Sind die B&M-Superhochtöner geregelt?

Christian Kramer
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Sind die B&M-Superhochtöner geregelt?

Beitrag von Christian Kramer »

Hallo ,

ich habe mir mal die Seiten von Aktives Jahrbuch, unter Backes&Müller angeschaut. Mir ist aufgefallen, dass bei der BM12-30 der Superhochtöner nicht geregelt sein soll.

Ich hatte dieses vor zwei Jahren, bei einem Telefongespräch mit der Technik von BM angesprochen, und wurde mir versichert, das dieser Superhochtöner wohl geregelt sei, es handelt sich um eine Stromregelung. Wie dieses funktioniert, keine Ahnung, bin kein Techniker.

Grüße Christian
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Rossi
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Beitrag von Rossi »

Hallo Christian,

nach meinem Wissensstand sind die Superhochtöner der Classic-Line ungeregelt. War es nicht so, daß die Schwingungen der benachbarten Systeme die Regelung der Superhochtöner zu unnötigen Gegenregelungen veranlaßt hat und daher auf die Regelung der Superhochtöner verzichtet wurde? Kann mich aber auch irren.

Gruß, Stefan
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JOE
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Beitrag von JOE »

Einerseits
Christian Kramer hat geschrieben:Ich hatte dieses vor zwei Jahren, bei einem Telefongespräch mit der Technik von BM angesprochen, und wurde mir versichert, das dieser Superhochtöner wohl geregelt sei, es handelt sich um eine Stromregelung.
andererseits
Rossi hat geschrieben:...nach meinem Wissensstand sind die Superhochtöner der Classic-Line ungeregelt.
und schließlich, um die Verwirrung komplett zu machen, B&M selbst im Internet bei ihrer Beschreibung der BM 18 (die elektronisch ja weitgehend baugleich ist mit der BM 12 wie auch der BM 30)
Alle Mittel-, Tiefmittel und Tieftöner werden induktiv, der Hochtöner kapazitiv und der Superhochtöner mit einer Stromgegenkopplung geregelt.
wobei dort gleichzeitig in der Auflistung der technischen Daten (rechts) der von Dynaudio zugelieferte Superhochtöner nicht als geregelt ausgewiesen wird.

Eine "Stromgegenkoppelung" kennt übrigens das "Technik"-Kapitel von B&M überhaupt nicht.
Backes&Müller verwendet zwei Gegenkopplungsarten: die induktive und die kapazitive.
Gruß
Joe
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ich interpretiere das so, dass der SHT keine Erfassung der Membranbewegung mit einem Sensor aufweist und damit auch keine äussere Regelschleife in diesem Sinne, jedoch wird er an einem als Stromquelle geschalteten Verstärker betrieben -- und dieses Verhalten wird wohl per spezieller Gegenkopplung (des Verstärkers) erzielt, ein übliches Verfahren. Zumindest würde mE ein solches Vorgehen Sinn machen, der Strombetrieb hat bekannte Vorteile. Eine Erfassung und Verwertung der (ja mikroskopisch kleinen) Membranbewegung oder des erzeugten Schalls eines SHT halte ich ingenieurstechnisch für extrem schwierig und nicht wirklich lohnend.

Grüße, Klaus
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JOE
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Beitrag von JOE »

KSTR hat geschrieben:Eine Erfassung und Verwertung der (ja mikroskopisch kleinen) Membranbewegung oder des erzeugten Schalls eines SHT halte ich ingenieurstechnisch für extrem schwierig und nicht wirklich lohnend.
... findet, aber bei Silbersand wohl für alle Systeme statt.

Als Nicht-Techniker kann ich das aber nicht beurteilen; und in wie weit auch im obersten Frequenzbereich die Regelung was bringt, das kann man wohl gesichert nur feststellen, wenn man testweise die Regelung (bei ansonsten gleichen Bedingungen) abschaltet und so zu einem unmittelbaren Vergleich kommt. Allerdings ist zu bedenken, dass auch mehr als 20 kHz und winzige Hübe für Elektronik kein unüberwindbares Hindernis darstellen.

Letztlich steckt hinter der hier angeschnittenen Frage nach der Regelung auch des SHTs doch nicht der bloße technische Aspekt, sondern die Frage nach dem möglichen Klanggewinn - und wie teuer er kommt (um das geschmähte Wort vom Grenznutzen wenigstens ausserhalb der Klammer zu vermeiden).

Gruß
Joe
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Ralph
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Beitrag von Ralph »

Hallo,

die Regelung des Hochtonbereiches macht dramatisch Sinn, wenn man sich vor Augen führt, welche Mechanismen das angelegte Musiksignal in der Schwingspule auslöst:
Die in der Spule "verbratene" Leistung führt zu Temperaturschankungen des Schwingspulendrahtes, welcher darauf seinen Leitwiderstand verändert. Diese Widerstandsänderung kann Amplituden von bis zu 30% erreichen und damit im Bereich zwischen Aufheizen und Abkühlen den Pegel des abgestrahlten Schalls bei gleicher elektrischem Input verändern.

