Daten-induzierter Jitter
Verfasst: 26.01.2009, 16:01
Zunächst kurz, wie das Signal aussieht (die Bilder sind aus der AES/EBU-Spec Tech. 3250-E Third edition):
Es zählt nur die Flanke, egal, ob von High nach Low oder von Low nach High. Die Vorschrift ist, dass für eine logische Eins beim ersten Taktzeitpunkt der Zustand gewechselt wird, und beim nächsten Taktzeitpunkt auch. War also der Zustand vorher 0, wird die Eins durch 10 dargestellt. War vorher 1, ist es 01. Für eine Null wird beim ersten Taktzeitpunkt gewechselt, beim zweiten nicht. War vorher 0, ist es 11. War vorher 1, ist es 00.
Solche Doppel-Bits (Biphase codiert) gibt es 32:
Die ersten 4 Bit sind der Vorspann, und daraus wird der Takt rekonstruiert. Der Vorspann wird daran erkannt, dass die eigentliche Vorschrift, dass nach spätestens zwei Taktzyklen der Zustand gewechselt werden muss, bewusst verletzt wird. Kommt nämlich dreimal hintereinander der gleiche Zustand, befindet man sich am Anfang des Frames. Er kann die Struktur X, Y oder Z annehmen:
X, Y und Z ist dafür da, dass man die gesendeten Status Bits, in denen Taktfrequenz, Emphasis usw. drin steht, in die richtigen Bytes einsortieren kann - davon gibt's 24 für jeden Kanal. Vorspann X sieht also z. B. so aus:
Je nachdem, wieviele Nullen oder Einsen gesendet wurden, kann es sein, dass ein Offset vom idealen Mittelwert 0,5 übrigbleibt - diesen Offset kann man mit dem Paritybit ausgleichen, wenn nötig. Man kann das Signal also DC-frei übertragen, zum Beispiel mit den beiden Zuständen +0,2V und -0,2V oder auch +5V und -5V.
Mal angenommen, der Takt, der dies steuert, sei ideal präzise. Wodurch sollte dann ein Jitter entstehen? Da lässt sich doch genau sagen, wann's losgeht!
In der Theorie ja, in der Praxis nein. Nehmen wir mal an, wir wollen die Bitkombination 1-0 oder 1-1 senden. Ich habe mal hingemalt, wie das biphase codiert aussehen könnte:
Oben die ideale Welt für 1-0 und 1-1, darunter die reale. Der Übertragungskanal unseres Signals hat eine untere und eine obere Grenzfrequenz. Die obere bewirkt, dass die Flanken nicht unendlich steil (also senkrecht) sind. Die untere Grenzfrequenz bewirkt, dass das Signal nach einem Zustandswechsel wieder absinkt (das Dach ist kein ideales Flachdach, sondern sinkt mit einer fallenden e-Funktion ab). Schaut man sich jetzt den Zustand am Ende von 1-0 an, sieht man im Gegensatz zur idealen Welt einen Offset, der durch die untere Grenzfrequenz bedingt ist. Welche Flanke auch immer nun zur Taktrekonstruktion heran gezogen wird - irgendwo liegt die Schwelle, ab der das Signal als "es hat gewechselt" erkannt wird. Wäre nun die Flanke exakt senkrecht (= unendliche hohe obere Grenzfrequenz), wäre es egal, mit welchem Offset das Signal daher kommt. Im unteren Bild sieht man aber, dass ein Offset im Signal bei endlicher Anstiegsgeschwindigkeit einen anderen Zeitpunkt zur Folge hat, an dem die Erkennungsschwelle überschritten wird.
Über lange Zeit betrachtet ist der DC-Offset natürlich Null. Aber von Frame zu Frame kann ein kleiner Offset entstehen, dessen Größe vom Signal selbst abhängt, wie im Beispiel für 1-0 und 1-1 gezeigt. Da ist er! Der dateninduzierte Jitter!
Er ist um so ausgeprägter,
1. je langsamer der Anstieg der Signalflanke ist, und
2. je schneller das Signal nach einem Flankenwechsel wieder absinkt.
Zu 1. In der Spec steht, dass die Signalanstiegszeit zwischen 5ns und 30ns betragen soll. Je schneller, desto mehr Störstrahlung, je flacher, desto mehr Jitter. Ich klopf' deshalb die Pulse mit 1ns raus, da kenn' ich nix.
Zu 2. Das ist nun ein ganz interessanter Punkt - die schrägsten "Dächer" gibt's nämlich, wenn man einen Trenntrafo verwendet. Das gehört ja zum guten Ton, es trennt ja auch galvanisch (Stichwort Masseschleife), und für so manches Haienten-Trafölein kann man ordentlich Geld ausgeben. Bis ich die Zusammenhänge begriffen hatte, habe ich mich immer gewundert, warum die symmetrische AES/EBU mehr Spektakel auf meinem in der DAC-Vorstellung beschriebenen Jittermonitor verursacht als die eigentlich verpönte S/PDIF. Es liegt am Trenntrafo (in AES/EBU Vorschrift) und seiner hohen unteren Grenzfrequenz. Die Trenntrafos haben in der Studiowelt natürlich ihre Berechtigung (Thema Masseschleifen). Heute verwende ich die symmetrische AES/EBU, aber unvorschriftsmäßig ohne Trenntrafo.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Verwirrung beitragen
Viele Grüße
Gert
Es zählt nur die Flanke, egal, ob von High nach Low oder von Low nach High. Die Vorschrift ist, dass für eine logische Eins beim ersten Taktzeitpunkt der Zustand gewechselt wird, und beim nächsten Taktzeitpunkt auch. War also der Zustand vorher 0, wird die Eins durch 10 dargestellt. War vorher 1, ist es 01. Für eine Null wird beim ersten Taktzeitpunkt gewechselt, beim zweiten nicht. War vorher 0, ist es 11. War vorher 1, ist es 00.
