KSTR hat geschrieben:
Bei höheren Frequenzen hat man auch mehr und mehr von der direkten Richtwirkung durch den erhöhten Hallradius.
Eine DSP-Hörplatzkorrektur hat es dann leichter zu guten Ergebnissen zu kommen.
(Her
vorhebung von mir: Ich werde jetzt die "Monopol, Dipol, Kardioid" Frage für den modalen Bereich des Raums hier weitgehend aussparen ...)
Hallo Klaus,
diesen Punkt unterstütze ich auf jeden Fall, denn das Bündelungsmaß (ca. 4.8dB sowohl bei "gewöhnlichen" Kardioiden als auch bei idealtypischen Dipolen) erhöht schlicht und einfach den Direktschallanteil und das wirkt sich in "direkter Weise" aus, je weiter man sich vom modalen Verhalten des Raums entfernt:
In den meisten Räumen hat ein Kardioid m.E. im Bereich oberhalb der Schröderfrequenz bis in den unteren Mittelton dadurch deutliche Vorteile gegenüber konventionellen LS-Systemen, die dort meist nur ein geringes - und oft sehr frequenzabhängiges - Bündelungsmaß aufbauen können(*).
(D.H. wir sprechen momentan für viele Räume vom Bereich ca. 120 ... 600 Hz, wo ein Kardioid meist deutliche und gehörmäßig auch einfach nachvollziehbare Unterschiede zu den meisten üblichen konventionellen Systemen zeigt. Den rein modalen Bereich des Raums unterhalb der Schröderfreqenz würde ich dann tatsächlich in einem anderen Thread diskutieren wollen ... )
Der Kardioid muss dazu allerdings mit einem gewissen Abstand zur Frontwand aufgestellt werden, je nachdem in welchem Frequenzbereich er betrieben wird: Er quittiert zwar auch eine Aufstellung direkt vor Wand nicht so sehr wie andere Systeme mit überhöhtem Tiefton, aber die Dipol-Komponente fällt dann weg - wie Bruno schon sagte - und es ist dann "kein Kardioid mehr", sondern ein Halbraumstrahler ...
DSP-Hörplatzkorrektur vs. Kardioid-Verwendung:
Wenn man z.B. in den Bereich oberhalb 300Hz kommt, stellt sich mir schon die Frage, ob eine "DSP-Hörplatzkorrektur" nicht eigentlich zur "DSP-Lautsprecherkorrektur" wird, denn die Hörzone, für die eine bestimmte Korrektur im Raum "gültig" ist, steht ja in Relation zur Wellenlänge:
Wenn bei 300Hz knapp 30cm (ein Viertel der Wellenlänge) ausreichen, um von einem Druck- in ein Schnellemaximum einer (stehenden) Schallwelle zu gelangen, dann würde ich den Gültigkeitsbereich einer "sehr hörplatzspezifischen" DSP-Kompensation dort mal mit +/- 15cm ansetzen, und eigentlich ist das schon zu hoch angesetzt, denn innerhalb dieser Distanz schlägt eine bestimmte "Korrektur" bei 300Hz bereits potentiell in in eine "Verschlimmbesserung" um. Mittelt man andererseits für die Korrektur über mehrere beieinanderliegende Hörplätze, dann bleibt bei 300Hz nicht mehr viel "Hörplatzspezifisches" in der errechneten Korrektur.
Der Kardioid entfaltet seine unbestreitbaren Vorteile also m.E.
gerade in einem Frequenzbereich, wo sich die gesamte Idee der DSP-Hörplatzkorrektur ohnehin relativiert und mehr und mehr zur "DSP-Lautsprecherkorrektur" wird:
Der Kardioid "funktioniert" diesbezüglich vom oberen Bass bis in den Mittelton sehr zuverlässig auch für mehrere Hörplätze bei entsprechender Aufstellung: Eine DSP-Hörplatzkorrektur jedoch im Grunde nicht mehr, sie kann vorwiegend noch eventuelle Auffälligkeiten des LS selbst beseitigen(**). Deshalb setze ich gerne Kardioide ein ...
Wer also ab dem oberen Bass bis in den Mittelton nur die Wahl "Kardioid" oder "konventionelle Box mit DSP-Hörplatzkorrektur" (z.B. Box mit Bündelungsmaß <3dB) hätte, der wäre in Bezug auf raumbedingte Artefakte an den Haupt-Hörplätzen mit dem Kardioid allein sehr viel besser aufgestellt.
Das gilt insbesondere dann, wenn der Kardioid "sauber" konstruiert bzw. bereits intern so kompensiert ist, daß sein (Freifeld-) Frequenzgang hier unauffällig ist.
Gegen eine Kombination von Kardioid-LS und DSP-Hörplatzkorrektur spricht jedoch nichts, denn vor allem bei tieferen Frequenzen lassen sich auch hier potentiell noch Vorteile bezüglich Raumartefakten erzielen (***).
Grüße Oliver
_____________
(*) Es war bei mit nicht nur einmal, daß ich gerade in "Messesituationen", wo man oft mit "durchwachsener" Raumakustik zu tun hat, Kardioide als "Best Performer" empfunden habe:
Mir ging das z.B. vor Jahren mit der Amphion "Krypton" so, die vom oberen Bass bis in den Mittelton diesbezügleich ein ähnliches Grundkonzept wie die Kii THREE verfolgt.
(**) Von extremen Asymmetrien der Aufstellung und dadurch bedingten Veränderungen der Strahlungsimpedanz zw. linkem und rechtem LS einmal abgesehen: Wer jedoch ernste Probleme auf dieser Ebene hat, für den wird HiFi ohne Maßnahmen im Innenausbau ohnehin schwierig.
Mit schwankenden Abständen (links und rechts) zu einer Frontwand im Raum (z.B. Frontwand schräg, einseitig versetzt oder mit Wand-Durchbruch einseitig ...) kann jedoch ein richtig eingesetzter Kardioid m.E. am besten umgehen, denn er strahlt direkt nach hinten praktisch keinen Schall ab.
(***) Wenn Bruno sagt, die Kii THREE ist unter 40Hz praktisch ein Monopol, dann dürfte die Dipol Komponente auch in der Oktave darüber nicht voll ausgprägt sein: Für die Kii gestaltete sich eine DSP-Hörplatzkompensation für die tiefen Frequenzen des modalen Bereiches also recht ähnlich, wie bei einer konventionellen Box und sie würde je nach Abhörsituation auch genauso davon profitieren oder bei "nichtkorrigierbaren" Artefakten auch nicht ...