Eine Regelung gleicht diesen Effekt aus, da der Sensor automatisch die benötigte Leistung von der Endstufe anfordert.

Viele Grüße,
Ralph
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Christian Kramer
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Beitrag von Christian Kramer »

Hallo Ralph,
es ist noch viel schlimmer, als ich vor ein paar Jahren bei Herrn Krings war, damals noch eine Passiver, hat Herr Krings mir eine sehr interessante Broschüre mitgegeben.
Ein Sonderdruck aus HiFi Exklusiv 1 und 2/88, von Friedrich Müller.
Ich hoffe, dass Herr Müller nichts dagegen hat:
Die Schwingspule eines dynamischen Lautsprecher besteht aus dünnen Kupferdraht,wegen der schlechten elektrischen Eigenschaften seltener aus Aluminiumdraht, und soll möglichst hohe Temperaturen aushalten.
In der Praxis können durchaus Temperaturen von 180 Grad Celsius auftreten.
Nun ist die elektrische Leitfähigkeit der Metalle stark temperaturabhängig.
Kupfer erhöht zum Beispiel seinen Widerstand bei einer Temperaturerhöhung von 100 Grad um circa 30 Prozent.
Das bedeutet nicht anderes, als dass ein Hochtöner mit heißer Schwingspule um 40 bis 50 Prozent leiser ist als im kalten Zustand.
Da die Wärmekapazität der sehr leichten Schwingspule äußerst gering ist, dauert es nur Bruchteile von Sekunden, bis sie aufgeheizt oder abkühlt ist, und im gleichen Rhythmus wird der Hochtöner lauter und leiser.
Es ist also sehr wichtig, gerade hier eine Regelung einzubauen.

Grüße Christian
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Ralph hat geschrieben:Die in der Spule "verbratene" Leistung führt zu Temperaturschankungen des Schwingspulendrahtes, welcher darauf seinen Leitwiderstand verändert.
[...]
Eine Regelung gleicht diesen Effekt aus, da der Sensor automatisch die benötigte Leistung von der Endstufe anfordert.
Der Witz dabei ist, dass es dazu nun nicht zwingend eine Regelung oder einen Sensor braucht -- das entscheidende Kriterium ist, dass der Verstärker eine Stromquelle und nicht wie sonst üblich eine Spannungsquelle darstellt, welche die Schwingspule speist. D.h. ein extra Sensor am Chassis ist nicht notwendig, die Spule fordert gewissermassen "selbst" die notwendige Spannung an, aber der Strom wird eingeprägt -- dann sind Impedanzschwankungen jeglicher Art der Schwingspule als Verzerrungseinfluss eliminiert (dynamische Chassis sind Stromwandler). Diese Einprägung kann wie gesagt auch ohne Regelung in der Endstufe erfolgen - auch wenn es praktischerweise meistens so gemacht wird, eben die Realisation einer von der Eingangsspannung abhängigen Stromquelle mit Hilfe einer passenden Gegenkopplung.

Für Interessierte hier sehr gute technische Grundlagenartikel:

Distortion Reduction in Moving-Coil Loudspeaker Systems Using Current-Drive Technology
Transconductance Power Amplifier Systems for Current-Driven Loudspeakers

Dort kommt auch eine echte Membranregelung zum Einsatz (induktiver Aufnehmer), in erster Linie um die Überhöhung bei der Systemresonanz des Chassis zu kontrollieren, da im Strombetrieb die elektrische Dämpfung ja entfällt.

Grüße, Klaus
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wgh52
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Beitrag von wgh52 »

Danke Klaus,

sehr gute Zusammenfassung/Erklärung, ich verstehe jetzt einiges besser!

Gruss,
Winfried
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Gern geschehen, Winfried.

Bloß dass wir jetzt immer noch nicht genau wissen ob, wo und wie genau bei BM/Silbersand nun eine echte Membranregelung (per extra Sensor und Regelschleife) zum Einsatz kommt, bei Superhochtönern. Bei den "normalen" Hochtönern wohl ja, bei den Silbersands...

Grüße, Klaus
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JoeBroesel
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Beitrag von JoeBroesel »

Hi,
BM20: Bei allen Sensorregelung, auch beim SHT (dort kapazitiv)
BM30: beim SHT gibt es keine Sensorregelung, bei allen anderen Chassis schon.
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JOE
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Beitrag von JOE »

Sofern nicht jemand von B&M hier mal kurz Klarheit schafft, wird man das doch sicher am 26./27.9. zur Sprache bringen können und dann auch darüber hier berichten. (Und die paar Tage werden wir auch trotz der elementaren Unsicherheit überleben.)