Solche Doppel-Bits (Biphase codiert) gibt es 32:
Die ersten 4 Bit sind der Vorspann, und daraus wird der Takt rekonstruiert. Der Vorspann wird daran erkannt, dass die eigentliche Vorschrift, dass nach spätestens zwei Taktzyklen der Zustand gewechselt werden muss, bewusst verletzt wird. Kommt nämlich dreimal hintereinander der gleiche Zustand, befindet man sich am Anfang des Frames. Er kann die Struktur X, Y oder Z annehmen:
X, Y und Z ist dafür da, dass man die gesendeten Status Bits, in denen Taktfrequenz, Emphasis usw. drin steht, in die richtigen Bytes einsortieren kann - davon gibt's 24 für jeden Kanal. Vorspann X sieht also z. B. so aus:
Je nachdem, wieviele Nullen oder Einsen gesendet wurden, kann es sein, dass ein Offset vom idealen Mittelwert 0,5 übrigbleibt - diesen Offset kann man mit dem Paritybit ausgleichen, wenn nötig. Man kann das Signal also DC-frei übertragen, zum Beispiel mit den beiden Zuständen +0,2V und -0,2V oder auch +5V und -5V.
Mal angenommen, der Takt, der dies steuert, sei ideal präzise. Wodurch sollte dann ein Jitter entstehen? Da lässt sich doch genau sagen, wann's losgeht!
In der Theorie ja, in der Praxis nein. Nehmen wir mal an, wir wollen die Bitkombination 1-0 oder 1-1 senden. Ich habe mal hingemalt, wie das biphase codiert aussehen könnte:
Oben die ideale Welt für 1-0 und 1-1, darunter die reale. Der Übertragungskanal unseres Signals hat eine untere und eine obere Grenzfrequenz. Die obere bewirkt, dass die Flanken nicht unendlich steil (also senkrecht) sind. Die untere Grenzfrequenz bewirkt, dass das Signal nach einem Zustandswechsel wieder absinkt (das Dach ist kein ideales Flachdach, sondern sinkt mit einer fallenden e-Funktion ab). Schaut man sich jetzt den Zustand am Ende von 1-0 an, sieht man im Gegensatz zur idealen Welt einen Offset, der durch die untere Grenzfrequenz bedingt ist. Welche Flanke auch immer nun zur Taktrekonstruktion heran gezogen wird - irgendwo liegt die Schwelle, ab der das Signal als "es hat gewechselt" erkannt wird. Wäre nun die Flanke exakt senkrecht (= unendliche hohe obere Grenzfrequenz), wäre es egal, mit welchem Offset das Signal daher kommt. Im unteren Bild sieht man aber, dass ein Offset im Signal bei endlicher Anstiegsgeschwindigkeit einen anderen Zeitpunkt zur Folge hat, an dem die Erkennungsschwelle überschritten wird.
Über lange Zeit betrachtet ist der DC-Offset natürlich Null. Aber von Frame zu Frame kann ein kleiner Offset entstehen, dessen Größe vom Signal selbst abhängt, wie im Beispiel für 1-0 und 1-1 gezeigt. Da ist er! Der dateninduzierte Jitter!
Er ist um so ausgeprägter,
1. je langsamer der Anstieg der Signalflanke ist, und
2. je schneller das Signal nach einem Flankenwechsel wieder absinkt.
Zu 1. In der Spec steht, dass die Signalanstiegszeit zwischen 5ns und 30ns betragen soll. Je schneller, desto mehr Störstrahlung, je flacher, desto mehr Jitter. Ich klopf' deshalb die Pulse mit 1ns raus, da kenn' ich nix.
Zu 2. Das ist nun ein ganz interessanter Punkt - die schrägsten "Dächer" gibt's nämlich, wenn man einen Trenntrafo verwendet. Das gehört ja zum guten Ton, es trennt ja auch galvanisch (Stichwort Masseschleife), und für so manches Haienten-Trafölein kann man ordentlich Geld ausgeben. Bis ich die Zusammenhänge begriffen hatte, habe ich mich immer gewundert, warum die symmetrische AES/EBU mehr Spektakel auf meinem in der DAC-Vorstellung beschriebenen Jittermonitor verursacht als die eigentlich verpönte S/PDIF. Es liegt am Trenntrafo (in AES/EBU Vorschrift) und seiner hohen unteren Grenzfrequenz. Die Trenntrafos haben in der Studiowelt natürlich ihre Berechtigung (Thema Masseschleifen). Heute verwende ich die symmetrische AES/EBU, aber unvorschriftsmäßig ohne Trenntrafo.
Ich hoffe, ich konnte ein wenig zur Verwirrung beitragen
Viele Grüße
Gert