchen (im Vergleich zu den Amplitudengängen) aufschlussreich... :roll: :wink: 8)

Gruss,
Winfried
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Winfried,
wgh52 hat geschrieben:Interessant, dass die Amplitudenverläufe "toleranzunempfindlicher" sind als die Phasengänge. Nachdem die Analyse das ausgibt, wär' ein Bildchen (im Vergleich zu den Amplitudengängen) aufschlussreich...
komm' gerade nicht dazu, ist mit etwas Arbeit verbunden. Mach' ich aber, wenn ich Zeit dazu finde.

Gruß Gert
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Fortepianus hat geschrieben:Ich hab' das jetzt nochmal simuliert, indem ich für alle frequenzbestimmenden R und C 1% angenommen habe. Da wird der Vorteil der AP-Weiche ein bisschen größer. Dann habe ich noch den Fall R 1% und C 5% angenommen: Da wird liegt der Amplitudenfehler bei AP innerhalb 0,5dB, bei LR innerhalb 1dB.
Gert,

ich hab schon lang nichts mehr mit analogen Bauteilen zu tun. Ist nicht die übliche Kapazitätstoleranz eher 10%? Oder sind heute die Toleranzen allgemein besser bzw. zumindest bei speziellen "audiophilen" Kondensatoren?

Grüsse

Uli
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Inselurlauber,
uli.brueggemann hat geschrieben:ich hab schon lang nichts mehr mit analogen Bauteilen zu tun. Ist nicht die übliche Kapazitätstoleranz eher 10%? Oder sind heute die Toleranzen allgemein besser bzw. zumindest bei speziellen "audiophilen" Kondensatoren?
stimmt schon, bei Kondensatoren sind 10% durchaus üblich. Für frequenzbestimmende Cs in Weichen nehme ich aber solche mit 1% Toleranz. Die gibt es z. B. als Glimmer-, Styroflex- und MKP-Kondensatoren. Alle drei Arten sind mit einem sehr niedrigen Verlustfaktor gesegnet und gar nicht mal so teuer, wenn man sie nicht in der Apotheke für Audiophiles kauft.

Bei Widerständen gibt's für wenige Cent pro Stück Metallfilmwiderstände mit 1% Toleranz. Wenn's drauf ankommt, gibt's die für ca. 40 Cent auch mit 0,1% Genauigkeit, allerdings kriegt man da nicht jeden Wert aus der E96-Reihe wie bei den 1%ern.

Viele Grüße
Gert
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Winfried, Uli und alle Subtraktionsweichen-Interessierte,

noch ein kleiner Nachtrag. Habe wie versprochen untersucht, wie sich die Sprungfunktion eines Linkwitz-Riley-Filters (LR) im Vergleich zum Allpassfilter (AP) benimmt, wenn man die entscheidenden Bauteile mit einer Monte-Carlo-Analyse variiert. Die Sprungfunktion deshalb, weil das vermutlich erheblich aussagekräftiger ist als die Empfindlichkeit bzgl. des Phasenverlaufs. Die Unterschiede links-rechts in der Sprungfunktion sind ja sehr entscheidend für ein räumliches Klangbild, wie wir im GLZ-Test gelernt haben.

Untersucht wurde wieder das einfache 2-Weg-Filter bei 1kHz Trennfrequenz mit 24dB/Okt. Flankensteilheit. Summiert man die beiden Zweige dann wieder, ist der Amplitudenfehler selbst dann unter 1dB, wenn man Standardbauteile verwendet, also Widerstände mit 1% Toleranz und Kondensatoren mit 10%. Das gilt sowohl für LR wie für AP. In der Sprungantwort macht sich diese Toleranz aber in erheblich größerem Maße bemerkbar als in der Amplitude:

Bild

Auffällig ist hier, dass AP am Anfang, in den ersten 700µs, empfindlicher auf Toleranzen reagiert, LR später so ab 800µs. Beide Verläufe sind aber so, dass ich sie für zu schlecht im Sinn von zu stark gestreut halte.

Verwendet man nun zu den Widerständen mit 1% Toleranz Kondensatoren mit 1%, sieht's schon erheblich besser aus. Wobei es im Allpassfilter eine neuralgische Stelle gibt, nämlich im Allpass. Nimmt man an dieser einen Stelle Widerstände mit 0,1% Toleranz, sieht man die dadurch verursachte Streuung im untersten Bild.