Gruß
Joe
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BM Fan
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Beitrag von BM Fan »

Hallo
bei den Prozessormodellen ist der SHT Stromgegengekoppelt.
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Christian Kramer
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Beitrag von Christian Kramer »

Hallo Leute,

ich habe für die Fragen aller Fragen eine Antwort von Herrn Zimmermann von Backes & Müller erhalten:

Diese Frage führt leider häufig durch widersprüchliche Aussagen im
www zu Verwirrungen. Also:

Grundsätzlich sind alle Chassis der Classic-Line bis heute geregelt.
Hierbei gilt es aber drei verschiedene Arten der Regelung zu unterscheiden:

1) Induktive Regelung:
Tief-, Tiefmittel- und Mitteltöner sind mit einer Sensorspule ausgestattet.
Dabei bewegt sich diese Sensorspule mit der Membran in einem separa-
ten Magnetfeld, wodurch eine Spannung entsprechend der Bewegung
induziert wird. Dieses Signal wird auf die Regelungselektronik vor der
Enstufe gegeben und grob gesagt mit dem tatsächlichen Eingangssignal
verglichen. Unterschiede zwischen Eingangssignal und aus der Membran-
bewegung gewonnenem Signal werden somit quasi in der Entstehung
bereits korrigiert.

2) Kapazitive Regelung:
Hochtöner (und Superhochtöner vor ca. 1990) haben keine Sensorspule
sondern ein Gitter hinter der Kalotte. Hierbei wird das NF-Signal auf eine
Gleichspannung von 280V moduliert und auf die Aluminiumkalotte
gegeben. Aufgrund der "Hochspannung" und dem geringen Abstand des
Gitters hinter der Kalotte entseht ein elektrisches Feld ähnlich einem
Kondensator, bei welchem sich die Kapazität und somit der Strom relativ
zur Membranbewegung ändert. Durch eine Strom-Spannungswandlung
erhält man wiederum ein Signal, welches wie bei der induktiven Regelung
auf die Regelungselektronik vor der Hochtonendstufe (bzw. Superhochton-
endstufe) gegeben und mit dem tatsächlichen Eingangssignal
verglichen und entsprechend korrigiert wird.

3) Regelung durch Stromgegenkopplung:
Diese Technik kommt bei Superhochtönern ab ~Baujahr 1990 bis heute
zum Einsatz. Erwärmt sich die Schwingspule durch hohen Pegel, ändert
sich normalerweise deren Widerstand bzw. die Impedanz. Das bedeutet
aber auch, dass sich die Bewegung der Kalotte bei gleicher von der
Endstufe abgegebener Spannung reduziert und somit sich also der
Schalldruck reduziert. Grundsätzlich bestimmt der Strom durch die
Schwingspule am Ende den Schalldruck. Ziel ist es also, diesen Strom die
Impedanz betreffend möglichst konstant zu halten. Um dies zu erreichen,
wird das NF-Signal von der Schwingspule des Superhochtöners zurück an
die Endstufe gekoppelt und nicht wie sonst üblich am Schwingspulen-
ausgang auf Masse geschaltet. Die Impedanz der Schwingspule spielt
hierbei dann eine fast zu vernachlässigende Rolle, da die Endstufe den
erforderlichen Strom - bis an ihre maximale Belastungsgrenze natürlich -
abgibt. Somit kann man den Schalldruck trotz durch Erwärmung steigen-
der Impedanz relativ zum tatsächlichen NF-Signal nahezu konstant
halten.

Zusammengefasst kann man also sagen: Alle Töner der Classic-Line sind
geregelt, jedoch hat der Superhochtöner ab ~1990 keinen Sensor zur
Regelung mehr. Alle Töner sind geregelt, aber nicht alle sind sensor-
geregelt.
_________________
Schönen Tag
Zimmermann, BM-Service


Ich möchte mich hiermit beim Herrn Zimmermann, und den BM-Service Team bedanken.

Grüße Christian
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KSTR
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Beitrag von KSTR »

Danke Christian,
für das Übermitteln der Aufklärung.

Ergänzend sollte man vlt. nochmal explizit erwähnen, dass 3) eine völlig andere Art von Regelung darstellt als 1) und 2). Letztere sind eine echte Membranregelung, d.h. die Membranbewegung wird elektrisch erfasst und ausgewertet, während 3) nur eine Membransteuerung ist, in dem das Chassis im Strombetrieb läuft. Wie schon erwähnt ist dazu nicht zwingend eine Regelschleife erforderlich, im Gegensatz zu 1) und 2). Jedoch ist die Kopplung von Membran und Schwingspule bei den SHT wohl ausreichend "hart", um auf eine echte Membranregelung verzichten zu können (da diese schon Schwierigkeiten bei der Erfassung der Messgröße hätte).

Details zu einer kapazitiven Membranregelung für DIY-Zwecke gibt es übrigens hier (wollte ich neulich schon verlinken, da war die Seite aber offline):

www.servospeaker.com

inklusive aller konstruktiven Details und ausführlichen Messungen des Erfolges!

Und im bereits verlinkten Paper von Hawksford/Mills ist eine induktive Regelung beschrieben.

Grüße, Klaus
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