Hallo Alex,
ich erlaube mir mal, die Werbeaussagen zu dem Chassis bzw. LS im Kontext zu kommentieren.
Achenbach hat geschrieben:Prinzip
Die Point P30 ist ein 2-Wege Standlautsprecher, der mit einem 30cm großen Koaxial-Chassis von PHL bestückt ist. Der Hochtöner, ein hochwertiger BMS Druckkammertreiber, ist von hinten auf das Magnetsystem des Tieftöners montiert, wobei der Polkern und die Membran des Tieftöners als Horn fungieren.
Hinten auf dem Magneten der HT, vorn der TT, das ist ein bewährtes Konzept, wie es schon Tannoy mit seinem Monitor vor 50 Jahren baute. Witzigerweise mit vorauseilendem HT in der Sprungantwort, obwohl der HT deutlich weiter hinten angebracht war.
Philosophie
Der Koax gibt den kompletten Frequenzbereich von 40 Hz bis 20kHz wieder und stellt eine punktförmige Schallquelle wie bei einem Breitbandlautsprecher dar, jedoch nicht mit dessen Problemen an den Bereichsenden.
Damit ist wohl gemeint, dass eine Aufteilung auf eine größere Membran für tieferen Bass und das Horn für HT einen größeren Bereich abdecken können, ohne die sonst übliche große Welligkeit im FG obenrum, dafür liegen die zu lösenden Probleme in der Mitte des Bereichs.
Vorteile
Bei herkömmlichen Lautsprechern mit räumlich getrenntem Tief-Mittel- und Hochtöner sind die Schallentstehungsorte konstruktionsbedingt im günstigsten Fall 10cm voneinander entfernt, in der Praxis eher 15cm. Bei Instrumenten mit breitem Tonspektrum, z.B. einem Klavier, ergibt sich somit, dass hohe Töne in einer höheren Position geortet werden könnten als tiefe und mittlere. Dieser Effekt irritiert das Ohr und die räumliche Wiedergabe wirkt undifferenziert.
Das ist eine Behauptung, die sich mit LS, die eine inverse Chassisanordnung haben, leicht widerlegen lässt. Auch bei denen ortet man das Becken über der Trommel, weil es unsere ohrmuschelformbedingten HRTF sind, die die musikalischen Höhen auch räumlich höher wahrzunehmen pflegen.
Der zweite ausschlaggebende Punkt zur Verwendung eines koaxialen Systems ist der, dass egal in welcher Position der Hörer sich befindet, der Schall immer die gleiche Strecke zurücklegt. Interferenzen im Übergangsbereich zwischen Tief- und Hochtöner können gar nicht erst entstehen.
Dass das akustische Zentrum des Hochtonbereichs weiter vom Hörer entfernt ist als das Zentrum der Schallentstehung von Bass/MT, ähnelt einer Situation wie wenn man den 2-Wege LS mit der üblichen vertikalen Trennung unter dem optimalen Winkel abhört und nicht von dieser Schse abweicht.
Der Test in Hobby-Hifi zeigt bei der Sprungantwort ein Vorauseilen des Tieftöners um knapp 0,4 ms, was etwa 8cm entspricht. Eine Herausforderung an das Frequenzweichendesign, das genau zu kompensieren.
Ein Breitbandlautsprecher hat nur einen Schallentstehungsort, hier sind es sichtlich 2, die zeitkohärent zu koordinieren sind. Dafür ist die Frequenzweiche zuständig. Auf der Suche nach der Sprungantwort von Passivweiche und Chassis kam ich zu
https://www.open-end-music.de/vb3/showthread.php?t=4884.
Dort sieht man eine positive Anstiegsflanke des Tieftöners, die durch die entgegengesetzte Orientierung des Hochtöners bei zeitlich etwa 40% in die Gegenrichtung unter die Nulllinie gerissen wird.
Was von Achenbach dort als optimale Sprungantwort gepriesen wurde, stieß auf den Widerspruch der Mitforenten, dem er sich durch Schließen des Threads entzog.
Wenn man einen Subwoofer in dasselbe Gehäuse integriert, stellt sich die Frage, warum man den 12" TT braucht, dessen deutliches Nachschwingen im Bereich 2kHz mit unausweichlichen Verfärbungen gleichzusetzen ist. Ein 8" TT hätte vermutlich diese Problem erst in einem höheren Bereich, der vielleicht schon vom HT übernommen würde.
Hier sind die Hobby-HiFi-Messungen
Mit all diesen Bedenken und Hinweisen auf innere Widersprüche würde ich eher eine DSP-basierte 3-Weg Lösung vorschlagen, voraussetzend, dass man jedem Pfad ein individuelles Delay einstellen kann.
Und die erforderliche Gehäusegröße, die sich durch die Integration eines Subwoofers ergibt, bietet die einmalige Chance, in die Tiefe zu bauen, also den Sub nach hinten daranzubauen.
Der Hintergedanke ist, den SubBass weniger als 1/4, möglichst weniger als 1/8 der Wellenlänge der gewählten Übergangsfrequenz vor der Wand zu platzieren, den BMT möglichst weiter als 1/2 der Wellenlänge, um den Allison-Auslöschungen ein Schnippchen zu schlagen.
Da jede Frequenzweiche ihre Phasendrehungen und Gruppenlaufzeiten mit sich bringt, kann bei einer 3-Weg Weiche diese wie auch die räumliche Wegdifferenz kompensiert werden, vorausgesetzt, die möglichen Schritte sind fein genug.
Bei einer Vollaktivlösung könnte man auch das chaotische HT-Treiber-Impedanzverhalten (unterhalb 4kHz) weitgehend unberücksichtigt lassen, bei einer Passivweiche sehe ich Bedarf für genau abgestimmte Saugkreise. Hobby-HiFi nennt als Resonanzfrequenz des HT 800-2500Hz, das sind anderthalb Oktaven, wo man eine einzige Zahl, eine konkrete Frequenz erwartet.
Die 66g Membranmasse sollen eine tiefe Basswiedergabe unterstützen, da ist der Mitteltonbereich vermutlich nicht mehr sonderlich gut aufgelöst. Auch das spricht für eine Lösung, wo keine Passivweichenbauteile die Kopplung und Kontrolle an die Endstufe behindern. Mit dem Subwoofer im Rücken ist man ja nicht auf den Tiefbass durch die schwere Membran des Koax angewiesen.
Das alles spricht nicht gegen das genannte Chassis, aber ich rate zur Vollaktivierung, und dann ist MiniDSP unzureichend.
Da hat sich seit 2012 bei PlateAmps einiges getan...
Grüße
Hans-Martin