Bild

Fazit: Egal, was man für einen Weichentyp verwendet, ist für eine gleiche Sprungantwort links-rechts für eine enge Toleranz der Bauteile zu sorgen.

Es ist übrigens kein Zufall, dass ich die Bauteile in meinen Allpassweichen genau so gewählt habe wie im letzten Bild.

Viele Grüße
Gert
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Danke für die Berechnungen, Gert.

Darf ich bei der Gelegenheit fragen, wie genau du die LR24-Allpässe realisert hast (topologisches Stichwort reicht)? Weil es gibt da ja doch diverse Möglichkeiten, schaltungstechnisch.

Grüße, Klaus
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Klaus,
KSTR hat geschrieben:Darf ich bei der Gelegenheit fragen, wie genau du die LR24-Allpässe realisert hast (topologisches Stichwort reicht)? Weil es gibt da ja doch diverse Möglichkeiten, schaltungstechnisch.
nach der Methode "selektives Filter von Eingangsspannung subtrahieren", findest Du z. B. im Tietze-Schenk unter "Realisierung von Allpässen 2. Ordnung". Das hat in diesem Fall einen besonderen Charme, weil man den Subtrahierer sowohl für die Realisierung des Allpasses als auch für die Subtraktion des Tiefpasses vom Eingangssignal verwenden kann. Das spart einen OP pro AP-TP-Paar. Die Gewichtungswiderstände am Subtrahierer führe ich als 0,1%er aus, die sind entscheidend. Der Allpass muss nur 2. Ordnung haben, denn er verursacht genau die doppelte Phasenverschiebung eines Tiefpasses 2.Ordnung, weil er anstelle der 1 im Zähler beim TP den konjugiert komplexen Nenner hat. Und LR 4. Ordnung heißt ja nichts anderes als 2 Butterworthfilter mit 2. Ordnung hintereinander.

Gruß Gert
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Hi Gert,

Genau so wie ich schon vermutet hatte also, wegen der cleveren Doppelnutzung des Subtrahierers. Und ein MFB-Bandpass ist ja auch relativ toleranz-unempfindlich, bei so niedriger Güte zumal. Hätte ich jetzt auch nicht erwartet dass *du* da eine suboptimale Lösung genommen hättest, ist nicht dein Stil. :)

Die Frage zielte auch eher darauf ab, ob evtl. eine andere Topologie (GIC z.B.) evtl. noch weniger sensibel ggü Toleranzen wäre. Wobei ein etwaiger geringer Vorteil in der Praxis dann wohl an anderer Stelle verloren geht.

Randnotiz: Gelegentlich liest man von Linkwitz-Riley-Filtern ungerader Ordnung (z.B. dritter, bei einem Subwoofer-Modul ist da was von LR-Tiefpass 3ter Ordnung zu lesen), die nach Definition LR==Butterworth² so nicht gibt. Vermutlich sind kritische Abstimmungen gemeint (alle Pole reell), weil man den Fakt, dass LR12 ja eben erste Ordnung quadriert ist, "aus Versehen" auch gleich für andere Potenzen missinterpretiert hat. Denn bei erster Ordnung sind ja alle Filtercharaktersitiken gleich ...

Grüße, Klaus
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Fortepianus
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Beitrag von Fortepianus »

Hallo Klaus,
KSTR hat geschrieben:Genau so wie ich schon vermutet hatte also, wegen der cleveren Doppelnutzung des Subtrahierers.
ja, das springt einem als Analogschaltungsfreak doch sofort ins Auge. Ich hab' das aber sonst noch nirgendwo gesehen, Du? Vielleicht ab jetzt öfter, ich weiß ja nicht, wer da so alles mitliest :mrgreen: .
KSTR hat geschrieben:Die Frage zielte auch eher darauf ab, ob evtl. eine andere Topologie (GIC z.B.) evtl. noch weniger sensibel ggü Toleranzen wäre. Wobei ein etwaiger geringer Vorteil in der Praxis dann wohl an anderer Stelle verloren geht.
Mit GIC-Filtern hab' ich im TP nach dem DA-Wandler rumprobiert. Auf den ersten Blick denkt man, super, nur wenige Bauteile im direkten Signalweg. Das war aber eine Sackgasse, aus irgendeinem Grunde klangen die GIC-Filter wahrnehmbar schlechter als ein stinknormaler TP 2. Ordnung (vielleicht lag's daran, das das GIC 3. Ordnung hatte, was dort so einfach geht?). Deshalb hab' ich die Lust an den GICs verloren.
KSTR hat geschrieben:Randnotiz: Gelegentlich liest man von Linkwitz-Riley-Filtern ungerader Ordnung (z.B. dritter, bei einem Subwoofer-Modul ist da was von LR-Tiefpass 3ter Ordnung zu lesen), die nach Definition LR==Butterworth² so nicht gibt. Vermutlich sind kritische Abstimmungen gemeint (alle Pole reell), weil man den Fakt, dass LR12 ja eben erste Ordnung quadriert ist, "aus Versehen" auch gleich für andere Potenzen missinterpretiert hat. Weil bei erster Ordnung sind ja alle Filtercharaktersitiken gleich ...
Interessant, dass Du darauf anspielst. Bisher habe ich immer kurz gestutzt, wenn ich "LR mit ungerader Ordnung" irgendwo gelesen habe und hab' das unter "entweder die oder ich haben hier was nicht verstanden" abgehakt. Deine Vermutung, dass damit halt reelle Pole gemeint sind, ist eine mögliche Erklärung.

Viele Grüße
Gert

P.S. Nett zu wissen, dass Du Dich mit dem Filterkram schon tiefgehend beschäftigt hast!
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Kienberg
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Beitrag von Kienberg »

Hallo Gert,

besten Dank für diese Analyse und die sehr interessanten Grafiken dazu.

Werde Dein Vorgehen und die Ergebnisse nächste Woche mal mit Herrn Müller in Zweibrücken diskutieren.

Gruss Sigi
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Habe mal etwas mit PSPICE herumgespielt:

Wenn die Pol - Frequenzen (nicht f3 !!) um Faktor 2 überlappen dann ergibt sich mit zwei kritischen Filtern tatsächlich so etwas wie ein LR - ähnliches Verhalten. Es gibt aber unter- und oberhalb der Uebernahmefrequenz eine leichte Delle von ca 0.5 dB in der Signalsumme (resp Differenz !)und die Phasendifferenz ist ca 145 Grad. Was heissen will, dass man 1.) einen Zweig invertieren muss und 2.) ein leichtes Lobing gegen den Tieftonzweig stattfinden wird, welches aber sicher weniger ausgeprägt ist als B3 mit seinen 90 Grad.

Gruss

Charles
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uli.brueggemann
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Beitrag von uli.brueggemann »

Fortepianus hat geschrieben:
KSTR hat geschrieben:Randnotiz: Gelegentlich liest man von Linkwitz-Riley-Filtern ungerader Ordnung (z.B. dritter, bei einem Subwoofer-Modul ist da was von LR-Tiefpass 3ter Ordnung zu lesen), die nach Definition LR==Butterworth² so nicht gibt. Vermutlich sind kritische Abstimmungen gemeint (alle Pole reell), weil man den Fakt, dass LR12 ja eben erste Ordnung quadriert ist, "aus Versehen" auch gleich für andere Potenzen missinterpretiert hat. Weil bei erster Ordnung sind ja alle Filtercharaktersitiken gleich ...
Interessant, dass Du darauf anspielst. Bisher habe ich immer kurz gestutzt, wenn ich "LR mit ungerader Ordnung" irgendwo gelesen habe und hab' das unter "entweder die oder ich haben hier was nicht verstanden" abgehakt. Deine Vermutung, dass damit halt reelle Pole gemeint sind, ist eine mögliche Erklärung.
Ich kenne Butterwort-Filter über die Definition A = 1/sqrt(1+f^(2n)/fg^(2n))

und LR-Filter als A = 1/(1+f^n/fg^n).

Das beinhaltet auch das LR==Butterworth².

Damit ist dann eine ungerade Ordnung kein Problem. Es sei denn, an den Formeln wäre was falsch. Dann bitte ich als Nicht-Elektrotechniker um Aufklärung. :cheers:

Grüsse

Uli
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phase_accurate
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Beitrag von phase_accurate »

Was mathematisch funktioniert muss in der Praxis nicht unbedingt auch: Wo kriege ich bloss zwei Filter eineinhalbter Ordnung mit Butterworth Charakteristik her, welche ich hintereinender schalten kann ?

Gruss

Charles
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